Selbstmord ist keine Lösung......oder? von LadyShihoin ================================================================================ Kapitel 27: Fragen und Antworten -------------------------------- William T. Spears war wütend. Anders konnte man es beim besten Willen nicht ausdrücken. Nicht nur, dass seine drei ausgesandten Seelensammler anscheinend auf ganzer Linie versagt hatten. Nein, jetzt musste er wegen diesen Taugenichtsen auch noch Überstunden schieben und jeder in seiner Abteilung wusste, wie sehr er das hasste. „Die Drei können sich auf was gefasst machen“, dachte er und schob sich seine Brille instinktiv auf der Nase zurecht. Das kleine Rettungsboot, in dem er sich befand, schwamm langsam an den Überresten der Campania vorbei und somit konnte der Schwarzhaarige in aller Ruhe die Seelen der Menschen einsammeln, die reglos im Wasser trieben. Es dauerte auch nicht lange, da entdeckte er Grells rotes langes Haar, das aus der Dunkelheit heraus stach. Der Shinigami schwamm bewegungslos mit dem Kopf nach unten im Wasser, neben ihm in beinahe derselben Position Ronald Knox. William konnte seine Wut kaum bändigen, als er zuerst Ronald und anschließend Grell mit seiner Death Scythe aus dem Wasser fischte. „Noch nicht einmal ordentlich einsammeln könnt Ihr. Nicht zu fassen.“ Er blickte auf die beiden bewusstlosen Gestalten hinab. „Bist du während deines Hausarrests völlig eingerostet, oder was? Versetzt Euch mal in meine Lage! Euretwegen muss ich extra ausrücken, dabei habe ich wahrlich genug Arbeit auf dem Schreibtisch liegen. Jetzt kann ich heute wieder nicht pünktlich Schluss machen. Unfassbar.“ Als die Shinigami immer noch nicht reagierten, donnerte William Grell seinen Fuß ins Gesicht und weckte Ronald mit seiner Death Scythe. „Los, aufwachen, Grell Sutcliff! Hoch, Ronald Knox!“, keifte er, woraufhin die beiden Männer endlich wieder zu sich kamen. Sogleich bekam Grell seinen allseits bekannten Herzchenblick. „Oh Will. Du bist gekommen, um mich abzuholen.“ Er wollte den Schwarzhaarigen umarmen, doch dieser wich geistesgegenwärtig zur Seite. Der Rothaarige fiel erneut ins Wasser und hatte keine Sekunde später Williams Death Scythe auf dem Kopf, die ihn wieder unter Wasser drückte. „Ich bin nicht hier, um dich abzuholen…“, knurrte William und selbst Grell bemerkte, dass sein Schwarm kurz davor war zu explodieren. „…sondern um einmal mehr die Fehler unfähiger Schnitter wie Euch auszubügeln. Macht schon, fangt an einzusammeln.“ „Wir sind doch völlig hinüber“, jammerte Ronald, der immer noch ziemlich verbeult und blutig aussah. William schien diese Tatsache nicht sonderlich zu interessieren. „Es ist nun mal Aufgabe eines Schnitters, die Seelen jederzeit gewissenhaft und pünktlich einzusammeln“, erwiderte er kühl und brachte damit Grell, der gerade dabei war zurück ins Boot zu steigen, wieder in Wonne. „Dieser Blick, der jegliche Humanität ignoriert und kälter ist als das Meer, macht mich ganz heiß“, seufzte er. „Du bist ja plötzlich quicklebendig, Grell“, sagte Ronald trocken und sah sich suchend in der Gegend um. William rückte sich seine Brille erneut zurecht und wurde nun von einem auf den anderen Moment erstaunlich ernst. „Wenn Ihr mit dem Einsammeln fertig seid, kommt Ihr sofort in die Zentrale zurück und gebt einen detaillierten Bericht ab. Und zwar einen Bericht über die Rechtsbrecher, klar?