Licht ohne Wärme von mangacrack (Ob unser Kampf jemals enden wird? ...) ================================================================================ Wort und Wind - Die Zerstreuung des Windes -------------------------------------------- Kommentar: Dieses Kapitel arbeitet mit dem Inhalt, der eigentlich noch in das letzte Kapitel sollte. Hat aber nicht gepasst, deswegen wurde dieses Kapitel noch geschaffen. Juchu. War zwar nicht geplant, aber was soll's? Die Verspätung tut mir auch Leid, doch jetzt wo ich zurück bin, musste ich mich erstmal wieder in Deutschland zurecht finden. Und außerdem beim Schreibprogramm in Ordnung bringen. Viel Spaß beim Lesen mangacrack xxx ::Kapitel 18 – Die Zerstreuung des Windes:: Teil des Winds zu sein hieß auch ein gutes Gehör zu haben. Manchmal hatte das seine Vorteile. Man nahm kleine Dinge war, die Anderen entgingen. Doch jetzt verwünschte Raphael diese Gabe, denn Uriels Herzschlag klang ihm eine Trommel in seinen Ohren. Eine einsame Trommel, die jemand langsam und unaufhörlich schlug. Es fiel Raphael schwer den Herzschlag auszublenden, nachdem er sich so sehr während der Operation darauf konzentriert hatte. Mit einem Seufzen zog sich Raphael endlich die Handschuhe aus und lehnte sich gegen das zweite Bett, das neben dem von Uriel stand. Der Erdengel ruhte immer noch, Raphael wagte zu hoffen, dass es Schlaf und keine Bewusstlosigkeit war, in der sich Uriel befand. Raphael fuhr sich durch die Haare und bemerkte, dass sie immer noch zusammen gebunden waren, so wie es für Operationen vorgeschrieben war. Er zog an dem Gummi, sodass seine Haare wieder offen über seine Schultern fielen. Seine Finger als Kamm benutzend fuhr er durch die goldenen Strähnen und blickte während dessen zu Uriel. Der lag unbeweglich in dem Krankenhausbett. Das weiße Bettzeug und die helle Einrichtung in dem Zimmer war ein starker Kontrast zu Uriels dunkler Haut und dem seidigen schwarzen Haar, das den Kopf umrahmte. Während der Operation war es ihnen mehrmals im Weg gewesen, sodass Barbiel schließlich das Haar zu einem Zopf hatte flechten müssen. Jetzt entschied er sich dazu, es selbst wieder zu öffnen. Langsam, fast behutsam griff er nach dem langem Zopf und strich über das schwarze, seidige Haar, ehe er begann die Verflechtungen zu lösen. Eine Weile lang stand er neben dem Bett, ehe sich irgendwann darauf setzte, um es bequemer zu haben. Denn ob er es jetzt zugeben wollte oder nicht, die Operation hatte ihn geschlaucht, mehr als jede andere zuvor vielleicht in seinem langem Leben. Während er sich mit dem Haar beschäftigte und dem Schlag des Herzens sowie dem tiefen Atem Uriels lauschte, dachte Raphael daran, dass er sich nicht so unwohl gefühlt hatte, als sie ein Mal Michael halb tot auf seinem Operationstisch abgelegt hatten. Urg, dachte Raphael, das gehört auch nicht zu meinen angenehmsten Erinnerungen. Wie konnte es auch? Damals hatte Michael als Letzter (als Letzter!) das Schlachtfeld verlassen und das obwohl er nicht gerade leicht verwundet worden war. Mit seiner üblichen Art hatte Michael es viel zu gut überspielen können, dass er verletzt war und man hatte es erst bemerkt, als Michael auf der Brücke seines Luftschiffes wegen des ganzen Blutverlustes ohnmächtig geworden war. Es war das einzige Mal in der Geschichte des Himmels gewesen, dass ein Kampfschiff der Klasse S vor seinem Büro gelandet war, um einen Kranken abzuliefern. Aber selbst damals war die Situation nicht zu bedrängt gewesen wie heute. Michael hatte er schon öfter versorgt als alle seine anderen Patienten zusammen, weil