Luciana Bradley und die Sammlungen der Väter von Picadelly ================================================================================ Kapitel 5: Aus Fehlern lernt man - nicht ---------------------------------------- Aus Fehlern lernt man - nicht   Luciana lag mit dem Kopf auf ihren verschränkten Armen und starrte seit einer geschlagenen Ewigkeit auf den bröckeligen Putz der Decke. Das regelmäßige Atemgeräusch von Remus war unterdessen mit all den anderen Hintergrundgeräuschen verschmolzen, wie die vielen Sirenen, die von den umliegenden Straßen seit nunmehr als einer halben Stunde dumpf durch das verschlossene Fenster drangen und Anzeichen dafür gaben, dass die Stadt langsam wieder Herr über die chaotische Lage geworden war.      Den Weg von der Küche bis in eins der oberen Stockwerke des Hauses, hatte sie kaum bewusst mitgeschnitten, da ihr der unterkühlte Abgang von Professor Snape noch immer im Kopf umherschwirrte und sie sich einfach keinen Reim darauf machen konnte. Erst war ihr der Gedanke gekommen, dass es etwas mit ihrer kleinen Pyjama-Party mit Remus zu tun haben musste, immerhin war es nicht das erste Mal, dass sie den Eindruck bekommen hatte, Snape würde ihr eine heimliche Affäre mit dem Werwolf andichten. Allerdings zählte diese Form der Interpretation ganz klar zur Kategorie ‚Überbewertung‘ und die Erklärung, der Professor habe am Ende der Sitzung einfach genug von ihrer Person und der, letztendlich absichtlich massiv detailreichen, Berichterstattung gehabt, war wesentlich naheliegender.      Jedoch war Luciana nicht darauf vorbereitet gewesen, beim Übertreten der Schwelle zu Remus Zimmer von einem derart klarem Déjà-vu überrumpelt zu werden - eine ganz spezielle Nacht nach einem gewissen Aufenthalt im Zaubereiministerium betreffend. Und das konnte sie in diesem Augenblick so gar nicht gebrauchen, vor allem, da sie sich fest vorgenommen hatte, ihre Gedanken endlich von diesem griesgrämigen Kerl abzuziehen.      „Nun, ich bin zwar kein Freund von deiner Rolle in der Mission heute Nacht gewesen“, durchbrach Remus die Stille – also hatte sie doch mit der Vermutung richtig gelegen, er habe auch keinen Schlaf finden können, „aber du hast trotz und alledem einen guten Job gemacht.“      „Danke“, sagte Luciana und dann herrschte eine, nicht zu verleugnende, angespannte Stimmung in der Luft. Die Idee Remus unter vier Augen zu sprechen und ihm über sein Wissen, sie und Snape betreffend, auf den Zahn zu fühlen, war plötzlich gar nicht mehr reizvoll.      „Triffst du dich eigentlich noch mit diesem – Wie hieß er noch gleich, Dennis, David –„      „Dan“, antwortete Remus auf Lucianas kläglichen Versuch, ein beiläufiges Gespräch zu beginnen. „Nein, das hat zu nichts geführt.“      „Mmh“, und wieder Stille.      „Hast du Tonks mittlerweile gesteckt, dass du-„      „Nein“, unterbrach er sie schnell, „ich warte noch auf die passende Gelegenheit.“      „Na dann warte aber mal lieber nicht zu lange … bei den Hoffnungen, die sie sich macht.“      „Das ist kompliziert“, bemerkte Remus mit wehmütiger Stimme und ja, zumindest das konnte sie ihm sehr gut nachempfinden.      „Ich weiß“, sagte sie nach einer halben Ewigkeit.      „Mmmh.“      Wieder Stille. Und dieses Mal wollte Luciana partout kein weiteres Gesprächsthema einfallen, welches auch nur halbwegs unverfänglich gewesen wäre. Früher hatte es niemals ein Problem dargestellt, stundenlang mit Remus über alles und nichts zu reden, ob mit oder ohne Alkohol im Blut. Er gehörte zu den wenigen Werwölfen der UOWV, der nach so vielen Jahren (er war als Kind gebissen worden) noch immer große Probleme mit seinem ‚Zustand‘ hatte und auch wenn ihm diese Tatsache das Leben in vielen Dingen erschwerte, machte ihn das gleichzeitig zu einem sehr angenehmen Zeitgenossen. Er gab nicht viel darauf, wie ein Alpha-Männchen durch die Gegend zu stolzieren und bei jeder Gelegenheit einen Streit vom Zaun zu brechen, so, wie es viele Werwölfe taten. Außerdem war er ein verdammt guter Zuhörer. Aber auch wenn Luciana ihm in der Vergangenheit beinahe alles anvertraut hatte, von ihren ersten kläglichen, sexuellen Erfahrungen mit Männern bis hin zu den wenigen Momenten in ihrer Zeit an den nicht magischen Schulen, in denen ihr der Außenseiter-Status doch mehr zugesetzt hatte, als sie es vor irgendeinem anderen zugegeben hätte, das Thema Snape wagte sie nicht anzusprechen. Und vielleicht hatte sie Remus Reaktion wirklich nur falsch verstanden, immerhin konnte sie gut und gerne auch eine Spur zu paranoid sein (wenn man mit Gabriel Steinhardt aufwuchs, blieb das schlicht und ergreifend nicht aus) und –      „Wie konntest du nur mit Severus schlafen?!“, platzte Remus auf einmal heraus und yap, so viel zum Thema paranoid.      „Ehm“, begann sie, vollkommen überfordert von dieser Überrumpelung. „Wie bitte??“      „Luciana.“ Über der Couch sprang an der Wand eine Öllampe an und kaum, dass sie sich an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnt hatte, schaute ihr ein angesäuert dreinblickender Remus entgegen, inklusive Verasch-mich-nicht-Blick.  „Versuch es gar nicht erst zu leugnen – an dem Abend hat die gesamte Küche nach Severus und deinen Ausdünstungen-„      „Ist ja gut!“, unterbrach sie ihn hastig, in der Hoffnung erst gar keine Bilder in ihrem Kopf entstehen zu lassen. Zu spät. Verdammte Werwolfnase. Dabei hatte sie wirklich angenommen, mit dem Anti-Geruchszauber alle Spuren beseitigt gehabt zu haben. Selbstverständlich war ihr erst die Idee gekommen, als es schon viel zu spät für die Schadensbegrenzung gewesen war. Wenigstens hatte er keinen blassen Schimmer, dass sie es ausgerechnet in seinem Bett getrieben hatten.      „Es ist einfach passiert“, sagte sie dann, doch er schien in keiner Weise zufrieden mit dieser nichtssagenden Phrase. „Und es war eine absolut einmalige Sache.“      „Er ist dein Lehrer, er kann nicht –„      „Nein!