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~ Love at third sight ~

Mit dem Herz gegen alle Regeln
von

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Hanami (Part I)

„Boah Papa! Ich will den Laden nicht schon wieder alleine hüten! Ich hab’ da ja mal so was von keinen Bock drauf!“, beschwerte sich das grünhaarige Mädchen lautstark.

„Bitte Hinagiku, ich muss nur eine Bestellung ausliefern, danach bin ich doch wieder da. Du bist doch mein bester Ersatzmann!“, beschwor ihr Vater sie, der gerade seinen Lieferwagen fertig belud.

„Tse… na schön… aber beeil dich, ich bin nachher noch mit Yuri verabredet!“

„Ja, ja! Ich bin so schnell wie ich kann!“

Ihr Vater stieg ins Auto und lies den Motor heulend an. Hinagiku, die ihre Hände in ihre Hüfte gestemmt hatte, rollte genervt mit den Augen und drehte sich zum Laden um.

„Was würden meine Eltern nur ohne mich machen…“, grummelte sie in sich hinein, als sie sich hinter ihren kleinen Tresen setzte und ihr Kinn gelangweilt auf ihre Hände bettete.

Die Glocke der Ladentür ertönte und Kundschaft trat ein, die der der Braunäugigen die Gesichtszüge entgleiten ließ.

„Donnerwetter! Yosuke?!“

Der junge Mann bemerkte sie ebenfalls überrascht, aber bei weitem nicht so staunend wie sie ihn.

„Oh, hallo Hinagiku. Arbeitest du jetzt öfter hier?“

Sie verzog ihr Gesicht zu einer ungläubigen Miene.

„Seh’ ich so aus, als würde ich hier freiwillig stehen? Mein Vater hat mich mal wieder zum Aufpassen abgestellt… aber sag mal, du siehst ja so schnieke aus! Hast du was Besonderes vor? Willst du zum Hanami?“

Bewundernd deutete sie auf seinen traditionellen Yukata in weiß mit großen dunkelblauen, diagonal verlaufenden Streifen am Saum. Er trug sogar einen passend blauen Haori darüber. Yosuke war ihr Starren etwas peinlich.

„Kann man so sagen. Und zum Kirschblütenfest kann man das doch tragen, oder nicht?“, entgegnete er unsicher.

„Sicher, ist nur total ungewohnt dich Sportskanone mal im traditionalen Look zu sehen, anstatt mit Fußballtrikot. Steht dir aber!“

Überzeugt von dem was sie sagte, grinste Hinagiku ihn an.

„Dann bin ich ja beruhigt…“

„Und mit wem gehst’e hin?“, hakte die quirlige junge Frau neugierig über ihren Tresen gebeugt nach. „Doch bestimmt mit deiner Freundin Hiromi, oder?“, setzte sie abschätzig hinzu und schüttelte einen gespielten Schauer ab.

„Ähm… nein. Aber ich hab es eilig, kann ich schnell eine Blume kaufen und dann wieder gehen?“, versuchte er sie etwas gehetzt abzuwimmeln.

„Nicht mit Hiromi?“, wollte sie sich überrascht vergewissern.

Ihr Kunde warf ihr einen grimmigen Blick zu. Sie erhob entschuldigend ihre Hände.

„Schon gut, schon gut… ich frag ja schon nicht mehr. Was suchst du denn für eine Blume?“

„Ich weiß nicht genau… habt ihr vielleicht Zweige von blühenden Obstbäumen, oder so?“

„Von Obstbäumen? Sind dir die Kirschblüten draußen nicht genug? Ich dachte, du gehst zum Hanami?“

Wieder schaute Yosuke finster.

„Ich hab ja nur gefragt! Junge, Junge… was willst du denn genau?“

„Vielleicht einen Zweig vom Pfirsichbaum.“, erklärte er leise.

„Pfirsichbaum!“, wiederholte Hinagiku und starrte ihn dabei unverhohlen aus tellergroßen Augen an.

Der Braunhaarige fühlte sich unter ihrem Blick irgendwie ertappt und begann sich nervös am Hinterkopf zu kratzen.

„Was denn? Hast du das da, oder nicht?“

Seine vermeintliche Verkäuferin verengte ihre großen Augen zu Schlitzen und durchbohrte ihn mit weiteren, prüfenden Blicken. Leider konnte man Menschen nur bis vor den Kopf gucken.

