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Verborgen in Stille Teil II

von

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Wochen der Veränderung

Guten Tag ihr Lieben,
 

hier beginnt der zweite Teil und ich hofft, ihr erfreut euch daran.

Zum besseren Verständnis geht es hier zum ersten Teil, sonst versteht man die Geschichte hier leider nicht. ^^

http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/309650/369033/
 

und zudem, hatte ich noch eine Kurzgeschichte veröffentlicht.

http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/309650/372787/
 

sooo, ich hoffe ihr habt Spaß am lesen und ich würde mich über den ein oder anderen Kommi doch freuen^^
 

Liebe Grüße.

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Ich schaute hinauf in den wolkenlosen Himmel. Es war Hochsommer und bald würde der Herbst einziehen. Fünf Wochen waren vergangen seit Jack gegangen war. Fünf Wochen, die schrecklich waren. Doch auch fünf Wochen, in denen ich mich mehr gewandelt hatte, als ich mir vorstellen konnte. Fünf Wochen unruhiger Schlaf lagen hinter mir und ein Ende war nicht ersichtlich. Fünf schmerzvolle Wochen, die mich lehrten, wer an meiner Seite stand und wer nicht. Vielleicht war ich erwachsen geworden, vielleicht auch einfach nur ernüchterter. Es waren auch Wochen, in denen ich nichts mehr von meinem Vater gehört hatte. Seit Jack ihn hat gehen lassen, hatte ich keine Ahnung was er trieb, noch wie es ihm geht. Ich wollte es auch nicht wissen. Ich wollte Abstand und den hatte ich. Ich wollte verarbeiten. Auch zu meiner Mutter hatte ich noch einige Zeit keinen Kontakt gehabt. Doch langsam versuchten wir uns anzunähern. Zu viel wollte und konnte ich noch nicht zulassen. Fünf Wochen waren eben auch nicht fünf Jahre.

Meine älteren Brüder wollten auch nichts mehr von mir wissen. Sie haben Kinder und ich sei schwul, sowas können und wollen sie nicht in ihrer Nähe haben. Total bescheuert! Obwohl ich meine Brüder und ihre konservative Haltung kannte, schmerzte es zu wissen, dass sie mich nicht mehr in ihrer Nähe haben wollten. Einziger Trost war, dass ich schon vorher wenig mit ihnen zu tun hatte, denn der Altersunterschied war immer zu groß gewesen. Wobei, nein, Jackson und ich hielten tatsächlich noch Kontakt zueinander.

Was die Ermittlungen bezüglich meines Treppensturzes angingen, wusste ich nicht viel mehr als vorher. Sowas dauerte in Amerika einfach sehr lange. Doch da ich eigentlich Abstand wollte, war ich auch ein wenig froh, dass ich von dieser Seite vorerst in Ruhe gelassen wurde. Die Wunden brauchten Zeit zum heilen, da wäre diese zusätzliche Belastung nicht gut gewesen.

Ich betrachtete mich im Spiegel meines Zimmers in der Rehaklinik. Heute war ich angekommen und sollte acht Wochen bleiben! Eine gefühlte halbe Ewigkeit. Tatsächlich zeichnete sich die jüngste Vergangenheit auf meinem Gesicht wieder. Ernster sah ich aus. Erwachsener, als ich es vorher ohnehin schon tat. Meine Haare waren um einiges kürzer geworden. Nachdem meine Schwester sich beschwert hatte ich würde schrecklich aussehen, habe ich mich widerwillig zu einem Friseur begeben. Ich hatte der Friseurin freien Lauf gelassen. Viel Ahnung von Frisuren und dem Kram hatte ich ohnehin nicht. Sie hatte mir die Haare an den Seiten auf etwa fünf cm geschnitten. Sie meinte, ich solle sie nicht zu kurz tragen, da mein Kopf sonst zu eckig aussähe. Was auch immer das heißen soll. Die Haare hatten fast überall dieselbe Länge. Nur vorne am Pony ließ sie die Haare etwas länger und gelte sie mir zumeist frech nach oben.

Die Spitzen schnitt sie fransig zu, damit die Frisur jugendlich wirkte. Ich hatte einen leichten drei Tage Bart. Den trug ich mittlerweile öfter, weil ich oft keine Lust hatte mich zu rasieren. Leider wuchsen die Barthaare noch nicht ganz so wie ich es wollte.