“, warf Luciana ein und hob dabei warnend einen Finger in Richtung Couch, zum Ende des Zimmers. „Jetzt schieb ihm das nicht in die Schuhe, du weißt ganz genau wie ich sein kann.“      Remus schien sich dies einen Moment lang durch den Kopf gehen zu lassen, während er mit seiner Hand nachdenklich sein Haar durchwühlte – welches schon vorher einen sehr strubbeligen Eindruck gemacht hatte.      „Er ist sechsunddreißig, du bist seine Schülerin, seine Schutzbefohlene, egal was du angestellt haben magst – es sei denn, da war ein Trank oder Zauber im Spiel, du hast doch nicht …?“      Für diese unverschämte Unterstellung verzichtete Luciana gerne auf ihr zweites Kissen und schmiss es Remus mit voller Wucht ins Gesicht.      „Uff!“      „Er war im Raum, als ich mich umgezogen habe“, sagte sie, noch immer empört darüber, dass er angenommen hatte sie habe es nötig ‚Hilfsmittel‘ einzusetzen, „und vielleicht habe ich ihn gebeten mir beim BH Öffnen zu helfen“, fügte sie etwas kleinlaut hinzu.      „Zu viel Information“, sagte Remus und machte dabei ein furchtbar wehleidiges Gesicht.      „Der ging wirklich nicht auf!“ Stille. „Vielleicht wäre er aufgegangen, wenn ich es wirklich versucht hätte, aber mal ernsthaft, einmalig!“      „Huhu“, machte Remus und sah ganz und gar nicht danach aus, als sei er überzeugt. „Das hat er gesagt?“ Bei dieser Frage musste Luciana schlucken. Und nicht nur, weil sie sich fragte wie viel sie sagen sollte, sondern da ihr die Antwort selbst nicht gefiel.      „Er hat gar nichts gesagt.“ Darauf machte Remus ein sehr verwirrtes Gesicht.      „Wie, er hat gar nichts gesagt?“      Luciana zuckte nur ratlos mir den Schultern.      „Moment mal“, damit richtete er sich aus seiner liegenden Position etwas auf und stützte sich mit einem Arm ab, um sie aus dieser Perspektive noch besser fassungslos anstarren zu können. „Um das einmal zusammen zu fassen: Ihr seid, aus welchen Gründen auch immer, miteinander im Bett gelandet, an dem Abend der Mysteriumsabteilung“, Luciana nickte, „und ihr habt kein klärendes Gespräch darüber geführt, wie es dazu kommen konnte.“      „Da der halbe Orden plus UOWV Vorstand genau dann das Haus stürmen musste, als wir gerade eben … also … es gab nicht wirklich eine Gelegenheit dazu.“      „Nun, ehm … vielleicht nicht an dem Abend, aber was war seitdem?“      Daraufhin konnte sie nur den Blick senken und auf ihrer Unterlippe herumkauen.      „Nicht ein Wort?“ Remus hörte sich mittlerweile beinahe wütend an. „Das sieht ihm ähnlich“, fügte er noch murmelnd hinzu und schnaubte kopfschüttelnd auf. Luciana versuchte den Stich, den ihr diese Worte versetzten, so gut es ging zu ignorieren, doch vergeblich.      „Also macht er das oft“, ein fragender Blick von ihm, „mit Schülerinnen schlafen und danach so tun, als sei nichts gewesen.“      Remus machte plötzlich den Eindruck einer unbeweglichen Statue, nur das vermehrte Blinzeln ließ vermuten, dass noch Leben in ihm steckte. Dann fing er plötzlich schallend an zu Lachen. Luciana konnte darauf nur tief durchatmen, die Zähne zusammenbeißen und abwarten, bis es vorbei war – der Stich hatte sich mittlerweile als Kloß in ihrem Hals abgesetzt. Sie konnte dieser Situation wirklich nichts Komisches abgewinnen.      „Tut mir Leid, tut mir Leid“, warf Remus zwischen seinen Lachern ein und hielt sich mittlerweile den Bauch. „Ich meine –„ hicks, „kannst du dir vorstellen“, kicher, „was Minerva mit ihm anstellen würde wenn –„, damit schüttelte er seinen Kopf, warf sich in sein Kissen und hob seine Hand. „Gib mir einen Moment.“ Und endlich, nach einem Augenblick, in dem sich Remus anscheinend sehr angestrengt am Riemen riss, setzte er sich wieder auf. Von seinem Anflug der offenkundigen Freude war nur noch ein leichtes Grinsen auf seinem Gesicht zu sehen. „Nein“, sagte er und atmete tief durch, „das sieht ihm gar nicht ähnlich. Du weißt ja, dass ich ein Jahr Lehrer an Hogwarts war.“ Luciana nickte. Remus war vor drei Jahren wie vom Erdboden verschluckt gewesen. Als er wieder aufgetaucht war, hatte er einen bitterbösen Streit mit Johnny gehabt und auch sie selbst hatte ihm diese plötzliche Funkstille übel genommen. „Und Severus und ich in meiner Schulzeit im selben Jahrgang waren?“ Wieder nickte sie zur Bestätigung. „Ich glaube nicht, dass es ihm Recht wäre, wenn ich zu viel darüber ausplaudere, aber sei dir sicher, Severus Snape gehört nicht zu der Sorte Mann, die sonderlich … beliebt beim anderen Geschlecht sind. Oder beim eigenen“, damit setzte er ein schiefes Grinsen auf, „weder heute, noch damals.“ Der Kloß war wie von Zauberhand verschwunden. Faszinierend. „Es sieht ihm lediglich ähnlich die Dinge zu ignorieren, die aus seiner Kontrolle geraten sind.“      „Das erklärt einiges“, murmelte Luciana und sah Remus dann mit durchdringendem Blick an. „Du darfst niemanden davon erzählen, verstehst du?“      „Ich glaube du hättest es gemerkt, wenn ich es irgendjemandem erzählt hätte.“      „Und das bleibt auch dabei, versprochen?“      Stille. Er senkte seine Augen und schien scharf nachdenken zu müssen.      „Remus, ich halte seit Jahren für dich dicht, also bitte …“ Darauf sah er sie wieder direkt an und machte einen sehr zögerlichen Eindruck. Ganz der Kerl mit einer Spur zu viel Verantwortungsbewusstsein.      „Ja, ich verspreche es“, sagte er letztendlich mit widerwilligem Tonfall und knipste mit einem genervten Seufzer die Öllampe aus. Luciana lehnte sich, mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen, zurück in ihr Kissen, schloss die Augen und hatte das erste Mal in dieser Nacht das Gefühl wirklich todmüde zu sein. Dementsprechend schnell versank ihr Bewusstsein in –      „Warte mal“, sie machte zur Bestätigung, dass Remus zumindest zum Teil ihre Aufmerksamkeit hatte, ein „Mh?“, „… BH geklemmt, du hattest dir an dem Abend doch ein paar Klamotten von mir-„ Lucianas Augen flogen mit einem Mal auf, alle Müdigkeit war wieder aus ihren Knochen gewichen.      