„Sorry, da muss ich dich enttäuschen. Pfirsich blüht schon im März, du bist ’nen guten Monat zu spät dran.“

„Ach Mist… dann brauche ich wohl nichts, danke für deine Zeit.“

Yosuke wollte sich schon enttäuscht umdrehen, als Hinagiku hinter ihrem Pult hervor sprang.

„Moment! Ich kann zwar nicht mit einem echten Zweig dienen, aber wir haben große, künstliche Blüten mit Lederbändern da. Wir nehmen sie eigentlich um Sträuße damit zusammen zu binden oder Gestecke aufzupeppen…“, eilig lief sie nach hinten ins Lager und kam schon nach wenigen Augenblicken zurück.

Sie hielt dem Torwart eine etwa handtellergroße Pfirsichblüte hin, die wie beschrieben auf einem schwarzen Lederband saß. Yosukes Augen begannen zu leuchten.

„Das ist sogar besser als ein Zweig! Was bekommst du dafür?“

„Ach lass mal stecken, bei uns ist das nur Dekozeugs. Die eine kannst du so haben.“

Ein gönnerhaftes Grinsen zierte ihr schmales Gesicht. Ihr Kunde schien äußerst zufrieden.

„Aber mal ehrlich, mit wem gehst du hin? Hab ich was nicht mitgekriegt?“

So einfach machte Yosuke ihr das nicht, er zwinkerte ihr nur vielsagend zu und drehte sich dann lächelnd weg.

„Wir sehen uns bestimmt noch mal wieder, bis dann Hinagiku und grüß Yuri von mir!“, rief er ihr noch im Türrahmen zu und verschwand dann winkend.

Die Tür war kaum zugefallen, als die grünhaarige junge Frau zurück zu ihrem Tresen stürmte und sich bald überschlug bei dem Versuch, ihr Handy unter einer Ablage hervor zu fischen. Sie rutschte unruhig bäuchlings auf ihrem Bürostuhl hin und her, während sie die richtige Nummer aus ihrem digitalen Telefonbuch heraussuchte und anwählte.

„Tanima, hallo?“, ertönte eine feine Stimme am anderen Ende der Leitung.

„Yuri! Du glaubst nicht wer grad bei mir im Laden war!“, fiel Hinagiku direkt mit der Tür ins Haus.

„Hinagiku! Schrei doch nicht so! Wieso bist du überhaupt im Blumenladen, solltest du dich nicht fertig machen? Du wolltest doch vorbei kommen.“

„Jaja klar, ich muss nur kurz für meinen Dad einspringen. Yosuke war eben hier!“, erzählte sie sprudelnd weiter.

Yuri wurde hellhörig.

„Yosuke? Etwa unser Yosuke?“

„Na kennst du einen anderen?!“

„Das war rhetorisch… was wollte er denn?“

„Er kam hier in ’nem echt schicken Yukata reingeschneit und wollte Pfirsichbaumzweige haben!“

„In einem Yukata? Will er vielleicht auf das Kirschblütenfest gehen? Warm genug ist es ja… Aber was will er denn mit Pfirsichzweigen? Blühen die überhaupt jetzt?“

„Yuri, hörst du mir eigentlich richtig zu? Klar will er zum Hanami, aber das ist nicht der Knackpunkt… er geht nicht allein! Und auch nicht mit Hiromi! Und nein, Pfirsich blüht schon nicht mehr… er hat stattdessen eine künstliche Blüte mitgenommen.“

„Oh! Willst du andeuten, dass er mit einem anderen Mädchen dorthin geht?“

„Was für Beweise brauchst du denn noch? Na logisch!“

„Nun, das wundert mich nicht. Wer Hiromi zur Freundin hat, braucht keine Feindin mehr.“

„Du sagst es! Aber wer ist wohl die Rivalin?“

„Keine Ahnung. Wahrscheinlich jemand aus seiner Schule, er ist bestimmt immer noch total beliebt bei den Mädchen. Er ist jedenfalls nicht hässlicher geworden in den letzten zwei Jahren.“

Die Freundinnen seufzten zeitgleich.

„Ich musste bei der Pfirsichblüte unwillkürlich an Momoko denken… Was sie wohl so treibt, ohne uns? Ich vermisse sie ganz schön.“, begann Hinagiku ein neues Gesprächsthema.

