Verborgen in Stille Teil II von Strichi ================================================================================ Kapitel 9: Ein unvergesslicher Urlaub ------------------------------------- Die Zeit nach Lunas Geburt war eine der schönsten, seit Jack weg war. Eigentlich war Jack in dieser Zeit meines Lebens kein bisschen mehr präsent! Ich hatte das Baby, auf welches ich nur zu gerne aufpasste, ich hatte Emily, meine Freunde und Andrew. Es war eine unbeschwerte Zeit! Ich hatte so viel zu erledigen. Das Studium lief gut ich hatte schon an einigen Projekten teilgenommen. Ich stellte fest, dass es mir sehr viel Spaß machte. Früher, als ich nur Baseball im Kopf hatte, wäre ich niemals auf diesen Beruf gekommen. Sogar schlafen war besser geworden. Es war die Zeit in meinem Leben, an welcher ich nur noch wenig an Jack dachte. Ich schrieb ihm auch keine E-Mails mehr. Das erste Mal seit Wochen kam mir Jack wieder in den Sinn, als der Nachrichtensprecher davon berichtete, dass die Wehrpflicht wieder eingeführt werden sollte. Clay und Jack hatte also Recht behalten. Ich saß in meinem Zimmer und runzelte die Stirn. Alle 18-23 jährigen würden auf ihre Eignung begutachtet werden. Ich blickte an mir herunter. Ich wollte nicht zum Militär, doch vermutlich würde ich mich kaum davor drücken können. Da ich noch nichts schriftlich hatte hoffte ich einfach, dass ich nicht dafür eingezogen wurde. Vielleicht würden sie mich auch nicht einladen. Häufig war ich nach oder vor der Arbeit bei meiner Schwester, doch leider war kurz nach Lunas Geburt meine Mutter bei ihr und half. Ich musste also zwangsläufig mit ihr sprechen. Sie erzählte mir von ihrem Leben im Houston, dass sie wieder viel in der Kirche aktiv sei. Sie freue sich auch für mich, dass ich einen guten Job lernte. Sie konnte es gar nicht fassen, dass ich tatsächlich ein Stipendium erhalten hatte. Jedoch wollte ich ihr nicht viele Details aus meinem Leben erzählen. Ich wollte nie wieder, dass sie mir weh tut. Also versuchte ich meine kleine Nichte zu bespaßen, die ich so sehr liebte. Allerdings war Luna nur selten wirklich wach. Sie bekam alle drei Stunden was zu trinken und verschlief fast den gesamten Tag. Ich liebte dieses Kind dennoch abgöttisch und war sicher nie ein stolzerer Onkel. Auch Clay hatte sich einige Zeit frei nehmen können. Wie liebevoll er mit Luna umging war schön zu sehen. Fast war ich ein wenig neidisch auf meine Mutter, als ich sie zusammen mit Jenny sah und feststellte, dass sie immer noch eine gute Mutter sein könnte. Doch Jenny funktionierte einfach so, wie sie es wollte. Na ja, nicht ganz, dass Jenny immer noch nicht verheiratet war, störte meine Mutter. Total bescheuert, wenn man mich fragte. Leider, versuchte sie tatsächlich immer wieder mit mir zu sprechen. So kam es, dass sie zwei Wochen, nachdem Luna auf der Welt war, gemeinsam mit mir am Küchentisch saß und mich fragte, ob ich ihr denn gar nichts Neues berichten könne. Ich versuchte meine Mutter so gut es ging aus meinem Leben raus zuhalten. Ja, ab und zu meldete ich mich bei ihr, wollte ich doch nicht meine beiden Elternteile verlieren. Deswegen rief ich zu Feiertagen und zum Geburtstag immer brav an. Ich war unschlüssig, ob ich ihr von Andrew erzählen sollte, denn das mit uns beiden war mehr wie frisch. Allerdings gab es sonst kaum Neuigkeiten und so entschloss ich mich schweren Herzens mit ihr über Andrew zu sprechen. „Hab da wen kennen gelernt“, begann ich zögernd und lehnte mich im Stuhl zurück. Leicht verschränkte ich die Arme vor der Brust und betrachtet meine Mutter abschätzend. Wie nahm sie diese Nachricht auf? Tatsächlich stutze sie kurz und schien sich einen Augenblick zu sammeln. „Einen Mann“, fragte sie leise, als habe sie Sorge jemand belausche uns. Ich verdrehte offensichtlich die Augen. Immer noch kam sie mit meiner Homosexualität nicht gut zurecht. „Nein“, sagte ich spöttisch, „eigentlich ist er ein Hund.