Ohoh.      „Ihr habt doch nicht ernsthaft … in meinem Zimmer -“ Mit glühenden Wangen verkroch sie sich unter die Bettdecke, ihr „Es tut mir Leid“ drang nur dumpf darunter hervor.      „Beim Barte des Merlin, IN MEINEM BETT!!“   *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*   „Gn‘ Morgen“, nuschelte Luciana in die Küche hinein und schlurfte einem Zombie gleich, mit wirrem Haar im fahrig gebundenen Zopf und halb geöffneten Augen, Richtung Tresen, auf dem eine halbvolle Kaffeekanne stand und ihr gerade den Eindruck vom Heiligen Gral vermittelte. Ihr Rücken hatte ihr die Nacht auf der durchgelegenen Matratze sehr übel genommen und allgemein fühlte sich ihr Körper wie nach einer durchzechten drei Tages Party an.      „Wohl eher guten Mittag.“ Diese korrekturlastige Stimme konnte nur von einer ihr bekannten Person stammen und natürlich – als Luciana sich auf einen der Hocker vor den Tresen gehievt hatte und sich zum Tisch in der Mitte des Raums umwandte, sah sie Granger, die mit einer aufgeschlagenen Daily Mirror zwischen Potter und dem zweitjüngsten Weasley Sprössling saß. Das hatte ihr für einen guten Start in den Tag gerade noch gefehlt.      „Ich dachte für die Ferien bist du nicht im Orden?“ Potter, der seine Zeit anscheinend nicht für irgendwelche Begrüßungsfloskeln verschwenden mochte und sie durchdringend anschaute. Wenigstens besaß Ronald noch den Anstand, ihr mit einem Halbgrinsen zuzuwinken.      „Jetzt löchert das arme Ding doch nicht sofort mit Fragen“, herrschte Mrs Weasley das Goldene Trio an (nicht ihre Worterfindung; so nannte man die drei wirklich hinter den Mauern von Hogwarts) und schüttete Luciana Kaffee in einen Becher. Kaum war dieser gefüllt, umschloss sie diesen mit beiden Händen und zog ihn zu sich heran. Beim ersten Schluck bereute sie nicht einmal, dass sie sich, rein temperaturtechnisch, wohl noch besser ein paar Minuten hätte gedulden sollen.      „Nach der Nacht möchtest du doch sicher ein ausgiebiges Frühstück?“ Mrs Weasleys Fürsorge in allen Ehren, aber bei dem Gedanken an Würstchen und Speck verzog sie automatisch das Gesicht und nahm einen weiteren Schluck Kaffee, bevor ihr Geschmacksgedächtnis auf dumme Ideen kam.      „Nein danke, Mrs Weasley.“      „Was war denn letzte Nacht?“, hakte Potter prompt nach und bekam von Granger, inklusive Augenrollen von dieser, die Tageszeitung vor den Latz geknallt.      „Worüber wird sich den gesamten Morgen in diesem Haus unterhalten, Harry?“ Potter und Ronald tauschten einen höchst verwirrten Blick aus. „Ihr würdet auch mal was Wichtiges mitbekommen, wenn ihr nicht den gesamten Tag über irgendwelchen Quidditsch-Kram reden würdet!“      In diesem Moment tat ihr Granger beinahe leid. Sicher war das Mädchen nicht gerade jemand, mit dem sie sonderlich gut klar kam. Sie war eine unverbesserliche Streberin, die jeden und alles ungefragt korrigierte und zudem äußerst empfindlich auf Regelbruch reagierte. Alles in allem eine sehr besserwisserische Person mit wenig Sinn für Humor, zumindest was Lucianas betraf. Allerdings verbrachten die drei gefühlte vierundzwanzig sieben Zeit miteinander und das ewige Sportgequatsche musste einen schier wahnsinnig machen, wenn sich keine Alternativen auftaten und man sich persönlich nicht die Bohne dafür interessierte.      „Es gab heute Nacht einen Stromausfall?“, sagte Potter überrascht, richtete die runde Brille auf seiner Nase zurecht und zog die Zeitung ein Stück näher zu sich heran.      „Oh, das ist das Zeugs wo die Muggel Licht mit machen und so!“ Ronald schien sehr stolz auf dieses Wissen zu sein, wobei Luciana das starke Bedürfnis unterdrücken musste, fassungslos den Kopf zu schütteln. Gerade Zaubererfamilien, die in ihrem Alltag wenig bis gar keine Berührungspunkte außerhalb ihrer kleinen Zaubererwelt erfahren hatten, steckten bei jedem noch so kleinsten nicht magischen Belang den Kopf in den Sand – dementsprechend dürftig fiel ihr Allgemeinwissen aus. Was bei Zeiten wirklich anstrengend sein konnte, vor allem in den Ordenssitzungen, in denen Luciana sogar einmal hatte erklären müssen, was ein Metalldetektor war (und da lag die Beschreibung ja wohl schon im Namen).      „Für einen Stromausfall hätte es bestimmt keine Titelseite gegeben, Harry!“, bemerkte Granger spitz, doch Potter schien sie gar nicht mehr zu beachten.      „Der Buckingham Palace wurde überfallen“, rief er überrascht. Dann flogen seine Augen nur so über den Artikel.      „Wohnt da nicht die Muggelkönigin?“ Bei dieser Nobelpreis-reifen Bemerkung spitzte selbst Mrs Weasley missmutig die Lippen und warf ihrem Spross einen strengen Seitenblick zu.      „ (…) eine offizielle Stellungnahme hat es bisher nicht gegeben, doch aus zuverlässigen Kreisen werden Stimmen laut, die von einer Elektromagnetischen Waffe sprechen, die für den Schaden in Zentral London in der letzten Nacht verantwortlich sein soll. Bisher hat sich noch keine Terrororganisation zu dem Anschlag bekannt. Die ermittelnden Behörden schließen die Beteiligung von ausländischen Regierungen bislang aus. Der Präsident der Vereinigten Staaten hat in einer Pressekonferenz seine sofortige Hilfe angeboten, wie eine Vielzahl weiterer Länder (…)“ Potter ließ an dieser Stelle die Zeitung wieder sinken. Luciana hatte sich unterdessen aus den Bruchstücken ihrer zerschossenen Zigarettenschachtel einen vollständigen Glimmstängel zusammengebastelt und diesen angezündet.      „Wieso bricht man in den Buckingham Palace ein um eine Briefmarke kaputt zu machen?“, fragte Potter verwirrt in die Runde und Luciana fluchte lautlos in ihrem Kopf. Hätte sie in der letzten Nacht nur eine Minute länger gehabt, wäre der Umstand mit der Mauritius gar nicht aufgefallen. Oder zumindest nicht heute.      „Die gehen momentan davon aus, dass der Einbruch nur ein Probelauf war“, sagte Granger und nahm dabei Luciana ins Visier - diese versuchte einen betont neutralen Gesichtsausdruck aufzusetzen, „und dass das Zerreißen der Briefmarke eine Provokation sein sollte.“      Gut. Sollten sie das glauben. Jedoch war es sehr stark zu bezweifeln, dass Voldemort nicht spätestens nach dieser Schlagzeile (die es zu hundert Prozent in vielfacher Ausführung in allen erdenklichen Medien gab, selbst in der Zaubererwelt) Wind von ihrem Vorhaben bekommen hatte. Das bedeutete wohl ein Wettrennen um die letzte Marke, die noch in Frage kam.      „Aber das stimmt natürlich nicht“, fügte Granger nach einem Moment des Schweigens hinzu und schien sich ihrer Sache verdammt sicher.      „Oh, Luciana“, lenkte Mrs Weasley ein; gesegnet sei ihr unerschöpfliches Ablenkungsrepertoire, „wie sind deine ZAGs eigentlich ausgefallen?“ Und ein besseres Thema als Noten hätte ihr wirklich nicht einfallen können, um Granger auf andere Gedanken zu bringen.  Doch Luciana konnte darauf nur mit den Schultern zucken.      „Keine Ahnung, die Ergebnisse sind noch nicht da.“      „Aber wir haben die Eulen schon letzte Woche bekommen“, bemerkte Granger. Luciana runzelte die Stirn, fasste sich dann in die Hosentasche und zog ihr Miniaturmobiltelefon daraus hervor.      „Mrs Weasley, wären Sie bitte so nett darauf einen Vergrößerungszauber zu wirken?“, bat sie und schob das Telefon über den Tresen.      „Hast du deinen Zauberstab etwa nicht dabei?“, fragte Mrs Weasley und ließ das Handy mit einem Schlenker ihres Zauberstabs auf Normalgröße anwachsen.      „Danke.“      „Wieso lässt sie ihren Zauberstab zuhause?“, hörte sie Ronald an Potter flüstern, während sie schon auf der Tastatur herumdrückte und sich das Gerät an ihr Ohr hielt.      „Kronleuchter, Ronald.“ Mit dieser Aussage konnte dieser anscheinend so gar nichts anfangen und ja, im Grunde hatte sie genau das im Sinn gehabt.      „Ja?“, ertönte, nach ein paar Leerzeichen, die Stimme ihres Paten.      „Ist eine Eule für mich angekommen?“      „Nicht, dass ich darüber informiert wäre.“      Luciana ließ einen genervten Seufzer hören, doch da fiel ihr etwas Anderes ein.      „Kannst du Johnny eben fragen?“      „JONATHAAAAAN!!“      Klasse, da hatte sie den Hörer eine Millisekunde zu spät außer Schadenreichweite gezogen. Grummelnd rieb sie sich ihr fiepsendes Ohr und legte das Handy an ihr Linkes. Am anderen Ende der Leitung war nun dumpfes Gemurmel zu hören, dann wieder Gabriel.      „Vor einer Woche ist offenbar ein Brief aus Hogwarts für dich angekommen.“      „Super“, patzte Luciana angesäuert, „verpass der Flachpfeife mal einen ordentlichen Schlag auf den Hinterkopf. Und mach einen Kamin im Sangues auf, ich komme in fünf Minuten rüber.“ Wütend drückte sie den roten Knopf und knallte das Handy auf den Tresen. Mrs Weasley verwandelte es unaufgefordert wieder zurück und schenkte ihr ein wenig Kaffee nach.      „Mach dir keine Sorgen, Kind, ich bin mir sicher-„      „LUCIANAAA!!!“ Mit einem Mal wurde sie von vier Armen gleichzeitig gepackt und in eine stehende Position bugsiert, eine Sekunde später war sie von einem Knäuel aus Weasley-Zwillingen umgeben. Das entlockte ihr nicht nur das erste Lächeln des Tages, sondern verdrängte den Gedanken daran, dass ihre heiß begehrten ZAG Ergebnisse schon seit etlichen Tagen zum Greifen nahe gewesen waren.      „George, leg meine Zigarettenschachtel auf der Stelle wieder zurück!“      „Wie macht die das?“, sagte George empört und entließ sie zeitgleich mit seinem Bruder aus der Umarmung. Die Schachtel schmiss er mit einem Schnauben wieder an ihren Platz zurück (es war nicht das erste Mal, dass die beiden versucht hatten, sie mit so einer oder ähnlichen Aktionen, am Rauchen zu hindern).      „Ihr seht noch immer nicht haargenau gleich aus, ihr seid auch nicht exakt gleich groß und ihr habt nicht mal den gleichen Körpergeruch. Ach ja, und ich habe zwei Augen im Kopf, auch wenn ihr versucht, mich immer wieder abzulenken.“ Oh hätte sie doch bloß nichts gesagt – jetzt schnüffelten sich die beiden doch ernsthaft gegenseitig an den Achseln herum … und verzogen im nächsten Moment die Gesichter.      „Jungs, ich würde echt gern mit euch plaudern, aber ich habe ein Zeitfenster von zehn Minuten, meinen Hintern durch den Kamin nach Hause zu befördern. Wenn Gabriel gnädig ist, dann fünfzehn Minuten. Also, sehen wir uns die Tage in eurem Laden?“, sagte sie, kippte sich den restlichen Kaffee die Kehle herunter und schnappte sich ihre durchlöcherte Schachtel Zigaretten und das Mobiltelefon vom Tresen. George und Fred tauschten einen Blick, sahen sie darauf an, verschränkten die Arme vor sich und machten ziemlich erwartungsvolle Gesichter, mit einem Hauch Angepisstheit in der Mimik.      „Ehm … habe ich was verpasst?“, fragte sie und versuchte sich krampfhaft an eine Gegebenheit zu erinnern, die die beiden hätte verstimmen können.      „Ich weiß nicht, George, hat sie was verpasst?“      „Keine Ahnung, Fred, hat sie?“      Stille und weiteres Starren. Ihr Zeitfenster für die Flohreise schrumpfte immer weiter. Und dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.      „Oh verdammt, das ist heute?“      „Ja, verdammt, das ist heute“, antworteten die beiden wie aus einem Mund.      „Tut mir leid, das hätte ich echt verschwitzt … aber mit letzter Nacht und-„, Luciana biss sich mit einem Seitenblick auf das Goldene Trio, welches mit offener Neugierde die Szenerie vor ihnen begutachtete, auf die Zunge, „das erzähl ich euch später. Sieben Uhr, wenn ich mich richtig erinnere?“      „Ja, sieben Uhr“, bestätigte Fred, „Und vergiss nicht, feierliche Kleidung.“ Luciana salutierte zur Bestätigung, verpasste den Zwillingen jeweils einen Klaps auf die Schulter und winkte den anderen zum Abschied.      