Selbstmord ist keine Lösung......oder? von LadyShihoin ================================================================================ Kapitel 46: ...und der Anfang von etwas Neuem *zensiert* -------------------------------------------------------- Es war das unangenehmste Erwachen, das Carina jemals erlebt hatte. Noch während sie schlaftrunken die Augen aufschlug merkte sie, wie jede Faser ihres Körpers rebellierte. Sie wusste: Nur der Tatsache, dass sie ein Shinigami war, hatte sie es zu verdanken, dass sie nicht von Todesqualen gepeinigt aufwachte. Noch halb im Schlafmodus hob sie den Kopf und zog sich die Decke weg, die über sie ausgebreitet worden war. „Großartig, ich sehe aus wie eine Mumie“, nuschelte sie und starrte die weißen Verbände an, die sowohl Arme, Beine, als auch ihren Oberkörper bedeckten. Wie lange sie wohl geschlafen hatte? Vorsichtig setzte sie sich auf, was ihr auch ohne größere Schmerzen gelang. Lediglich ihr Kopf pochte unangenehm und als sie ihn vorsichtig betastete, spürte sie auch sogleich die kleine Erhebung einer Beule. „Oh man“, murmelte die 18-Jährige und stand mit wackligen Beinen auf. Ihre Blase protestierte und somit ging sie mit schnellen Schritten ins Bad, um sich ein wenig Erleichterung zu verschaffen. Nachdem sie ihren Toilettengang beendet hatte, wusch sie sich die Hände und starrte gleich darauf in den Spiegel. „Oh Gott“, entfuhr es ihr unwillkürlich, als sie die geschwollenen Partien ihres Gesichtes betrachtete. Der Riss in ihrer Lippe war fast vollständig verschwunden und auch die Platzwunde an ihrer Stirn war nur noch ein schmaler, abheilender Strich. Aber ihr Hals und Teile des Kiefers waren von kleinen, blauen Flecken übersät. Die dunkelblaue Stelle an ihrer Wange hatte sich mittlerweile in ein grünliches Gelb verwandelt. Automatisch wanderte Carinas Hand nach oben und tastete die betroffenen Stellen ab, ganz so, als könnte sie selbst nicht glauben wie schlimm ihr eigenes Gesicht aussah. „Dornröschen scheint wieder wach zu sein, hehe~“, ertönte neben ihr eine altbekannte Stimme und als Angesprochene ihren Kopf nach rechts drehte, sah sie den Undertaker in der Badezimmertür stehen. Ein Schnauben entfuhr der Blondine. „Was soll das denn jetzt heißen?“, meinte sie und griff nun nach einer Salbe, um sich die Wunden einzucremen. „Du hast immerhin ganze 35 Stunden geschlafen.“ Carina starrte ihn an. „Ich hab 1 ½ Tage geschlafen?“, fragte sie entsetzt und bekam ein Nicken als Antwort. „Na ja, aber nach der Prügelei kein Wunder“, grinste er und trat näher an sie heran. „Ich hab mich nicht geprügelt. Ich wurde angegriffen und hab mich gewehrt, das ist ein Unterschied“, murmelte sie und versuchte an den Verschluss des Verbandes zu kommen, der genau in der Mitte ihres Rückens lag. Der Bestatter lachte. „Komm, ich helfe dir“, sagte er und begann die weißen Streifen nach und nach zu lösen. „Danke, Mr. Samariter“, antwortete sie und lächelte sofort, als sie sein Lachen hinter sich hörte. Doch das Lächeln wich genau in dem Moment von ihren Lippen, als das letzte Stück Stoff zu Boden fiel und sie ihren Oberkörper mustern konnte. Ihre komplette rechte Seite, sowie die Stelle über ihrem Bauchnabel, leuchteten in einem dunklen Violett. Es sah furchtbar aus. „Dein Rücken sieht gut aus. Kaum noch etwas zu…“, der Silberhaarige brach abrupt ab, als er über ihre Schulter hinweg in den Spiegel schaute und die Blutergüsse sah. Carina presste ihre Lippen zu einer dünnen Linie zusammen, ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Egal, wer ihr Angreifer auch gewesen war… „Dafür wird er büßen“, sagte sie mit klarer und deutlicher Stimme, während sie die Salbe nun auch auf ihrem Bauch verteilte. Niemand demütigte sie und kam dann ohne Konsequenzen davon. „Apropos“, begann der Totengräber und schnappte ihr nun die Tube aus der Hand, „wen hast du so gegen dich aufgebracht, dass dieser Jemand dich sucht, auch noch findet und dann versucht dich umzubringen?