Ich hatte nichts mehr von Jack gehört. Gar nichts. Nicht, dass ich es nicht versucht hätte. Ich hatte seine Nummer so häufig gewählt, ich konnte sie schon auswendig. Doch sie war tot. Die Nummer war nicht mehr existent. Und auch die E-Mail-Adresse, die ich von ihm hatte, war nicht vergeben. Jede Nachricht kam zurück mit dem Verweis, dass sie nicht zuzustellen sei.

Doch ich schrieb ihm trotzdem. Es war ein Ventil meine Probleme und Sorgen loszuwerden, auch wenn sie nicht ankamen. Ein kleiner Teil meines Inneren hoffte, dass Jack sie trotzdem irgendwie erhielt. Es war dumm das zu glauben, doch hatte ich so das Gefühl mit ihm sprechen zu können.

Ich vermisste Jack. Seine Sachen, die er mir da gelassen hatte, waren wie ein Heiligtum geworden. Die Lederjacke, die er vergessen hatte, die Medaille, sowie die Bilder durfte keiner anfassen!

Während ich mich auf das Bett legte, erinnerte mich an den nächsten Morgen, nachdem Jack gegangen war. Jenny war vollkommen außer sich, als ich es ihr sagte.

Er sei ein Mistkerl, ein Feigling und was er sonst noch alles war, hatte ich vergessen. Ich hatte die restliche Nacht nicht mehr geschlafen. Ich sah sicher genauso aus, wie ich mich gefühlt hatte. Jenny drückte mich an sich und erst, als ich schmerzvoll aufstöhnte, waren Rippen und Schulter doch noch angeschlagen, ließ sie schnell los. Erschrocken blickte sie mich an, als würde ich gleich zusammenbrechen. Wie sollte ich meiner Schwester auch erklären, dass Jack gegangen war um mich zu schützen? Sie hätte es nicht verstanden. Wie auch? Ich hätte es ihr auch nicht erklären können, denn ich verstand es doch selbst kaum. Ich hatte mir verboten vor ihr zu weinen. Auch vor Eric hielt ich mich zurück. Ich versuchte gar nicht erst zu erklären, weswegen Jack dies getan hatte.

Ich wollte versuchen nach vorne zu sehen, doch es war schwer und eigentlich viel zu früh. Allerdings wollte ich einfach nicht mehr angesehen werden, als würde ich gleich zerbrechen. Eigentlich war ich genau das, innerlich zerbrochen. Sich verlassen zu fühlen, war schmerzlicher als ich es mir je hätte vorstellen können. Ich war froh, als ich endlich alleine war und niemand mehr etwas von mir wollte an jenem Tag, an dem Jack verschwand. Ich erinnerte mich, dass Eric von seinen Eltern abgeholt wurde. Auch sie gratulierten mir zum Geburtstag und ich versuchte fröhlich auszusehen, wollte mir nichts anmerken lassen. Doch als ich endlich in meinem Übergangszimmer alleine war, betrachtete ich die Medaille. Erinnerte mich an Jacks Versprechen wieder zu kommen. Las den Brief, wobei ich diesen eigentlich schon auswendig kannte! Die Tränen kamen erneut und als ich alleine war, konnte ich die Gefühle raus lassen. Es sollte niemand mitbekommen wie verletzt ich war. Ich verstand in diesem Moment, weswegen Jack so häufig nur eine Maske zeigte. Und in den Wochen darauf verstand ich es immer besser. Auch ich begann sie zu tragen um niemanden zu zeigen, wie verletzt ich noch war.

Ich weiß noch, dass ich aus Wut und vielleicht auch ein wenig aus Verzweiflung meine erste Mail an Jack tippte. Wobei es mir danach einfach nur albern vorkam, als ich ihm schrieb:
 

„Warum hast du das getan?! Du weißt genau, dass ich dich brauche! Verdammte Scheiße Jack, es ist einfach unfair! Glaubst du wirklich, nur weil du gehst würde dieser David mich einfach in Ruhe lassen?! Er kennt doch meinen Namen, was sollte ihn dann abhalten?! Wieso sollte es ihn abhalten… wieso glaubst du nicht, dass wir das zusammen durchstehen?!“

Während ich schrieb spürte ich, wie mein Körper anfing zu beben. Die Wut und Verzweiflung flossen in meine Finger und ließen für rationales Denken keinen Platz!

„Es ist feige zu verschwinden! Du hast mir nicht mal ins Gesicht gesehen! Vielleicht will ich dich auch gar nicht mehr wiedersehen, wenn du so eine Scheiße abziehst!“

Schon nachdem ich sie weggeschickt hatte, bereute ich meine harschen Worte.

Doch sie wurde nicht zugestellt…

Natürlich, Jack tauchte unter, da wäre es nicht schlau seine alte E-Mail Adresse zu behalten.
 