“ Fast schon genervt sah meine Mutter mich an und war nun von meiner Art genervt, in der ich es ihr sagte und einlenkend erklärte ich: „Natürlich ein Mann… Er heißt Andrew. Hab ihn vor einiger Zeit in einer Bar kennen gelernt. Seither treffen wir uns regelmäßig.“ Sie nickte leicht und tatsächlich war ich überrascht als sie nachfragte, wie alt er sei und was er beruflich machte. Abschätzend betrachtete ich sie. Interessierte es sie wirklich, oder fragte sie nur der Höflichkeit halber nach? „Er ist einundzwanzig und wie ich Student. Er studiert BWL.“ Sie schien erleichtert, vielleicht hatte sie wieder Sorge, ich wäre an „Einen“ wie Jack geraten. Zögernd sah ich sie an und fragte: „Willst du ihn… vielleicht kennen lernen?“ Erschrocken sah sie mich an. Nie hatte sie mich zusammen mit einem Mann gesehen. Vermutlich fühlte sie sich überfordert. Sie schüttelte leicht den Kopf und meinte: „Ach weißt du Jasper, ich hab die Freunde und Freundinnen deiner Geschwister auch erst kennen gelernt, wenn es ernster wurde…“ Verwirrt runzelte ich die Stirn und distanziert betrachtete ich sie. „Weißt du Mum, ein einfaches nein hätte auch gereicht“, damit stand ich auf und verließ die Küche. Wieso hatte ich ihr überhaupt den Vorschlag unterbreitet? Genervt um mich abzulenken rief ich Andrew an. Erleichtert war ich, als ich seine Stimme vernahm und ich spürte, wie sich meine angespannten Schultern entspannten. Was los sei, wollte er gleich wissen und erstaunlicher Weise fing ich an kurz über meine Mutter zu meckern. Ich fragte, ob ich ihn besuchen könne und tatsächlich war ich keine zwei Stunden später bei ihm! Ich war wirklich froh, dass er da war. Er lenkte mich ziemlich gut ab. Ich war wirklich überrascht, als ich Andys Familie kennen lernte. Vielleicht war meine Vorstellung diesbezüglich wegen meiner Familie eine gänzlich falsche. Innerlich fast schon erschrocken war ich, als sie sich mir gegenüber freundlich und offen vorstellten. Sie schienen keine Probleme damit zu haben, dass ihr eigener Sohn schwul war! Für mich mit meiner Vergangenheit wirklich sehr seltsam, allerdings freute es mich auch ungemein! Es war trotzdem seltsam den „Schwiegereltern in Spe“ vorgestellt zu werden, hatte ich dies vorher noch nicht! Ich versuchte tatsächlich mich zu benehmen und nur meine besten Seiten zu zeigen, hielt mich mit dummen Sprüchen zurück. Allerdings hielt ich mich auch mit Zuneigung gegenüber Andy zurück. Etwas, was ihm missfiel. Doch ich konnte nicht all meine Erziehung vergessen. Die Sorge, dass sie es doch nicht so toll fanden ihren Sohn mit einem anderen Mann zu sehen, konnte ich nicht einfach abstellen. Ich wollte niemanden vor den Kopf stoßen, oder besser gesagt keinen dritten dort hineinziehen. Wenn man ein Baby im Umfeld hat sieht man erst, wie schnell die Zeit verfliegt! Luna wurde schnell größer, wuchs, aß, machte in die Windel. Ich war furchtbar gerne ihr Patenonkel. Ich war wirklich froh, als meine Mutter wieder zurück nach Texas flog. Je mehr Luna konnte, desto mehr versuchte ich mit ihr zu unternehmen. Ich schenkte ihr jede Menge lautes und unnützes Spielzeug. Eigentlich alles, was kracht machte. Autos die blinkten und sangen, eine Trommel, die mir Jenny beim nächsten Mal wütend entgegenschmiss und nachdem sie sich beschwert hatte, dass Luna ein Mädchen sei, eine singende Puppe. Komischerweise war diese beim nächsten