“ Carina rollte mit den Augen und verschränkte die Arme vor ihren nackten Brüsten. „Ich hab überhaupt niemanden gegen mich aufgebracht. Höchstens Ronald, weil ich nicht mit ihm ausgehe, aber der ist erstens viel kleiner und zweitens wesentlich schwächer. Und er hat einen Rasenmäher als Death Scythe, das wäre mir also aufgefallen.“ Sie erschauderte, als seine Fingerspitzen die kühle Salbe auf ihrem Rücken verteilten. Automatisch stellten sich ihre Brustwarzen auf und die junge Frau dankte Gott dafür, dass der Bestatter es nicht sehen konnte. „Ganz abgesehen davon glaube ich irgendwie nicht, dass er mich umbringen wollte.“ Der Undertaker hob eine Augenbraue. „Ach ja und wieso nicht?“ „Weil er mehr als nur eine Gelegenheit dazu gehabt hätte, es aber nicht getan hat. Nein, stattdessen hat er sich Zeit gelassen und mich vorgeführt.“ Eiskalte Wut sickerte in ihren Bauch und brannte bei jedem Wort in ihrer Kehle. Doch plötzlich fiel ihr wieder etwas ein, was sie beinahe vergessen hatte. „Und wo wir gerade von vorführen sprechen“, knurrte sie und drehte sich, immer noch mit verschränkten Armen, zu ihm um. Der Silberhaarige schaute sie perplex an und blinzelte, als sie mit einer wütenden Miene ihr Gesicht genau vor seines brachte. „Du bist kein Stück besser. Du hast mich ebenfalls wie den letzten Trottel dastehen lassen. Ich meine…eine Sotoba? Ernsthaft?“ Er konnte gar nicht verhindern, dass sich ein verspieltes Grinsen auf seine Lippen schlich. „Ach komm, das war doch nun wirklich eine Meisterleistung von mir. Nur zu schade, dass ich deinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte, als du es herausge- Aua!“ Beherzt hatte die Schnitterin ihre Hände nach seinen Wangen ausgestreckt und kniff diese nun genervt zusammen. „Du bist unmöglich“, rief sie, während sie seine Wangen nun auseinanderzog und sein schrilles Lachen dadurch komplett verzerrt aus ihm herausbrach. Weiterhin lachend griff er nach ihren Handgelenken und zog ihre Finger von seinem Gesicht weg. „Aehehehe, du hast doch sonst immer so viel Sinn für Humor.“ „Ja, aber nicht, wenn er auf meine Kosten geht“, konterte sie und blickte gleich darauf grimmig drein. „Und meine Augen sind hier oben“, fügte sie noch hinzu, denn sein Blick war reflexartig eine Ebene tiefer gerutscht. „Na na“, meinte der Bestatter und zog sie dichter an seinen Körper heran, sodass er seinen Mund an ihr rechtes Ohr legen konnte. „Ich habe doch ohnehin schon alles gesehen.“ Carina wurde rot im Gesicht. Sie versuchte ihn gleichzeitig böse anzufunkeln, war dabei allerdings nicht ganz überzeugend. Mit einem letzten belustigten Kichern ließ er ihre Hände los. „Du solltest dich noch ein wenig ausruhen, dann heilen die restlichen Wunden schneller. Glaubst du deine Knochen sind wieder ganz?“ „Fühlt sich jedenfalls alles wieder heil an. Aber du hast Recht, ich sollte mich noch ein wenig schonen. Von dem bisschen Gehen und Stehen bin ich schon wieder total müde.