~ Love at third sight ~ von Nea-chan (Mit dem Herz gegen alle Regeln) ================================================================================ Kapitel 8: Changing feelings ---------------------------- Wie betäubt sammelte Yosuke auf Socken seine Sachen ein, die verteilt auf dem Weg hinunter vom Grundstück der Hanasakis lagen und schlüpfte direkt hinein. Sein Schädel brummte und das nicht nur von der saftigen Ohrfeige, die ihre Spuren bestimmt noch eine ganze Weile auf seinem Gesicht hinterlassen würde. In den kaum zwei Stunden, in denen er sich hier aufgehalten hatte, war so viel passiert, das er erstmal alles sortieren und verdauen musste. Warum war die Situation schon wieder so eskaliert? Warum fanden er und Momoko einfach nicht friedlich und diplomatisch zueinander wie alle anderen Freunde auch? War es ihnen einfach nicht vorherbestimmt befreundet zu sein? Doch was spielte das noch für eine Rolle. Sie hatte ihn fortgejagt wie einen räudigen Hund und selbst wenn nicht, er hatte bitter erfahren müssen, dass er sich hatte blenden lassen. Dieses Mädchen hatte etwas in ihm geweckt, was ihn aus seinem tristen Alltag geholt hatte, doch er war genau dem Verhalten auf den Leim gegangen, das er so verabscheute. Sie war wie die Mädchen aus der Jr. High, die Kazuya und ihn nur wegen Äußerlichkeiten und der winkenden Zukunft als Profisportler angehimmelt hatten. Und dennoch warf er einen wehmütigen Blick zurück über seine Schulter, als er seinen Heimweg antrat. Auf seinem Weg hatte Yosuke keinen Blick für seine Umgebung, seinen Kopf zog er so weit es ging ein um der Kälte zu entgehen. Mürrisch starrte er auf den Boden vor seinen Füßen und versuchte sich endlich von der aufgewühlten Stimmung in ihm drin zu befreien. »Vergiss sie, zuhause wartet Hiromi auf dich.«, versuchte er sich zu trösten. Seine Freundin war eine beständige Konstante, auf sie konnte er sich verlassen und ihrer Treue und Liebe war er sich gewiss. Das hätte ihm von Anfang an genügen sollen. Aber nein – er musste ja unbedingt mit dieser Momoko anbändeln, dabei war ein freundschaftliches Verhältnis doch von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen! Yosuke kämpfte mit einem schlechten Gewissen, hatte er sich doch erlaubt eine andere Frau zu begehren als Hiromi und dann war das ausgerechnet das zickige Mondgesicht gewesen! Obwohl er sich ja eigentlich nichts hatte zu schulden kommen lassen, Kopfkino hatten doch bestimmt viele Männer hin und wieder, oder? Wie war doch gleich das Sprichwort: Appetit darf man sich holen, aber gegessen wird zuhause? Das war eine dämliche Redewendung… Er stieß mit seinem Fuß gegen einen blechernen Eimer, den er in Gedanken versunken nicht kommen gesehen hatte. Yosuke stand vor dem Blumenladen in dem Hinagikus Eltern arbeiteten und in dem Eimer vor ihm standen kleine Sträuße Narzissen im Wasser. Kurzentschlossen fischte er sich einen Strauß heraus und betrat den Laden um sie zu bezahlen. „Na das ist ja ein Ding! Du hier um Blumen zu kaufen?“ Quietschfidel wie immer begrüßte ihn ausgerechnet Hinagiku hinter dem Tresen mit der Kasse stehend. Yosuke rang sich ein halbherziges Lächeln ab. „Ja, ich dachte es wäre mal an der Zeit Hiromi auch mal Blumen mitzubringen.“ „Urks.