Mal verschwunden. Immer wenn Luna mich sah wedelte sie aufgeregt mit ihren kleinen Kinderärmchen in der Luft und lachte mich fröhlich an. Es war mir kein bisschen peinlich mit dem Kinderwagen durch die Stadt zu gehen. Doch stellte ich fest, dass ein „Single-Dad“ sehr viel Aufmerksamkeit von Frauen erhielt. Ich verstand einfach nicht was daran toll sein sollte. Andrew und ich spielten uns immer mehr aufeinander ein und meinen Job in dem Kaffeeladen ging ich weiterhin nach, denn trotz des Unterhaltes meiner Mutter war Geld einfach knapp. Doch wir sparten. Sparten für einen Urlaub auf Hawaii. Es war irgendwie ein angenehmes Gefühl Pläne zu schmieden. Seine Zukunft mit schönen und nicht belastenden Dingen zu gestalten. Da kam mir die Planung meiner ersten Reise gerade recht. Allerdings stritten Andrew und ich auch. Wir saßen gerade gemeinsam am Laptop, als mich eine Arbeitskollegin anrief. Ich stand auf und stellte den PC weg von Andy. Als ich in mein Zimmer kam, nachdem ich kurz mit einem Arbeitskollegen geredet hatte und Andy an meinem Laptop vorfand, spürte ich eine unkontrollierbare Wut. Was hatte er ungefragt an dem PC zu suchen?! Die fast schon ungezügelte Wut war da und fast schon hektisch riss ich ihm meinem Laptop aus den Händen. Er sollte nicht schauen, was darauf gespeichert war! Was für Bilder, Musik oder vielleicht auch E-Mails! Wenn er herumschnüffelte?! Nicht, dass ich Geheimnisse hatte, aber es durfte keiner an meinen Rechner! „Du gehst nicht ungefragt an meinen Laptop, verstanden?! Der stand nicht ohne Grund da“, fuhr ich ihn zornig an. Erschrocken sah er mich an und fragte fast schon entsetzt klingend: „Alter, was ist los mit dir?“ Ja, was war los? Ich wollte vernünftig bleiben, doch ich schafft es nicht. Niemand durfte seit dem Vorfall mit meinem Vater an meinem Computer. Nicht einmal Jenny! „Geh ich einfach an deine Sachen? Ich will nicht, dass da einfach wer dran geht“, meinte ich und klappte den Laptop zu. Es war unfair, dass wusste ich. Vermutlich surfte er nur irgendwo herum und sah sich weitere Videos an. Doch seit meinem Vater ließ ich keinen mehr da ran. Niemand kannte mein Passwort, darin war ich sehr eigen. Auch Emily war schon wütend von mir angefahren worden, als sie ungefragt an den PC ging. „Ich will einfach nicht, dass irgendwer einfach so an meinen Laptop geht “, meinte ich eisern und ich war überrascht, wie eisig meine Stimme klang, nahezu distanziert. Dass mich so eine Kleinigkeit so sehr aus dem Konzept brachte verwunderte mich. Nie hatte ich mit Andy über meine Vergangenheit gesprochen, jedenfalls nicht über die, die mich belastete. Natürlich hatte er mich in einem ruhigen Moment nach den Narben auf meinen Rücken gefragt, doch ich blieb bei meiner Autounfall Version. Dass der Täter geflüchtet war und ich deswegen noch ein ausbleibendes Verfahren am Laufen hatte. Er wollte ab und zu darüber sprechen, doch ich weigerte mich. Sagte immer, dass ich mich sowieso nicht daran erinnern könne. Ob er mir glaubte oder nicht, war mir eigentlich egal. So schön es eigentlich war jemanden an meiner Seite zu haben war es auch irgendwie anstrengend. Bei Jack hatte ich es nie so empfunden wie bei Andrew. Ich wusste, dass das nicht für immer war. Jedoch so lange es hielt wollte ich die Zeit genießen. Ich wurde allerdings nervöser, denn ich wartete immer sehnsüchtiger auf die Verhandlung. Hoffte ich doch, dass ich danach beginnen konnte damit abzuschließen. Es halfen auch keine Anrufe nach Texas um das Verfahren zu beschleunigen. Ich versuchte mich einfach abzulenken. Sport, Studium, meine Freunde und Familie halfen mir dabei. Kurz nach meinem einundzwanzigsten