“ Der Undertaker beobachtete die Blondine dabei, wie sie sich eines seiner Hemden anzog und zuknöpfte. Trotz ihrer 1,70 m ging ihr der Stoff fast bis zu den Knien. Er würde es niemals zugeben, aber er war froh, dass sie heute nicht mehr so wortkarg und steif zu ihm war, wie vor 1 ½ Tagen. Diese Carina hatte ihm nicht sonderlich gefallen. Obwohl er natürlich selbst auch nicht ganz unschuldig an ihrer schlechten Stimmung gewesen war. Er war niemand, der oft Reue empfand, aber den Schlag…ja, den Schlag bereute er. „Soll ich dich wieder ins Bett bringen oder schaffst du das dieses Mal alleine?“, sagte er schelmisch, um die Situation weiter aufzulockern und erhielt auch beinahe sofort die gewünschte Reaktion. „Nein, danke“, fauchte sie mit hochrotem Gesicht und stürmte so gut es ihr möglich war aus dem Zimmer heraus, sein unerträgliches Kichern immer noch im Rücken. „Hätte ich mir ja denken können, dass er sich jetzt lustig darüber macht“, dachte die 18-Jährige beschämt und betrachtete das Schlafzimmer nun genauer. Die Überreste der Kommode und generell das ganze Chaos war verschwunden, lediglich die verblassten roten Flecken auf dem Boden erinnerten noch an den Vorfall. An den Schrank gelehnt stand ihr Katana, was Carina erleichtert aufseufzen ließ. Wenigstens besaß der Totengräber so viel Anstand und hatte ihre Death Scythe nicht noch einmal versteckt. Schweigend ließ sie sich erneut auf das Bett sinken und schaute ihre Waffe weiterhin aus den Augenwinkeln an. „Ich habe sie zurück. Eigentlich…eigentlich gibt es jetzt keinen Grund noch länger hier zu bleiben.“ Sie war sich dessen deutlich bewusst und dennoch machte sich Unmut in ihr breit. Wenn sie erst einmal von hier verschwunden war…wenn sie erst einmal wieder bei den anderen Shinigamis war…dann wäre es endgültig. Allein der bloße Gedanke versetzte sie in Panik und Carina machte sich keine Illusion darüber, warum das so war. Sie liebte ihn, natürlich schmerzte der Gedanke ihn verlassen zu müssen. Ihn womöglich niemals wiederzusehen. Ihn…loszulassen. Die Blondine konnte im Nachhinein nicht mehr genau sagen, bei welchem Gedanken sie wieder eingeschlafen war, aber als sie erwachte schien orange-rotes Licht durch das Fenster und die Sonne war ein weitentfernter, roter Halbkreis am Horizont. Bald würde es dunkel werden, sie musste also wieder ein paar Stunden mit Schlafen verbracht haben. Aber körperlich und auch geistig schien sie diese Auszeit dringend benötigt zu haben. Die Schmerzen waren deutlich besser, aber immer noch hatte sie das Gefühl, dass sie die ganze Nacht ebenfalls noch durchschlafen konnte, wenn sie es denn gewollt hätte. Kurz lauschte sie in die anhaltende Stille der Wohnung hinein. Anscheinend hatte der Silberhaarige sich wieder seinen Pflichten als Direktor des Weston Colleges gewidmet. „Oder den Leichen“, dachte sie augenverdrehend. Halbwegs sicher auf den Beinen stand sie auf und zog sich das weiße Hemd aus. Gleich darauf rümpfte sie die Nase. Der Geruch von Blut, Schweiß und Salbe haftete an dem Stoff. „Kein Wunder. Nach dem Kampf hab ich fast 2 Tage lang geschlafen. Wird wirklich dringend Zeit für ein Bad.