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Amnesia Memories

Geliebter Zwiespalt
von

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Die geliehene Stimme

„Erzähl mir nochmal, was passiert ist“, verlangte Toma von Kent, während er den bewusstlosen Ukyo durch die Flure trug.

Er wusste nicht mehr, wie er es geschafft hatte, Ukyo aus dem Wasser zu kriegen, aber mit Kents Hilfe hatte er es geschafft, ohne selbst dabei unterzugehen. Der Grünhaarige fühlte sich leicht an und nochmals nahm Toma sich vor, dem anderen zukünftig mehr Essen unterzuschieben.

„Du warst doch dabei, Toma. Ich verstehe nicht, was eine erneute Darlegung der Ereignisse bringen soll“, meinte Kent dazu und versuchte mit Toma Schritt zu halten.

Der Braunhaarige hatte seinen Freund noch nie so außer sich erlebt, aber es gab wohl für alles ein erstes Mal.

„Ich will nur verstehen, was passiert ist“, regte Toma sich auf, während er immer wieder vor sich sah, wie Ukyo diesen gepeinigten Laut von sich gegeben und das Bewusstsein verloren hatte.

Er machte sich Sorgen um den anderen und musste sichergehen, ob er alles richtig gemacht hatte.

„Ich habe mich mit ihm unterhalten und plötzlich wurde er ganz komisch. Dann ist er umgekippt... sofern man das im Wasser so nennen kann“, fasste Kent die Geschehnisse kurz zusammen.

Noch immer blieb ihm der Sinn der Wiederholung dessen verborgen, aber er wollte Toma den Gefallen tun.

„Worüber habt ihr euch unterhalten?“, fragte Toma jetzt und Kent beantwortete ihm auch das.

Der Blonde runzelte die Stirn über die Ernsthaftigkeit des Themas und konnte den Sinn, weshalb Ukyo ausgerechnet wegen so etwas umkippte, nicht verstehen. Irgendetwas war hier im Busch und er wollte unbedingt dahinter kommen, was es war. Doch zuerst musste er sich um den Grünhaarigen kümmern und dafür sorgen, dass dieser wieder aufwachte.

Toma bog in den Gang mit den Umkleideräumen ein und konnte sich sogar noch daran erinnern, welchen er und Ukyo vorhin eingenommen hatten. Der Raum war gerade leer und Toma war froh darüber, denn er brauchte nicht auch noch Zuschauer oder störende Zwischenfragen.

„Kannst du mein Badetuch auf die Bank legen?“, fragte er an Kent gewandt und der andere kam seiner Bitte schnellstens nach.

Toma legte den Fotografen schließlich auf die Bank und legte das Badetuch um ihn herum, ehe er ihn ein wenig abtrocknete. Nach dieser Ohnmacht brauchte der andere bestimmt nicht auch noch eine Erkältung. Besorgt musterte er Ukyos blasses Gesicht, die blassen Lippen und den erschöpften Ausdruck, der das sonst so sanfte Angesicht zierte.

„Und jetzt?“, fragte Kent und Toma fühlte sich so überfordert, wie der andere sich anhörte.

„Ich habe keine Ahnung. Vielleicht sollten wir doch lieber den Arzt informieren“, überlegte Toma und nachdem er darüber nachgedacht hatte, hielt er das für die bessere Idee, als hier zu sitzen und darauf zu warten, dass es Ukyo von allein wieder besser ging.

„Ich gehe den Arzt holen und du holst ihm etwas Wasser. Wenn er aufwacht, wird er bestimmt durstig sein nach der ganzen Aufregung“, sagte Toma und ehe Kent noch etwas erwidern konnte, war der Blonde losgerannt.

Kent seufzte, da er sich allein mit dem bewusstlosen Mann wiederfand. Dabei hatte er Toma noch fragen wollen, wo man hier etwas zu trinken bekam. Er kam zwar oft hierher, aber die Dienstleistungen, die über das Schwimmen hinaus gingen, hatte er noch nicht ausprobiert. Jetzt blieb ihm nichts anderes übrig als auf die Suche zu gehen.

„Halte durch, Ukyo-san“, meinte er an den Bewusstlosen gewandt und machte sich dann schnellen Schrittes auf den Weg.
 