Geburtstag flogen Andy und ich gemeinsam in den Urlaub. Es war mein erster Urlaub ohne Familie und ich hatte lange darauf gespart, hatte sogar einige Schichten übernommen um mir diesen Traum zu erfüllen. Ich war auch noch nie sechs Stunden geflogen. Andrew, der schon viele Reisen unternommen hatte, hatte schon häufiger weit entfernte Ziele erreicht. Sein Vater hatte ein gutes Einkommen und er erzählte mir, dass er schon als Kind einmal mit seiner Familie auf Hawaii Urlaub gemacht hatte. Hawaii war traumhaft, ein wahres Paradies. Palmen, der Dschungel und kristallblaues Wasser. Wir landeten in Honolulu und fuhren etwas außerhalb der großen Stadt in ein Hotel. Es lag nicht direkt am Strand, im Gegensatz zu Andy störte es mich nicht. Doch ich erinnerte mich, wie Jack einst sagte, das Hawaii nicht der Ort sei, an dem Surfer das Surfen lernten. Nicht oft kam ich dazu mich in die Fluten zu stürzen, dies war eindeutig etwas für Profis. Zwar surfte ich nun ab und zu mit meinen Freunden, aber für mehr reichte mein Können noch nicht aus. Ansonsten war es ein toller Urlaub. Wir machten viel Sport, fuhren Rad oder entspannten uns am Strand. Besichtigten Pearl Harbor und ließen uns über die Geschichte des Ortes etwas berichten. Abends gingen wir in kleine Strandbars und aßen Tapas, liefen an der Promenade entlang. Auch wenn ich in Santa Monica lebte und einen Strand quasi vor der Haustür hatte, war es hier doch gänzlich anders. Die Palmen waren grüner, der Sand feiner. Ich hatte das Gefühl, dass ich meinem Alltag entfloh. Ich schaffte es sogar, mehrere Nächte hintereinander durchzuschlafen. Die Landschaft auf Hawaii war traumhaft schön. Mit dem Mountainbike fuhren wir durch den Dschungel und die Natur ließ mich sprachlos werden. Wir wollten keinen Mietwagen, wir wollten die Natur genießen und das konnten wir. Auf befestigten Wegen fuhren wir entlang des Dickichts. Nie hatte ich so viel Grün auf einmal gesehen. Wir betrachteten einen Wasserfall, der sich über moosbeschichtete Steine in die Tiefe ergoss. Ein wahrlich beeindruckendes und schönes Bild. Ich hörte die Vögel über mir laut kreischen, als beschwerten sie sich über unsere Anwesenheit. Doch sah ich keinen einzigen. Ja, wenn ich endlich Geld verdiente, möchte ich noch viel mehr sehen, entschied ich in Gedanken und schoss mehrere Fotos. Doch leider war es nur eine Woche, die wir so verbringen konnten. In der wir dem Alltag entfliehen konnten. Es war ein schöner und ruhiger Tag gewesen. Tatsächlich genoss ich es hier zu sein. Das Wetter, die Palmen und das blaue Wasser. Alles wie in einem Traum. Es war der letzte Abend und Andrew und ich waren noch einmal mit dem Fahrrad hinaus gefahren. Er wollte sich einen Sonnenuntergang ansehen. Am Rande einer Klippe standen wir und das rote Licht der untergehenden Sonne ließ alles in einem satten Orange leuchten. Die Schatten wurden länger und erneut war ein Tag vergangen. Ich drückte seinen Körper an mich und während ich die Stille genoss, blickte ich auf den kleineren Mann in meinen Arme. Ich spürte, wie Andrew sich entspannte. Er schien jede Minute, die er hier verbracht hatte, genauso zu genießen wie ich es eigentlich tat. Mein Blick glitt zu der untergehenden Sonne. Das Lächeln, welches seit ich auf Hawaii war ein steter Begleiter von mir war, verblasste auf einmal. Wieder war ein Tag vergangen. Wieder ließ sich die Zeit nicht anhalten. Doch wollte ich die Zeit hier anhalten? Irgendetwas in meinem Inneren sträubte sich, plötzlich und vollkommen unerwartet. Irgendetwas gefiel mir nicht! Etwas war nicht richtig an dieser Szene. Ich schloss die Augen und in meinem Kopf hielt ich nicht