~ Love at third sight ~ von Nea-chan (Mit dem Herz gegen alle Regeln) ================================================================================ Kapitel 6: Sneaking suspicion ----------------------------- Hiromi kochte vor Wut! Wo zum Henker war ihr Freund abgeblieben?! Und was dachte sich Yosuke dabei, sie mit der liegengeblieben Unordnung in der Küche allein zu lassen? Nicht mal einen Zettel oder eine SMS hatte er hinterlassen! Wütend warf sie den Lappen, mit dem sie die Arbeitsflächen abgewischt hatte, ins Spülbecken und sammelte sämtliche Nahrungsmittel, die sie nun nicht mehr benutzen konnte, in einem kleinen Mülleimer zusammen. Den aufgequollenen Reis konnte man noch essen, auch wenn er etwas matschig sein würde. Vielleicht taugte er für Omelette oder Onigiri… ein guter Zeitpunkt sich noch mal ein Kochbuch anzusehen. Etwas selbstzufrieden grinste sie während des Aufräumens nun doch vor sich hin, schließlich war hier ihr Verführungsmanöver ein voller Erfolg gewesen, wenngleich auch nicht auf Anhieb und dann auf ganz überraschende Weise. „Vielleicht ist er unterwegs und besorgt mir ein paar Blumen?“, überlegte sie. Yosuke war eigentlich immer schon eher der zurückhaltende, stille Typ in ihrer Beziehung gewesen. Er war zu ihrem Leidwesen kein Freund von viel Kitsch oder Romantik gewesen, obwohl er ihr gegenüber trotzdem immer höflich und ein Gentleman war. Vielleicht hatte er ja jetzt vor das zu ändern? Die letzte Nacht musste etwas bedeutet haben, möglicherweise war ihm auf dem Klassentreffen ja erst bewusst geworden, was für eine tolle Freundin er hatte? Natürlich, das musste es sein! Vergnügt hüpfte Hiromi durchs Wohnzimmer und überlegte, was sie im Haushalt noch erledigen konnte. Und was sich ihr Liebster wohl das nächste Mal im Bett mit ihr wünschen würde. „Bitte entschuldige, wenn es hier etwas chaotisch aussieht, ich wollte nach dem Essen gleich mit der Hausarbeit anfangen.“, entschuldigte sich Momoko, als sie Yosuke herein bat. Wie es sich gehörte zog er seine Schuhe vor der Stufe zum eigentlichen Flur aus und hängte seinen Mantel an der Garderobe auf. Sein Rollkragenpullover war heute beige mit Zopfmuster, die Hose war Dieselbe wie am Vorabend. Yosuke sah sich kurz in dem warmen Raum mit der offenen Küche um und konnte keine Unordnung entdecken, das Mondgesicht war ordentlicher als er erwartet hatte. „Sieht doch sehr gemütlich aus.“, kommentierte er. Momoko atmete beruhigt aus. „Setz dich ruhig an den kleinen Tisch, ich muss erst auftun.“ „Mach ich.“ Er lief langsam zu dem kleinen Esstisch um in Ruhe das Zimmer abnehmen zu können. Sein Blick blieb an dem leeren TV-Regal hängen. „Nanu, habt ihr gar keinen Fernseher?“ Momoko zuckte unwillkürlich zusammen, sie folgte seinem Blick zu dem freien Platz an der Wand. „Äh, doch. Der ist… gerade in Reparatur.“, erklärte sie etwas zögerlich. Yosuke stutzte misstrauisch. „Und das Soundsystem und die Stereoanlage auch?“, hinterfragte er ungläubig. Etwas zu energisch stellte die Blauäugige die Teekanne auf den Tisch. Ihr Gegenüber schluckte. „Ja. Die auch!“ Ihr Tonfall duldete keine Nachfragen, also beließ es Yosuke dabei. Er wollte den jungen Frieden zwischen ihnen beiden nicht gleich überstrapazieren. „Kann ich dir vielleicht mit etwas helfen?“, fragte er hilfsbereit, um seinen guten Willen zu zeigen. Momoko winkte jedoch ab. „Nein danke, es ist eh nicht viel.