Doch das war vor fünf Wochen und der Schmerz…Ja, der Schmerz, er war nicht weg, doch der Schock hatte sich gelegt. Das Leben ging weiter und man gewöhnte sich daran. Ich lernte mit dem Schmerz zu leben. Ich versuchte mit zu schwimmen, mich nicht abhängen zu lassen von den Anderen. So weh es einfach tat, aufgeben lag mir nicht! Sowas würde ich auch nicht machen. Doch war es mehr ein Schauspiel, was ich Tag täglich spielte.

Fünf Wochen und ich konnte dieses Spiel nahezu perfekt. Erschreckend, wie schnell man sowas lernt.

Kurz nach meinem Geburtstag lernte ich endlich mal den Freund meiner Schwester kennen. Er kam von einem Einsatz zurück, Afghanistan, wie er erzählte. Clay und ich verstanden uns gut. Er war ein angenehmer Mensch und ich verstand, weswegen meine Schwester sich in ihn verliebt hatte. Er sah gut aus mit seinen dunkelblonden Haaren. Leider hatte er den furchtbaren US Army Ich-kann-nur-eine-Frisur-Haarschnitt. Hinten nichts. Seiten so gut wie nichts. Oben 4mm. Der einzige Soldat, der jemals eine andere Frisur hatte, war wahrscheinlich Jack. Jedenfalls waren das auffälligste an Clay seine grünen Augen. Er wirkte ziemlich athletisch und schien auch was im Kopf zu haben. Clay scherzte viel rum und tatsächlich schaffte er es mich mit seiner lockeren Art zum Lachen zu bringen. Er hatte nichts dagegen, dass ich bei meiner Schwester wohnte, ganz im Gegenteil. Er war es, der Jenny darauf ansprach, dass die Wohnung zu klein sei.

Als wir eines Tages zusammen aßen meinte er, dass sie mich nicht in der kleinen Abstellkammer parken konnte. Die sei viel zu klein. Dabei fuchtelte er mit einer Gabel Essen vor ihr herum. Ich erinnere mich, dass Jenny nur auf das Essen sah, als habe sie Sorge es fällt gleich auf den sauberen Fußboden. Ich grinste, als ich die Beiden beobachtete. Sie schienen wirklich ein eingespieltes Team zu sein, obwohl sie noch nicht so lange zusammen waren.

Jenny meckerte Clay an, dass sie das wüsste und er mit dem Essen aufpassen sollte und sah trotz der gereizten Worte liebevoll zu ihm. Ich stocherte weiter in meinem Essen herum. Immer noch kochte Jenny äußerst gesund, für meinen Geschmack zu gesund. Manchmal, hatte ich die Sorge, dass ich Jenny und Clay stören könnte.

Bisher hatte ich Clay weder auf seinen Job als Sniper angesprochen, noch darauf, ob er Jack kannte. Denn ich schaffte es noch nicht von Jack zu sprechen.

Ich war recht still geworden. Meine frechen und vielleicht auch ab und zu unpassenden Sprüche dachte ich mir zumeist. Etwas, dass Jenny mit Besorgnis zur Kenntnis nahm, denn so kannte sie mich nicht. Doch ich wollte nicht mit ihr sprechen, weigerte mich. Wollte sie doch, dass ich über Jack sprach. Damit ich, wie sie es nannte, anfing es zu verarbeiten. Darauf hatte ich jedoch zu dieser Zeit überhaupt keinen Bock. Ich wollte auch eigentlich nicht aufgeben. Doch das, was geschehen war, hatte seine Spuren hinterlassen.

Ich hatte häufiger das Gefühl, dass Jenny mich und meine Masken durchschaute. Ob Jenny dies tatsächlich schaffte, wusste ich nicht. Doch ich wusste, dass ich ihr keine Last sein wollte. Ich wollte nicht, dass sie sich wegen mir zurückhielt. Ich wollte nicht, dass sie sich in ihrem Leben einschränkte. Denn ich hatte das Gefühl, dass ich ihr genau das antat. Ich war sicher in dieser Zeit keine angenehme Gesellschaft gewesen und eigentlich tat es mir leid. Ich verließ immer schnell den Küchentisch. Ich wollte die Beiden nicht in ihrer Zweisamkeit stören. Sie hatten sich Zeit als Paar verdient. Vor allem bei dem Job, den Clay hatte. Wenn ich ehrlich zur mir selbst war, beneidete ich meine Schwester dafür. Ich war wahrlich eifersüchtig, doch würde ich das niemals jemanden sagen. Denn ich fand meine Gedanken selbst abstrus. Ich liebte Jenny und sie so glücklich zu sehen sollte mich eigentlich freuen und mich nicht neidisch werden lassen. Clay war schließlich auch nicht Jack. Als ich mich damals auf das Bett setzte, fiel mein Blick auf die Jacke von Jack, die neben mir im Bett lag. Ich war viel zu schmal geworden, als dass sie an mir gut aussah. Ich fühlte mich schlecht und der Klos in meinem Inneren war unerträglich. Ich wusste, dass ich etwas ändern musste.