Andrew in den Armen. In meinen Gedanken war es Jack. Jack, der neben mir stand, weder vor mir, noch hinter mir. Neben mir! Einen Arm um mich gelegt und wir sahen diesen Sonnenuntergang an. So, wie ich es mir damals vor so langer Zeit gewünscht hatte. Ich wollte einen gleichwertigen Partner. Nicht einen, der sich in meinen Armen immer kleiner machte und schwächer aussah. Der in mir immer irgendwie einen „Beschützer“ sah. Ich erinnerte mich genau an den letzten gemeinsamen Abend, an dem ich Jack sagte, dass ich mit ihm hier sein wollte. Ich erinnerte mich, wie er mich damals so liebevoll und sanft in den Armen gehalten hatte. Ich konnte ihn vor mir sehen, seine kräftigen Arme, sein eckiges, markantes Kinn mit dem Bart. Die Augenklappe und dieses stechende helle Blau seines gesunden Auges. Dieses Auge, welches meistens so kalt wirkte und mit nur einem einzigen Satz von mir warm wirken konnte. Ich sah ihn vor mir, wie sein sonst so strenger Mund sich zu einem Lächeln verzog und ihn einen Moment lang so freundlich wirken ließ. Doch als ich meine Augen öffnete und in die grelle Sonne blickte wusste ich, dass es doch nur ein Tagtraum war. Allerdings etwas war geblieben. Die Sehnsucht…Die Sehnsucht nach eben jener Person, die eigentlich so unerreichbar war… Es war erschreckend. Wir waren nur so kurze Zeit ein Paar gewesen und dennoch hatte ich das Gefühl, dass dieser Mann mein Leben immer noch so sehr beeinflusste wie kein anderer. Ich sah hinunter auf Andrew und ich wusste in diesem Moment, dass ich niemals, wirklich niemals mit ihm glücklich werden konnte. Ich liebte ihn einfach nicht! Wenn ich je etwas wie Liebe empfunden hatte, war es in diesem Moment erloschen. Ich liebte Jack und auch wenn ich versuchte es zu verdrängen, wusste ich es doch ganz genau. Ich spürte, wie Andrew sich in meinen Armen umdrehte und er mich mit einem verliebten Blick musterte. Und wie wir uns so anblickten und ich merkte, wie er sich in meinen Augen verlor, dachte ich immer wieder daran, dass ich ihn nicht liebte. „Ich liebe dich, Jazz“, hörte ich ihn murmeln und spürte nur wenige Augenblicke später seine Lippen auf den Meinen. Doch es fühlte sich auf einmal so falsch an wie noch nie in meinen Leben. Ich erwiderte den Kuss nicht. Viel zu sehr war ich gerade in meinen Gedanken. Fast wie in Trance murmelte ich vor mich hin: „Ich dich nicht…“ Überrascht sah Andrew mich an, löste sich langsam von mir und schräg grinsend meinte er: „Klar, ach komm Jazz, lass mal deine beschissenen Scherze.“ Ich schüttelte leicht den Kopf trat einen Schritt zurück und ich hatte das Gefühl nie klarer sehen zu können. „Nein… Kein Scherz… Ich liebe dich nicht…Ich…. Andrew…. Es tut mir leid“, meinte ich. Es gab nur wenige Momente in denen mir die Worte fehlten, tatsächlich war dies einer dieser Momente. Immer noch schien Andrew nicht ernst zu nehmen, was ich sagte, doch ich wich seinem Blick nicht aus. Es tat mir leid, was ich tat und ich wusste, dass ich mich wirklich grade wie ein Arsch aufführte. Allerdings ich konnte es nicht ändern. An Andys Miene ließ sich erkennen, dass er langsam meine Worte ernst zu nehmen schien. Wie das Wissen langsam, aber stetig in seinen Geist vordrang… „Ist das ein Scherz? Was bist du denn für ein Arsch“, fuhr Andrew mich an und als ich sah, wie er ausholte, hielt ich seine Hand mit einem schnellen Handgriff auf! Überrascht und verwirrt schauten wir beide uns an. Ich ließ zögerlich seine Hand los und meinte nüchtern: „Ach ja…Ich hab es verdient…warte… ich halt dich nicht auf…“ Tatsächlich wappnete ich mich auf den Schlag, doch Andrew schnappte empört nach Luft und ließ mich mit einem wütenden „Du Wichser“, stehen. Ich sah ihm kurz nach und es tat mir leid. Hier in dieser Situation sagte man sicher alles, aber sicher nicht, dass man den Partner nicht liebte. Dies hier war ein Ort, an dem man große tiefgründige Liebeserklärung säuselte, oder gar auf die Knie fiel… Ich strich mir durch die braunen Haare und wusste nicht mehr weiter. Ich wollte hier nicht alleine stehen, hier sollte Jack sein! Ich brauchte ihn, wollte ihn hier haben. So sehr ich ihn mir herbei wünschte, so sehr hasste ich ihn gleichzeitig für diese Gedanken. Ich wollte ihn an meiner Seite haben und fand gleichzeitig, dass er mich eigentlich gar nicht verdient hatte. Andererseits war ich in diesem Moment nicht besser als er damals, als er ging. Jetzt war ich das Arschloch und ich konnte und wollte es nicht leugnen. Dafür war ich immer noch zu reflektiert mir selbst gegenüber. Trotzdem tat mir Andrew leid und ich hatte das Gefühl, ich müsste mich entschuldigen. Als wir uns in unserem Zimmer begegneten murmelte ich eine Entschuldigung. Tatsächlich, tat es mir leid. Nicht, weil es zu Ende gegangen war, sondern wie es zu Ende ging. Er winkte wütend ab. „Willst du, dass ich mir ein anderes Zimmer nehme“, fragte ich erstaunlich ruhig. Ich konnte es gar nicht fassen, wie sehr ich eigentlich innerlich schon abgeschlossen hatte. War das gut von mir? Nein! Natürlich nicht, doch ich konnte es einfach nicht mehr ändern. Ich wollte es auch gar nicht ändern. „Wenn du nicht gehst, dann gehe ich jedenfalls!“ Ich sah, wie er anfing zu heulen und mich dabei ansah. Vermutlich wollte er mir ein schlechtes Gewissen machen, oder er musste seine Gefühle einfach herauslassen. Das schlechte Gewissen, das ich hatte, war jedoch nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte. Wow, ich war gerade genau das Arschloch, was Andy in mir sah... Ich konnte nichts für meine Gefühle. Ich wusste selbst nicht warum ich mir in diesem Moment so sicher war, doch das war ich. Andrew hatte es nicht verdient, dass ich ihm Gefühle vorspielte. Es war tatsächlich für mich ein tröstender Gedanke! Andrew war ein netter und sehr aufrichtiger Mensch, er hatte so eine Person auch als Partner verdient. Doch dieser Partner, der konnte ich nicht sein. Ich versuchte es ihm zu erklären, allerdings wollte er davon nichts hören. „Wusstest du das schon vor dem Urlaub“, wollte er pampig von mir wissen, nachdem er sich beruhigt hatte. Ehrlich schüttelte ich den Kopf. „Nein“, meinte ich leise und schaute in seine grauen Augen. Die Trauer und auch der Schreck, der mich aus ihnen anblickte, weckte letztlich doch ein schlechtes Gewissen in meinem Inneren. „Ich… ich kann einfach nicht meinen Ex vergessen“, sagte ich ehrlicher als ich eigentlich beabsichtigt hatte. „Wenn du immer noch nicht über diesen Typen hinwegkommst, dann such dir gefälligst Hilfe“, fuhr er mich zornig an und ich konnte es ihm nicht verübeln… Er hatte ja auch Recht. Ich konnte und wollte es nicht abstreiten, aber bestätigen kam auch nicht in Frage. Ich wusste es selber, dass ich die Probleme nicht alleine bewältigen konnte. Ich schwieg darauf und wütend funkelte mich Andrew an. „Andrew… ich meine es wirklich ernst, wenn ich sage, dass es mir leid tut“, meinte ich und eigentlich wollte ich nach seiner Hand greifen, ließ es jedoch im letzten Augenblick. Ich beobachtete, wie er sich durch das Gesicht strich und mich weiterhin zornig ansah. „Das macht es nicht besser. Du hast keine Ahnung, wie weh es mir gerade tut“, sagte er eisig und eigentlich lag mir schon ein, doch, auf den Lippen. Jedoch verließ dieses Wort nicht meine Lippen. Gerade fühlte er sich genauso wie ich damals, an dem Tag