“ Abschließend zu den Reisschüsseln, der Misosuppe, den kleinen Tellern für den Fisch, den Gemüseschälchen, den Soßen und den Teetassen stellte sie noch eine Schale mit ein paar Äpfeln auf den Tisch. Yosuke sog den Geruch des Essens gierig ein, was sein Magen grummelnd quittierte. „Hmmm das riecht wirklich gut!“, schwärmte er anerkennend. Die junge Frau lächelte zurückhaltend und setzte sich. „Probier lieber erstmal. Nicht, dass du mich zu Unrecht lobst.“ Der Dunkelhaarige tat es ihr gleich und nahm ihr gegenüber Platz. Unschlüssig betrachtete er die Auswahl an Leckereien; er wollte nicht gierig wirken, also wartete er ab was Momoko nahm und machte es ihr dann nach. „Du brauchst dich nicht zurück halten, bedien dich einfach.“, sprach sie ihn durchschauend an. Er lächelte ertappt. Nach und nach brach das Eis, Yosuke ließ sich nicht zwei Mal bitten, dazu war er zu ausgehungert. Genießerisch machte er sich über Suppe, Reis, Fisch und Gemüse fast zeitgleich her. Momoko beobachtete dies staunend, aber zufrieden. „Das muss ich dir wirklich lassen, das war echt lecker Pfirsichtörtchen!“, lobte Yosuke sie nach dem Mahl mit befriedigter Miene und rieb sich satt den Bauch. Die Verwendung ihres alten Spitznamens machte die Rosahaarige verlegen. „Hey, ich dachte, du wolltest mich nicht mehr so nennen…“, kommentierte sie auf die Tischplatte starrend. Erschrocken über sich selbst versuchte er mit übertriebenem Abwinken den Satz ungesagt zu machen. „Das ist die Gewohnheit! Es ist mir nur so rausgerutscht!“ Seine Unsicherheit amüsierte sie. Der ach so coole Yosuke war also doch ganz leicht aus der Fassung zu bringen. Dieser Junge gefiel ihr viel besser als der unnahbare, kühle und überhebliche Torwart von damals. „Keine Sorge, wenn du brav bist verrate ich es Hiromi nicht.“ Wieder zwinkerte sie ihm zu. „Das ist wohl auch besser so. Sie würde wahrscheinlich ausrasten!“ Er lachte etwas verkrampft bei dem Gedanken an seine Freundin, die ihn und wahrscheinlich auch Momoko einen Kopf kürzer machen würde. „Schon merkwürdig. Ausgerechnet Hiromi hat es geschafft dich zu erobern, dabei waren wir uns damals immer einig, dass sogar du zu gut für sie bist.“, begann sie Yosuke aufzuziehen. „Das sagt die Richtige. Ich glaube mit Takuro als deinen Verlobten hat auch niemand gerechnet!“ Er wusste, dass sie nur einen Spaß machen wollte und dachte, wenn er es genauso machte war es ok, aber schlagartig verschwand die Unbeschwertheit aus Momokos Gesicht. Da war doch was faul! „Hab ich was Falsches gesagt?“, fragte er vorsichtig nach. „Nein, wieso? Du hast doch Recht. Das Schicksal geht schon komische Wege, nicht wahr?“ Ihre Stimme klang etwas zu übersteuert und ihr rasch aufgesetztes Lächeln war zu steif, um ihr bedenkenlos beipflichten zu können. Momoko stand auf und sammelte so viel Geschirr zusammen wie sie tragen konnte und flüchtete damit in die Küche, doch Yosuke hatte nicht vor sie so davonkommen zu lassen. Er schnappte sich den Rest und lief ihr hinterher. „Erzähl doch mal, wie kam es denn dazu, dass ihr zusammengekommen seid? Er war doch bis vor Kurzem im Ausland oder? Und damals in der Schule konntest du ihn doch gar nicht ausstehen.“ Angespannt bemühte sich Momoko darum keine Miene zu verziehen und äußerst beschäftigt zu wirken, während sie den Abwasch vorbereitete. „Du hast auch nicht unbedingt den Eindruck gemacht, als wäre Hiromi deine Traumfrau gewesen.