Ich weiß noch, später an diesem Abend mit Eric gechattet zu haben. Wollte ich doch einfach nur abgelenkt werden. Ich hatte mich darauf geeinigt, meinen High School Abschluss nachzuholen. Ich hatte so viel versäumt, die Reha stand an und ich war wieder mehrere Wochen weg. Zudem hatte ich einfach das Gefühl, dass nichts mehr in meinen Kopf passte. Er war mehr wie voll. Jenny wollte mich überreden von Zuhause aus den Abschluss zu machen, doch ich kannte mich. Zuhause war der Fernseher, die Stereoanlage, der Laptop…

Natürlich, ich würde mit den besten Vorsätzen daran gehen, doch ich kannte mich. Ich würde es Zuhause nicht schaffen motiviert zu arbeiten. Für sowas war ich zu faul. In meiner alten Klasse hatte sich zudem herumgesprochen, dass ich schwul bin. Wieso sie es plötzlich wussten, wusste ich nicht. Es war mir auch egal. Hier bei Jenny lagen genug Meilen zwischen mir und meiner Klasse. Tatsächlich hatte Jack Recht gehabt, als er mir einst sagte, dass ich dann erfahren würde, wer meine wahren Freunde waren. Colin hatte mir nicht einmal mehr zum Geburtstag gratuliert. Er schrieb mir nur, dass ich für ihn gestorben sei. Was für ein Trottel!

Doch Zack und vor allem Eric meldeten sich regelmäßig bei mir und auch Tobey schrieb die eine oder andere Mail. Tatsächlich hatte sich sogar meine Ex-Freundin Viola gemeldet. Sie schien es gefasst und amüsiert aufzunehmen. Sie würde nun auch verstehen, weswegen unser erstes Mal so ein Fiasko war, wobei Fiasko diese Peinlichkeit in meinen Augen noch runterspielte. Doch den intensivsten Kontakt hatte ich einfach zu Eric, der wie ein Bruder für mich war.

Ich fragte Eric, was es neues gab. Mit seiner Freundin war seit einiger Zeit Schluss, doch da er sich getrennt hatte, belastete es ihn wenig. Doch wir waren stillschweigend übereingekommen, dass wir das Thema erstmal ausschwiegen. Eric hatte zudem meine Position übernommen und war neuer Kapitän des Teams geworden. Ich beneidete ihn darum. Nicht um die Position, sondern darum, dass er spielen konnte. Ich vermisste es. Sport brachte mich immer weg von den trüben Gedanken und Baseball hatte mich einfach mein Leben lang begleitet. Ich schaute mir die Spiele im Fernsehen an, wenn sie liefen, was meiner Schwester nicht wirklich passte.

An dem Abend vor der Abreise in die Rehaklinik, kam Jenny in ihr altes Arbeitszimmer. Ich hatte die meisten meiner Sachen schon verstaut. Viel hatte ich aus meinem alten Zuhause gar nicht mitgenommen. Vieles war noch bei meiner Mutter. Also saß ich eigentlich nur auf dem Bett, als Jenny kam. Starte auf die goldene Medaille in meiner Hand und war wieder in Erinnerungen versunken. Ich konnte es einfach nicht abstellen, wenn ich alleine war. Wenn mich niemand abhielt daran zu denken. Sie fragte mich vorsichtig, ob ich einen kurzen Moment Zeit hätte und betrachtete dabei die Sachen, die ich zusammengesucht hatte. Ich bemerkte, dass sie äußert missmutig auf die Medaille blickte.

Unschlüssig nickte ich, während ich mich aufsetzte und sie fragte, was sie mit mir bereden wollte. Sie setzte sich auf das Bett und betrachtete mich. Wieder mal war ihr Blick zu vorsichtig, doch was sie genau dachte, behielt sie für sich.

Jenny sagte mir nach einem Moment der Stille, dass sie und Clay darüber gesprochen hatten, wie es in Zukunft weiter gehen sollte. Und ich hatte wieder das Gefühl, dass sie so tat, als sei ich aus Glas. Wie ich sowas hasste! Ja, ich war verlassen worden. Ja, mir ging es nicht gut, doch so brauchte man nicht mit mir umzugehen. Ich war zwar jung, aber noch lange kein Kind mehr! Gereift war ich in den letzten Wochen!