“ Rasch nahm sie sich frische Kleidung aus dem Schrank und ging dann bereits wie vor einigen Stunden ins Bad. Nach kurzem Zögern entschloss sie sich dazu die Badezimmertür abzuschließen. Falls der Bestatter in nächster Zeit zurückkommen sollte, dann konnte er ihr ruhig mal ein wenig Zeit für sich selbst gönnen. Carina stellte das Wasser auf eine Temperatur ein, die ein wenig wärmer als lauwarm war. Immerhin waren einige ihrer Wunden immer noch nicht komplett geschlossen und die Haut war überall gereizt. Heißes Wasser würde nur unnötig schmerzhaft brennen. Nach wenigen Minuten drehte sie die Hähne wieder zu und ließ sich vorsichtig in die Wanne sinken. Ein paar Sekunden brannte es tatsächlich ein wenig, doch dann gewöhnte sich ihr Körper an das Gefühl und entspannte sich. Für mehrere lange Momente erlaubte es sich die 18-Jährige ihre Augen zu schließen und einfach mal an nichts zu denken. Doch wie das nun einmal so mit ihren Gedanken war, hielt dieser Zustand nicht lange an. Schnell kamen ihr wieder die Worte des Undertakers in den Sinn. „Die Frage ist berechtigt. Wen habe ich so verärgert? Warum sollte mich jemand so attackieren? Und warum wimmelt es hier noch nicht von anderen Shinigami? Warum hat mein Angreifer unseren Aufenthaltsort nicht verraten? Ist er oder sie etwa auch ein Deserteur wie Cedric? Aber das ergibt keinen Sinn. Warum hätte er mich denn dann angreifen sollen? Ach, das alles ergibt einfach keinen Sinn.“ Frustriert legte sie ihren Kopf in den Nacken, sodass die blonden Strähnen unter Wasser getaucht wurden. Ihre Augen lagen auf der Decke, doch es war fast so, als würde sie hindurchsehen. Wirre Gedanken wirbelten durch ihr Gehirn. Erinnerungen an die Wochen, die sie bereits hier war. „Also? Haben wir einen Deal?“ „Wenn du einen Kuss möchtest, dann hol ihn dir!“ „Du bist so ein Sturkopf, Carina.“ „Du spielst mit dem Feuer. Pass auf, dass du dir nicht die Finger verbrennst.“ „Um ganz ehrlich zu sein, wollte ich dich unbedingt einmal in so einem Kleid sehen.“ „Tanz mit mir!“ „Vertrau mir, Carina.“ Gequält schloss sie erneut die Augen. All das waren schöne Erinnerungen, aber da gab es auch Dinge, die das genaue Gegenteil von schön waren. Dinge, die noch ganz frisch waren. „Willst du etwa bestreiten, dass du gegen den Deal verstoßen hast?“ „Claudia.“ „Es war so leicht, so unglaublich leicht, sich in sie zu verlieben.“ „Ich habe mir selbst versprochen, dass ich alles tun werde, um sie zurückzuholen.“ „Das ist so unfair“, flüsterte sie. Diese Claudia…diese verdammte Frau machte ihr alles kaputt. Gleichzeitig konnte sie nicht einmal etwas dafür. Sie war tot, verdammt. Tote sollten jemanden nicht zur Weißglut treiben. Aber leider war es so und das machte die ganze Sache nur noch schlimmer. Automatisch fragte sich Carina, wie es gewesen wäre, hätte sie Cedric zuerst kennengelernt. Hätte er sich dann vielleicht in sie verliebt? Hätten sie so vielleicht glücklich werden können? Doch schlussendlich machte es ebenfalls keinen Sinn darüber nachzudenken. Es war nun einmal wie es war. Er liebte diese Claudia und nicht sie. Die 18-Jährige lächelte, doch es erreichte ihre Augen nicht. „Und dennoch ändert das nichts an den schönen Erinnerungen. Es ändert nichts daran, dass ich nicht eine Sekunde bereue. Daran, dass ich ihm meine Unschuld geschenkt habe. Oder daran, dass ich ihn liebe. Ich muss wirklich die größte Idiotin aller Zeiten sein.“ Fahrig griff sie nach der Seife und begann vorsichtig ihre Haut einzuschäumen. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dann lenkten all diese Gedanken sie doch nur von ihrem eigentlichen Problem ab. Nämlich der Frage, wie es jetzt weitergehen sollte. Sollte sie bleiben? Oder gehen? Ein unerwartetes Ruckeln an der Tür schreckte die Schnitterin aus ihrem inneren Konflikt. „Geht es dir gut?