Ukyo kämpfte sich durch den Nebel, der ihn nach wie vor gefangen hielt. Er fühlte sich wie in der Schwebe, ein Zustand, den er nicht beeinflussen konnte und das machte ihm Angst. Er konnte Stimmen hören, allerdings waren sie viel zu weit entfernt, als dass er die Bedeutung ihrer Worte hätte verstehen können. Einmal glaubte er, Toma laut und deutlich zu hören, aber er konnte ihm nicht antworten, weil kein Ton über seine Lippen kam. Von allen Seiten drückte eine graue Masse auf ihn ein und Ukyo kämpfte darum, wieder aufzuwachen. Doch die Schwere zog an seinem Körper, hielt ihn gefangen und flüsterte ihm zu, dass er wieder in die Ohnmacht zurücksinken sollte, dorthin, wo ihm nichts mehr passieren würde.

Ukyo war versucht, der Schwere nachzugeben, doch er musste in diesem Moment daran denken, dass Toma und Kent sich sicher Sorgen um ihn machten. Er wollte den beiden keine Umstände machen und da war es das Mindeste, wenn er jetzt endlich wieder aufwachte.

//Ich darf ihnen nicht zur Last fallen//, dachte Ukyo und er klammerte sich an diesen Gedanken, kämpfte sich weiter.

Letztendlich ließ die Schwere nach, seine Umgebung begann, wieder Konturen anzunehmen und der Grünhaarige erkannte die Umkleideräume wieder. Der Geruch von Chlor stieg wieder in seine Nase, ebenso wie ein schwacher Geruch, den er Toma zuordnete. Ukyo richtete sich langsam auf, weil er seinem Körper noch nicht völlig vertraute, wobei das um ihn drappierte Badetuch nach unten in seinen Schoß rutschte. Sein Blick fiel darauf und nun wusste er auch, warum er Toma in seiner Umgebung gerochen hatte, obwohl dieser nicht einmal anwesend war.

Ukyos Zunge klebte an seinem völlig trockenen Gaumen und er spürte brennenden Durst. Er räusperte sich mehrfach und stand auf, als er seinen wackeligen Beinen wieder vertrauen konnte. Er machte vorsichtige Schritte in die Richtung seines Spinds, öffnete diesen mit dem kleinen Schlüssel, der zum Glück immer noch an seinem Handgelenk befestigt war. Er entnahm dem dunklen Inneren des kleinen Schranks seine Sachen und begann, sich umzuziehen. Mehrfach überkam ihn dabei ein Schwächegefühl, aber Ukyo ließ sich nicht abbringen. Nachdem er seine Kleidung wieder angelegt hatte, fühlte er sich ein wenig sicherer und er ließ sich nochmals auf die Bank nieder, um sich zu sammeln.

Fest stand, dass dieser Anfall schlimmer als der Vorherige gewesen war. Es war die zweite Nachricht, die er erhalten hatte. Er wusste jetzt, dass sie noch irgendwo hier auf dieser Welt war und mit jeder Nachricht würde sie klarer sprechen und ihm Antworten geben können. Ukyo konnte sich ausmalen, dass die nächsten beiden Nachrichten ihm all seine Kraft entziehen würden und er beschloss, dass er das nur allein machen konnte.

//Ich darf Toma nicht weiter zur Last fallen. Das ist meine Aufgabe und ich muss sie erfüllen, wenn es je wieder alles wie vorher sein soll//, schoss es ihm durch den Kopf und er fasste neue Entschlusskraft.

Die Freundschaft zu Toma war schön gewesen, aber sie war gleichermaßen eine Ablenkung. Doch wenn dieser Wahnsinn je aufhören sollte, dann musste Ukyo seine Aufgabe erfüllen. Das hieß, er musste Shin aufsuchen und danach Toma, um die Erinnerungen an sie auszulösen und sich dem Ergebnis zu stellen. Das konnte er nur, wenn er sich nicht weiter ablenken ließ, so schön es auch war, wenn man einen Freund hatte.

Ukyo sammelte all seine Kraftreserven und verließ den Raum. Er musste weg hier...
 

Wenig später kehrte Toma mit einem Arzt zu den Umkleideräumen zurück, doch dort erwartete ihn nur Leere. Er erfasste den geöffneten, leeren Spind, das Badehandtuch auf der Bank und die zurückgelassene Badekleidung.

„Nun? Wo ist denn dieser Mann, den ich mir ansehen soll?“, fragte der Arzt neben ihm ein wenig ungeduldig, aber Toma hörte ihn kaum, als die Erkenntnis durch ihn hindurch sickerte.

Ukyo war weg.

„Toma? Nanu, wo ist Ukyo?“, fragte nun auch Kent, der soeben eintrat, doch auch ihn ignorierte Toma.