Michael es ganz einfach nicht mochte, wenn Fremde an ihm herum tatschten. Also kam er zu ihm, wenn der Feuerengel meinte, er hätte eine Wunde die es wert wäre, versorgt zu werden. Oft war Raphael dann mehrere Stunden damit beschäftigt auch die ganzen anderen Blessuren zu heilen, die Michael sich zugezogen hatte. Denn kaum jemand wagte es Michael Befehle zu erteilen, selbst sein Stab von Generälen wagte das nicht und sei es nur, um ihn zu einem Arzt zu beordern. Genug Verstand, um sich hin und wieder auszuruhen, schien Michael allerdings auch nicht zu besitzen. Genauso wenig wie Uriel. Raphael schnaubte und hielt sich an dem Ärger fest, um das Entsetzten an die Erinnerung von der Wunde zu überspielen, die er hatte erblicken müssen, als das Hemd geöffnet und den hohen Kragen beiseite geschoben hatte. Es wäre nur halb so schlimm gewesen, wenn es nicht Uriel gewesen wäre und wenn er nicht gewusst hätte, wie die Wunde zu Stande gekommen war, doch er hatte nur einen einzigen Blick darauf werfen müssen, um zu erkennen, dass der verdammte Erdengel seine Kehle wirklich mit seinen eignen Händen zerstört hatte. Mit seinen Fingernägeln, um genau zu sein. Nicht nur, dass es in Raphael dabei ein grauenhaftes Bild projizierte, wie es geschehen war, er bekam auch eine leider auch durch die Behandlung eine viel zu genaue Vorstellung davon wie weh es getan haben musste. Was für einen Schmerz Uriel gefühlt haben musste, als sich seine schwarzen Fingernägel in seinem Selbsthass durch die Haut bohrten, sich immer tiefer gruben, um schließlich die Stimmbänder heraus zu reißen. Denn genau das hatte Uriel getan, es hatte ihm vielleicht nicht gereicht seine Stimmbänder bloß zu zerstören aus Angst sie könnten heilen und sich wieder zusammenfügen, er hatte sie wirklich und wahrhaftig sich aus seinem Körper gerissen. Es fehlten gut 3cm. Raphael wusste das, weil er sie eigenhändig hatte wieder neu nachwachsen lassen müssen. Das alleine wäre nicht so ermüdend gewesen, doch um überhaupt erst zu diesem Punkt zu kommen, war es nötig gewesen die vernarbten Muskeln, Stimmorgane und vor allem auch die Atemwege wieder frei zu bekommen. Durch die Selbstverstümmelung waren sie ineinander gewachsen und Raphael fragte sich ernsthaft, wie Uriel all die Jahrhunderte überlebt hatte. War es im Hades vielleicht nicht nötig zu atmen, selbst wenn man nicht tot war? Anders konnte er es sich nicht erklären, dass Uriel nicht schon wenigen Wochen nach seiner Tat erstickt war. Hat er sich so sehr dafür gehasst?, fragte sich Raphael, der die tiefe von Uriels Gefühlen einfach nicht begreifen konnte. Wie konnte ihm Alexiel so wichtig sein, dass er sich so etwas nur antut? Der Gedanke hatte etwas von dem Akt mit einem spitzen Bleistift durch ein gespanntes Papier zu stechen. Man tat es nicht ein Mal absichtlich, doch das Papier bekam dennoch ein Loch. Ärger stieg in Raphael auf während seine Finger durch Uriels schwarzes Haar glitten. Der rationale Teil von ihm wusste, das Uriel sich das selbst zu gefügt hatte und trotzdem wollte er jetzt nichts lieber tun, als Alexiel mit seiner Windmagie in Stücke reißen. Sie war diejenige, die ihn abgelehnt hatte und auch wenn sie damals vielleicht die Kontrolle über die Situation gehabt hatte, so war sie am Ende doch dafür verantwortlich, dass Uriel so viel Schmerz hatte erleiden müssen. Heiße Wut brannte durch seine Venen und Raphael japste nach Luft. Fühlte sich so Michael, wenn er fern jeglichen Verstandes schien und diesen glühenden Ausdruck in seinen Augen bekam? Diese schiere Gewalt, die durch seinen Körper