“, flüsterte die Grünhaarige unauffällig. „Du sag mal Yosuke, du warst nicht zufällig schon bei Momoko wegen der Kamera?“, fragte sie ihn und tippte derweil den Preis für die Narzissen ein. Sein Blick verfinsterte sich augenblicklich wieder. „Doch. Von ihr komme ich gerade.“ „Is’ was passiert? Du guckst so komisch.“, hakte sie nach. „Pft… nein, es ist nichts passiert. Außer dass sie wieder in mein Leben gestolpert ist obwohl ich auf ihre Anwesenheit gut hätte verzichten können.“, grummelte er. Hinagiku musterte den hochgewachsenen Jungen neugierig blinzelnd. „Na ja, wenn man’s genau nimmt bist du ja in ihr Leben gestolpert und nicht andersrum.“ Sein eisiger Blick ließ sie direkt verstummen. Der Torwart schob ihr das Geld für die Blumen rüber und schnappte sich den Strauß. „Stimmt so, danke.“, murmelte er. „Ihr habt euch wieder mal gezofft, stimmt’s?“ Eigentlich wollte Yosuke gerade gehen. Augenrollend wünschte er sich, er wäre gegen den Eimer eines anderen Blumenladens gelaufen. „Ja, aber daran ist ja nun nichts Neues. Ganz wie in alten Zeiten eben.“, gab er etwas zynisch klingend zurück. „Schade. Ich hatte gehofft, dass vielleicht du heraus bekommst, was mit ihr in letzter Zeit los ist. Die Sache mit Takuro stinkt doch zum Himmel! Und der Mistkerl reagiert auf meine Anrufe und Nachrichten einfach nicht.“ Er starrte Löcher in die Luft, gab sich uninteressiert und leicht genervt von dem Thema. Er wollte doch einfach nur vergessen, dass es Momoko überhaupt gab. Was ging ihn das an? Wieso sollte ihn das alles interessieren? Er verkniff sich ein überlegenes Grinsen, denn schließlich wusste er deutlich mehr als er Hinagiku wissen ließ. „Weißt du, ich mache mir Sorgen, dass Momoko vielleicht etwas tut, das sie gar nicht will. Sie hat schon immer etwas dazu geneigt ihre wirklichen Probleme vor Yuri und mir zu verbergen, einfach um uns nicht zu belasten. Und da macht sie manchmal schon echt blöde Sachen, egal ob es ihr schadet oder nicht.“ Yosuke wollte sich die Haare raufend und laut schreiend aus dem Laden stürzen, er wollte nicht hören was ihm die braunäugige, junge Frau da erzählte! War er doch gerade dabei die Akte Momoko abzuheften und für alle Ewigkeit wegzuschließen. Das gelang ihm aber nur, wenn er ihr den Stempel “Geld- & Erfolgsgeil wie alle anderen“ aufdrücken konnte, was Hinagiku mit ihrem Einwand gerade zunichte machte. „Ich muss los, wir sehen uns.“, verabschiedete er sich knapp und floh so schnell es eben unauffällig ging auf die Straße. Großartig, da waren sie wieder; die Zweifel die an ihm nagen würden, bis er die neu aufgeworfenen Fragen beantworten konnte. War er vielleicht zu vorschnell mit Momoko ins Gericht gegangen? Hätte er ihr genauer zuhören müssen? Yosuke blieb stehen und drehte sich um. Wenn er nun noch mal zurück zu ihrem Haus ginge, ob sie ihm aufmachen würde? Es juckte ihn in den Fingern, doch da war der Strauß Narzissen, der ihn daran erinnerte, dass in der entgegengesetzten Richtung sein Leben mit einer Frau an seiner Seite wartete. Seufzend betrachtete er die kräftig gelben Blüten und entschied sich für den Heimweg. Momoko war noch immer halbblind von den Tränen, die ihr immer noch leise über die Wangen rollten. Erschöpfte Schluchzer schüttelten sie hin und wieder, während sie mit dem dröhnenden Staubsauger über den Kurzfloorteppich fuhr. Seit Stunden putzte sie das Zimmer ihres Vaters. Das war das Einzige was sie davon ablenkte, was am Vormittag geschehen war und doch brach die Traurigkeit in ihr immer wieder durch. »Bin ich wirklich nichts weiter als eine Hure?