„Er ist weg...“, informierte der Blonde niedergeschlagen.

Er hatte die düstere Ahnung, dass er den anderen wohl nicht mehr wiedersehen würde, aber er wollte sich das nicht eingestehen. Sein Inneres zog sich bei dieser Empfindung des Verlusts zusammen und sein Herz schmerzte, als hätte jemand direkt hinein geboxt.

„Toma?“, fragte Kent, doch noch immer achtete der Blonde nicht darauf.

Seine Gedanken drehten sich nur um Ukyo und zum ersten Mal erahnte er, was der andere ihm wirklich bedeutete.

//Es tut weh, wenn er weg ist... das ist keine normale Freundschaft//, dachte er und seine Hand verkrampfte sich wie von selbst dort, wo sein Herz schlug.

Toma war sich nicht vollkommen sicher, ob es das war, was er vermutete, aber vielleicht half ihm der Schock dabei, es herauszufinden.

„Es gibt hier also nichts zu tun, dann würde ich mich jetzt verabschieden und wieder an meine Arbeit gehen, wenn es nichts ausmacht“, meckerte der Arzt hinter ihm, aber Toma maß der Aussage kaum Wert zu, schließlich waren seine eigenen Gedanken gerade viel wichtiger.

Es stand fest, dass er Ukyo mochte. Er hatte sich und ihn für Freunde gehalten und er hatte festgestellt, dass er gerne mit dem anderen zusammen war. Er hatte die Zeit mit dem anderen genossen, es hatte sich immer richtig angefühlt, wenn der andere in seiner Nähe, in seiner Wohnung und sogar bei ihm auf Arbeit gewesen war. Er hatte sich mit ihm verbunden gefühlt und deshalb tat es jetzt so unglaublich weh, als er festgestellt hatte, dass Ukyo weg war.

//Ist das etwa...?//, fragte sich Toma und kurz taumelte er, so dass er sich schnell hinsetzen musste, bevor es ihm bei dieser plötzlichen Erkenntnis die Füße wegzog.

Seit Toma die ersten Paare um sich herum wahrgenommen hatte, hatte er sich immer wieder vorgestellt, wie es sein musste, wenn man eine Beziehung führte. Er hatte sich immer die Gefühle vorgestellt, die man jemandem entgegen bringen musste, um diesen überaus wichtigen Schritt zu gehen. Der Blonde hatte sich immer vorgestellt, dass es immer ein gutes Gefühl war, mit jemanden auf dieser Wellenlänge zu sein. Andererseits hatte er auch oft beobachtet, wie Beziehungen in die Brüche gingen und dass die Beteiligten mehr litten als andere Menschen. Er hatte von Liebeskummer gelesen und hatte in Filmen gesehen, wie sich Verliebte ansahen, doch nie hatte es in seinem Leben dazu gereicht. Niemals hatte er diesen Punkt erreicht, an dem jemand in ihm mehr auslöste als bloße Freundschaft.

Bis jetzt.

„Verdammt!“, fluchte Toma angesichts seiner eigenen Ignoranz und sprang auf, womit er Kent halb zu Tode erschreckte.

Schnell begann der Blonde, sich anzuziehen und seine Sachen zusammen zu suchen. Er musste schleunigst hinter Ukyo her. Der andere konnte noch nicht weit gekommen, also wenn er sich beeilte, konnte er den anderen noch einholen.

Diese Chance, das eigene Glück endlich in Händen zu halten, durfte er sich einfach nicht entgehen lassen und er musste wissen, was Ukyo dazu sagte.
 

Ukyo war noch nicht weit gekommen, er war viel zu erschöpft. Die Sonne neigte sich dem Horizont entgegen und es war kühler geworden, so dass es Ukyo ein wenig fröstelte. Er bog an einer grünen Hecke ab und beschloss, irgendwo eine kleine Pause einzulegen. Das grüne Buschwerk hörte urplötzlich auf und gab den Blick frei auf einen Spielplatz.

Es war nur ein kleiner Sandkasten mit einer Wippe und zwei Schaukeln, aber scheinbar reichte dies schon aus, um einen Reiz auszuüben, denn Ukyo war nicht allein hier. Gegenüber des Sandkastens standen mehrere Bänke und auf einer saß eine dunkelhaarige Gestalt in rot-schwarzer Kleidung.

//Shin//, erkannte Ukyo den anderen und er blieb wie vom Donner gerührt stehen.