tobte, ließ Raphael denken, dass er wieder ganz am Anfang war, als ihm sein Element noch Angst machte, weil Luft kein Ende kannte. Ein Brüllen klang in seinen Ohren und es überraschte Raphael, dass es er selbst war, der er verursachte. Es war kein Klang zu hören für niemandem außer ihm, doch die Luftschichten rieben aneinander, um sich in Bewegung zu setzen und den organischen Engel erdrücken, welcher – wie Raphael begriff – ja noch draußen vor der Tür stand. Alexiel... Sie mochte nur ein Katalysator für seine eigene Wut sein, dass es er es nicht früher bemerkt hatte, aber hier argumentierte nun wieder seine rationale Seite, dass Uriel dennoch Gerechtigkeit verdiente. Uriel hatte Alexiel einen Ausweg angeboten und die hatte diese Güte mit einer Wucht ausgeschlagen, sodass sie auf indirektem Wege diese Verletzung verursacht hatte. Raphael verschränkte die Arme vor der Brust und gab sich dem rauschenden Takt der Luftströmungen hin. Alexiel wartete bloß draußen vor der Tür. Alles was er tun musste, war die Wand wegzusprengen und so wütend wie er war, würde er noch nicht ein Mal dazu einen Finger bewegen müssen. Es wäre so einfach Alexiel jetzt auseinander zu reißen... Alles was er tun musste, was loslassen. Die Luft in dem Krankenzimmer tobte wie eine Horde wilder Hunde und ihr Gebell feuerte Raphael nur noch an. Es wäre die perfekte Art seinen Unmut der Welt kundzutun. Er musste Alexiel ja nicht dauerhaft beschädigen. Lediglich ihr einen Teil des Schmerzes zurückgeben, das würde ihm ausreichen. „Jetzt hör mir mal gut zu, Alexiel“, erklang nun eine wütende Stimme an Raphaels Ohr, welche dieser als Michaels erkannte. Sie riss ihn zurück in die Realität und seine gewalttätigen Gedanken verschwanden. Vielleicht, weil Michaels nächste Worte genug waren, um den ernst der Lage zu begreifen, der sich vor der Tür abspielte. „Es ist mir scheißegal, was du für besser oder gar für richtig hältst. Es kümmert mich nicht, aber ich warne dich: entweder du gehst jetzt beiseite und lässt mich zu Uriel oder du STIRBST! Eine andere Wahl hast du nicht.“ Michaels Worte waren genauso klar und deutlich, als würde er neben Raphael stehen. Es befand sich erstaunlich viel Kraft in dieser Lunge, welche sogar so viel Macht über den Sauerstoff darin hatte, das ein Gedanke ausreichte, um die Luftmassen zu erhitzen und anzuzünden. Eben das brachte Raphael wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Es war offensichtlich, das Michael nicht vorhatte in irgendeiner Form geduldig zu sein. Im Moment stand bloß eine Tür aus Holz, eine Wand aus Stein und Alexiel zwischen Michael und dem Ziel seiner Wünsche. Wenn Michael glaubte, das Alexiel ihn hindern wollte, dann würde er seinen weg sich notfalls erkämpfen und so gerne Raphael gesehen hätte, wie Alexiel ihren verdammten Stolz von Michael den Rachen herunter gewürgt bekam, so wollte er das sein Krankenhaus ganz blieb. Schon allein, weil Uriel Ruhe brauchte und zwei kämpfte Kriegsengel vor seinem Fenster sich nicht gut machen würden. Zwar bezweifelte Raphael nicht eine Sekunde, das Michael mit Alexiel den Boden wischen würde, besonders wenn er so wütend war, wie seine Stimmlage es ankündigte, doch riskieren wollte er es nicht. Nicht heute, nicht jetzt. Also erhob sich Raphael mit einem Seufzen von Uriels Bett und öffnete die Tür, bevor der Flur zur Kriegszone wurde. Der Anblick, der sich ihm bot, verwunderte Raphael nicht sonderlich, aber er war definitiv zu müde, um sich darüber aufzuregen. Alexiel stand rechts neben ihm, die Arme vor der Brust verschränkt und schien keinen