“ Während Grell begeistert nickte, zogen sich Ronalds Augenbrauen zusammen. „Habt Ihr Beiden nicht etwas vergessen?“, fragte er, woraufhin sich William und Grell zu ihm drehten. „Was meinen Sie?“, fragte William genervt, wollt er diese Angelegenheit doch so schnell wie möglich hinter sich bringen und ins Büro zurückkehren. Doch auch Grell war nun aufgefallen, dass hier etwas ganz Entscheidendes fehlte. Oder besser gesagt jemand. „Wo zur Hölle ist Carina?“ Als Carina wieder zu sich kam, hatte sie im ersten Moment immer noch das Gefühl unter Wasser zu sein. Erschrocken riss sie die Augen auf und schnappte panisch nach Luft. Doch gleich darauf bemerkte sie, dass ihre Lungen gar nicht mehr vor Schmerz brannten und die eisige Kälte um ihren Körper herum verschwunden war. Die Blondine blinzelte mehrere Male und kam nun wieder vollständig zu sich. „Was…wo bin ich?“, dachte sie und schaute sich in dem relativ dunklen Zimmer um. Sie lag auf einem ziemlich großen Bett, das mittig an einer Wand im Raum stand. In dieser Wand waren zwei riesige, bodentiefe Fenster zu beiden Seiten des Bettes eingelassen worden. Anscheinend war Vollmond, denn dieser spendete durch die Fenster so viel Licht, dass sie trotz der Dunkelheit alles im Raum erkennen konnte. Das Zimmer an sich war relativ spärlich eingerichtet und doch kam Carina nicht umhin zu bemerken, dass alles ein gewisses Maß an Luxus bereithielt. An der Wand links von ihr befand sich ein Schrank, der beinahe die komplette linke Seite einnahm. Gegenüber an der rechten Wand stand eine dunkelbraune Kommode, auf dessen Oberfläche ein Standspiegel und mehrere Flakons platziert worden waren. Auch konnte Carina kleine Döschen, Tuben und Pinsel erkennen, vermutlich handelte es sich dabei um Make-Up. Direkt neben ihr am Bettrand befand sich ein kleines Nachttischchen, auf dem eine Glaskaraffe mit Wasser und mehrere kleinere Gläser hingestellt worden waren. Carina sah auf und entdeckte genau gegenüber vom Bett eine Tür. Anscheinend schien das Zimmer kein angrenzendes Badezimmer zu haben, denn eine zweite Tür gab es nicht. „Wie zum Teufel bin ich hier hingekommen? Was ist pa…“ Wie ein Schlag ins Gesicht kamen mit einem Mal die Erinnerungen an die Campania zurück. Wie sie nach dem Kampf im Meer gelandet war. Wie sie versucht hatte, die Wasseroberfläche zu erreichen. Wie der Undertaker sie davon abgehalten hatte. Und an den… Ihr Gesicht glühte rot auf. Wütend und fassungslos zugleich saß sie auf dem Bett und starrte das Lacken an, ohne es jedoch wirklich wahrzunehmen. „Dieser Mistkerl“, knurrte sie zornig und ballte ihre Hände zu Fäusten. Wie konnte er es wagen? Wie konnte er es nur wagen, sie einfach so zu küssen? „Und als ob das nicht schon schlimm genug ist, hat der mich anscheinend auch noch entführt? Na warte…“, dachte sie und erhob sich lautlos vom Bett. Dieser Idiot hatte sie nicht einmal gefesselt oder in einer sonstigen Art und Weise dafür gesorgt, dass sie dort blieb wo sie war. Er unterschätzte sie und das ärgerte Carina maßlos. Kurz warf sie einen Blick in den Spiegel, der auf der Kommode stand und seufzte kurz darauf genervt auf. Gott, sie hatte auch schon mal besser ausgesehen. Ihre Hose sah ja noch halbwegs in Ordnung aus, aber ihre Bluse hatte wirklich einiges abbekommen. Von dem Wasser war sie komplett zerknittert worden, hier und da waren einige Bluttropfen gelandet und ihr linker Ärmel war beinahe komplett in die rote Flüssigkeit gehüllt worden. Vorsichtig berührte sie die Wunde über ihrem Ellbogen und zuckte zusammen, als sie erneut den stechenden Schmerz des Schnittes spürte. Anscheinend taten Verletzungen von einer Death Scythe nicht nur verdammt weh, sie heilten auch wesentlich langsamer. „Großartig, als hätte ich nicht schon genug Probleme gehabt. Ich muss mich vor seiner Sense in Acht nehmen, das Teil ist wirklich…Moment mal!