Doch ich merkte, während ich mich innerlich aufregte, dass es genau dieser Grund war, warum Jenny so vorsichtig mit mir sprach. Regte ich mich den in letzter Zeit wirklich schnell auf? Vielleicht sollte ich mein Verhalten mal überdenken…

Immerhin lebte ich nur wegen Jenny nicht in einer Wohngruppe oder bei meiner Mutter. Hätte sie mir kein Asyl gewährt, wäre vieles anders verlaufen.

Ich forderte sie auf zum Punkt zu kommen und hörte dabei selbst, wie gereizt meine Stimme war. Ich sah, wie ihre Augen sich kurz weiteten, doch sagte sie dazu nichts.

Sie erzählte mir, dass sie gerne umziehen wollten. Clay käme aus Kalifornien und wollte dort gerne wohnen. Er meinte dort wäre das Wetter schöner, die Menschen netter und dass sie eh überlegt hatten zusammenzuziehen, bevor das alles geschehen war. Sie wählte ihre Worte vorsichtig und ich wusste was sie meinte, als sie aufhörte zu sprechen. Ihre Pläne wurden durch den Zwischenfall, wie ich ihn nannte, durchkreuzt. Ich wusste, Jenny würde es nie so nennen und ich wollte ihr auch kein schlechtes Gewissen machen, also nickte ich nur und ließ sie weiter sprechen.

Clay wollte gerne ein Haus mieten und da spräche ja eigentlich nichts gegen, aber sie wollte mich damit auch nicht überrumpeln. Jenny wirkte unsicher, als sie darüber sprach.

Ich unterbrach ihr Gestammel und fragte sie direkt ob sie wissen wolle, ob ich mitkommen würde. Sie sah mich kurz an und nickte leicht. Ich konnte mir denken, dass sie Angst hatte mich damit zu überfordern. Ich dachte darüber nach und seufzte schwer. Texas verlassen… alles hinter mir lassen. Und in diesem Fall bedeutete alles, alles! Vertraute Umgebung, vertraute Menschen.

Ich bat sie darum mir einen Tag Bedenkzeit zu geben und sie nickte sofort und meinte, dass das selbstverständlich sei und ich in Ruhe darüber nachdenken sollte. So eine Entscheidung könne man nicht sofort treffen. Sie lächelte mich sanft an und ich nickte.

Während ich begann darüber nachzudenken, fragte ich sie, was mit ihrer Arbeit sei und wie groß das Haus sein soll, das Clay mieten wollte. Schließlich müsste es ein Schlafzimmer mehr haben. Und dass das Haus dann viel zu groß für die beiden wäre, wenn ich irgendwann ausziehen sollte.

Jenny beugte sich auf dem Bett zurück und stopfte sich mein Kissen in den Rücken um bequem sitzen zu können. Ihr warmer liebevoller Blick musterte mich und freundlich, fast schon liebevoll meinte sie, dass ich mir darüber keine Sorgen machen bräuchte. Die Firma, für die sie arbeitete, sei sehr groß und als sie vor einiger Zeit angefragt hatte, war es für die Geschäftsleitung kein Problem sie zu versetzten. Und was die Größe von dem Haus anging… Na ja, da hatten Clay und sie auch schon drüber gesprochen. Sie war sich bisher noch nie so sicher, dass es mit jemanden halten könnte und Clay sprach davon, dass daraus ja irgendwann mal ein Kinderzimmer werden könnte. Ich sah, wie sie strahlte und konnte es ihr nicht verübeln. Wenn jemand eine gute Mutter sein würde, dann war es für mich Jenny. Ich freute mich für sie und ein ehrliches und aufrichtiges Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Wir sahen einander in die Augen und seit Tagen spürte ich wieder Wärme in meiner Brust. Nie war das Gefühl hier willkommen zu sein stärker, denn ich wurde in die Pläne eingebunden. Man drückte sie mir nicht einfach auf! Für Jenny war ich ein Teil ihres Lebens! Ich spürte, wie der tiefe Riss in meinem Inneren langsam begann zu heilen, während ich Jenny in die blauen Augen sah. Auch wenn es nur ein wenig war, war es doch ein aller erster Schritt. Doch wenn ich wollte, dass es weiter heilte, musste ich endlich mit jemanden sprechen! So weh es auch tat, so sehr ich mich davor drückte. Unsicher sah ich Jenny an, doch es gab keinen anderen Menschen, dem ich derzeit mehr vertrauen konnte. Sie würde nicht lachen und sie würde versuchen mich zu verstehen. Ich blickte wieder auf die Medaille in meiner Hand. Drückte das Metall in meine Hand...