Kurz haderte er mit sich selbst, schließlich war das Erlebnis mit Kent noch nicht lange her, aber dann fasste er sich ein Herz. Vielleicht ergab sich so eine Gelegenheit nicht wieder, also musste er seine Chance nutzen. Je eher er sich seiner Aufgabe stellte, umso schneller wusste er, was sie ihm sagen wollte.

Ukyo beobachtete Shin eine Weile, um festzustellen, dass der andere eine Gitarre auf einer zweiten Bank ablegte. Er strich versonnen mit den Fingern über das glatte Holz und die Saiten, doch anschließend machte er Anstalten dazu, aufzustehen und zu gehen. Ukyo verstand das nicht. Liebte Shin nicht Musik? Warum ließ er dann eine Gitarre hier auf einem Spielplatz, die ihm alles bedeuten musste?

„Schöne Gitarre“, meldete sich Ukyo also zu Wort und trat aus den Schatten der Hecke, um Shin auf sich aufmerksam zu machen.

Wie es der Art des anderen entsprach, zuckte dieser nicht einmal zusammen. Er schaute unbewegt zu Ukyo, als ob er schon geahnt hätte, dass der andere gleich vor ihm auftauchen würde.

„Ja, das ist sie...“, sagte er lediglich und wollte seinen Weg fortsetzen, doch Ukyo stellte sich ihm in den Weg.

„Wieso lässt du sie zurück? Ist sie kaputt?“, wollte der Grünhaarige wissen und schaute forschend in Shins verschlossenes Gesicht.

„Nicht sie ist kaputt... sondern ich. Deshalb lasse ich sie hier, damit sie vielleicht in bessere Hände kommt“, sagte der Dunkelhaarige, doch er sah alles andere als glücklich darüber aus.

„Wieso bist du kaputt?“, wollte Ukyo wissen, doch Shin vertiefte sich in sein Schweigen.

Anscheinend wollte der Musiker nicht darüber reden, aber Ukyo wusste, dass er den anderen nicht so einfach davon kommen lassen durfte.

„Darf ich sie mal ausprobieren?“

Ukyos Frage ließ Shin zusammenzucken und der Fotograf erkannte, dass der andere wohl noch nicht ganz mit diesem überaus wichtigem Gegenstand abgeschlossen hatte.

„Tu, was dir gefällt.“

Selbst Shins Antwort wirkte erzwungen, aber Ukyo beschloss, darauf einzugehen. Er ging zu der Bank, hob die Gitarre vorsichtig an und ließ sich auf das kühle Holz der Bank sinken. Die Gitarre fühlte sich gut in seinen Händen an und instinktiv wusste er, wie er sie halten musste, obwohl er noch nie ein derartiges Instrument gehalten hatte. Er strich sanft über jede einzelne Saite und aus den Augenwinkeln sah er, dass Shin noch nicht gegangen war. Der andere hing sehr an dieser Gitarre und beide Männer wussten, dass es ein großer Fehler war, dieses Instrument derartig zurück zu lassen.

„Spielst du in einer Band?“, erkundigte sich Ukyo und spielte nochmals jede Saite einzeln.

„Nicht mehr.“

„Schade... ich hätte dich gern spielen gehört. Bestimmt bist du sehr talentiert.“

Shin schwieg darauf, aber er wandte sich zu Ukyo, kam zu ihm und ließ sich auf die Bank direkt neben dem Fotografen sinken. Er harrte kurz so aus, rieb die Hände an seiner Hose ab und seufzte schließlich überfordert auf.

„Du liebst doch die Fotografie, nicht?“, fragte Shin schließlich.

„Nicht mehr.“

Shins fragender Blick überforderte Ukyo ein wenig, aber er wollte auch nicht über sich reden, sondern über den anderen.

„Ich... ich liebe Musik und ich liebe diese Gitarre. Aber seit einiger Zeit... es ist nicht das Gleiche wie noch vor ein paar Tagen“, meinte der Dunkelhaarige und daraufhin setzte dieses Kribbeln in Ukyos Nackengegend ein.

„Was hat sich geändert?“, fragte der Fotograf sanft, doch Shin machte wieder dicht.

„Zuerst musst du mir sagen, warum du beim Anblick von Fotografien plötzlich so traurig wirst“, verlangte der Jüngere eindringlich und da es ihm sehr wichtig zu sein schien, wollte Ukyo ihm dies gerne beantworten.