“ Kalte Panik schnürte ihr die Kehle zu, als ihr plötzlich klar wurde, dass ihr etwas ganz Entscheidendes fehlte. Schnell ließ sie ihren Blick noch ein zweites Mal durch den kompletten Raum schweifen, doch auch jetzt konnte sie sie nicht entdecken. Ihre Death Scythe!!! „Ich bring ihn um“, schoss es der 18-Jährigen durch den Kopf. Niemand nahm ihr ungestraft ihr Katana weg! Ausgerechnet jetzt kamen ihr wieder die Worte des Mannes in den Sinn, der sie beim Aussuchen ihrer Death Scythe begleitet hatte. „Gehen Sie pfleglich mit ihrer Death Scythe um, Sie haben schließlich nur die Eine.“ „Scheiße! Jetzt hab ich ein verdammt großes Problem. Einfach aus dem Fenster springen geht jetzt wohl nicht mehr. Ich brauche meine Death Scythe zurück.“ Ohne ein Geräusch zu verursachen, stand sie nun vollständig auf und bemerkte dabei beiläufig, dass ihr jemand die Stiefel ausgezogen und neben das Bett gestellt hatte. Barfuß trat sie nun an eines der beiden Fenster heran und schaute hinaus. Carina vermutete, dass sie sich mindestens im dritten Stock befand, denn sie hatte von ihrem Standpunkt aus einen guten Überblick über das weitläufige Gelände. An und für sich war es ein riesiger quadratischer Hof, eingerammt von 4 ziemlich großen Gebäuden. Lediglich an einer Seite gab es einen Durchgang, der allerdings nur zu weiteren Häusern zu führen schien. Die Gebäude waren allesamt in gotischem Stil erbaut worden. „Erinnert mich an einen Krankenhauskomplex. Oder an eine Schule. Jedenfalls scheine ich noch in England zu sein, der Baustil spricht für sich.“ Die 18-Jährige strich sie sich durch die etwas zerzausten Haare und tippte sich nachdenklich mit ihrem rechten Zeigefinger ans Kinn. Dass der Undertaker nach seiner Aktion auf der Campania nicht in sein Bestattungsinstitut zurückkehren konnte, war nur logisch. Immerhin würde der Earl dort als erstes nach ihm suchen lassen. Das hier schien also sein vorerst neuer Unterschlupf zu sein. „Super, wirklich super. Wie schaffe ich es nur immer, in solche Situationen hinein zu geraten? Grell flippt vermutlich schon aus vor Sorge und was William von der ganzen Sache hält, will ich vermutlich überhaupt nicht wissen…“ Ihre Augen verweilten erneut an der Tür. Sie hasste das Ungewisse, was zweifellos hinter ihr lauerte. Sollte sie es wagen? „Was kann schon großartig passieren? Hier zu bleiben ist keine Lösung, da kann ich genauso gut nach meiner Death Scythe suchen“, murmelte sie und nahm innerlich allen Mut zusammen. Sie hatte die Campania überlebt, da würde sie das hier auch schaffen. Doch bevor die Shinigami auch nur einen Fuß in Richtung Tür setzen konnte, ertönten aus der Ferne Schritte. Schritte, die langsam näher kamen. Carina erstarrte, ihr ganzer Körper schien auf einmal aus Eis zu bestehen. Ihr Herz pochte ihr so hart gegen die Brust, als würde es jeden Moment herausspringen wollen und obwohl sie definitiv Angst verspürte, konnte sie den