„Ich weiß was du meinst. Vielleicht sollten wir nicht mehr sauer auf sie sein, es war doch offensichtlich, dass etwas mit ihr nicht stimmt. Die Fotos hat sie mir ja schließlich auch zugeschickt, obwohl wir uns nicht mehr seitdem gesprochen haben..“

„Ja, vielleicht. Diese ganze Takuro-Sache geht mir auch einfach nicht in den Schädel. Der Typ blockiert mich total, der spinnt doch völlig! Er hält sich wohl für was Besseres, seit er aus dem Ausland wieder zurück gekommen ist.“

„Takuro ist mir ehrlich gesagt egal, ich möchte aber mal wieder mit Momoko sprechen. Wir sind doch schließlich immer beste Freundinnen gewesen.“

„Hmh, ja… das will ich auch.“

„Ich weiß durch Zufall wo sie nach der Schule arbeitet, wir könnten sie morgen dort besuchen.“

„Das ist eine gute Idee!“

„Gut. Dann hoffe ich jetzt mal, dass du bald rumkommen kannst. Bis dann, Hinagiku.“

„Bye, Yuri!“, verabschiedete sich die Braunäugige und legte auf.
 

Momoko tänzelte gut gelaunt zu einem fröhlichen Song aus dem Radio durch ihr Zimmer.

Die Sonne schien wie von Yosuke angekündigt warm vom Himmel herab und ermöglichte es, dass man sich bequem und beinahe luftig kleiden konnte. Noch einmal prüfte sie vor ihrem kleinen Spiegel, ob ihre Hochsteckfrisur auch richtig saß. Es hatte sie viel Mühe gekostet ihr volles Haar so einzudrehen und festzustecken, dass alles fest saß ohne steif zu wirken. Ihre Haarspitzen waren gewellt, beinahe lockig und verdeckten die unzähligen Spangen und Klammern, die es gebraucht hatte um das Kunstwerk zu befestigen, bis zu ihrem Nacken. Auch bei ihren Ohren hingen ein paar freche Strähnchen heraus.

Die hübsche junge Frau im Spiegel gönnte sich noch etwas Wimperntusche und dezenten Lipgloss. Mehr als zufrieden wirbelte sie um ihre eigene Achse, sodass der hellblaue Stoff, in dem sie steckte, sich leicht wie eine Calla öffnete und mitschwang.

»Hoffentlich sehe ich nicht albern oder overdressed aus.«

In diesem Moment läutete es.

„Oha, ich bin noch nicht fertig!“, quietschte sie gehetzt schaltete sie das Radio aus und eilte dann mit notgedrungen kleinen Schritten nach unten und dort vorerst direkt in die Küche, anstatt zur Tür.

Momoko breitete einen traditionellen Stoffbeutel aus, in dem sie zwei kleine, reich gefüllte Bento-Boxen aus Wegwerf-Aluminium, sowie eine kleine Geldbörse verschwinden ließ und ihn danach mit dem Zugband fest verschloss.

Es klingelte nochmals.

„MOMENT!“, rief sie laut in Richtung Tür und hoffte, man würde sie bis draußen hören können.

Noch gestresster als ohnehin, flitzte sie über den glatten Holzfußboden bis zu der Stufe im Flur, wo ihre Schuhe standen. Mit etwas Mühe schlüpfte sie in ihre flachen, abgerundeten Geta und öffnete schließlich aufgeregt die Haustür.

„Na endlich, ich dachte schon du… kommst… nicht… mehr…“, begrüßte sie Yosuke, der mitten im Satz ins Stottern geriet.

Sie wusste auch sofort warum, denn anscheinend waren sie beide auf dieselbe Idee gekommen, was ihren Kleidungsstil betraf. Anerkennend staunte Momoko über den Yukata, in dem der hochgewachsene Dunkelhaarige steckte. Er sah in dieser traditionellen Kleidung unwahrscheinlich gut und noch um einiges reifer und älter aus, als er war. Seine breiten Schultern und die athletische Figur kamen darin vorteilhaft zur Geltung; er war ein Bild von einem Mann, was sie sich nur ungern eingestand.
 

Yosuke blieben die Worte im Hals stecken, als die Rosahaarige gehetzt aus ihrer Tür stolperte. Konnte es wirklich möglich sein, dass es der Zufall so wollte, dass sie beide dasselbe Gewand für das Hanami gewählt hatten?