“, ertönte es dumpf von der anderen Seite, sofort erkannte sie seine Stimme. Was nicht verwunderlich war, sie hätte sie überall erkannt. „Ich komme gleich“, antwortete sie, woraufhin sich die Schritte des Bestatters entfernten. Schnell wusch sie sich die Haare und erhob sich aus der Wärme der Badewanne. Während Carina sich abtrocknete, lief ihr Gehirn zum wiederholten Male auf Hochtouren. Und als sie sich einen Slip und ein neues weißes Hemd angezogen hatte, wandelte sich ihr monotoner Gesichtsausdruck. Plötzlich stand Entschlossenheit in ihrem Blick. Carina schloss den letzten Knopf und ließ die Hände sinken. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen. Der Undertaker schaute auf, als die junge Frau das Schlafzimmer betrat. Sie sah schon deutlich besser aus als vor wenigen Stunden, von vorgestern ganz zu schweigen. Die Selbstheilungskräfte der Shinigami waren doch jedes Mal aufs Neue erstaunlich. Zu schade, dass das leider auch bei Dämonen der Fall war. „Du siehst besser aus“, meinte er mit einem milden Lächeln, doch Carina erwiderte es nicht. „Kann sein“, murmelte sie wortkarg und setzte sich auf ihre Bettseite. Ihre Augen huschten zwar kurz über seinen Körper, der nur noch von einer schwarzen Unterhose geziert wurde, aber ansonsten ignorierte sie ihn. Er wusste nicht wieso, aber irgendwie störte den Totengräber dieser Umstand. Und zwar gewaltig. Seitdem er sie geschlagen und ihr die Wahrheit über seine Bizarre Dolls erzählt hatte, schien Carina sich in ihr Innerstes zurückgezogen zu haben. Es war wie eine unsichtbare Barriere, die zwischen ihnen stand. Beinahe so wie eine unüberwindliche Mauer. So angespannt war es nie zwischen ihnen gewesen, nicht einmal auf der Campania. Carinas Blick lag auf ihrer Death Scythe, das nach wie vor am Schrank lehnte. Trotz der bereits eintretenden Dunkelheit hob sich das Rot der Schwertscheide noch deutlich vom Rest des Zimmers ab. Es war seltsam, aber mit ihr in der Nähe fühlte sie sich ein ganzes Stück besser als zuvor. „Carina“, ertönte es plötzlich neben ihr. „Hmm?“, machte sie und wandte den Blick von ihrem Katana ab, um den ehemaligen Seelensammler anzuschauen. Erschrocken zuckte sie zusammen, als er aus heiterem Himmel seine linke Hand an ihre Wange legte und über die sichtbare Verfärbung strich. Es tat nicht mehr weh, aber sie hatte definitiv nicht mit dieser Berührung gerechnet. „Es tut mir leid“, sagte er, woraufhin Carinas Augen eine Spur weiter wurden. Er brauchte überhaupt nicht weiterzusprechen, sie wusste auch so was er meinte. Worauf er anspielte. Plötzlich schlug ihr das Herz bis zum Hals. „…Warum sagst du das?“, flüsterte sie leise. „Weil ich es so meine“, antwortete er ernst und ließ langsam seine Hand sinken. Die 18-Jährige biss sich auf die Lippe. Warum fing er jetzt mit so etwas an? Musste er es ihr denn noch schwerer machen? Und warum verdammt noch mal hatte er ihre Wange losgelassen? Er sollte sie weiter anfassen. Sie sehnte sich nach seinen Berührungen, seiner Wärme, seiner Haut auf ihrer eigenen. „Ich bestreite nicht, dass ich jedes Wort genau so gemeint habe, wie ich es gesagt habe. Aber dass ich dich geschlagen habe, bereue ich. Ich habe überreagiert und das hätte nicht-“ Das abschließende „passieren dürfen“ blieb dem Silberhaarigen mitten im Hals stecken, als die junge Frau sich urplötzlich vorbeugte, ihre Hände an seine Wangen legte und ihren Mund auf seinen presste. Er blinzelte, im ersten Moment mehr als nur irritiert. Gerade eben hatte sie ihn