„Mein Lieblingsmotiv war ein Mädchen, dass ich einst kannte. Aber... sie ist tot und seitdem kann mich nichts mehr reizen. Es gibt kein Bild, was ich gern machen würde, weil ohne sie alles seinen Sinn und seine Farbe verloren hat. Es ist alles grau und trist für mich und solche Bilder möchte ich nicht machen“, gab Ukyo also zu und Shin nickte daraufhin verständnisvoll.

„Und was ist dein Grund, Shin?“

Shin zögerte und er rang mit seinen Händen. Darauf war auch sein Blick konzentriert, aber Ukyo wartete einfach ab, bis der andere so weit war. Der Dunkelhaarige ergriff schließlich die Gitarre in Ukyos Händen und begann plötzlich zu spielen. Eine Melodie erfüllte die Luft, traurig und sehnend und sie berührte Ukyos Herz sogleich.

Plötzlich unterbrach Shin jedoch sein Spiel und er musste tief und zitternd Luft holen.

„Diese Melodie... ich spiele sie wieder und wieder und ich weiß nicht warum. Es macht mich traurig, diese Melodie zu spielen, aber ich kann nicht aufhören. Ich kann an keine anderen Lieder denken, als ob diese Gitarre dazu gemacht ist, nur dieses eine Lied zu spielen... aber es macht mich so verdammt traurig, ich halte es kaum aus“, gab der Dunkelhaarige zu und er zitterte am ganzen Körper.

Ukyo nickte verstehend und schaute Shin an.

„Shin, ich glaube, du musst das Lied zu Ende spielen...“

„Was?“

„Wenn du es komplett spielst, kann dein Herz damit abschließen. Daran glaube ich“, sagte Ukyo und der Widerhall ihrer Stimme in seinem Inneren gab ihm da vollkommen Recht.

„Ich kann nicht...“, zweifelte Shin, aber seine Finger umklammerten immer noch das Instrument, als gehörte diese Gitarre an keinen anderen Ort dieser Welt.

„Ich denke schon, dass du das kannst. Du kannst nicht ohne Musik leben und ich kann es nicht ohne die Fotografie. Wir müssen uns diesem Schmerz stellen, entweder jetzt oder eben irgendwann, aber fest steht, wir müssen uns damit befassen, ehe es uns vollkommen blockiert. Ich glaube daran, dass du es kannst, Shin. Du kannst das. Mach du den Anfang... spiel´ das Lied noch einmal“, sagte Ukyo sanft und nachdem Shin nochmals tief und zittrig Luft geholt hatte, spielte er die Melodie erneut.

Ukyo schloss die Augen und ließ sich auf das Lied ein. Sein Inneres reagierte auf die sanften Klänge, als ob sie irgendetwas in ihm wachrüttelten und plötzlich öffneten sich wie von selbst seine Lippen und er begann zu singen.

Er wusste instinktiv, dass sie es war, die ihn leitete und ihm die richtigen Worte zuflüsterte. Ukyo ließ sich nicht beirren, auch nicht, als Shin kurz in seinem Spiel stockte. Doch der anderen blieb dabei, die Melodie zu spielen und Ukyo sang weiter. Er und Shin bildeten eine Einheit durch das, was zwischen ihnen geschah und die Klänge von Stimme und Gitarre leiteten sie weiter.

Ukyo bekam nur am Rande mit, wovon sie in seinem Inneren sang. Es ging um die Liebe, den Schmerz und die verpassten Gelegenheiten und es ergriff ihn so sehr, dass sein eigenes Herz schmerzte. Die Tränen kamen automatisch, aber Ukyo hielt durch. Es ging hier darum, Shin zu helfen und die Botschaft von ihr zu empfangen.

Die letzte Zeile war bald darauf gesungen und auch Shins Gitarrenspiel verklang. Zurück blieben zwei aufgewühlte Männer, die sich tief in ihre eigenen Gedanken verstrickten. Ukyo dachte urplötzlich an Toma und sein Herz zog sich erneut schmerzhaft zusammen. Er war noch nicht lange von ihm getrennt, aber es kam ihm wie Jahre vor, die sie voneinander trennten. Ukyo verspürte den Wunsch, von dem anderen umarmt zu werden und damit dessen tröstliche Wärme zu empfangen.

„Ukyo...“

Shins leise Stimme ließ Ukyo aufhorchen und er sah sich mit dem intensivem Blick des anderen konfrontiert. Der andere sah so aus, wie er selbst sich fühlte: Gequält, sehnsüchtig und hoffnungsvoll... und plötzlich beugte sich Shin nach vorn, zog Ukyo an dessen Krawatte zu sich und küsste ihn auf den Mund.



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