Blau wie der Frühlingshimmel erstrahlte der Yukata den sie trug. Ein filigraner Kirschblütenzweig mit dezent rosafarbenen und weißen Blüten zierte den leichten Stoff unterhalb des Obi. Ein paar vereinzelte Blüten schmückten außerdem ihre rechte Schulter. Der Obi selbst war cremefarben mit aufgestickten, großen Blüten in verschiedenen Rosanuancen.

Momoko, die ihr Haar dazu locker hochgesteckt trug, sah darin aus wie eine japanische Märchenprinzessin aus einem Kinderbuch. Yosuke wusste nicht, wie er darauf kam, aber in seinen Augen strahlte sie selbst wie eine wunderschöne junge Blume, die gerade dabei war zu erblühen. Verräterische Röte schlich sich auf seine Wangen.

„Hi.“, flüsterte das junge Mädchen schüchtern und lächelte ihn umwerfend an.

„Hi, du siehst toll aus… Wir hatten wohl denselben Gedanken?“, gab er nicht weniger verlegen zurück.

„Das Kompliment muss ich neidvoll zurück geben. Du im Yukata, das hätte ich mir nie so fabelhaft vorgestellt.“, neckte sie ihn.

„Fabelhaft? Seit wann denn so förmlich?“, grinste er.

Sie kicherte leise hinter vorgehaltener Hand.

„Ich weiß auch nicht, aber im Yukata fühlt man sich doch irgendwie gleich viel schicker und niveauvoller, oder? Vielleicht liegt es daran.“

„Kleider machen also doch Leute, nicht wahr?“

Momoko nickte zustimmend. Sie kam ihm ein paar Schritte entgegen und musterte ihn dabei noch mal eingehend von Kopf bis Fuß. Er bekam davon eine Gänsehaut – ob er auf sie genauso wirkte, wie sie auf ihn?

„Meinst du, ein Haori ist wirklich nötig bei der Wärme?“

Reflexartig hob er seine Arme und betrachtete den dunkelblauen Stoff seiner traditionellen Jacke.

„Vielleicht nicht, aber ich fühle mich wohler mit einem.“

Er schenkte ihr ein selbstsicheres Lächeln, was sie dazu brachte sie Augen nieder zu schlagen. Yosuke war sich sicher, dass sie genauso nervös wegen dieses unerwarteten Zufalls war wie er. Das war irgendwie erleichternd.

„Dann lass uns mal gehen, bis zu den Hängen ist es ein ganz schöner Marsch. Wir sollten deswegen den Bus nehmen, sonst haben wir nicht mehr genug Zeit uns auf dem Fest zwischen den Ständen umzusehen.“

„Ok, ich verlasse mich auf deine Führung.“, scherzte sie und lief vor.

Als er ihr hinterher sah, fiel sein Blick noch mal auf ihre lockige Hochsteckfrisur, wobei ihm wieder einfiel, dass er ja noch etwas für Momoko hatte.

„Warte mal bitte kurz.“

Verwundert drehte sich die junge Frau zu ihm um, als er zu ihr aufschloss und etwas aus seiner versteckten Brusttasche zog.
 

Yosuke hielt ihr schließlich eine große, hellrosa Pfirsichblüte hin. Aufgrund der Größe war Momoko sofort klar, dass sie künstlich sein musste, aber sie war täuschend echt nachgebildet. Ein schwarzes Lederband hielt sie fest.

„Ich fand, dass sie zu dir passen würde.“, erklärte der Sportler ruhig und starrte dabei unablässig auf die Blüte um seine Unsicherheit zu verbergen.

„Die ist für mich? Aber wieso?“

Mit großen Augen sah sie abwechselnd ihn und dann das Kleinod in seiner Hand an. Wieso sollte er ihr ein Geschenk machen?

„Denk nicht zu viel darüber nach, denn ich habe kein Geld für sie ausgegeben. Es sollte nur eine kleine Aufmerksamkeit anlässlich des Hanami sein.“, erklärte Yosuke, der ihr die Frage an der Nasenspitze ablesen konnte.

„Sie ist hübsch.“, bemerkte Momoko anerkennend und streichelte mit ihren Fingern leicht über die feinen Blätter.