«, fragte sie sich unsicher zum wiederholten Male. Yosuke war so hart mit ihr ins Gericht gegangen, dass sie selber daran zweifelte, dass dem nicht so war. Ja, sie hatte Takuros Heiratsantrag nicht aus Liebe angenommen, sondern im Austausch dafür, dass er einen Klinikaufenthalt ihres Vaters bezahlte und ihr Elternhaus davor rettete verkauft zu werden. Sie hatte das aber nie als Prostitution gesehen, denn schließlich steckte sie schwer in der Klemme. Und Gefühle würden doch sicher noch kommen, schließlich gab es viele Ehen, die arrangiert wurden und in denen die Partner trotzdem miteinander glücklich waren, Kinder hatten und zusammen alt wurden. Außerdem hatte sie nichts Anzügliches getan; Takuro war ihr noch nie näher gekommen als sie es zuließ. Das war so abgemacht. »Yosuke aber schon.«, schoss es ihr durch den Kopf. Momoko wehrte sich gegen den Gedanken, wusste aber, dass es stimmte. Sie kannte diesen neuen und doch alten Yosuke noch keine 24 Stunden und doch hatte er Grenzen bei ihr überschreiten dürfen, in dessen Nähe ihr Verlobter noch nicht mal ansatzweise gekommen war. Sie schüttelte ihre frische Gänsehaut ab, schließlich hatte er sie schlecht behandelt! Es gab keinen Grund sich mit Schmetterlingen im Bauch an seine dunkelbraunen, durchdringenden Augen; seine warmen, starken Hände; seinen schlanken, muskulösen Körper und seine tiefe Stimme zu erinnern… „Nicht doch! Schluss, aus, Ende! So darf ich nicht mal im Ansatz von ihm denken! Er ist und bleibt ein Mistkerl und ich will ihn nie wieder sehen!“, schimpfte sie lautstark mit sich selber. Obwohl es niemanden gab, der sie beobachtete, färbten sich ihre Wangen rot. Fertig mit ihrer Arbeit wischte sie sich den Schweiß von der Stirn und begutachtete ihr Werk. Shôichirôs Zimmer war gar nicht wiederzuerkennen! Momoko hatte das Bett komplett neu bezogen, die Vorhänge und Gardinen getauscht, sämtliche Wäsche eingesammelt, allen Müll, das Geschirr und die Bierflaschen entfernt, sowie das Chaos auf dem Schriebtisch und in den offenen Regalen beseitigt, Staub gewischt, Fenster geputzt und schlussendlich gestaubsaugt. »Noch etwas Raumspray und man kann sich wieder wohlfühlen.« Zwar stapelten sich die Wäscheberge nun im Waschkeller, aber auch damit würde sie noch fertig werden. Hiromi, die ihren Freund zunächst mit der kalten Schulter begrüßen wollte, war beim Anblick der Blumen in lauten Jubel ausgebrochen und trug anschließend die Vase mit den Narzissen wie einen goldenen Pokal durch das Wohnzimmer. „Oh Yoyo-Maus, ich wusste, dass du mich mit so was überraschen würdest!“, quietschte sie hocherfreut und tänzelte Yosuke verliebt entgegen, um sich an seinen Hals zu hängen. „Das hast du mir jetzt bestimmt schon hundert Mal gesagt. Ich freue mich doch, dass du dich freust.