Auf dem Weg hoch ins Kaminzimmer wäre sie fast über Kreacher, den tattrigen Hauself des Grimmauldplatzes, gestolpert, als dieser gerade eins seiner Fledermaus ähnlichen Ohren von der Küchentür genommen hatte und darauf mit fahriger Bewegung Staubwischen mimte, ohne dabei einen Wedel in der Hand zu halten. Luciana warf ihm einen mahnenden Seitenblick im Vorbeigehen zu und sprintete den Rest der Treppe bis zu ihrem Ziel. Anscheinend hatte sie es noch innerhalb der zehn Minuten geschafft, denn glücklicherweise landete sie wirklich auf einem der Gänge im Sangues und nicht irgendwo im Flohnetzwerknirwana.   *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*   „Was für eine Streberin.“ George schüttelte pikiert den Kopf und reichte mit angewidertem Blick ihre Prüfungsergebnisse mit zwei Fingern an Fred weiter. „Widerlich“, bestätigte dieser auf das Blatt Pergament schauend und verzog dabei demonstrativ sein Gesicht.      „Das habe ich nun davon“, sagte Luciana theatralisch seufzend und schnappte sich den Brief aus Freds Griffeln. „Da beeilt man sich, hat kaum Zeit die passenden Klamotten raus zu suchen“, „Du siehst umwerfend aus“, „Danke Jordan – hat nicht einmal mehr die Gelegenheit seine Ergebnisse ohne Augenzeugen zu öffnen, damit ich bloß nicht zu eurer – wie habt ihr es gleich genannt? –  ‚Party zur Ehren der Weasley Galleonen‘ zu spät komme und nun habt ihr nichts weiter als Hohn und Spott für mich übrig.“      „So war das nun auch ni-„      „Dabei könnte ich euch mit all dem Wissen überhäufen“, fuhr sie unbeirrt fort und kippte sich, zur künstlerischen Pause ihrer Einlage, ein Pinnchen Feuerwhisky runter, „wie man ein ganzes Gremium von sehr erfahrenen Prüfungszauberern täuscht und nach Strich und Faden verarscht.“ Daraufhin brach ein Grölen unter den Anwesenden aus und es wurde gleich die nächste Runde bernsteinfarbener, bester Feuerwhisky aus Irland eingeschenkt.      Luciana hatte sich letzten Endes tatsächlich verdammt sputen müssen. Der Weg vom Kamin, einmal quer durch den Bunker in ihr Zimmer, war so oder so schon elendslang (Gabriel weigerte sich noch immer, den im Wohnzimmer freizugeben, nur zu äußerst seltenen Gelegenheiten hatte dieser Zugang zum gesamten, und nicht nur Bunker internen, Flohnetzwerk) und in ihren vier Wänden angekommen, hatte sie erst einmal eine äußerst ausgiebige Dusche genommen, welche längst überfällig geworden war. Selbst danach hätte sie noch rund zwei Stunden Zeit gehabt, hätte ihr Pate ihr nicht von Rennoc ausrichten lassen, dass dieser die ersten zwei Wochen Ordensprotokolle fertig übersetzt hatte und diese nun zur Abholung an seinem Krankenbett bereitstünden. Da dem alten Vampir ohne seine abertausenden Büchern offensichtlich die Langeweile gepackt hatte, musste sie dann noch eine geschlagenen Stunde an seinem Bett sitzen und ihm haarklein erzählen, wie die Nacht im Buckingham Palast verlaufen war. Und dabei schien ihn nicht einmal die Mission selbst zu interessieren, nein, vielmehr hatte er sie im Punkto Details der Inneneinrichtung des Lesezimmers der Königin gelöchert.      Am Ende war Luciana mit dampfenden Schuhsohlen (so hatte es sich zumindest angefühlt) zurück zu ihrem Kleiderschrank gelaufen, hatte sich dort ein schlichtes, dunkelblaues Kleid mit weitem Rückenausschnitt gegriffen (welches selbstredend keinen BH zuließ, aber sie hatten nicht umsonst Hochsommer und ein bisschen Schwund war immer), um darauf zurück zum Kamin zu hechten. Irgendwo dazwischen war ihr Johnny entgegen gekommen, der ihr kommentarlos den geschlossenen Briefumschlag von Hogwarts überreicht hatte und natürlich hatte sie sich die fünf Minuten Zeit nehmen müssen, um ihrem Paten logisch nachvollziehbar erklären zu können, wieso der Kamin gleich zweimal an demselben Tag ‚für alle Welt‘ offen stehen musste.      Trotzdem war sie, mit nur fünf Minuten Verspätung, in der Winkelgasse sechsundneunzig eingetroffen. Allerdings hatte sie eine ganze Weile mit halb offenen Mund das Ladenlokal angestarrt, welches sich in den langsam dämmernden Abendhimmel erstreckte und an Auffälligkeit kaum noch zu übertreffen war. Die Weasley Zwillinge hatten ihr Geschäft ‚Weasley’s Zauberhafte Zauberscherze‘ schon vor den Ferien eröffnet, jedoch war dies die erste Gelegenheit, bei der sie selbst Augenzeuge des Ergebnisses werden konnte. Jeder noch so vielstöckige Hamley‘s Spielzeugwarenladen wäre bei dem Anblick vor Neid erblasst und Lucianas erster Gedanke war, ob George und Fred sich jetzt schon mit Sammelklagen der umliegenden Ladenbesitzern herumschlagen mussten, da man vor lauter Bunt, Geblinke und scheinbar Tausender beweglicherer Schaufensterteile kaum noch die Eingänge der anderen Geschäfte in der unmittelbaren Umgebung ausmachen konnte.      Die Tür zu dem Zauberscherzladen war ihr nur mit mehrfachen Klopfen geöffnet worden (es war Samstag und die Winkelgasse schien am Wochenende die Bordsteine gegen Nachmittag hochzuklappen, Mittelalter eben) und dahinter hatte sich eine kleine Runde aus Partygästen befunden, von denen sie jetzt, drei Stunden später, umzingelt saß.      Mitten im Verkaufsraum hatten sie sich, nach der dritten Flasche Feuerwhisky, einen Kreis aus allen greifbaren Kissen im Laden gebaut und waren dort nach allen Regeln der Kunst versackt. Die männlichen Anwesenden hatten schon längst ihre Fliegen und Krawatten gelöst oder ganz abgenommen, die ersten Knöpfe ihrer Hemden geöffnet und auch die meisten Damen (mit Luciana waren es jedoch nur noch Angelina Johnson und eine Hufflepuff Schülerin, die sie nur vom Sehen her kannte) hatten sich von ihrem unbequemen Schuhwerk getrennt.      Die nächste Runde stark alkoholischer Kurzer setzte Luciana aus. Tatsächlich war sie, seit den Ferien, ein wenig kürzer getreten, was Partys und den einhergehenden Alkoholkonsum betraf. Die Aktion in der Ministeriumsabteilung wäre sicher nicht so sehr aus dem Ruder gelaufen, wenn sie sich vorher am See nicht ein zwei Schlucke zu viel Ossenkämper hinter die Binde gekippt hätte – vielleicht wäre sie sogar niemals auf die wahnwitzige Idee gekommen, auf eigene Faust ins Ministerium zu reisen, denn wenn Alkohol eins bei ihr auslöste, war es ein überschätztes Bild ihrer eigenen Fähigkeiten.      „Hah, da fällt mir ein“, rief Fred und deutete grinsend auf Lucianas Testergebnisse, welche sie noch immer in der Hand hielt, „dir ist schon klar, was ein Ohne Gleichen in Tränke für dich heißt?“ In der Runde ging das erste Lachen los, Angelina kicherte hinter vorgehaltener Hand (normalerweise war sie weniger der Typ kicherndes Mädchen, aber der Alkohol schien ganz neue Seiten an ihr hervor zu bringen), doch ein zwei junge Männer schauten sie mit mittleidigem Blick an.      „Ehm – dass ich bestanden habe?“      „Nicht bloß bestanden“, redete George weiter, „du kommst mit dem Ergebnis da in Snapes berüchtigte Drill-Brauerei.“      „In was?“ Luciana schaute sich fragend um, doch keiner erbarmte sich Licht ins Dunkel zu bringen. „Kommt schon Leute, was hab ich mir da eingebrockt?“      „Snape nimmt nach den ZAGs nur noch Schüler mit guten Noten für seinen Unterricht auf“, sagte Angelina endlich und kicherte gleich wieder drauf los.      „Gute Noten, du bist lustig“, meinte ein dunkelhaariger Junge (Mann, junger Mann? Das war so schwierig einzuordnen bei den Herren in der Alterskategorie siebzehn bis fünfundzwanzig – bei manchen selbst weit darüber hinaus). „Ohne Gleichen, nix weiter. Weißt du wie wenig das sind? In meinem Jahrgang hatten es grad mal zwei geschafft, zwei – kannst du dir vorstellen was die ertragen mussten, wenn einer mal krank war?“      Einzelunterricht bei Professor Snape, beantwortete sich Luciana diese Frage im Stillen. Dass dieser weitaus angenehmer, als der Reguläre ausfallen konnte, würde sie die Anwesenden allerdings nicht wissen lassen.      „Fred, nehm ihr das Glas weg, der Feuerwhisky hat ganz klar ihr Urteilsvermögen zerdeppert – guck dir mal das zufriedene Gesicht an!“ George machte sich gleich selbst ran, ihr das Pinnchen weg zu fischen, doch wie so oft zuvor, bei den Versuchen ihre Zigaretten zu entwenden, war Luciana auch hier einen Deut schneller.      „Ich habe gerade nur an die vielen neuen Möglichkeiten gedacht, ihm das Leben zur Hölle zu machen“, flunkerte sie, ohne mit der Wimper zu zucken und legte dazu gleich eine noch viel zufriedenere Miene auf.      Was Fred neben ihr darauf zu bemerken hatte, bekam sie nicht mehr mit. Denn ein Stück weit von dem Schaufenster, im Schein der Straßenlaternen, hatten sich drei Gestalten zusammen gefunden, die ihr sehr bekannt vorkamen. Und tatsächlich. Der Peroxyd-blonde Schopf stach so ziemlich überall heraus und da draußen hatte sich nicht nur ein Mensch dieser Gattung eingefunden. Die dritte Person war vollkommen in Schwarz gehüllt, nur das blasse Gesicht und die wüste Lockenpracht stachen hervor, welche Luciana wiederum irgendwo schon einmal gesehen hatte.      „Bellatrix“, murmelte sie vor sich hin und sprang von ihrem Kissen.      „Was hast du gesagt?“, fragte Jordan, doch ihr Blick war immer noch auf die Stelle außerhalb des Ladens gerichtet, an der sich die kleine Gruppe gerade wieder in Bewegung gesetzt hatte.      „Oh Mist, tut mir Leid Jungs“, die Zwillinge sahen sie verwirrt an. „Ich hab völlig die Zeit vergessen, mein Pate macht gleich wieder den Kamin dicht.“ Was vollkommen erlogen war, denn Gabriel erwartete sie nicht vor morgen. Wenigstens hatte sie ihre Übernachtungspläne noch nicht mit George und Fred besprochen, was sie eigentlich schon beim Eintreffen hatte erledigen wollen. Manchmal konnte sich ein löchriges Gedächtnis als sehr hilfreich erweisen.      „Ich muss mich beeilen, zum Tropfenden Kessel ist es ja noch ein Stück“, damit zog sie sich eilends ihre Schuhe an (wem auch immer sei Dank, hatte sie ihre hohen Pumps auf die Schnelle nicht finden können und sich mit schwarzen Sandaletten mit minimalem Absatz abfinden müssen – für eine geplante Verfolgungsaktion auf jeden Fall besser geeignet, als klapperndes Schuhwerk mit Verunglückungspotenzial), schnappte sich ihre Tasche und warf einen Cardigan über (nicht den mit Durchschuss).      „Vielen Dank für den schönen Abend und die Einladung, euer Laden ist super geil geworden, ich komm die Tage nochmal beim Schulsachen kaufen vorbei!“ Und damit hatte sie sich auch schon von der verblüfften Runde abgewendet und war durch die Ladentür, hinaus auf die leere Straße verschwunden.   *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*   Malfoy Juniors Haarschopf war auch noch aus größerer Entfernung zu erspähen, selbst bei den nächtlichen Sichtverhältnissen. Luciana beeilte sich, den Abstand zu den dreien ein wenig zu verringern, allerdings dabei nicht so nahe heran zu kommen, dass sie Gefahr laufen konnte entdeckt zu werden. Die kühle Nachtluft bescherte ihr zudem einen kleinen Hammer auf den Schädel, so, wie es sich meist verhielt, wenn sie nach ein paar Drinks zu viel plötzlich aufsprang und ins Freie trat. Doch Miss Vernünftig hatte in diesem Moment wenig zu melden, bedauerlich, wenn man bedachte, dass Luciana sich vor ein paar Minuten noch Gedanken über ihr überstürztes Handeln gemacht hatte, wenn ihr gesunder Menschenverstand von Alkohol umnebelt war.      Als Bellatrix, die vorne weg lief, in eine ganz spezielle, düstere Seitengasse einbog, zögerte Luciana dann doch einen kurzen Moment. Die letzte Erfahrung, die sie mit der sogenannten ‚Nokturngasse‘ gemacht hatte, lag so ziemlich genau ein Jahr zurück und war ihr noch sehr glasklar im Gedächtnis. Doch trotz aller Alarmglocken, die kläglich in ihrem Geiste die letzten Aufbäumversuche probten, bog auch sie in den kleinen Gang ein, der direkt in das Schwarzmarktviertel der Winkelgasse führte.      