„Darf ich sie dir ins Haar binden? Ich denke, da würde sie gut hinpassen.“

Zunächst etwas unschlüssig, drehte sie sich dann doch mit dem Rücken zu ihm um und ließ ihm freie Hand. Sie spürte seinen Körper in ihrem Rücken und bekam unbewusst eine Gänsehaut. Yosuke wickelte derweil das Lederband sorgfältig um den Hauptknoten ihrer Frisur. Die Blüte saß schließlich genau oben in der Mitte ihrer Haarpracht und rundete das Gesamtbild von ihr im Blütenyukata ab.

„Wusste ich es doch, ein schönes Accessoire!“, kommentierte er es bewundernd.

„Zu dumm, ich habe keinen Spiegel dabei.“, bedauerte es die Blauäugige, die nur durch Ertasten erahnen konnte, wie sie wohl aussah.

„Das macht nichts, wir bekommen auf dem Fest bestimmt die Möglichkeit ein Foto machen zu lassen.

Momoko schluckte unwillkürlich und sah etwas wehmütig nach unten auf ihre Füße.

„Aber ich… ich habe nicht viel Geld dabei.“, gestand sie peinlich berührt.

Yosukes Blick wurde weich und mitfühlend, er wusste natürlich, dass Momoko nicht viel Geld hatte, das sie ausgeben konnte.

„Pfirsichtörtchen… Ich habe dich eingeladen, also mach dir darum heute bitte keine Gedanken, ok?“

Sie sah erschrocken hoch.

„Das geht doch nicht! Du kannst mich doch nicht den ganzen Tag lang einladen!“

War das sein Ernst? Das konnte er doch nicht machen, schließlich musste bestimmt auch ein Schüler wie er sehen wo er blieb. So lieb das auch war, das konnte sie doch nicht einfach so annehmen, schließlich war sie nicht mal seine feste Freundin! Doch er grinste nur schief bei ihrem entsetzten Gesichtsausdruck.

„Doch, heute geht das schon mal. Und im Gegensatz zu gewissen anderen erwarte ich dafür auch keine Gegenleistung.“

Er zwinkerte ihr frech zu und nahm sie einfach so bei der Hand und zog sie mit sich in Richtung Bushaltestelle. Widerstand war zwecklos.

Die ersten Schritte, die sie ihm unbeholfen und sprachlos auf ihren Getas hinterher stolperte, verbrachte sie damit sich einfach nur über diesen Jungen zu wundern, der sie einfach immer wieder mit neuen Seiten und Launen von sich überraschte.
 

Das Fest, das sie besuchten, lag am Fuße von großen, durch Menschenhand kultivierten Hügeln. Schon von weitem konnte man die rosa und weiße Blütenpracht leuchten sehen, denn gerade die unteren Hänge waren voll mit den berühmten Sakura-Bäumen. Ihr süßlicher Duft schwängerte die warme Frühlingsluft. Es mussten abertausende von Bäumen sein, denn es erschein aus der Ferne wie ein einziges Meer aus Blüten.

„Das ist so wunderschön…“, schwärmte Momoko inbrünstig, als sie sich der Mauer um die Hügel herum näherten.

Ihre blauen Augen leuchteten regelrecht bei dem Anblick, der sich ihr bot. Mit Herzklopfen betrachtete Yosuke sowohl die atemberaubende Aussicht, als auch seine bildhübsche Begleitung.

„Wirklich schön.“, stimmte er ihr zu, doch nur er hörte die Doppeldeutigkeit seiner Worte heraus.

Die Mauer nahm endlich ein Ende, Musik auf Stimmengewirr drang zu ihnen heran, als sie um die Ecke bogen und die vielen Stände mit Essen und Spielangeboten zu Gesicht bekamen.

„Hier ist ganz schön was los.“, bemerkte der Braunhaarige und fasste sich etwas überfordert an den Hinterkopf, als er all die vielen Menschen sah, die an diesem Nachmittag dieselbe Idee gehabt hatten wie er und Momoko.

„Ist das ein Wunder bei dem guten Wetter?“

Seine Begleitung ließ sich deutlich weniger von den Menschenmassen beeindrucken als er, dafür verriet ihr Kauen auf ihrer Unterlippe, dass sie sich am liebsten sofort übermütig ins Getümmel werfen würde. Yosuke musste darüber schmunzeln.

„Was wollen wir denn als erstes machen? Hast du einen speziellen Wunsch?“

Wie erwartet sah sie aufgeregt wie ein kleines Kind zu ihm auf, Feuer und Flamme für das nächstbeste Vergnügen.