“, entgegnete er schmunzelnd. Es war schon wieder dunkel draußen und inzwischen war er dabei sich um das Abendessen zu kümmern, damit es nicht wieder so endete wie das vom Vortag. Fast unberührt ließ er Hiromis Anhänglichkeit über sich ergehen und formte nebenbei aus dem klebrigen Reis mit Mühe und Not Onigiri, in die er gekochtes Hühnchen und Tunfisch mit Mayo drückte. „Hmmm das sieht toll aus, wie du das machst.“, lobte ihn das gelockte Mädchen und legte dabei ihren Kopf an seine Schulter. Yosuke konnte ihren Geruch einatmen und ihre Wärme spüren. Irgendwie erwartete er eine Reaktion seines Körpers, doch es tat sich nichts. „Ich tue mein Bestes, obwohl der Reis eine Konsistenz hat, als wäre er schon mal gegessen worden. Du hättest ihn wegwerfen und neuen machen sollen. Ich hätte mich auch sehr über ein Curry gefreut.“ „Ach was, der sieht doch noch gut aus, du Dummerchen!“, neckte Hiromi ihn und kniff ihn dabei liebevoll in die Wange. Yosuke gab sich wirklich die allergrößte Mühe so normal wie immer zu sein, bemühte sich um eine heitere Miene und versuchte sich auf die Spielereien seiner Freundin einzulassen, doch es fiel ihm sichtlich schwer. Es fühlte sich alles irgendwie unecht an. »Ob mir mein Leben einfach zu einseitig und trist geworden ist? «, fragte er sich und formte zeitgleich den letzten Reisball. „Das hast du schön gemacht, ich bin sicher, dass sie superlecker sind!“, freute sich Hiromi, zog sich an seiner Schulter kurz hoch und drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf. Dieser zog sie gleich darauf erneut zu sich heran, seine Hände verschränkt in ihrem Hohlkreuz. „Liebst du mich?“, fragte er sie leise. „Aber natürlich!“, antwortete sie und strahlte ihn aus ihren roten Augen heraus glücklich an. »Warum erreicht mich ihre Wärme nicht mehr, wenn sie das sagt und mich so anschaut?« Yosuke schloss die Augen und fand ihren Mund mit seinem, begierig darauf die Leere in ihm mit einem tröstlichen Gefühl zu füllen. Hiromi ließ dies nur allzu gern geschehen und seufzte verliebt, streichelte sein Gesicht und fuhr durch sein dichtes Haar. Doch er empfand einfach nichts Aufregendes dabei. Als er seine Augen wieder öffnete und in ihre sah, fühlte er sich noch genauso leer wie zuvor, aber er ließ sich nichts anmerken. „Lass uns essen.“ Hiromi beobachtete ihren Angebeteten während des Abendessens sehr genau. Yosuke schien abwesend mit seinen Gedanken zu sein, er hörte ihren vielen Erzählungen nicht wirklich zu. „Liebling, ist alles in Ordnung? Du bist so schweigsam und in dich gekehrt.“ „Hm? Oh, nein… ich bin nur etwas müde, das ist alles.“, erklärte er sich ertappt. Sein Gegenüber grinste ihn verlegen an. „Kein Wunder nach der letzten Nacht…“ Sie biss sich auf die Unterlippe und setzte einen lasziven Blick auf. Yosuke schluckte schwer an seinem Onigiri. „Du musst dich nicht genieren. Wenn das etwas ist, was dir gefällt, können wir das gerne öfter so machen.“, bot sie ihm leichtfertig an und beugte sich zu ihm über den Tisch, damit sie seine Hand mit ihrer streicheln konnte. Er konnte ihr geradewegs in den Ausschnitt ihres Shirts schauen, weswegen er seine Augen niederschlug und auch seine Hand weg zog. Lautstark räusperte er sich. „Ich weiß nicht, was da in mich gefahren ist. Tut mir leid.“ „Nicht doch! Es hat mir doch auch Spaß gemacht!“, widersprach Hiromi vehement. »Mir nicht.