weitestgehend ignoriert und jetzt küsste sie ihn? Hatte er irgendetwas nicht mitbekommen? Nicht, dass er sich beschwerte, ganz im Gegenteil sogar, aber das war ihm dann doch ein Gedankensprung zu viel. „Entschuldigung angenommen“, murmelte sie, als sie sich kurz von seinen Lippen löste und ihn ansah. Ihre gelbgrünen Augen glühten ihm in der aufsteigenden Dunkelheit des Raumes entgegen. Doch bevor er ihr eine Antwort geben konnte, hatte sich die Blondine ein zweites Mal nach vorne gewandt und küsste ihn, nun eindringlicher. Er keuchte, als ihre Zunge neckend über seine Unterlippe strich und nach Einlass verlangte. Ohne überhaupt darüber nachzudenken erwiderte er den Kuss und öffnete seinen Mund. Mittlerweile waren Carinas Hände von seinen Wangen hinabgerutscht und lagen auf seinen nackten Schultern. Vollkommen durch den Kuss abgelenkt, bemerkte der Silberhaarige erst, dass die Schnitterin sich bewegt hatte, als sie bereits halb auf seinem Schoß saß. Wollte sie etwa jetzt mit ihm- Ein abruptes Stöhnen entrang sich seinen Lippen, als die junge Frau völlig unerwartet ihre Hand auf seinen Schritt legte und zudrückte. Natürlich reagierte sein Körper sofort. Instinktiv zuckten seine Hüften nach oben, sodass er die Hüften der Seelensammlerin ergreifen musste, damit sie nicht von seinen Beinen rutschte. Carina zuckte zusammen, als seine Hände mit ihren Blutergüssen in Kontakt kamen, aber der Schmerz ließ sofort nach, als er seinen Griff lockerte. „Vielleicht ist das keine so gute Idee“, wisperte er gegen ihren Mund und atmete gleichzeitig zischend ein, als ihre Hand anfing sein Glied durch die Hose hindurch zu reiben. „Mir geht es gut“, antwortete sie leise und schmiegte ihren Körper, der lediglich von einem weißen Hemd und einem Slip bedeckt wurde, dichter an seinen. „Du bist immer noch verletzt“, stellte er keuchend klar, während sich unter ihren Fingern bereits eine deutlich sichtbare Beule abzeichnete. Carina sah ihn direkt an, die Antwort stand ihr klar und deutlich ins Gesicht geschrieben. „Ich will es“, sagte sie bestimmt und griff bereits im nächsten Moment unter den schwarzen Stoff... [...] Als Carina endlich wieder zu Sinnen kam, befanden sie sich immer noch in genau der gleichen Position wie vor ihrem Orgasmus. Cedric war ebenso außer Atem wie sie. Schweiß glänzte auf seinem Oberkörper und auf seiner Stirn, aber auch in diesem Punkt stand sie ihm in Nichts nach. „Besorg’s mir?“, fragte er plötzlich, ein breiter werdendes Grinsen im Gesicht. „Sehr damenhaft, wirklich.“ Carina wurde scharlachrot. „Halt doch den Mund“, murmelte sie genervt zurück, obwohl sie sich jetzt selbst für den Ausdruck schämte. Herrgott, sollte er halt nicht verlangen, dass sie kurz vor ihrem Höhepunkt mit ihm redete. Lachend erhob er sich und ließ sich neben der Blondine in das Laken sinken. „Erfahre ich jetzt endlich, was dich dazu geritten hat?“ Stille. Carina verdrehte ihre Augen himmelwärts, während der Undertaker in Gelächter über seinen eigenen – dieses Mal unbeabsichtigten – Wortwitz ausbrach. Doch das gab der 18-Jährigen die Gelegenheit sich eine Ausrede einfallen zu lassen. „Brauche ich dafür einen Grund?“ „In diesem Jahrhundert? Ich fürchte ja“, lautete seine belustigte Antwort. „Tja, dann muss ich dich wohl enttäuschen. Ich wollte Sex, sonst nichts. Das müsste doch in deinem Sinne sein, oder etwa nicht?“ Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern, doch der letzte Satz kam eine Spur kühler heraus, als sie es ursprünglich beabsichtigt hatte. Er hob eine Augenbraue. „Jetzt sei doch nicht gleich beleidigt. Ich hab’s nicht böse gemeint.“ „Ich weiß“, seufzte sie und grinste nun selbst. „Und da heißt es immer es wären die Frauen, die reden wollen. Anscheinend bist du hier eine Ausnahme.“ „Freches Ding“, murmelte er und griff nach der Bettdecke. Wie beim letzten Mal legte er sie auch über die nackte Frau an seiner Seite, doch nun machte Carina keine Anstalten näher an ihn heranzurücken. Er schaute sie aus seinen Augenwinkeln an. Erschöpfung stand ihr ins Gesicht geschrieben, sie schien mit ihren Gedanken gerade ganz woanders zu sein. Aber genau dieser Wesenszug faszinierte ihn so an ihr. „Gute Nacht“, meinte er lächelnd und riss die Shinigami somit aus ihren Gedanken. Kurz schien Carina zu zögern, doch dann beugte sie sich doch zu ihm hinunter und drückte ihm einen leichten Kuss auf die Wange. „Gute Nacht, Cedric“, wisperte sie und ließ sich zurück in die Kissen sinken. Der Silberhaarige blinzelte ein paar Mal verwirrt, doch dann verschränkte er die Arme hinter dem Kopf und schloss die Augen. Es dauerte gar nicht lange, da konnte Carina seine gleichmäßigen Atemzüge hören. Sie lauschte ihnen mehrere Minuten, um ganz sicher zu gehen, dass er auch wirklich schlief. Denn eins hatte sie mittlerweile herausgefunden. Wenn der Undertaker einmal schlief, dann weckte ihn so schnell nichts wieder auf. Schon öfters war sie nachts ohne große Probleme ins Badezimmer verschwunden und er hatte nicht einmal gezuckt. „Muss anscheinend eine Eigenart der Shinigami sein. Wenn Grell pennt, dann ist er auch mehr tot als lebendig. Mit ihm könnte man sonst was machen und er würde es nicht mitbekommen.“ Vorsichtig erhob sie sich aus dem Bett und schritt auf leisen Sohlen zum Schrank. Nach nur wenigen Handgriffen hielt sie die Kleidung in den Händen, in der sie hierhergekommen war. Die Hose war ein wenig zerknittert, aber wenigstens im Gegensatz zu der Bluse ganz. Immer noch war deren linker Ärmel zerrissen und mit ihrem getrockneten Blut getränkt. Aber momentan hatte sie leider nichts anderes. Mit einem unguten Gefühl im Magen schlüpfte sie in die Sachen hinein. Mit zittrigen Händen knöpfte sie den letzten Knopf zu und griff dann nach ihrem Katana, das nach wie vor am Schrank lehnte. Ihre Schritte waren immer noch lautlos, hörten sich in ihren Ohren jedoch fast schon wie ein lautes Widerhallen an. Und jeder Schritt war schwer. Bleischwer. Am Türrahmen des Schlafzimmers blieb sie schließlich stehen. Ein gequälter Ausdruck huschte über ihr Gesicht und obwohl Carina wusste, dass es alles nur noch schlimmer machen würde, drehte sie sich noch ein letztes Mal zu ihm um. Dieses Bild wollte sie sich einprägen, sich ins Gedächtnis gravieren. Seine langen, silbernen Haare, die sich über das Kissen und das Lacken erstreckten. Seine entspannte Miene, die ihn fast ein wenig unschuldig wirken ließ. Sein schöner Oberkörper, der nicht von der Bettdecke verdeckt wurde. Und schlussendlich das gleichmäßige Heben und Senken seines Brustkorbes, das ihr zeigte, dass er friedlich schlief. Die Schnitterin konnte spüren, wie ihre Augen anfingen zu brennen und wandte den Blick ab. Tief einatmend nahm sie all ihren Mut zusammen und trat über die Schwelle. Keine Sekunde später verließ sie Wohnung und keine Minute später das Weston College. Ihre Schritte wurden immer schneller und schneller, mittlerweile flog sie nur so von Dach zu Dach. Und mit jeder