“, wich sie den Spieß umdrehend aus. Yosuke schnaubte, sie war wirklich eine harte Nuss! Er betrachtete ihre Rückansicht, die sie ihm zu wand, als sie am Spülbecken stand und begann das Geschirr abzuschrubben. Ihr Nacken lag frei, ihre Haut war hell und rein. Wenn er näher herantreten würde konnte er bestimmt die feinen, blauen Äderchen durch sie hindurch schimmern sehen. Ihr schlanker Hals, die schmalen Schultern und die zierliche Taille, in der der Knoten ihrer Schürze saß, führten hinab zu einem ansehnlichen Apfelpo, der sich durch die enganliegende Leggins vorteilhaft abzeichnete. Der junge Mann räusperte sich und versuchte seine Augen auf einen anderen Punkt im Raum zu konzentrieren, aber ihre Figur verdiente bewundernde Blicke einfach! Mit einem Schlag holten ihn die Ereignisse des letzten Abends ein, was ihm die Scharmesröte ins Gesicht trieb. Der Moment hatte etwas von einem Déjà-vu! Yosukes Herz pochte aufgeregt und in seinen Fingerspitzen kribbelte es, so als würde Elektrizität durch sie hindurch fließen. Der Gedanke sie so vor sich zu sehen, wie er sie sich am Vorabend vorgestellt hatte, reizte ihn mehr als er sich erlauben wollte. Trotzdem tat er einen Schritt näher an Momoko heran, er musste sich nur ein wenig vorbeugen und er würde ihren Geruch wahrnehmen können. »Fuma! Was zum Henker treibst du da?!«, schalt er sich selber. Momoko ließ den Schwamm mit mehr Druck als nötig über die Keramikwaren fahren, sie war zu nervös und brauchte ein Ventil um wieder zur Ruhe zu kommen. Warum war dieser Yosuke so schrecklich neugierig? Und dann ausgerechnet auch noch darauf, was sie und Takuro betraf? Na gut, sie musste zugeben selber brennend an der Story interessiert zu sein, wie Hiromi den Platz 2 Schulschwarm für sich gewinnen konnte. Nicht, dass es sie etwas anging… ihr war er ja schließlich gleichgültig. So versunken in ihren Gedanken hatte sie fast vergessen, dass Yosuke ja immer noch hinter ihr stand; das fiel ihr erst wieder ein als sie hörte, dass er näher an sie herangetreten war. Viel näher! Angespannt sog sie scharf Luft ein. Was trieb er da? Sie wollte so tun, als würde sie ihn gar nicht wahrnehmen, wahrscheinlich heckte er wieder mal einen Scherz aus oder vielleicht wollte er sie etwas fragen. Doch eine Frage blieb aus. Ganz unerwartet spürte sie warmen Atem in ihrem Nacken, sodass ihr eine Gänsehaut über den Rücken lief. Ihr Puls beschleunigte sich und ihre Finger wurden ganz zittrig, es fiel ihr schwer sich auf die Putzbewegungen zu konzentrieren. Was sollte das, was hatte er vor? Sollte sie sich umdrehen? Wenn ja, was sollte sie sagen, wie reagieren? Ein weiterer Atemzug streifte ihre linke Schulter, Momoko erschauderte unwillkürlich. Der Geruch von Shampoo mit Pfirsichduft hüllte sie ein, ein Duft der zu ihrer Haut und ihrem Namen perfekt passte. Eigentlich wollte er ihr nur über die Schulter sehen und das Gespräch wieder aufnehmen, doch sie schien ihn nicht wahrzunehmen, weswegen er sich hinreißen ließ einen Moment lang an ihrem Nacken inne zu halten und den feinen Übergang von ihrem Hals zur Schulter zu bewundern und in ihrem Geruch zu schwelgen. Sein Blick fiel auf die aufgestellten Härchen in ihrem Nacken. »Eine Gänsehaut?« Also hatte sie sehr wohl gemerkt, dass er direkt hinter ihr stand? Yosuke wollte erst zurückweichen, doch wenn sie nicht zurückschreckte, obwohl sie sich seiner Nähe gewiss war, dann wartete sie vielleicht auf eine Regung von ihm? Seine Lippen formten ein schelmisches, verschwörerisches Grinsen. Seine Augen wanderten ihr Rückrad hinab bis zu dem Knoten ihrer Schürze, das konnte man bestimmt nutzen um sie ein wenig aus der Reserve zu locken. Zuerst etwas unschlüssig hielt er Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand über den höchsten Wirbel in ihrem Nacken erhoben. Gefasst darauf eine ausholende Hand abwehren zu können, setzte er seine Finger auf ihrem Shirt auf und lies sie langsam hinab gleiten. Sie zuckte kurz zusammen, es war wie ein Stromschlag, der sie ihm Nacken traf. Schwamm und Teller waren ihr aus den Händen geglitten und versanken leise im Schaumbad. »Was denkt er sich?!