Ich fragte sie, wie es für sie war, als sie verlassen wurde. Meine Stimme war leise, sehr leise, denn eigentlich wollte ich nicht, dass jemand meine Schwäche sah. Es war so schwer, darüber zu sprechen und auch jetzt noch. Ich wollte nicht, dass irgendwer behauptete ich sei eine Schwuchtel und würde nur heulen! Mitfühlend sah Jenny mich an, doch ich wich ihrem Blick aus und starrte erneut auf die Medaille in meiner Hand.

Ich spürte, wie sie neben mich rutschte und ihre zarten Arme um meinen Körper legte, als sie ehrlich meinte, dass es einfach nur wehgetan habe und Worte es nicht besser machen konnten. Ich war froh und dankbar, dass sie keine komischen Weisheiten aus dem Internet rezitierte. Ich spürte, wie die Tränen kamen und schaffte es nicht sie zu unterdrücken. Es tut so weh…. Ich vermisse ihn so sehr…es wird nicht besser... waren meine Worte, bevor ich spürte, wie die Tränen über meine Wangen liefen. Ich konnte es einfach nicht verhindern.

Jenny drückte mich vorsichtig an sich. Sie sagte mir, dass ich traurig sein soll. Das ich weinen und wütend sein soll. Ich hätte jedes Recht dazu. Ich hätte auch jedes Recht dazu schlechte Laune zu haben und das Recht darauf mich zu verkriechen. Das alles zu erleben... So viel auf einmal… muss so schrecklich sein, wenn sie wüsste. Sie wünschte sich, dass sie mir etwas von der Last und dem Kummer abnehmen könnte. Und sie bat mich darum, wieder ich zu werden. Ihr kleiner Bruder, der fröhlich und offen durch das Leben gelaufen war… War ich wirklich so anders geworden? Mein Leben sei nicht vorbei, auch wenn es sich vielleicht gerade so anfühlt.

Ich nickte und drückte mich tatsächlich kurz an Jenny. Ihre Worte waren Schmerz und Trost zugleich. Leise schluchzte ich und ich glaubte, es war das erste Mal, dass Jenny mich wirklich weinen sah seit ich bei ihr wohnte. Sie hielt mich einfach fest und obwohl ich größer war als sie, drückte ich meinen zitternden Körper an sie. Ehrlich und bitter waren meine Worte. Als ich sagte, dass ich ihn vermisse und mich verloren fühle. Die geschlagenen Wunden waren einfach noch zu frisch.

Jenny versuchte mich zu beruhigen. Sie versicherte mir, dass Clay, sie und Eric auf meiner Seite wären und ich jetzt erst einmal wieder gesund werden sollte. Das sollte ich mir als oberstes Ziel setzen. Mit einem Ziel vor Augen fühle man sich weniger verloren. Doch eigentlich war mein Ziel ein gänzlich anderes.

Und sie versicherte mir, dass es in Ordnung sei, wenn ich erstmal hier bleiben wollte. Der Umzug musste nicht sofort sein, wenn ich mich dabei nicht wohl fühlte. Ich sollte mich nicht gezwungen fühlen. Ich nickte ihr dankbar zu und schwieg, weinte leise. Jenny ging nicht, streichelte mir liebevoll über den Rücken, versuchte einfach da zu sein. Sie ging erst, nachdem ich mich beruhigt hatte. Dieser Tag war ein äußert dunkler für mich und ich war froh ihn nicht alleine durchleben zu müssen. Etwas, was ich ihr nicht vergessen werde.

Ich versuchte mich seither an Jennys Rat zu halten. Versuchte die Trauer zuzulassen, doch versuchte ich mich auch selbst aus diesem Loch zu ziehen. Ein tröstender Gedanke war schließlich, dass Jack nicht gegangen war, weil er mich nicht mehr liebte. Er wollte mich schützen und er hatte eigentlich alle seine Versprechen gehalten…

Ich hatte mir Bedenkzeit eingeräumt, was einen Umzug anbelangte, denn Texas verlassen bedeutete auch meine Freunde, mein Leben hinter mir zu lassen.