„Um ehrlich zu sein, es gibt so vieles das ich gerne machen würde, aber… lass uns doch einfach schauen was uns so begegnet, ok? Ganz spontan.“

Nichts täte er lieber.
 

An den ersten Ständen, an denen sie vorüber liefen, verkaufte man allerlei Kleinkram und Schnickschnack; Souvenirs eben. Dort gab es viel Ausgefallenes zum Anschauen und Bestaunen, aber nicht wirklich etwas, das man sich unbedingt zuhause aufstellen musste. Dafür gab es viele Touristen und kleine Kinder, die sich für die dargebotenen Sachen mehr begeistern konnten als sie.

An diesem Tag trugen sehr viele Japaner ihre Yukata, weswegen der Fußballspieler und die Hobby-Fotografin in ihren Gewändern kaum noch auffielen. Unter anderem diese Tatsache und der gleißende Sonnenschein führten dazu, dass sie sich sehr wohl in ihrer Haut fühlten. Es war einfach ein herrlicher Tag um ausgelassen zu sein und Spaß zu haben. Selbst das schlichte, friedliche nebeneinander her Spazieren fühlte sich richtig und vor allem gut an.

Stillschweigend ihre Umgebung beobachtend, zogen sie ihren Weg weiter durch das muntere Getümmel.

„Weißt du, was mir auffällt?“, unterbrach Momoko schließlich ihr Schweigen. „Obwohl wir gemeinsam in eine Schule gegangen sind und wir uns jetzt nach einigen Hürden auch angefreundet haben, weiß ich im Prinzip doch nur ziemlich wenig über dich.“

Ihre blauen Augen schauten zu ihm auf, er blinzelte nachdenklich. Ganz unrecht hatte sie nicht, denn ihm ging es ebenso mit ihr.

„Hm, ja das stimmt. Wir haben viel Zeit vergeudet bevor wir festgestellt haben, dass wir wohl doch befreundet sein können.“

Sie gab ihm augenrollend einen kleinen Stoß mit dem Ellenbogen in die Seite und grinste dabei kühn.

„Tja, du hast mich ja lieber dauernd geärgert anstatt mich kennenzulernen.“

Yosuke gab sich schwer verwundet und strauchelte übertrieben; Momoko konnte nicht anders als über dieses Theater zu lachen. Es war ein fröhliches und lustiges Lachen, nur zu gern ließ er sich davon anstecken.

„Und was möchtest du dagegen unternehmen?“, fragte er sie anschließend, immer noch nach Luft schnappend und sich den schmerzenden Bauch haltend.

Die Rosahaarige, die sich ebenfalls die Magengegend nach ihrem kleinen Lachanfall hielt, überlegte nicht lange.

„Ich dachte an ein Frage- und Antwort Spiel. Einer fragt, der andere antwortet.“

„Ah, so wie Wahrheit oder Pflicht, nur ohne Pflicht.“.

Momoko kicherte erneut.

„Ja, so in etwa.“

Ihr Begleiter straffte sich und setzte eine sachliche Miene auf, die sofort wieder bröckelte, als die junge Frau bei ihrem Anblick sich wiederholt unter Anstrengung ein Grinsen verkneifen musste.

„Na schön. Leg los. Frag mich etwas.“

Zielstrebig traten sie etwas aus der Menge heraus auf die riesige Wiese, auf der nur vereinzelte Kirschbäume standen, unter denen viele Grüppchen saßen und picknickten. Unter einem von ihnen machte Momoko ein noch freies Plätzchen aus, das sie ins Visier nahm und ansteuerte.

„Na schön… was ist zum Beispiel dein Lieblingsessen?“

„Gefüllte Reisbällchen.“, antwortete Yosuke knapp.

„Wirklich?“, hinterfragte sie ungläubig, lächelte aber hocherfreut und mit einem gewissen Funkeln in den Augen, was den Torwart etwas irritierte.

„Ja, wirklich… und deines?“

„Ich esse ja vieles gern, aber am liebsten mag ich Eis!“

Der Dunkelhaarige prustete kurz laut los.

„Das passt zu dir!“, entgegnete er höchst amüsiert.

Sie schmollte verlegen und mit aufgeplusterten Wangen.

„Lach gefälligst nicht! Reisbällchen sind schließlich auch nichts Ausgefallenes!“, knurrte sie ihn beleidigt an.

Ihre Reaktion wirkte auf den jungen Mann einfach nur noch süßer.