«, schimpfte sie innerlich und wollte sich eigentlich wutentbrannt zu ihm umdrehen und ihm die Leviten lesen, doch seine überrumpelnde Berührung – welchen Zweck sie auch immer erfüllen sollte – brachte sie auch auf angenehme Art und Weise aus der Fassung. Ein weiterer Schauer überfiel sie, als seine Finger bereits die Mitte ihres Rückens passierten. Momokos Knie wurden auf unbekannte Art und Weise mit einem Mal sehr weich und wackelig. Hin und her gerissen zwischen abwarten und reagieren wollen, verstrichen die Sekunden, bis die Berührung jäh am tiefsten Punkt ihrer Taille endete. Sie wollte diesen Moment nutzen sich endlich zu Yosuke umzudrehen und ihn zur Rede zu stellen, ganz cool natürlich, so als hätte sie das eben gar nicht interessiert, doch da fühlte sie ihn am Knoten ihrer Schürze nesteln. „Lass das!“, fuhr sie Yosuke an und drehte sich so abrupt um, dass es ihm doch misslang ihr auszuweichen, weswegen sie mit ihren Köpfen aneinanderstießen. Blind vor Schmerz verlor Momoko fast das Gleichgewicht, doch der Verursacher des Missgeschicks war gegenwärtig genug noch rechtzeitig seinen rechten Arm um sie zu schlingen. Mit der linken Hand hielt er sich selbst seine schmerzende Wange. Ein Augenblick beiderseitigen Wehklagens ließ sie so verbleiben. Yosuke war der erste, der im vollen Umfang begriff, was passiert war und wie ausgeufert sein kleiner Scherz war. Seine braunen Augen schauten auf das Mädchen in seinem Arm hinab. Ein zarter, weiblicher Körper – war sie schon früher so leicht gewesen? Errötend stellte er fest, dass sich ihr Busen an seine Brust schmiegte. Ihr Haarschopf lag fast unmittelbar unter seiner Nase, es war seidig und roch unwiderstehlich gut. Das Blut in seinen Adern begann wieder zu lodern. Der Mann in ihm wollte dieses Geschöpf noch etwas enger umarmen, ihrem Haupt einen Kuss aufdrücken, ihre Alabasterhaut streicheln… »Um Himmels Willen! Was denke ich denn da schon wieder?!« Im selben Augenblick riss auch Momoko begreifend die Augen auf und traf seinen Blick; ihr Gesicht war seinem so nahe, dass sie seinen Atem spürte. Sie sah den Schrecken in seinem Gesicht und errötete ebenfalls. Seine rehbraunen, tiefgründigen Augen waren fesselnd und durchdringend. Selbst jetzt, wo sie sie erschrocken musterten, ließ sie das beinahe den pochenden Nachhall an ihrer Stirn vergessen. Als sie jedoch ihre Position nah an seinem Körper erkannte, war der knisternde Moment vorbei und sie stieß ihn mit beiden Händen von sich. „Du Idiot! Perversling! Was sollte das?! Willst du mich verarschen???“ Ihre Ausdrucksweise war hart, aber ihre Stimme, Mimik und Gestik untermalten, wie fassungslos, erschüttert und wütend sie tatsächlich war. Der Knoten ihrer Schürze war offen, also zog Momoko sie sich über den Kopf und warf sie zornig in Yosukes Gesicht. Ihr Gesicht war immer noch hochrot. Der geübte Torwart beachtete das Stoffgeschoss nicht weiter und warf es nach dem Auffangen achtlos weiter hinter sich auf die Küchenflächen. „Es tut mir leid, es tut mir leid! Ehrlich, das wollte ich nicht, ich wollte nicht…“, fing er hastig an sich rechtfertigen zu wollen. Er tat einen Schritt auf Momoko zu, doch sie wich direkt zwei zurück, ihre Arme schützend um sich selbst geschlungen. „Was wolltest du nicht?