Dieses Mal begegneten ihr keinerlei zwielichtige Gestalten. Genauer genommen schien die Gasse vollkommen ausgestorben zu sein – ob dies nun an der fortgeschrittenen Uhrzeit liegen mochte, oder das Ministerium hier in den letzten Wochen ein zwei Läden dicht gemacht hatte, konnte sie nicht ausmachen. Vor ihr, in etwa zwanzig Metern Entfernung, blickte sich die blonde Frau, Malfoys Mutter (es hatte in den letzten Tagespropheten mehr als nur ein Portrait dieser Dame gegeben), über die Schulter um. Luciana blieb für einen Augenblick das Herz stehen, doch wieder einmal hatte sie offenbar mehr Glück als Verstand gehabt – zu der Tatsache, dass der Gang, in dem sie sich befand, in vollkommener Dunkelheit lag und sie nur einen Schritt vor den anderen setzten konnte, weil der Mond fast voll war und somit ganz besonders hell schien und am Ende des Weges eine Straßenlaterne leuchtete, kam noch ihre nicht ganz dumme Entscheidung hinzu, sich möglichst nah im Schatten des Mauerwerks zu bewegen. Mrs Malfoy wandte sich wieder nach vorne, legte ihrem Nachwuchs die Hand auf die Schulter und führte ihn rechts in die Ladengasse.      Mit schnellen Schritten beeilte sich Luciana ebenfalls zu der Kreuzung zu gelangen, steckte dann vorsichtig ihren Kopf um die Ecke und sah gerade noch, wie die drei in dem Laden verschwanden, den sie vor einem Jahr als einzigen von innen gesehen hatte: Borgin und Burkes. Die Malfoys schienen demnach Stammkunden zu sein, immerhin hatte sie Draco mit seinem Vater ebenfalls in diesem Geschäft angetroffen.      An dem äußersten Rand des Schaufensters angekommen, machte sich Enttäuschung in ihr breit. Die ganze Verfolgungsaktion hatte natürlich wenig Sinn gehabt, wenn sie nun vor einer verschlossenen Tür stand, nichts von den Gesprächen der gesuchten Todesserin und den Malfoys mitbekam (dessen Oberhaupt gerade auf der Flucht vor sämtlichen Behörden war und ebenfalls zu den Schwarzen Führer-Anbetern gehörte) und sich keinerlei Möglichkeit bot, etwas an dieser Tatsache zu ändern. Sie hatte weder Langziehohren noch ein ähnliches Hilfsmittel für Abhöraktionen dabei und aus ihrer Position konnte sie lediglich schemenhaft erkennen, dass Mrs Malfoy aus ihrer Umhangtasche einen kleinen, rechteckigen Gegenstand zog, diesen auf den Tresen vor dem Ladenbesitzer ablud und im nächsten Moment ein riesenhafter Koffer zwischen ihnen stand. Okay, anscheinend war sie nur Zeuge eines simplen Vergrößerungszaubers geworden, jedoch verteilte Malfoy Junior gerade den Inhalt des Koffers, den sie aus dieser Position unmöglich erkennen konnte, auf dem Tresen. Die Malfoys und der Verkäufer unterhielten sich angeregt, während Bellatrix, anscheinend gelangweilt von den Verhandlungen, den Laden von rechts nach links durchstreifte und jeden Gegenstand begrabschte, der in ihrer Griffelreichweite lag.      Nach einer gefühlten Ewigkeit (Luciana war unterdessen mehr als nur einmal der Gedanke gekommen, einfach wieder zurück zum Laden der Zwillinge zu laufen und sich irgendeine hanebüchene Geschichte aus dem Hintern zu ziehen, wieso sie plötzlich doch über Nacht bleiben konnte) wechselten Säckeweise Galleonen den Besitzer, der Koffer wurde nun leer wieder geschrumpft und zurück in die Tasche verstaut. Jetzt wurde es höchste Zeit für sie, sich in der nächstbesten Häusergasse zu verstecken, denn die drei waren gerade drauf und dran den Laden zu verlassen.      „ … von Nutzen sein kann, Zissy, ihr seid vermögend genug“, herrschte Bellatrix Mrs Malfoy (Zissy??) an, kaum, dass sich die Ladentür hinter ihnen geschlossen hatte.      „Die Auroren haben nun schon das zweite Mal bei uns herum geschnüffelt und bei der Dursuchung letzten Monat hätten sie beinahe gleich drei Verstecke ausfindig gemacht, wie oft soll ich dir das noch sagen?“      „Tante Bella hat Recht, Mutter“, meldete sich Malfoy Junior zu Wort. „Die Stücke sind fast alle nicht ersetzbar und ich weiß nicht was Vater-„      „Dein Vater“, wurde er von seiner Mutter mit scharfem Ton unterbrochen, „treibt sich irgendwo in Belgien herum, auf der Suche nach einer Taschenuhr.“ Dies betonte sie so, als sei es das Lächerlichste der Welt, um sich seine Zeit zu vertreiben – wobei ihr Luciana beipflichten musste.      „Auf Befehl vom Dunklen Lord, Zissy!“ Ihre Stimmen wurden immer unverständlicher, je weiter sie sich von ihrem Versteck entfernten, doch Luciana wagte es nicht, dieses schon jetzt zu verlassen. Nach einer kleinen Weile waren die drei gar nicht mehr zu hören und sie wollte gerade auf den Weg hinaustreten, um wieder die Verfolgung aufzunehmen, als sich die Ladentür von Borgin und Burkes abermals öffnete. Der Verkäufer, ein älterer Mann mit buckeliger Haltung, lief an ihr vorbei und auch hier wartete Luciana lange genug ab, bis auch seine Schritte verhallt waren.      Na klasse, jetzt konnte sie es sich endgültig abschminken zu den Malfoys und Bellatrix noch einmal aufholen zu können. Mit düsterer Miene trat sie aus dem Spalt zwischen den beiden Gebäuden und betrat wieder den gepflasterten Weg der Ladengasse.      Malfoy hatte sich also mittlerweile den Weg bis nach Belgien durchgeschlagen und das offenbar nicht, wie das Zaubereiministerium vermutete, weil er die Hoffnung hatte im Ausland untertauchen zu können. Diese Information war ihr neu, allerdings konnte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen, ob das nicht auch schon dem Orden bekannt war. Immerhin war es eine von Snapes Hauptaufgaben, die Pläne und Unternehmungen von Voldemort an den Orden weiter zu geben, auch, wenn sie meist nicht viel dagegen ausrichten konnten, da ansonsten sehr schnell sein Doppelspion-Dasein aufgeflogen wäre. Und was hatte es mit der Taschenuhr auf sich? Mrs Malfoy schien dem Gegenstand, den ihr Gatte zu besorgen hatte, nicht viel Wichtigkeit bei zu messen, aber wie Bella-      Ihr Hinterkopf prallte mit voller Wucht gegen die nächste Häuserwand, ein spitzer Aufschrei entkam ihr und dann wurde für ein paar Sekunden alles Schwarz.      