Blick einfach nicht vom Zimmereingang abwenden. Und genau in dieser Situation hatte sie natürlich ihre Death Scythe nicht am Körper. Wirklich großartig! Genau vor der Tür verstummten die Schritte plötzlich und angespannte Stille kehrte ein. Die junge Frau hielt den Atem an. Lauschte er etwa, ob sie bereits erwacht war? „Vielleicht sollte ich es mit einem Überraschungsangriff probieren“, kam es ihr kurz in den Sinn, doch gleich darauf verwarf sie den Gedanken wieder. Ihr Gegner war stärker als sie, das konnte sie ohne Zweifel sagen. Vermutlich war ein Überraschungsangriff genau das, womit er rechnete. „Bleib ruhig“, dachte sie und grub ihre Fingernägel in die Handflächen. „Zeig ihm nicht, dass er im Vorteil ist.“ Und dennoch musste sie, als der Undertaker in vollkommener Gelassenheit endlich den Raum betrat, erneut an diesen verdammten Kuss denken. „Wage es dich jetzt rot zu werden“, fuhr sie sich gedanklich selbst an und tatsächlich schien ihr Körper ihr dieses eine Mal zu gehorchen. Carina rührte nicht einen Muskel, während der Bestatter langsam die Tür hinter sich schloss und sich anschließend mit einem breiten Grinsen zu ihr herumdrehte. „Entschuldige bitte die Unterbrechung. Jetzt können wir unser Gespräch gerne fortführen.“ Carina benötigte all ihre Selbstbeherrschung, um ihn nicht zornig anzufunkeln. „Das hat er also auf der Campania damit gemeint, als er sagte „später werde ich ganz bestimmt an diese Unterhaltung anknüpfen“. Also hatte er von Anfang an vor, mich mit sich zu nehmen…“ Ihre Augen huschten über seinen Körper. Sie konnte seine Sense nicht entdecken, aber das bedeutete nichts. Zuvor hatte er sie immerhin ebenfalls erfolgreich verbergen können. Wenn er sie mit seiner übergroßen Death Scythe attackieren würde, dann… Das Bild von Sebastians riesiger Fleischwunde kam ihr in den Sinn und automatisch spannte sich ihr Körper noch weiter an. „Das ist nicht gut. Seine Waffe könnte mich umbringen.“ Als hätte der Undertaker ihre Gedanken gelesen oder sie zumindest erahnt, begann er leise zu kichern. „Hehe…keine Angst, ich habe nicht vor dich umzubringen, Carina.“ „Ich habe keine Angst“, entgegnete die 18-Jährige kühl. Schon wieder fühlte sie sich unter seinem Blick wie das Mädchen von vor zwei Jahren. Das Mädchen, das schwach war und hilflos. „Wenn er mich einschüchtern will, kann er lange warten.“ „Gib mir meine Death Scythe zurück“, forderte sie und schaffte es tatsächlich dabei vollkommen ruhig zu klingen. Sie duzte ihn ganz bewusst, denn die Zeit des Siezens war nun offiziell vorbei. „Na na“, meinte er tadelnd und wackelte mahnend mit dem Zeigefinger. „Erst einmal wirst du mir ein paar Fragen beantworten.“ Carinas Augen weiteten sich kurz. Behandelte er sie gerade etwa wie ein Kleinkind? Schön, das Spiel konnte man auch zu zweit spielen. „Ich beantworte dir gar nichts, du Mistkerl“, zischte sie zornig. Das schien den Totengräber allerdings nur noch mehr zu amüsieren. „Ich wusste, dass du mich wieder zum Lachen bringen würdest“, sagte er und trat nun einen Schritt vor. Gleich darauf trat Carina aus reinem Reflex einen Schritt zurück. Im selben Moment ärgerte sie sich über ihre eigene Reaktion. So viel zu ihrer gespielten Gelassenheit. Der Undertaker machte keinen weiteren Schritt, aber mit seiner ersten Frage brachte er sie nun wirklich aus dem Konzept. „Wie hast du dich umgebracht?