“, zischte sie ihn argwöhnisch an. Yosuke seufzte, fuhr sich unwirsch durch sein Haar und sah sie flehendlich an. „Glaub mir, ich wollte dir nichts tun! Ich wollte nur einen Spaß machen!“, versuchte er ihr glaubhaft zu machen. „Du findest das also witzig, wenn du mir an die Wäsche gehst?!“ Der Braunäugige erhob abwehrend die Hände auf Schulterhöhe und schüttelte den Kopf. „Ich schwöre, das hatte ich niemals vor!“, widersprach er mit klarer, fester Stimme. »Du hättest aber am liebsten…«, schlich sich eine leise Stimme in seine Gedanken, die er aber sofort mit einem Kopfschütteln verstummen ließ. Momoko sah ihn prüfend an. Das Blau in ihren Augen blitzte misstrauisch auf, doch selbst der Zorn konnte ihr schönes Gesicht nicht entstellen. „Was sollte das dann?“, durchbrach sie den Augenblick der Stille schroff. „Ich erkläre es dir. Wenn du noch ein paar Schritte von dem Messerblock hinter dir weg gehst.“ Die Rosahaarige sah sich zu der Messersammlung um und dann wieder zu ihrem Gegenüber, der es mit einem schiefen Lächeln bei ihr versuchte. Doch den Gefallen tat sie ihm nicht, stattdessen bedachte sie ihn mit einem süffisanten, kurzen Auflachen. „Gegenvorschlag: Du erklärst es mir und das am besten plausibel, dann überlege ich mir vielleicht, ob ich die hier brauche um dich zum Teufel zu jagen oder nicht.“ Ihre erfrischende Schlagfertigkeit beeindruckte ihn und zauberte ihm trotz der unbefriedigenden Antwort ein echtes Lächeln auf die Lippen. „Ok. Also, ich schwöre, dass ich dich nur etwas ärgern wollte – Hey, lass brav die Finger von den Messern und lass mich ausreden! Es hat mich geärgert, dass du mir nicht mehr von dir und Takuro erzählen wolltest und stattdessen den Spieß umgedreht hast. Und dann dachte ich bei mir, dass ich dich doch vielleicht etwas provozieren könnte. Ich habe aber ehrlich nicht damit gerechnet, dass du mich einfach machen lässt… ich verspreche dir aber hoch und heilig, ich wollte nicht mehr als den Knoten deiner Schürze aufmachen um deine Aufmerksamkeit zu bekommen!“ Noch immer hielt Yosuke seine Hände hoch, Momoko sah ihn lange überlegend an. Man konnte die Zahnräder in ihrem Kopf förmlich ticken hören. „Das war dämlich…“, nuschelte sie unverständlich. „Was?“, fragte Yosuke reflexartig nach. „Das war total DÄMLICH von dir!“, schrie sie ihn sauer an, „Ich fing gerade an dich zu mögen!“ Zu mögen – diese Aussage schwebte für einen langen Augeblick lang eingehüllt in bedächtiges Schweigen über ihnen. Etwas perplex entglitt Yosuke sein gefasster Gesichtsausdruck. Momoko hatte ihre Wangen dick aufgeblasen und eingeschnappt ihre Arme verschränkt, machte aber nicht den Eindruck sich etwas Besonderes bei ihrer Wortwahl gedacht zu haben. Natürlich nicht. „Stimmt, es war dämlich von mir. Ich fing nämlich auch gerade an mich an den Frieden zwischen uns zu gewöhnen.“, versuchte er zu scherzen. „Du kannst mich nicht einfach so antatschen!“ „So? War dir das zu intim?“, witzelte er weiter. Momoko errötete erneut und erwiderte seinen Blick etwas zickig, aber deutlich verlegen. „Wenn du es genau wissen willst – ja!“ Ihre Antwort wischte ihm das selbstgefällige Grinsen aus dem Gesicht. Wie konnte ihr das unangenehm sein, wenn sie doch sogar einen Verlobten hatte? „Oh, dein Takuro hätte wohl ein Problem damit, stimmt’s?