nach meinem 18. Geburtstag und da hätte ich alle solche Sprüche nicht hören wollen… Ich erinnerte mich auch wie dankbar ich war, dass Jenny mich in Ruhe ließ. Ich war froh, dass es der letzte Tag war, die letzte Nacht. Eigentlich wollte ich nicht unnötig Geld für ein anderes Zimmer ausgeben, allerdings wollte ich mich Andy nicht aufdrängen. Sagte ihm, dass ich nach einem anderen Zimmer fragen würde und er hielt mich nicht auf. Tatsächlich bekam ich eins und fast schon verwirrt betrachtete mich der Rezeptionist. Stumm packte ich meine Sachen. Andrew beobachtete mich und ich hörte ihn immer wieder leise schluchzen. Er hielt sein Handy in der Hand und ich konnte mir denken, dass er gleich einen seiner Freunde anrufen würde. Ich wusste, dass egal wen er anrief, diese Person ihn besser trösten konnte als ich. Ich war die letzte Person die er dafür brauchte. Ich saß noch lange abends an der Bar und trank zwei, drei Cocktails. Ich wollte mit keinem sprechen, aber ich wollte auch nicht auf meinem Zimmer sitzen um auf den nächsten Tag zu warten. Fast schon war ich dankbar, dass wir bereits gegen Mittag den Heimflug antraten. In dieser Nacht schlief ich wieder schlecht und alleine saß ich unten am Frühstückstisch. Andrew sah ich erst, als wir beide auscheckten. Er wollte nicht mit mir sprechen, doch ich fragte ihn: „Sollen wir uns wenigstens das Taxi zum Flughafen teilen, oder geht das auch nicht?“ Verletzt sah er mich an und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich sah, wie er kurz auf seiner Unterlippe kaute. Natürlich wog er ab, was sinnvoller für ihn war und ob er es wollte. Dann zuckte er fast schon genervt mit der Schulter. Wir warteten draußen auf das Taxi und fast schon zickig fragte er: „Und gestern allein geschlafen? Oder hast dir jemanden zum ficken gesucht?!“ Überrascht von diese fast schon untypische Art von ihm zog ich erstaunt die Augenbrauen hinauf. Ich musste schlucken, denn tatsächlich war ich gerade einfach ein Arschloch für ihn! Egal, was ich sagen würde oder nicht. Ich schüttelte nur den Kopf und zwang mich, nicht die Augen zu verdrehen. Ich hörte ihn wütend schnauben. „Du bist doch echt nicht mehr normal“, stichelte er weiter und ich spürte, wie ich immer wütender wurde. Ich schluckte die Wut hinunter. Ich wusste, dass er das sicher nicht so krass meinte wie er es sagte und wenn er es doch so meinte, ja… Dann meinte er es so. Ich wollte ihn nicht anfahren, ich musste nur noch die Taxifahrt überstehen. Eisiges Schweigen verfolgte uns auf den Weg zum Flughafen. Als das Taxi stand verschwand er ohne sich die Mühe zu machen den Fahrer zu bezahlen. Tatsächlich machte dies mich wütend, denn ich hatte schon das andere Zimmer bezahlt nun auch noch das Taxi! Arschloch. Andrew checkte ohne mich am Schalter ein, was bedeutet, dass wir nicht nebeneinander saßen. Vielleicht war es auch besser so, denn nun war er wütend auf mich und ich auf ihn. Jetzt noch sechs Stunden neben ihm, eingepfercht in einem Flugzeug, wäre weder für ihn, noch für mich angenehm gewesen. Ich ließ mir Zeit, nachdem die Maschine gelandet war, wollte Andrew die Zeit geben um vor mir das Gebäude zu verlassen. Tatsächlich ging er ohne sich zu verabschieden. Wer ihn abholte, oder ob er wie ich mit dem Zug fuhr, wusste ich nicht. Während der Fahrt nach Hause war ich in Gedanken versunken. Wieder hatte Jack Einfluss auf mein Leben genommen, ohne da zu sein. Es war der Moment, wo ich endlich bereit dazu war, dieses Kapitel in meinem Leben anzugehen. Ich würde mir nach dem Prozess endlich Hilfe suchen! So durfte es einfach nicht weiter gehen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)