“ „Endlich verstehe ich, wie Grell sich damals gefühlt haben muss“, dachte Carina und erinnerte sich grimmig daran, wie sie ihrem Mentor am ersten Tag nach ihrem Selbstmord genau dieselbe Frage gestellt hatte. „Grell hatte Recht. Es ist wirklich eine unverschämte Frage.“ „Da du ein Shinigami bist“, sagte sie und betonte ganz stark das vorletzte Wort, „weißt du, dass ich dir diese Frage niemals beantworten werde. Oder sorgen die vielen Jahre der Abwesenheit bereits für Gedächtnisschwund?“ Der Silberhaarige strich sich mit einem seiner langen Fingernägel beiläufig über das Kinn, doch Carinas Blick blieb an dieser Bewegung hängen. Schon wieder sah er bei dieser simplen Geste schlicht gut aus. „Herrgott, diese Gedanken müssen aufhören. Ich spinne ja wohl.“ „Hehe, ich dachte mir schon, dass du so reagieren würdest. Aber versetze dich doch einmal in meine Sicht der Dinge. Zuerst machst du mich mit deiner Ankunft vor 2 ½ Jahren richtig neugierig und dann verschwindest du einfach vom einen auf den anderen Tag. Kein Lebenszeichen, keine Leiche, rein gar nichts. Und als ich dich das nächste Mal wiedersehe, bist du plötzlich ein Shinigami. Hehe, ist es da wirklich verwunderlich, dass ich nachfrage?“ „Was soll das heißen, es gab keine Leiche?“, platzte es aus Carina heraus, bevor sie es verhindern konnte. Ihre Gedanken rasten nun. „Wie kann das sein? Es muss eine Leiche gegeben haben. Aber dann müsste sie gefunden worden sein. Verflucht, was ist mit meinem menschlichen Körper passiert?“ Der Undertaker schien ihre Verwirrung bemerkt zu haben. „Nun ja, du bist ein Sonderfall, wenn man von deiner Herkunft ausgeht. Vielleicht ist dein Körper ja wieder in deine Zeit zurückgekehrt.“ „Alles, nur das nicht“, betete Carina stumm. Diesen Anblick bzw. die Gewissheit, dass sie tot war, wollte sie weder ihren Eltern noch Bianca zumuten. „Aber anhand deines Gesichtsausdrucks nehme ich an, dass man deinen Körper hätte finden müssen. Woraus ich schließe, dass du an einem öffentlichen Ort gestorben bist, richtiiiiiiig?“ Ertappt wandte Carina die Augen leicht zur Seite. Für diesen Typen schien sie wie ein offenes Buch zu sein. Dabei bemühte sie sich doch sonst immer so erfolgreich darum, ihre Gefühle und Gedanken zu verbergen. „Sag es mir. Was hat dich dazu bewogen, deinem Leben ein Ende zu setzen?“, fragte er, seine gelbgrünen Augen schienen sie bei diesen Worten zu durchbohren. Es waren die Augen, die jeder Shinigami besaß und doch stachen sie bei ihm mehr hervor. Es war unheimlich und faszinierend zugleich. Carina schwieg, würde sie ihm nach seiner letzten Aktion doch nicht so ohne weiteres seine gewünschte Antwort liefern. Das Lächeln auf dem Gesicht des ehemaligen Seelensammlers wurde breiter. „Nun schön, dann muss ich mir die Antwort halt auf anderem Wege holen.“ Mit zwei schnellen Schritten war er bei der 18-Jährigen. Diese wich zwar rechtzeitig zurück, spürte aber gleich darauf die Zimmerwand in ihrem Rücken. „Scheiße“, dachte sie noch, als er im nächsten Moment ihre Arme packte und hart gegen die Wand drückte. Alles überwältigende Wut erfasste sie. Das hier war dieselbe Pose wie damals. Dieselbe Situation wie an dem Abend, wo er versucht hatte sie zu küssen. Aber sie war nicht mehr dieselbe. Die alte Carina hatte in seinem Griff gehangen wie ein wehrloser Fisch im Netz. Aber die neue Carina würde das nicht. Auf gar keinen Fall! Das Grinsen auf dem