Zentimeter weichen zu wollen. Michael grollte und knurrte wie ein wildes Tier, da er sich sogar leicht zusammen gekrümmt hatte, wirkte er noch bedrohlicher. Der Feuerengel hatte diesen Effekt, wenn er nicht versuchte seine Größe mit seinem Gegner zu messen. Zwar überragte Alexiel Michael um fast anderthalb Köpfe, doch Raphael sah mit einem Blick, dass die Gefahr nicht von der erwachsenen Frau neben ihm ausging, sondern von dem eher halbwüchsigen Jungen vor ihm. Jibril stand ein wenig hilflos ein paar Schritte weiter weg und schien nicht zu wissen, ob sie sich raus halten oder doch besser eingreifen sollte. „Was soll dieser Radau?“, fragte Raphael harsch in seiner Ärzte ich-habe-hier-das-Sagen Stimme. Prompt landeten alle Blicke bei ihm. „Raphael“, begann der organische Engel, wurde allerdings sofort unterbrochen. „...-san“, korrigierte Raphael und kramte seine Zigaretten aus seiner Tasche. „Raphael-san“, sprach Alexiel mit Ärger in der Stimme. Offensichtlich war sie über die brüske Korrektur pikiert. „Michael stört die Ruhe des Krankenhauses.“ „Ich weiß“, meinte der blonde Engel und schob sich eine seiner Kippen in den Mund. „Doch um gleich alle Unklarheiten zu beseitigen: er hat das Recht dieses Zimmer zu betreten, mehr noch als sie.“ Zufrieden beobachtete Raphael, wie Alexiel die Lippen schürzte. Sie war immerhin gut genug, um zu bemerken, wie die Elemente zur Zeit auf sie einwirkten. Mit zwei aggressiven Elementarengeln in der nächsten Nähe, deren Ärger auf sie gerichtet war und einem Dritten, der offenbar auch leichte, wenn auch eher passive, Wut verspürte, wusste Alexiel, das ihr besser geraten war den Wink mit dem Zaunpfahl anzunehmen. Sie war hier eindeutig nicht erwünscht und zu klug, um auf Regeln der Hierarchie zu bestehen. „Ich werde wieder kommen, wenn Uriel Besucher empfangen darf“, kündigte Alexiel an und verschwand dann mit schnellen Schritten, als sie ohne sich noch weiter zu verabschieden, den Gang hinunter lief. Wohlgemerkt nahm sie die Seite, bei der Seite nicht an Jibril und vor allem Michael vorbei musste. Raphael wartete bis Alexiel verschwunden war und winkte dann die beiden Wartenden zu sich. „Kommt“, sagte er und gab den Weg ins Zimmer frei. „Na endlich“, grollte Michael und stampfte an Raphael vorbei. Seine schweren Stiefel hallten auf dem Boden wieder und trotz der Wut, die ihm immer noch ins Gesicht geschrieben stand, war er noch freundlich genug, um Raphael mit einem Schnippen seines Fingers die Zigarette anzuzünden. Jibril folgte zögerlich. Nachdem sie die Schwelle überschritten hatte und Raphael die Tür hinter hier schloss, fragte sie: „Wie geht es ihm?“ Für einen Moment fragte sich Raphael, ob Jibril nun Michael meinte, doch für den Moment erklärte er das für Unsinn. Jetzt ging es hier um Uriel, auch wenn der Tonfall doppeldeutig genug gewesen war, um Raphael zu sagen, dass Jibril sich nicht nur um den Erdengel Sorgen machte. Vielleicht sogar weniger um Uriel, als um Michael, denn er wusste, das sie ihm vertraute und darauf baute, dass er Uriel wieder zusammen geflickt hatte. Zumindest die physischen Wunden, dachte Raphael, als er an seiner Zigarette zog. Die Emotionalen allerdings... Raphaels Blick wanderte zu der anderen Seite des Raums, wo Michael vorsichtig über Uriels Stirn strich und einige beruhigende Worte murmelte, so wie er es bei einigen Soldaten tat, wenn er nach einer Schlacht durch die Lazarette wanderte und scheinbar zufällig und wahllos sich um die Verwundeten kümmerte. Ein Blick zu Jibril sagte ihm, das sie diese Nuance nicht gesehen hatte, obwohl