Bewegung, mit der sie sich mehr von ihm entfernte, wurde der Schmerz in ihrer Brust größer und größer, der Kloß in ihrem Hals schwerer und schwerer. Doch Carina blieb nicht stehen. Wenn sie stehen blieb, dann würde sie es sich vielleicht noch einmal anders überlegen und umkehren. Und das machte ihr Angst. Inzwischen war sie in der Londoner Innenstadt angekommen. Schon von weitem konnte sie den Big Ben aufragen sehen. Als sie ihn endlich erreicht hatte, sank sie erschöpft und nach Luft schnappend auf der Straße zusammen. Es war bereits tiefste Nacht, weit und breit war kein Mensch zu sehen. Der Seelensammlerin war nicht kalt, dennoch zitterte sie am ganzen Körper. Warum? Warum tat das schönste Gefühl auf Erden gleichzeitig so verdammt weh? So unglaublich weg, dass sie sich am liebsten das Herz aus der Brust herausreißen würde, um den Schmerz nicht mehr spüren zu müssen? Plötzlich durchbrach ein schnelles Klackern die nächtliche Stille. Carina zuckte zusammen und schaute vom Boden auf. Dieses Geräusch hätte sie unter tausenden wiedererkannt. Und was für eine unglaubliche Ironie es war, dass ausgerechnet er sie fand. Die 18-Jährige machte sich erst gar nicht die Mühe von der Straße aufzustehen, denn bereits 2 Sekunden später tauchte der rote Haarschopf hinter der nächsten Häuserecke auf, schweratmend und vollkommen aus der Fassung gebracht. Vermutlich hatte er gespürt, dass noch ein anderer Shinigami in der Nähe gewesen war. Er schaute sie entsetzt an und Carina wusste, was er sah. Ihre zerrissene und blutgetränkte Bluse. Die vom Rennen zerzausten Haare. Und die Blutergüsse und Würgemale, die sich über Gesicht und Hals erstreckten. „Grell“, flüsterte sie leise und plötzlich war da noch eine Emotion in seinem Gesicht. Erleichterung. Er stürmte vorwärts und packte sie an den Schultern, als müsse er sich davon überzeugen, dass sie keine Halluzination war. Dann riss er sie mit einem Schrei an sich und zerquetsche sie fast in seiner Umarmung. Der rote Reaper sprach so schnell, dass Carina Mühe hatte ihn zu verstehen. Fragen über Fragen quollen ihm über die Lippen. Was passiert war. Wo sie gewesen war. Ob es ihr gut ginge. Was dieser silberhaarige Vollidiot mit ihr gemacht hatte. „Sag doch endlich was“, sagte er schließlich besorgt, als die Blondine keinen Laut von sich gab. Carina schaute ihn an, konnte seine Sorge kaum ertragen. Unter seinen Augen zeichneten sich tiefe Ringe ab, die er vermutlich nicht mal mit seinem Make-up hatte überschminken können. Schuldgefühle wallten in ihr auf. Sie war wirklich die mieseste Schülerin aller Zeiten. Anscheinend konnte er ihr ansehen, dass etwas nicht stimmte. Ungewöhnlich fürsorglich legte er ihr seine, vom schwarzen Stoff eingehüllte, Hand an die unverletzte Wange. Die junge Frau erstarrte, als sie den sanften Unterton in seiner Stimme hörte. „Es wird alles gut, Carina. Ich verspreche es dir.“ Der schwere Kloß in ihrem Hals, der ihr schon die ganze Zeit die Luft abdrückte, platzte und mit ihm alle Dämme, die sie so mühsam verschlossen gehalten hatte. Ihr ganzer Körper bebte, als sie in Tränen ausbrach. Grells Augen weiteten sich, in so einem schlechten Zustand hatte er seine Schülerin noch nie gesehen. Carina vergrub ihren Kopf an seiner Brust und klammerte sich hilfesuchend an ihn, während sie die Worte nicht hervorbringen konnte, die ihr auf der Zunge lagen. Nämlich, dass gar nichts gut werden würde. Nie wieder. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)