Doch nun, fünf Wochen nach der Trennung, sah ich mich in dem Zimmer der Rehaklinik um. Es war größer und viel freundlicher eingerichtet als mein Krankenhauszimmer. Ein warmer Holzfußboden war verlegt worden, ein geräumiges Einzelbett stand an einer Ecke und ein Kleiderschrank und Schreibtisch gehörten ebenfalls zum Inventar. Die Wände waren in einem sanften Orange gestrichen worden und große Fenster ließen viel helles Tageslicht hineinfallen. Es fiel mir schwer mich auf die Reha einzulassen. Doch so wenig ich mich auch auf die Reha gefreut hatte musste ich ihr zugestehen, dass es vielleicht gut tat wieder einen geregelten Alltag zu haben. Als ich ankam reichte man mir einen Plan, wie meine Woche aus zusehen hatte.

Schon nach der ersten Woche hatte ich mich daran gewöhnt. Morgens begann der Tag um halb neun. Es wurde gefrühstückt bevor jeder zu seinen „Aufgaben“ ging. Meine Aufgabe bestand darin jeden Tag zum Physiotrainer und zu Massage für meine Schulter zu gehen. Ich machten Übungen, um die Schulter wieder richtig bewegen zu können. So schnell wie ich es mir wünschte, ging es leider nicht. Ich wollte einfach mehr als mein Körper wirklich hergab.

Und auch die Massagen waren alles andere als angenehm und entspannend! Ganz im Gegenteil, sie schmerzten ziemlich!

Danach hatte ich erstmal Zeit für mich und ich fand schnell etwas, was mich ablenkte. In der Klinik gab es ein hauseigenes Fitnessstudio. Zwar durfte ich nichts machen, was meinen Arm oder meine Schulter belastete, doch Radfahren durfte ich und auch einige Übungen für den Bauch waren laut den Physiotherapeuten erlaubt. Die gebrochenen Rippen machten mir keine Probleme mehr und laut den Ärzten waren sie perfekt zusammengewachsen. Und auch mein Rücken tat nur noch ab und zu weh. Doch tatsächlich waren die roten noch sehr auffälligen Narben etwas, was ich mir nicht anschauen konnte. Den Wunsch von Jack, sie als positives Zeichen für etwas zu sehen, schaffte ich nicht. Jedoch wollte ich nicht zu sehr daran denken. Denn wie Jack mir auch einst sagte, Narben auf dem Rücken sah man nicht so oft…

Während der freien Zeit entschied ich mich Rad zu fahren, versuchte die verlorene Kondition wieder aufzubauen. Es dauerte länger als ich dachte, erst nach über einer Woche bemerkte ich einen sichtlichen Erfolg und auch die Muskeln auf meinem Bauch waren nicht so schnell wieder da, wie ich es wollte. Zumeist ging ich nach dem Sport duschen, achtete darauf, dass keiner meinen Rücken sah. Doch der Sport sorgte dafür, dass ich mich wohler fühlte. Zur Ruhe kam. Wie manche anderen das Schreiben oder Lesen brauchten um runterzukommen war es für mich eben der Sport. Nach dem Mittagessen sollte ich alle zwei Tage im Wechsel zu einer weiteren Übungseinheit Reha Sport oder zu einer Psychologin. Ich hasste die Gespräche mit ihr. Wollte ich ihr doch nichts sagen und doch schaffte sie es mich zum Sprechen zu bewegen. Wie schaffte man das? Wie brachte man die Menschen dazu zu reden, obwohl sie es nicht wollten? Doch so sehr Mrs. Marks bohrte, ich konnte und wollte nicht alles verraten.

Ich schaffte es nicht im Detail zu berichten was passiert war. Das mein Vater schuld an allem war, dass er mich so schwer verletzt hatte. Wie ich mich dabei gefühlt hatte. Das ich eigentlich immer noch nicht richtig schlafen kann, dass das Wort Schwuchtel mich immer noch verfolgte... Es ging sie auch einfach nichts an. Ich war nicht bereit darüber zu sprechen. Zudem war ich mir einfach nicht sicher, ob vergessen nicht einfacher war, auch wenn Jenny diesbezüglich eine andere Meinung vertrat! Doch hatte ich das Gefühl, dass verdrängen derzeit die beste Möglichkeit für mich war.

Allerdings meldete sich meine Mutter wieder regelmäßig bei mir, seit ich in der Klinik war. Etwas, was ich eigentlich nicht wollte. Und doch wollte ich wissen, was genau sie mit Jack besprochen hatte. Hatte es Jack doch geschrieben, dass sie sich gestritten haben und ich wollte wissen, was in diesem Gespräch gesagt wurde! Sie meinte, dass ich mir wegen diesem Menschen keine Sorgen mehr machen brauchte. Was für ein dummer Satz aus ihrem Mund, denn diejenige die mich nicht geschützt hat war schließlich sie gewesen. Allerdings, wenn ich ehrlich war, tat es auch gut ihre Stimme mal wieder zu hören und ehrlicherweise sagte ich ihr das auch. Es waren schon genug schlimme Worte gefallen. Sie freute sich, als ich das sagte und ich glaubte ihr. Jedoch wollte ich sie nicht bitten mich zu besuchen.