Gesicht des Undertakers wich einer erstaunten Miene, als die Shinigami blitzschnell ihr rechtes Bein hob und es ihm hart in die Seite rammte. Der Tritt zwang ihn dazu sie loszulassen und ein paar Schritte nach hinten zurück zu weichen. Durch die schnelle Bewegung hatte sich der zweite Knopf ihrer Bluse geöffnet, doch das bemerkte die Blondine überhaupt nicht, so in Rage war sie. „Glaub ja nicht, dass ich mir so was noch einmal gefallen lasse“, zischte sie und starrte ihn zornig an. „Ich bin nicht schwach, jedenfalls jetzt nicht mehr und wenn du unbedingt einen Kampf mit mir willst, den kannst du haben.“ „Ach ja? Das würde dann aber ein sehr kurzer Kampf werden“, lachte der Silberhaarige, liebte er es doch die 18-Jährige zu provozieren. „Na warte“, dachte Carina, drückte sich mit einem Fuß an der Wand hinter ihr ab und stürmte dann auf ihn zu. Der Totengräber griff in seinen Umhang, eine seiner Sotoba würde hier sicherlich ausreichen. Doch kurz bevor die Blondine ihn erreichte, sprang sie mit einem plötzlichen Satz in die Luft. Der Undertaker sah kurz etwas unter dem Rand ihres Ausschnittes aufblitzen, da landete die Seelensammlerin bereits geschickt hinter ihm und steuerte auf die Tür zu. „Sie hat mich ausgetrickst“, dachte er und kicherte. Das hatte sie sich so gedacht. Carinas Hand griff bereits nach der Türklinke, doch sie war zu langsam. Etwas Hartes und Spitzes traf sie in ihre Kniekehle, sodass ihr das Bein automatisch wegsackte. Die Shinigami fiel zu Boden und konnte gerade noch die Sotoba sehen, die der Undertaker auf sie abgefeuert hatte, da packte er sie bereits am linken Bein und zog sie von der Tür weg. Ein erschrockener Schrei entfuhr ihr, als der Mann sie mit einem Ruck auf den Rücken drehte und nun über ihr kniete, jeweils einen Arm zu beiden Seiten ihres Kopfes abgestützt. Und nun nützte Carina jegliche Körperbeherrschung nichts mehr. Sie wurde rot, konnte es ganz genau an der Hitze in ihren Wangen spüren. Er war zu nah. Reflexartig drückte sie ihre Hände gegen seine Brust, konnte den rauen Stoff seines Oberteils unter ihren Fingern fühlen. Doch ganz abgesehen davon, dass er gleich darauf ihre Hände mit seiner linken Hand packte und über ihrem Kopf auf den Boden drückte, sie hätte ihn nicht von sich runter schieben können. Wie Carina es bereits vermutet hatte, war er stärker als sie. Womöglich war er sogar stärker als Grell. Seine langen, silbernen Haare fielen ihm über die Schultern, als er sich weiter über sie beugte. Mittlerweile war er ihr so nah, dass sie seinen Duft wahrnehmen konnte. Er war eine Mischung aus frischer Graberde, Zimt und seinem ganz eigenem maskulinen Geruch. Carina konnte nicht verhindern, dass sie kurz tief einatmete und den Duft tiefer in sich einsog. „Er riecht gut…“ „Hehe, das war ein netter Versuch, Carina. Aber ganz so leicht trickst du mich dann doch nicht aus.“ Sofort war sein gutes Aroma vergessen, auf Anhieb kam sie wieder in die Gegenwart zurück. „Arroganter Mistkerl“, keuchte sie und ihr Blick flackerte für nicht einmal eine Sekunde zu ihren Beinen. Gleichzeitig versuchte sie sie hochzuziehen und ihn da zu treffen, wo es einem Mann so richtig wehtat. Doch der Undertaker hatte anscheinend auch damit gerechnet, denn zeitgleich drückte er seine Knie auf ihre Oberschenkel. „Na na, das ist aber nicht die feine englische Art. Wobei, du kommst aus Deutschland, ich sollte mich nicht wundern.