Das Nächste, was Luciana wahrnehmen konnte, waren Hände, die sich fest um ihren Hals gelegt hatten und die sie schrittweise in die nächste Gasse zerrten. Krampfhaft versuchten ihre Finger den Griff um ihre Luftzufuhr zu lockern, doch bevor sie auch nur auf die Idee kommen konnte, nach ihrem Zauberstab zu greifen, wurde ihr Kopf wieder gegen eine Mauer geschmettert und wieder – dabei drückten die Hände ihren Hals immer weiter zu, seit dem plötzlichen Angriff hatte sie keinen Sauerstoff mehr in ihre Lunge bekommen können und das Einzige, was sie aus ihren brennenden Augen heraus erkennen konnte, war eine schemenhafte Gestalt, ein wutverzerrtes Gesicht – ihre Sicht verließ sie, als ihr Schädel abermals Bekanntschaft mit dem Backstein machte und dieses Mal gefolgt von einem Knirschen in ihrem Kopf, welches ihre innersten Instinkte dazu veranlasste mit sofortiger Wirkung alle verbliebenden Kraftreserven zu mobilisieren –      Die Umklammerung an ihrem Hals verschwand, genau wie die menschliche Gestalt vor ihr. Genauer gesagt wurde sie weggeschleudert, was ihr nicht mehr am Hintern hätte vorbei gehen können, da sie genug damit zu tun hatte, wieder Luft in ihre Lunge zu bekommen. Es brauchte drei rasselnde Atemzüge und mindestens das Doppelte an kläglichen Hustern, bis Luciana sich ihrer Umgebung wieder soweit bewusst wurde, dass sie bemerkte auf dem feuchten Kopfsteinpflaster zu sitzen und sich mit beiden Händen die schmerzende Kehle zu halten. Irgendetwas Nasses, Warmes, floss ihr den Nacken bis zum Rücken hinunter und das Bild vor ihren Augen wollte nicht aufhören ständig ineinander zu verschwimmen. Dann entdeckte sie Beine, ein kleines Stück vor ihr in der Gasse und auch wenn ihre Sicht alles andere als deutlich war, wusste sie im nächsten Moment wer schräg neben ihr stand und mit seinem Zauberstab einen Punkt vor sich fixierte.      „Prf Snp“, doch dieser klägliche Sprachversuch endete bloß in dem nächsten Hustenanfall. Wieder zwang Luciana sich dazu, in möglichster Ruhe tiefe Atemzüge zu machen, bevor sie sich ein genaueres Bild über die Lage verschaffen konnte. Das wenige Licht von der Straßenlaterne auf dem Weg, ließ sie keine Details erkennen, jedoch sah sie, nachdem die Welt um sie herum nicht mehr im Sekundentakt durcheinander wirbelte, einen Mann in der Luft schweben, die Beine zappelnd, mit beiden Händen zerrte er  an irgendetwas Unsichtbarem um seine Kehle. Das Gesicht und die schiefen Zähne kamen ihr unheimlich bekannt vor. Ein sehr ungutes Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit, zusätzlich zu dem, was die Situation ihr ohnehin schon eingebracht hatte. Und da fiel es ihr ein – es war derselbe, widerliche Mistkerl, der sie schon einmal in der Nokturngasse überfallen hatte. Und dieses Mal schien er es auf Rache abgesehen zu haben, oder wie auch immer man in dieser Gegend Erdrosseln plus Totschlag nennen wollte.      Das Zappeln seiner Beine wurde mit der Zeit fahriger, eine Hand fiel schlaff an seinem Körper herunter und endlich setzte bei Luciana zumindest ein Teil ihres Verstandes wieder ein.      Professor Snape stand ein Stück neben ihr und das, was sie durch ihren niedrigen Blickwinkel von seinem Gesicht sehen konnte, glich einer hassverzerrten Maske, die ihr sehr deutlich offenbarte, wie fest entschlossen er sein musste, das Leben des Mannes vor sich zu beenden. Egal wie sehr ihr der Gedanke auch zusprechen mochte, Mord wurde in der Zaubererwelt noch härter bestraft, als in vielen westlichen, nicht magischen Ländern.      „Professor“, versuchte sie es wieder, abermals vergebens. Wenigstens schien ihre Stimme wieder da zu sein, wenn auch nur unter Anstrengung und mehr einem Krächzen gleichend. Die zweite Hand des Mannes löste sich nun auch von der unsichtbaren Schlinge um seinen Hals, die Beine zuckten nur noch kläglich.      „Professor Snape!“ Luciana packte Snape beim Bein und endlich, das lenkte seine Aufmerksamkeit auf sie. Kaum, dass er seinen Kopf in ihre Richtung gedreht hatte, erklang ein dumpfes Klatschgeräusch – aus dem Augenwinkel heraus sah sie, dass der Mann zu Boden gefallen war. Die wutverzerrte Maske auf Snapes Gesicht wandelte sich in einen Ausdruck der Verwirrung, der schnell einen kalkulierendem wich.      „Wir müssen hier verschwinden, schnell!“, sagte er plötzlich, als sei es sie und nicht er gewesen, der eine halbe Ewigkeit damit zugebracht hatte, den hängenden Mann zu spielen.      Seine Hand, welche sich um ihren Oberarm legte und sie auf die Beine zog, war noch nie so willkommen an Ort und Stelle gewesen, wie in diesem Moment. Der schnelle Positionswechsel hatte allerdings einen derart schlimmen Schwindel zu Folge, dass Luciana sich mit einem starken Gefühl von Brechreiz mit ihrem freien Arm an der Mauer neben ihr abstützen musste – glücklicherweise blieb es bei ein paar trockenen Würggeräuschen und nichts kam ihre Speiseröhre hoch. Auf den geschundenen Hals noch Magensäure zu packen, wäre sicher kein Spaß geworden.      „Mir is schlecht“, murmelte sie, doch Snape schien das nicht davon abzuhalten sie aus der Gasse zu ziehen und, ohne den Mann  noch eines weiteren Blickes zu würdigen, die Straße zu betreten.      „Schwindel?“, fragte er nach ein paar Schritten.      „Check“, antwortete Luciana und strauchelte beim Laufen, ganz wie zu einer Doppelbestätigung.      „Verschwommene Sicht?“      „Yep“      Bei der nächsten Straßenlaterne machte Snape Halt. Mit konzentrierter Miene begutachtete er ihren Hinterkopf, schob hier und da ein paar Haare beiseite und schien von dem Ergebnis wenig begeistert.      „Platzwunde, Gehirnerschütterung, vielleicht Schlimmeres“, bemerkte er, „jedoch nichts, was Sie nicht die nächste Stunde überleben sollten.“      „Okay“, antwortete sie etwas teilnahmslos und ließ sich bereitwillig von Snapes Hand abermals in Bewegung setzen, Richtung Winkelgasse.       Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)