«, entgegnete Yosuke in Gedanken. Er hatte keinen Spaß daran gehabt seine miese Laune und aufgestaute Erregung einer anderen gegenüber an ihr auszulassen. Sie war nichts weiter ein Ventil gewesen, ein Mittel zum Zweck. Keine Frau hatte es verdient so behandelt zu werden. „Ich glaube, ich brauche mal wieder etwas Abwechslung. Ich möchte mich gerne wieder mit den Jungs aus der alten Fußballmannschaft treffen, weggehen, einfach Spaß haben und andere Leute treffen.“ Hiromi sah ihn etwas gekränkt an. „Versteh mich bitte nicht falsch, aber seitdem wir auf die Highschool gehen pauken wir nur noch für das College und hängen fast nur noch gemeinsam rum. Wir sollten uns auch mal wieder alleine jeder für sich amüsieren und unter Leute kommen anstatt immer nur in unserer Routine zu verharren.“ Yosuke hoffte die richtigen Worte gefunden zu haben und gut erklärt zu haben, was ihm vorschwebte, doch Hiromi verschränkte beleidigt die Arme und funkelte ihn zornig an. „Bin ich dir zu langweilig geworden? Nerve ich dich?“, fragte sie ihn vorwurfsvoll. „Nein!“, dementierte er. Sein Magen zog sich unangenehm zusammen; er log. „Was dann? Hast du eine Andere?!“ Ihre Stimme wurde immer schriller. „Nein!“, antworte er erneut. „Ich finde einfach nur, dass wir zu sehr aufeinander hocken und klammern.“ Seine Freundin sah nicht überzeugt aus und durchbohrte ihn mit prüfenden Blicken. „Du warst heute Morgen bei Momoko, nicht wahr?“ Unbewusst fühlte sich Yosuke schuldig, er durfte nicht mal daran denken, was alles zwischen ihm und der Hobbyfotografin vorgefallen war. Wo allem die kurzen, knisternden Momente blieben am besten für immer in seinem Kopf weggeschlossen. „Woher weißt du das?“ „Ich habe es mir gedacht, als ich die Kameratasche bei der Hausarbeit nicht mehr gefunden habe.“ „Verstehe…“ Sie schwiegen sich an. Aber was sollte er dazu noch anderes sagen? Er war sowieso mit der Sache durch, er wollte über dieses Mädchen nicht mehr nachdenken, denn so war es das Beste. Aber so weiterleben wie bisher konnte und wollte er auch nicht mehr, er brauchte mehr, musste nur noch herausfinden was das war. „Warum bist du heimlich und ohne mich zu ihr gegangen?“, horchte Hiromi ihn weiter aus. „Weil ich weiß das es dich aufregt, wenn ich mich mit anderen Frauen umgebe. Ich habe ihr nur die Kamera zurück gebracht und mehr nicht.“, tischte er ihr beruhigend auf. „Dafür warst du aber ganz schön lange weg!“, schimpfte sie noch immer etwas skeptisch. „Ich war noch auswärts in Ruhe frühstücken und dann die Blumen für dich besorgen.“, log er aus der Not heraus. Das zauberte ihr endlich ein versöhnliches Lächeln aufs Gesicht. Wenn Yosuke noch eines draufsetzen konnte, würde der Abend vielleicht ohne ein weiteres Verhör ausklingen. „In Momokos Gegenwart habe ich erst so richtig begriffen, was ich doch für eine tolle Freundin habe. Hübsch, charmant, klug – so jemand verdient einfach Blumen.