“ „Geh runter von mir“, fauchte Carina und versuchte ihn mit ihren Blicken zu erdolchen, denn bewegen konnte sie sich jetzt immerhin gar nicht mehr. „Zuerst wirst du mir meine Antwort geben. Obwohl, ich glaube du hast sie mir gerade eben schon unabsichtlich geliefert.“ Seine rechte Hand schloss sich um den Kragen ihrer Bluse, die Reaktion der Blondine erfolgte unmittelbar. „Wag es dich, du Perversling“, zischte sie, das Rot auf ihren Wangen nun noch intensiver als zuvor. Aber das, was sie fühlte, war nicht nur Verlegenheit. Es war Scham. Sie schämte sich für das, was sie sich damals angetan hatte. Was sie ihrer Seele angetan hatte. Carina wollte nicht, dass er die Narbe sah. Diese grässliche Narbe… Doch für weitere Proteste war es längst zu spät. Carina schloss ihre Augen, als der Mann über ihr den weißen Stoff beiseite zog und somit das längliche Wundmal enthüllte. Die Augen des Bestatters ruhten auf dem rosafarbenen Schnitt, der mittig auf ihrem Dekolleté begann und sich dann schräg zu ihrer linken Brust hinunter zog. Das Ende der Narbe verschwand unter dem weißen BH, den sie trug. Man musste kein Experte sein, um zu wissen wie sie zu so einer Verletzung gekommen war. Aber nun tauchten noch weitere Fragen in seinem Kopf auf. Für einen Moment konnte er es kaum fassen. Doch es konnte keine andere Erklärung geben. „Sie hat sich ein Messer in den Brustkorb gestoßen… Aber wieso? Wenn man sich umbringen will, dann wählt man in der Regel andere Methoden. Methoden, die einen nicht so schmerzhaft sterben lassen.“ Und er kannte die menschliche Anatomie auswendig. Er wusste, dass solch ein Tod alles andere als schmerzlos war. Wieso also hatte sie sich gerade dafür entschieden? Hatte sie etwa keine andere Wahl gehabt? „Bist du jetzt zufrieden?“, entfuhr er der Shinigami unter ihm tonlos, wodurch sie ihn aus seinen Gedanken riss. Ihre Augen starrten ihn ohne jegliches Gefühl an, die Röte auf ihren Wangen war verschwunden. Es war, als wollte sie ihn mit diesem Blick bestrafen. „Ich würde lügen, wenn ich Ja sagen würde“, sagte er mit ernster Stimme, kein Lächeln lag ihm dieses Mal auf den Lippen. Eine Gänsehaut breitete sich auf ihrem gesamten Körper aus, als er mit dem langen Nagel seines rechten Zeigefingers langsam über ihre Narbe strich. „Dummes Ding“, flüsterte er und schaute sie unverwandt an. Die 18-Jährige erwiderte seinen Blick, war gebannt von diesen abgrundtiefen Augen. Hinter seinen Seelenspiegeln lagen Dinge verborgen, die sie nicht greifen konnte. Möglicherweise auch nicht begreifen konnte. Aber warum versetzte ihr diese Tatsache so ein unglaublich bedrückendes Gefühl? „Warum will ich dich verstehen, Undertaker?“ „Weißt du“, begann der Silberhaarige und erst jetzt - wo sein Atem über ihr Gesicht strich – bemerkte Carina, dass der Bestatter sich noch weiter zu ihr hinunter gebeugt hatte. Und dieses Mal wusste Carina, was jetzt gleich passieren würde. Ihr Körper schien es regelrecht zu spüren. „Mit deinen blauen Augen hast du mir besser gefallen“, beendete er wispernd seinen Satz und drückte seinen Mund zum zweiten Mal an diesem Tag auf Ihren. Und im Gegensatz zu all seinen Erwartungen, all seinen Vorstellungen wie diese Situation verlaufen würde, schaffte Carina es tatsächlich ihn erneut zu überraschen. Indem sie seinen Kuss erwiderte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)