„Ok, weiter geht’s… deine Lieblingsfarbe?“

Sie erreichten den freistehenden Baum und setzten sich vorsichtig in das Gras auf dessen Schattenseite. Der Wind wirbelte einzelne Blütenblätter aus der Baumkrone, die wie zarte Schneeflocken auf sie hernieder rieselten. Yosuke wünschte sich, er könnte diese Bilder, die er vor sich sah - von der Märchenprinzessin im Blütenregen - irgendwie festhalten. Eine Fotokamera wäre jetzt wirklich praktisch gewesen.

„Ich warte?“, erinnerte Momoko ihn an ihre Frage.

Er sah sie an und suchte nach einer Antwort. Verwirrt fand er aber auf Anhieb keine, denn zu viele Gedanken spielten in seinem Kopf mal wieder verrückt.

»Rosa wie dein Haar oder Blau wie deine Augen…«, wollte er antworten, konnte es aber nicht.

Er sah schlug die Augen nieder und betrachtete die Wiese, auf der sie saßen.

„Grün?“, antwortete er spontan.

„War das eine Frage, oder eine Antwort?“, hakte sie verwirrt über seine irreführende Betonung nach.

„Grün, ich mag Grün.“, bestätigte er nochmals und räusperte sich lautstark.

»Bleib bei der Sache, Fuma!«, mahnte er sich im Geiste.

„Gut. Bevor du fragst – ich mag Pink. Was interessiert mich noch… ah ja, genau! Hast du noch andere Hobbies außer Fußball?“

Yosuke überlegte einen Moment angestrengt.

„Na ja, ich habe früher mal Gitarre gespielt.“, antwortete er schließlich.

„Gitarre? Du spielst ein Instrument? Warum wusste man in der Schule damals davon nichts?“

„Weil ich mich irgendwann voll und ganz auf Fußball konzentriert habe, ich hatte für anderes keine Zeit mehr.“

Momoko seufzte bedauernd.

„Schade, ich hätte dich gern mal spielen gehört.“

Kaum war der Satz ausgesprochen, bemerkte sie auch schon wie er geklungen hatte und errötete. Verlegen sah sie in ihren Schoß, wo ihr Stoffbeutel ruhte. Yosuke selbst war auch etwas verlegen, fühlte sich aber mehr geschmeichelt.

„Vielleicht irgendwann mal.“, zog er schmunzelnd in Erwägung. „Und du? Gibt es noch was anderes neben der Fotografie für dich?“

„Nein, eigentlich nicht. In der Mittelschule waren Yuri, Hinagiku und ich oft in Karaokebars und haben uns einen Spaß daraus gemacht ein paar Songs einzustudieren, aber als Hobby würde ich das nicht bezeichnen.“

„Stimmt, wie euer Auftritt auf dem Klassentreffen.“, erinnerte sich der Torwart.

Leider kamen bei der Erinnerung daran auch wieder die unschönen Szenen in ihren Köpfen zu Tage. Bedrückt tauschten sie einen flüchtigen Blick aus.

„Was ist eigentlich mit dir? Du und Hiromi, ihr lebt doch zusammen, oder? Was ist mit deinen Eltern, beziehungsweise wie finanziert ihr euer Zusammenleben?“

Die Frage war unerwartet wie verwirrend, doch Yosuke bemühte sich sie wahrheitsgemäß zu beantworten.

„Also ich habe nur noch meine Mutter. Sie hat eine gut bezahlte Stelle in einer anderen Statt gefunden, wo ihr eine Wohnung gestellt wird. Weil ich hier zur Schule gehe und volljährig bin, hat sie mir unsere alte Wohnung überlassen und schickt mir jeden Monat Geld zum Leben. Wir sehen uns häufig wenn sie Urlaub hat. Hiromi hat Verwandte die etwas ländlicher leben, sie unterstützen sie ebenfalls finanziell. So kommen wir über die Runden.“

„Du bist also Halbwaise?“

Das war das Einzige, was Momoko interessierte, da sich der Rest einleuchtend und logisch anhörte.

„Das sind jetzt aber schon zwei Fragen hintereinander gewesen.“, zog der Braunäugige sie auf, was sie sofort wieder erröten ließ.

„Entschuldige, du musst nicht antworten, wenn du nicht willst.“, entgegnete sie leise.

Er, der seinen Einwand eigentlich nicht ernst gemeint hatte, legte eine Hand auf ihre. Sie beide spürten die Elektrizität, die in dieser simplen Berührung lag.