“ Yosuke glaubte sich die Balken sich unter dem Holzfußboden biegen zu hören, sogar ihm selbst war das etwas zu dick aufgetragen. Für diese Notlüge fühlte er sich wieder schuldig und schlecht, denn eigentlich hätte seine Aussage der Wahrheit entsprechen müssen, doch das tat sie nicht. Ja, er mochte Hiromi und ja, er schlief auch mit ihr, wohnte mit ihr zusammen, doch etwas hatte sich verändert. Er hatte sich verändert. Sie war ihm nicht mehr genug und das war seine Schuld… Nein, es war ihre. Hiromi war freudestrahlend aufgestanden und hatte sich glücklich in seine Arme geworfen. Genau solche Worte wollte ihr eifersüchtiges Frauenherz hören! Dicht an ihn gekuschelt saß sie auf seinem Schoß, genoss wie er ihren Rücken tätschelte und ahnte dabei nicht, wie wenig das auf Gegenseitigkeit beruhte. „Yoyo-Maus, wir haben doch am Samstag Jahrestag. Lass und in dieses neue Café gehen, dass um die Ecke aufgemacht hat, es soll großartige Eisbecher und Kuchen dort geben.“, schlug sie ihm überraschend vor. »Oh ja, der Jahrestag…« „Wenn du dort gerne hin möchtest, dann gehen wir dort auch hin.“ Er schenkte ihr ein aufrichtiges Lächeln, sie konnte ja schließlich nichts dafür, dass er im Moment für alles eher leidenschaftslos war. Yosuke wollte sich bemühen alles wieder in Ordnung zu bringen. Als Takuro am Abend unangekündigt mit einem übertrieben großen Strauß roter Rosen vor ihrer Tür stand, wollte Momoko den Tag einfach nur verfluchen und sich einbuddeln. Zwei mal Männerbesuch war ihr eindeutig zu viel, doch sie machte gute Miene zum bösen Spiel, wenngleich ihre verquollenen, müden Augen schlecht zu überspielen waren. Takuro stand mit einem dunklen Hemd, einer weinroten Krawatte und einer weißen Anzughose in ihrem Haus und musterte alles ganz genau. „Ich habe gar nicht mit dir gerechnet, du hättest doch anrufen können.“ Momoko suchte fieberhaft nach einer Vase, die dem dicken Bund Rosenstile gewachsen war. „Ach, ich musste heute den ganzen Tag daran denken wie zauberhaft du gestern ausgesehen hast und da dachte ich, ich mache meiner Verlobten spontan meine Aufwartung. Ist dir das nicht recht?“ Er war gelassen und schmierig wie eh und je, seit er seine Wandlung in den USA vollzogen hatte. „Oh, doch! Nur wollte ich gerade runter in den Keller und mir den Film ansehen, den ich gestern auf dem Klassentreffen vollgeknipst habe.“ Der Schwarzhaarige runzelte die Stirn, er konnte sich nicht erinnern eine Kamera bei Momoko gesehen zu haben, als er sie nach Hause gebracht hatte. „Ich würde mir gerne ansehen wie du das machst, ich habe noch nie dabei zusehen können, wie man Filme auf die altmodische Art entwickelt.“ Sein Interesse an ihrem Hobby rührte sie, mit Vergnügen zeigte sie ihm ihren Fotoraum, der neben der Waschküche lag. In ihm war es sehr dunkel, nur ein schwaches, rötliches Licht machte es möglich überhaupt etwas zu sehen. An quer durch den engen Raum gespannten Wäscheleinen waren bereits einige Fotos mit Klammern zum Trocknen aufgehängt worden. Takuro schob seine Brille höher auf die Nase und kniff die Augen zusammen um etwas erkennen zu können. „Ich habe schon tagsüber angefangen einige Bilder zu entwickeln. Die auf den Leinen müssten schon fertig und trocken sein, ein paar andere liegen noch in der Entwicklerflüssigkeit oder müssen erst noch auf Fotopapier übertragen werden.“, erzählte Momoko begeistert und lief zum anderen Ende des Zimmers zu flachen Bassins, in denen noch ein paar Bögen schwammen. Takuro nahm derweil ein paar der trockenen Bilder ab und hielt sie gegen das wenige Licht, um sie betrachten zu können. Momoko hatte ein gutes Auge für Fotografie. „Entschuldige, dass wir das Licht nicht anmachen können, aber dann sind sämtliche unentwickelte Bilder hier ruiniert.