sie auf der anderen Seite des Bettes stand. Raphael selbst war positiv überrascht gewesen, als er sie das erste Mal gesehen hatte und bisher hatte Michael noch nicht realisiert, dass jemand anderes außer er sie kannte. Die behutsame, sanfte Seite. Im Zusammenhang mit dem Gesichtsausdruck eines Anführers und nicht mit dem eines besorgten Freundes. Es verwirrte Raphael, wie Michael manchmal jemand sein konnte, der willentlich alle Verantwortung auf sich nahm und sich anschließend bei sterbenden Soldaten entschuldigte, weil er sie im Stich gelassen hatte. Sicher, niemals kam Michael dies so über die Lippen, ganz zu schweigen von dem Fakt, das er meist zu leise sprach, um von irgendjemand gehört zu werden, aber die Tatsache war da. In solchen Momenten schien die Luft um Michael herum ein wenig zu flimmern und dessen Gestalt an Tiefe zu gewinnen. Raphael wusste, dass es physikalisch unmöglich war, dass ein Lebewesen größer war, als es vorgab zu sein, doch bei Michael würde es ihn nicht wundern, wenn dem doch so wäre. Die meiste Zeit über war Michael der Feuerengel, den Raphael kannte. Laut. Barsch. Leicht reizbar. Aber … da war war auch eine seltene Seite, die Raphael, wie er sich eingestand, nicht kannte, weil er sich auch nicht einmal sicher war, ob sie überhaupt existierte. Die ruhige, leise und geduldige Seite. Das war jetzt der Anblick, der sich Raphael bot. Das Rot von Michaels Haar erschien ihm weniger intensiv als sonst und das, obwohl das Licht der Sonne von draußen zum Fenster hinein schien. In der Regel sah Michael so aus, als würde er in Flammen stehen, doch jetzt wirkte es so, als wäre dieses Feuer genug herunter gekämpft worden, um die wahre Gestalt im Inneren der Flammen zu offenbaren. Raphael lächelte sanft, nur kurz allerdings und wendete dann seine Augen ab. Das war nicht für seine Augen bestimmt. Michael tat das jetzt für Uriel, nicht für ihn. Es mochte keine unausgesprochene Regel sein, aber Tatsache war trotzdem, das keiner von ihnen je die Astralgestalt der anderen Elemente gesehen hatte. Es war ihnen nicht verboten worden oder ähnliches, doch keiner würde je auf den Gedanken kommen, dies zu tun. Nicht gegenüber einem anderen Element. Raphael senkte den Kopf, um zu verhindern, dass Jibril und Michael womöglich seine Gedanken mitbekamen. Er stand an dem Fußende von Uriels Bett und starrte verloren auf die Bettdecke. Wissenschaftler theoretisierten, dass der Anblick eines Elements auf deren Astralgestalt dem am nächsten kommen könnten, was die Menschen Wahrheit nannten. Weil es nichts reineres und natürlicheres gab als das. Die Verkörperung der Natur in einem lebenden und denkenden Wesen, losgesagt von den Bindungen des fleischlichen Körpers. Einige sagten, dieser Anblick käme einer Offenbarung gleich, welche zu heilig wäre, um sie zu suchen. Wieder andere meinten, es wäre zu intim und begruben des Thema schnell. Der Rauch seiner Kippe stieg langsam auf und verflüchtigte sich, als Raphael ihn aus seinem Mund blies. Im Grunde war es nicht wichtig. Es würde ja auch nie dazu kommen. Hoffentlich, denn vermutlich würde es sämtliche bestehenden Gesetze der Physik brechen. „Hey Raphie, ich glaube er wacht auf“, hörte Raphael Michael verblüfft sagen und zum zweiten Mal an diesem Tag holte er ihn aus ungesunden Gedanken auf den Boden der Tatsachen zurück. „Was?“, meinte Raphael erschreckt und beeilte sich an Michaels Seite zu gelangen. „Wie kann das sein? Ich meine, das Betäubungsmittel sollte noch bis morgen früh anhalten.“ „Stoffwechsel?