“, schlussfolgerte Yosuke. „Das hat mit Takuro rein gar nichts zu tun und überhaupt, fängst du schon wieder mit diesem Thema an?“ „Warum bist du denn so verschlossen? Oder bist du einfach nur verklemmt?“ Seine Gesprächspartnerin erkannte den provozierenden Unterton sofort, doch wollte sie sich nicht auf dieses Spielchen einlassen. „Ich bin überhaupt nicht verklemmt, sondern einfach nur anständig.“, entgegnete sie trocken, kehrte ihm den Rücken und wollte zurück ins Wohnzimmer gehen. Yosuke grinste in sich hinein, machte einen Satz zu ihr hin und zog sie mit einem Ruck wieder zu sich herum, sodass er sie zwischen den Küchenschränken und sich selbst gefangen nehmen konnte. Seine Arme bildeten dabei je rechts und links von ihr die Gitter ihres Gefängnisses. Momoko war starr vor Schreck und sah ihn aus großen Augen an, ihr Gesicht wieder ganz nah an seinem. „Aha, gar nicht verklemmt also. Warum wirst du denn dann so rot?“, neckte er die junge Frau schelmisch grinsend. Wie erwartet nahm ihr Teint sofort die Farbe einer Tomate an. „Du bist richtig blöd, weißt du das?“, grummelte sie kleinlaut, hielt seinem Blick aber stand. Der Torwart konnte nicht mehr ernst bleiben und brach in schallendes Gelächter aus, gab seine Gefangene frei und torkelte übertrieben vorgebeugt an ihr vorbei in die Stube. „Ich muss schon sagen, dein Gehabe ist schon irgendwie süß, Momoko.“ „Dafür finde ich dich überhaupt nicht süß!“, schimpfte sie ihm schrill nach, was ihn erneut auflachen ließ. Mit hochgezogener Nase folgte sie ihm, ihr beleidigter Blick amüsierte Yosuke zutiefst. „Brauchst du auch nicht, du hast ja schließlich Takuro.“ Endlich kam von seiner Gesprächspartnerin wieder eine Reaktion, mit der er etwas anfangen konnte. Statt verliebt über diese Aussage zu lächeln, sah sie kurz bedrückt zu Boden. Der Dunkelhaarige setzte eine ernste Miene auf. „Du bist doch glücklich mit ihm, oder?“ Momoko sah ihn unschlüssig an, bemüht eine passende Antwort zu finden. „Warum sollte ich das denn nicht sein?“ Sie hatte zu lange gezögert und ihre Antwort klang alles andere als würde sie selbst davon überzeugt sein. „Ich weiß nicht, ich habe einfach den Eindruck, dass dich etwas bedrückt.“ Ihre Augen flackerten auf, ein trauriger, bekümmerter Glanz lag in ihnen und in Yosuke breitete sich ein beklemmendes Gefühl aus. Die Tatsache, dass ein quasi Fremder, oder schlimmer noch – jemand mit dem sie jahrelang nichts mehr als Hassliebe verbunden hatte, ihr anscheinend an der Nasenspitze ansah, dass etwas nicht stimmte, erschütterte und verunsicherte sie. Sie hatte geglaubt eine Mauer um sich herum errichtet zu haben, die verhinderte, dass die Außenwelt mitbekam was in ihr vorging. Momoko wollte nach außen hin selbstbewusst, entschlossen und glücklich wirken. Wenn Yosuke jetzt schon etwas bemerkte, wie sollte sie dann Takuro den Rest ihres Lebens etwas vormachen? Davon hing doch schließlich ihr Glück und das ihres Vaters ab. Ihr Alptraum holte sie ein und schon war das flaue, schreckliche Gefühl in ihrem Magen wieder da. »Nein, du darfst nicht weinen, du darfst ihm nichts sagen!