“, erklärte sie ruhig und zog ein paar Bögen mit einer feinen Metallzange von einem Behältnis mit Flüssigkeit ins nächste und beobachtete gespannt, was sich auf ihnen abzeichnete. Erschrocken schnappte sie nach Luft, als sich auf ihrem aktuellen Bild Yosuke entwickelte. Herangezoomt im Dämmerlicht der Karaokebar, blickte er ihr vom Papier aus direkt in die Augen. Sein Blick fragend und neugierig. Das musste das Foto sein, das sie eher aus Versehen geknipst hatte. „Hast du was?“, holte sie Takuro zurück aus ihrer Erinnerung und kam auf sie zu um sich anzusehen, was sie sah und offensichtlich etwas erschreckt hatte. „Nein, nein, nichts! Ein paar Bilder sind einfach nur nichts geworden!“ Hektisch fischte sie das Foto heraus und ließ es direkt nass in den Papierkorb unter den Tisch klatschen. „Huch, wolltest du es mir denn nicht wenigstens zeigen?“, fragte der Schwarzhaarige verwirrt. „Ich sagte doch, es ist nichts geworden. Ganz verschwommen und so.“ Momoko war klar, dass ihre Stimme etwas zu überspitzt klang, aber die absurde Angst erwischt zu werden, obwohl es nichts gab, bei dem sie erwischt werden konnte, ließ ihr Herz wie eine Dampflok arbeiten. Ihr vermeintlicher Verlobter lächelte sie an, ihr war gar nicht klar gewesen, wie dicht er neben ihr stand um ihr über die Schulter zu sehen. Ein unangenehmer Kloß bildete sich in ihrem Hals. „Wolltest du mich vielleicht einfach nur zu dir locken?“, fragte er grinsend. »Hä, bitte was?!«, dachte sich Momoko nur perplex dreinschauend. „Hier unten ist es schon irgendwie… kuschelig.“, setzte er hinzu. »Ach du Sch…« „Das hast du missverstanden, ich habe wirklich nur ein misslungenes Foto entsorgen wollen“, sagte sie gespielt amüsiert und lächelte ihn unschuldig an. Takuro legte seine rechte Hand auf ihre linke, die sich auf der Tischkante abstützte und bedachte sie mit einem milden Blick. „Wenn du etwas mehr Aufmerksamkeit von mir haben möchtest als sonst, musst du mich doch dafür nicht in deinen Keller locken.“, scherzte er, doch er meinte es so, wie er es sagte. Momoko blinzelte aufgeregt, was sollte sie tun? Da hatte sie sich ja wunderbar in die Bredouille gebracht! Seine freie Hand griff nach ihrem Pferdeschwanz und seine Finger begannen einzelne Strähnen zu zwirbeln. Alle ihre Alarmglocken schrillten. „Selbst in dieser gewöhnlichen Kleidung bist du noch wunderschön.“, raunte er mit glänzenden Augen und zog sie dicht an sich heran in eine Umarmung wie zu einem Tanz ohne Musik. Der jungen Frau blieb nichts weiter übrig als ihren Kopf mit abgewandtem Gesicht an seine Schulter zu lehnen, bevor Takuro noch auf die Idee kam ihr einen Kuss abzuringen. »Hilfe, ich will hier weg!«, schrie sie innerlich. So viel Nähe hatte der Brillenträger noch nie eingefordert, aber sie war ja selbst Schuld, warum auch lud sie ihn gutgläubig in ihren Keller ein? Welcher Mann würde das nicht missverstehen und vielleicht ausnutzen wollen? Sie spürte sein Gesicht in ihrem Haar, er schnupperte daran, was sie unangenehm erschaudern ließ. »Warum fühlt sich das so falsch und schlecht an?