„So war das nicht gemeint. Und nein, ich bin keine Halbwaise. Mein Vater hat sich aus dem Staub gemacht als ich noch ganz klein war. Ich kenne ihn nicht und habe auch kein Bild von ihm. Ist wohl auch besser so.“

Die Schülerin war sich nicht sicher, ob sie sich jetzt besser fühlen sollte als vorher, schließlich war diese Antwort kein bisschen besser als die, die sie geschlussfolgert hatte.

„Meine Mutter ist auch gegangen, als ich gerade mal 3 war… ich erinnere mich auch nicht mehr an sie.“, erzählte sie von sch aus in der Hoffnung, dass ihre ähnliche Geschichte vielleicht ein Trost für ihn war.

Sie tauschten verstehende, mitfühlende Blicke aus.

„Lass uns das Spiel unterbrechen, ich bekomme langsam Hunger.“

Yosuke wollte schon aufstehen, als Momoko ihn abhaltend an seinem Haori wieder zu sich herunter zog.

„Ich habe Zuhause etwas vorbereitet, wir müssen uns jetzt nichts kaufen.“

Stolz präsentierte sie ihren gut gefüllten Beutel und löste die Kordel; zum Vorschein kamen die beiden Bento-Boxen, die sie daheim eingepackt hatte. Blanke Vorfreude spiegelte sich in ihrer Miene wieder, als sie dem jungen Mann seine Aluminium-Box reichte. Etwas skeptisch begutachtete er die schlichte Verpackung unter dem ungeduldigen Blick der Blauäugigen.

„Schau schon rein!“, forderte sie ihn breit grinsend auf.

Er löste daraufhin den Deckel ab und es bot sich eine ordentliche Reihe verschiedenster Onigiri und frittierte Garnelen dar.

„Reisbällchen!“, rief er freudig überrascht und strahlte Momoko begreifend an.

Jetzt verstand er auch, wieso sie so erfreut auf seine Antwort nach der Frage, was sein Lieblingsessen sei, reagiert hatte.

„Genau, Reisbällchen. Und Ebi Tempura. Ich hoffe, die isst du auch?“

„Natürlich, aber warum der Aufwand?“

„Weil du per SMS geschrieben hast, dass du meine Bentos immer lecker fandest.“, gab sie schüchtern lächelnd zu.

„Stimmt, die Stibitzten.“, erinnerte sich der Torwart lachend an damals zurück.

Er freute sich über ihre Aufmerksamkeit und dass sie den kleinen Dingen, die er manchmal beiläufig erwähnte, so viel Bedeutung beimaß. Yosuke ahnte schon, dass Momokos Bento gut schmecken würde, schließlich hatte ihm auch schon ihr Frühstück gemundet. Aber in ein frisches, hausgemachtes Onigiri mit Tunfisch und Mayo zu beißen, war noch mal etwas ganz anderes, denn dieses hier hatte sie ganz speziell für ihn gemacht.

„Und, schmeckt es?“, erkundigte sich die vermeintliche Köchin neugierig.

Eine Antwort war eigentlich unnötig angesichts seines verzückten Gesichtsausdruckes. Mit geschlossenen Augen und genießerisch seufzend ließ er die Bissen in seinem Mund zergehen.

„Herrlich.“, war alles was er mit vollem Mund dazu sagte, ehe er sich gierig das nächste Reisbällchen schnappte.

Momoko kicherte leise für sich. Sie war froh mit diesem einfachen Bento genau ins Schwarze getroffen zu haben, was Yosukes Geschmack betraf. Nicht länger wartend bediente nun auch sie sich an ihrem Lunchpaket.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: zerocool
2015-02-26T18:59:29+00:00 26.02.2015 19:59
Wie süüüüßßßßß die beiden sind. Hoffentlich kapierens sie es schnell und dann kommt hoffentlich auch bald der erste kuss ^^
Antwort von:  Nea-chan
26.02.2015 21:36
Lass dich überraschen; das nächste Kapitel ist schon im Upload und zwei weitere stehen bereit ;)
Von:  Kii-kun
2015-02-26T16:48:49+00:00 26.02.2015 17:48
Ich liebe es! Das ist einfach fies, dass man jetzt wieder warten muss! Dabei will man unbedingt wissen, wie es weiter geht! Die beiden passen einfach sooo gut zusammen <3!


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