«, ermahnte sie sich. Sie sah dem hochgewachsenen Jungen wieder in die Augen, sie waren so warm und aufrichtig, dass sie schlucken musste. Warum konnte Takuro nicht solche Augen haben? Obwohl sie sich eben noch gestritten hatten, strahlte der Sportler etwas aus, das sie geradezu dazu verleitete mit ihm über ihre Sorgen zu reden. Irgendwie fühlte sie sich wohl in seiner Gegenwart, das hatte sie schon beim Frühstück bemerkt. Und doch war er fremd und manchmal etwas taktlos; er war nicht der Richtige um über solche Dinge zu reden. Dazu hatte sie Freundinnen, eigentlich. Der Gedanke daran, dass Yuri und Hinagiku nicht mehr für sie da waren, stürzte sie in nur noch tiefere Verzweiflung und der Zwiespalt, Yosuke ehrlich zu antworten oder auf ihrer Fassade zu beharren, wurde immer größer. Sie spürte wie Tränen in ihren Augen aufstiegen und konnte rein gar nichts dagegen tun. Dort vor ihr stand jemand, der geduldig und mit einem lieben, milden Lächeln auf ihre Antwort wartete und ihr vielleicht der Freund sein konnte, den sie jetzt in diesem Moment unbedingt gebrauchen konnte. „Yosuke, ich…“ Die Haustür flog mit einem lauten Rumms auf, erschrocken zuckten die beiden jungen Leute zusammen. „Momoko!“, rief der Mann, der im Türrahmen stand aufgebracht. „Ich habe kein Geld in meiner Börse!“ Unfähig sich zu rühren starrte Yosuke Momokos Vater an, der sie ohne ein Wort der Begrüßung an ihn brüsk in Beschlag nahm. Dem Mädchen, das eben noch ausgesehen hatte, als müsste sie gleich weinen, wich sämtliche Farbe aus dem Gesicht. „Papa? Wo warst du? Entschuldige, ich habe gerade Besuch… erinnerst du dich noch an Yosuke Fuma?“ Sichtlich unsicher, wie sie reagieren sollte, trat sie stammelnd auf ihren Vater zu, der ihm – den Besuch – jetzt wenigstens mit einem flüchtigen Blick bedachte. „Hm, ja ja… wieso hab ich kein Geld mehr in meinem Portemonnaie?“, fuhr er einfach fort. „Papa…“, begann Momoko flüsternd, ihr war das schrecklich unangenehm. „Du musst es gestern Abend ausgegeben haben…“ „Dann gib mir welches!“, forderte Shôichirô. Yosuke, der sowieso schon sprachlos war, fand einfach keine Worte für das, was vor seinen Augen passierte. Was um Himmels Willen war aus dem einst so stattlichen, liebevollen Mann geworden, der ihn und seine Mannschaft früher sogar mal fotografiert hatte? Er sah verlebt aus, heruntergekommen, krank… Fragend sah er zu der Rosahaarigen, die kleinlaut und nervös vor dem Schatten ihres Vaters von einem Bein auf das andere wechselte. „Ich kann dir nichts geben, ich muss noch einkaufen gehen.“, versuchte sie dem unzufriedenen Mann zu erklären. „Komm schon, gib mir was.“, bettelte ihr Vater diesmal etwas freundlicher. Momoko rang einen Augenblick lang mit sich, warf Yosuke dann einen kurzen Blick zu, den er nicht deuten konnte, seufzte dann, ging zu ihrer Handtasche, die an der Garderobe hing und holte ihre Börse hervor. »Tut sie das, weil es ihr vor mir peinlich ist, was hier passiert?«, fragte er sich und zog nachdenklich seine Augenbrauen zusammen. Die blauäugige junge Frau drückte ihrem Vater ein paar Scheine in die Hand. „Mehr habe ich nicht.“, sagte sie resignierend. „Danke, du bist ein Schatz.“, lobte Momokos Vater sie und drückte ihr einen Wangenkuss auf, den sie mit freudloser Miene über sich ergehen ließ. Shôichirô verschwand genauso schnell wie er gekommen war und ließ sie beide wieder allein zurück, mit einem Haufen unausgesprochener Dinge, neuen Fragen und ganz viel Traurigkeit. „Das eben… das tut mir leid…“, begann Momoko zögerlich „Das muss es nicht, aber was sollte das? Was ist denn mit deinem Vater los? Ich habe dich schon vorhin ihm nachrufen hören, als ich angekommen bin. Er sieht ganz verändert aus und wie er mit dir geredet hat…“ Ein scheuer Blick streifte Yosuke, sie wollte nicht darüber reden. Ihre abgewandte Haltung, ja ihre ganze Körpersprache verriet dies. Der Sportler spürte eine ähnliche Verwirrung und Neugier in sich aufsteigen, wie er sie verspürt hatte als er und die anderen beim Klassentreffen erfahren hatten, dass Momoko und Takuro ein Paar waren. „Es geht ihm zurzeit nicht so gut. Er hat vor einigen Monaten seine Arbeit verloren und ist seitdem etwas deprimiert.