« Ihre Verwirrung gründete auf den Ereignissen des Vormittags. Momoko schloss die Augen und sah Yosuke vor sich, erinnerte sich an seine Finger, die ihre Wirbelsäule hinunter gewandert waren und an den Moment, wo er sie brüsk an sich gezogen- und ihr fast das Gefühl gegeben hatte, dass er sie küssen wollte… Allein die Erinnerung daran ließ sie erzittern, aber auf eine andere, gute Weise. Zu ihrem Leidwesen verstand das der Führer dieses stummen Tanzes ganz falsch, denn er glaubte ihre körperliche Reaktion galt ihm. Sein Gesicht wanderte tiefer und Momoko ahnte schnell was er vor hatte, als er sie weit genug von sich weg schob um sie ansehen zu können. Es war ausweglos, denn seine beiden Hände hielten sie fest dort wo sie war. Passierte es jetzt, würde das ihr erster Kuss werden? Ein ohrenbetäubender Klingelton unterbrach das Intermezzo gerade noch rechtzeitig, knurrend und widerwillig ließ Takuro von ihr ab um das Gespräch anzunehmen. Die Rosahaarige nutzte das direkt aus um in Richtung Tür zu flüchten. „Der Empfang hier unten ist echt mies, geh lieber hoch zum Telefonieren. Ich gehe schon mal vor!“, flüsterte sie ihm zu und verschwand. Oben angekommen holte sie tief Luft, stützte sich mit den Händen auf ihre Knie und stöhnte erleichtert. Sie wiederholte das, als sie bemerkte, dass er ihr nicht folgte. „Das war echt knapp! Ich bin eine miese Verlobte!“ Etwas zittrig vor Aufregung kämmte sie ihr Haar mit den Fingern und lief im Wohnzimmer auf und ab. Sie hatte immer geglaubt das durchziehen zu können, dass sie Takuros Frau werden konnte ohne Wehklagen, doch dem war nicht mehr uneingeschränkt so. Sie schaute auf ihre Hand mit dem Ring und auf die Fingerknöchel, auf denen sie noch Yosukes Berührung spüren konnte, die mehr in ihr ausgelöst hatte als je eine Zuwendung von Takuro oder eines anderen Jungen. Obwohl sie keinerlei Zuneigung für den Sportler empfand und er sich wie immer als ein gemeiner Kerl herausgestellt hatte, zog er sie magisch an. Ihr Körper reagierte auf seinen, war es Chemie oder etwas anderes; das spielte keine Rolle, aber Fakt war, dass er sie verdorben hatte. Momoko war überzeugt davon gewesen auf Takuro eingehen zu können mit allem was sie hatte, doch jetzt, wo sie wusste wie sich Berührungen eines Mannes anfühlen konnten und was sie auszulösen vermochten, kam ihr alles was ihr Verlobter tat fast wie Gewalt vor. »Ich muss das in den Griff bekommen, ich kann nicht kneifen! Es hängt zu viel davon ab…« Sie entschloss sich Yosuke komplett zu vergessen und sich auf all die Dinge zu besinnen, die sie nicht an ihm mochte. Ihre Unerfahrenheit durfte ihr nicht im Wege stehen, früher oder später würde sie sich überwinden Takuros Zuneigung zu erwidern und dann wäre das alles bestimmt nur noch halb so schlimm. Entnervt hörte Takuro sich an, was man ihm ins Ohr sprach und sah sich dabei noch etwas in dem Fotokeller um. Der Empfang war anders als angekündigt mehr als ausreichend hier unten. Während er sich berieseln ließ, fiel sein Augenmerk auf den Papierkorb mit dem noch feuchten Bild darin, welches er sich kurzerhand heraus fischte. Seine Augenbrauen hoben sich überrascht, doch verfinsterte sich sein Blick augenblicklich wieder. Schmallippig schnippte er das Foto wieder zurück in den Müll und sah ihm auch genauso hinterer; wie einem Stück unwillkommen Unrat. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)