Es war kein Geheimnis wo ich war… Wenn sie mich sehen wollte, dann konnte sie kommen. Zudem hatte ich Angst enttäuscht zu werden und was sie mit Jack besprochen hatte, würde ich noch früh genug erfahren.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Pitchermaus
2017-02-02T21:03:51+00:00 02.02.2017 22:03
Endlich geht es weiter! :).
Damit, dass der zweite Teil so nahtlos am ersten ansetzt habe ich nicht gerechnet. Irgendwie hatte ich einen Zeitsprung von ein paar Jahren erwartet. Aber so erfährt man wenigstens genau, wie Jazz Leben nach den ganzen Geschehnissen verlief. Jazz Charakter ist auch sofort wiederzuerkennen. Seine etwas sorglose Art fehlt zwar ein bisschen, aber es wohl kaum realistisch, wenn ihn die vergangenen Ereignisse nicht belasten würden. Dafür sind fünf Wochen doch etwas zu kurz.
Dass ihm Jack fehlt und er Zeit braucht über Jacks Fortgang hinwegzukommen ist nur natürlich. Auch dass Jazz versucht es irgendwie zu verdrängen. Dass passt auch zu dem Jazz, den man im ersten Teil kennen lernt. Wobei ich Jack doch etwas böse bin, dass er Jasper einfach so alleine gelassen hat. Auch wenn seine Gründe sehr überzeugend sind. Bei Jazz habe ich allerdings den Eindruck bekommen, dass er sich ohne Jack ziemlich einsam und alleingelassen fühlt. Da hilft dann auch nicht seine Schwester. Vor allem, da er da ja auch das Gefühl hat ihr irgendwie im Weg zu stehen und sie zu belasten. Dass er da dann versucht mit einer Maske seine Gefühle zu verdecken ist verständlich. Wobei er mich da auch irgendwie ein bisschen an Jack erinnert. Da hat er wohl dann doch einiges von ihm gelernt und erfährt nun auch einiges, was ihm Jacks Verhalten verständlicher macht. Jenny ein wirklich sympathischer Charakter. So wie sie für ihren Bruder da ist. Der Rest der Familie ist ja nicht sehr erwähnenswert. Und da heißt es Blut sei dicker als Wasser. Für Jazz tut mir das sehr leid. Wirklich leicht ist es jedenfalls nicht. Da sind seine Stimmungsschwankungen bzw. sein eher gereiztes Verhalten durchaus nachvollziehbar. Wirklich cool von Jenny, dass sie da so drüber hinweggeht.
Und nun ist er in der Reha. Die Kompensation durch Sport kenne ich auch. Wobei Jasper eigentlich wissen sollte, dass Kondition nicht von heute auf morgen wieder da ist und eine Steigerung innerhalb von einer Woche nicht schlecht ist. Seine Probleme bzw. sein Unbehagen mit der Psychologin ist irgendwie auch verständlich, wenn man bedenkt aus was für einem Elternhaus er kommt. Und die kindheitliche Erziehung prägt einen dann doch sehr. Aber wenn es Jazz so fasziniert, dass Psychologen Menschen zum Sprechen bringen, obwohl sie eigentlich nicht wollen wäre das ja vielleicht eine Berufswahl für ihn. Darüber, was er nach der Schule machen möchte, muss er ja jetzt auch zwangsläufig drüber nachdenken. Wobei das sicherlich auch nicht einfach ist. Immerhin ist unverschuldet sein großer Traum von jetzt auf gleich geplatzt. Aber Jazz packt das schon. Er will ja selbst nicht aufgegeben.
Allerdings frage ich mich nach dem Kapitel auch, wie es bei Jack aussieht. Seine Sicht der Dinge würde mich da auch brennend interessieren. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass er die Sache mit Jasper so einfach abhaken kann. Viel eher würde ich vermuten, dass er sich in Arbeit stürzt, um nicht nachdenken zu müssen.
Ich freue mich sehr, dass es wieder weitergeht und hoffe, dass Jazz nicht zu lange leiden muss und dass die beiden sich bald wiedersehen und auch wieder zusammenkommen :). Bin schon gespannt.


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