“ Yosuke stutzte, denn sie untertrieb maßlos. Er wollte zu weiteren Fragen ansetzen, doch als sie ihn wieder ansah war ihre Miene gefasst und kühl. „Vielleicht ist es besser, wenn du jetzt gehst.“, bestimmte sie ruhig. Verstrichen war die Chance, er würde sie nicht noch mal so weit bekommen, dass sie ihm vielleicht doch verriet, was los war mit ihrem Leben. Zwischen ihr und Takuro; zwischen ihr und ihren Freundinnen; zwischen ihr und ihrem Vater. Mutlos ließ er die Schultern hängen. „In Ordnung, darf ich vorher aber noch eure Toilette benutzen?“ Momoko nickte knapp und vermied dabei Blickkontakt. „Sicher, das Bad ist oben.“, antwortete sie ihm und lief zurück in die Küche, wo der restliche Abwasch noch auf sie wartete. Ohne ein weiters Wort schritt Yosuke die Stufen daneben zügig hinauf. »Ich werde das alles nicht verstehen können. Sie wird mir nichts verraten. Ich sollte aufhören mich dafür zu interessieren. Es ist ihr Leben und geht mich nichts an.«, sagte er sich selbst um seinen inneren Drang, die unbeantworteten Fragen klären zu wollen, zu ersticken. Oben angekommen musste er sich selbst orientieren, denn Momoko hatte ihm nicht gesagt welche von den Türen das Bad war. Eine Tür war angelehnt und ohne groß darüber nachzudenken drückte er sie auf und lugte hinein, in der Hoffnung richtig zu sein und keine Privatsphären zu verletzen. Geschockt hielt er die Luft an, als sich vor ihm das reinste Chaos offenbarte. Ein Sammelsurium von Dreck, Unordnung und Bierflaschen, begleitet von einem äußerst muffigen Geruch nach altem Alkohol und Schweiß, an dem auch die geöffneten Fenster nicht viel änderten. Wie in Trance machte er ein paar Schritte hinein in das Zimmer, das eindeutig einem Erwachsen gehörte und beim besten Willen nicht zu dem Rest des Hauses passte. Auf dem zugestellten Schreibtisch des Raumes lag ein Stapel zahlreicher, ungeordneter Briefe. Yosuke musste nicht groß schnüffeln um zu erkennen, dass es Rechnungen und Mahnungen waren. »Was mache ich hier, das geht mich alles nichts an! Ich sollte nicht so neugierig sein!«, schalt er sich und verließ das Zimmer überstürzt, ehe Momoko misstrauisch werden würde. Doch der Anblick ließ ihn nicht los, jetzt verstand er gar nichts mehr, in seinem Kopf flogen all die Tatsachen und Bilder herum wie Puzzleteile, die einfach nicht passen wollten. Momokos trauriger Blick – Takuro, der einen auf vornehmen Schnösel gemacht hatte und stolz mit ihr angab – ein sauberes Haus mit einem verwüstetem Zimmer darin – ein Vater ohne Job, der sich mit Alkohol tröstete – unbezahlte Rechnungen – Elektrogeräte, die angeblich in Reperatur waren… und immer wieder Momoko, wie sie ihn traurig und bedrückt ansah. Ohne die Toilette aufzusuchen stolperte er die Treppe wieder hinunter und lief geradewegs in die Küche, wo die Hausherrin gerade beim Abtrocknen des Geschirrs war. „Momoko!“, sprach er sie laut und entschlossen an. Etwas überrumpelt drehte sie sich zu ihm um und erwiderte aufgeregt blinzelnd seinen Blick. Ihre Augenwinkel waren feucht von Tränen, die sie still und heimlich vergossen hatte. „Momoko…“, sagte er noch mal etwas sanfter, „Sag mir, warum heiratest du Takuro wirklich?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)