“, warf Michael ein und beugte sich näher an Uriel heran. Es war keine Besorgnis in seinem Gesicht zu lesen und während Raphael spürte, dass Uriels Körper noch lange nicht wieder im besten Zustand war, so wusste er aus Erfahrung, dass Michael bei derartigen Dingen meistens Recht hatte. Instinkt vermutlich, der dem Feuerengel sagte, dass er sich um Uriel keine Sorgen zu machen brauchte. „Bei Erde und Bäumen ist aber eher der Gegensatz der Fall“, argumentierte Raphael zurück, während er Uriel untersuchte, der in der Tat Anzeichen des Aufwachens zeigte. „Die Langsamkeit der Erde müsste den Stoffwechsel eigentlich hinaus ziehen.“ „Bei Pflanzen dauert es aber nicht solange, weil ihr Organismus kleiner ist“, warf nun Jibril ein. „Auch wieder wahr“, sagte Michael und kratzte sich am Kopf. Trotz seiner Besorgnis, die ihm sichtlich anzusehen war, trat er einen Schritt zurück, um Raphael Platz zu machen. Ans Fenster gelehnt beobachtete er genau, wie Raphael seine Hand an Uriels Stirn legte. Seltsamerweise kam Raphael sich dadurch geprüft vor. Jibril hatte ihre Aufmerksamkeit ganz auf Uriel gerichtet, doch Michael hatte seine auf ihn gerichtet. Das merkte Raphael an dem Prickeln in seinem Nacken, das ihm sagte, dass Michael ihn ansah und nicht wie zu erwarten Uriel. Was führte Michael jetzt wieder im Schilde? Als Raphael die Luftpartikel um sich herum in Bewegung brachte und mit ihnen Uriels körperlichen Zustand kontrollierte, nahm sich Raphael vor, Michael ähnlich zu durchleuchten, wenn er die Gelegenheit dazu bekam. Schon allein, um der Ursache von dessen Wachstum auf den Grund zu gehen, denn entgegen seiner Erwartungen hatte Michael ihn nicht deswegen aufgesucht. Über die Phase der Verleugnung war Michael inzwischen hinaus, dessen war Raphael sich sicher, doch wie weit war Michael damit, dass er seinem Bruder ähnlicher wurde? Selbst für ihn, Raphael, war das nicht leicht, aber er hoffte darauf, dass es noch Jahrhunderte dauern würde, bis sich die Veränderung deutlich bemerkbar machte. Doch für jemanden wie Michael, der Veränderung hasste und sie erst akzeptierte, wenn man ihn mit der Nase darauf stieß, musste es schwierig sein. Besonders, da die Ereignisse, um den Schöpfer und Luzifer noch nicht lange zurück lagen. Es hilft nicht, das ich nicht dabei war, dachte Raphael. Sondern bloß Uriel. Es war interessant, wie Dinge plötzlich umschwenken und dann doch wieder einen Kreis bilden konnten. Es war Uriel gewesen, der an Michaels Seite gekämpft hatte, der mitgeholfen hatte Adam Kadamons Körper zu versiegeln. Natürlich hatte er soviel Informationen zusammen getragen wie er konnte nachdem er erwacht war, doch der Fakt änderte sich nicht, dass er das Wichtigste verpasst hatte. Er war nicht dabei gewesen, als Luzifer eine Art Abkommen mit Michael geschlossen hatte. Zumindest fühlte es sich so an. Es war noch nicht vorbei, die Sache zwischen Michael und Luzifer war noch nicht ausgestanden und die Einzigen, die wussten was gesagt worden war, waren Michael, die Prinzessin der Oger Kurai und … Uriel. Mit einem kaum wahrnehmbaren Seufzen beendete Raphael die Untersuchen und beschloss seine Gedanken über Michael hinten anzuschieben. Das war jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Uriel verlangte nun nach seiner kompletten ärztlichen Aufmerksamkeit und allzu viel konnte Michael in der kurzen Zeit, wo er mal nicht seine beiden Augen auf ihm hatte, auch nicht anstellen. „Was ist jetzt?“, knurrte Michael ungeduldig und Raphael hörte das Tappen des Fußes auf dem Kachelboden. „Es geht ihm gut“, sagte Raphael mit einem kurzen Blick zu Michael. Er wusste, das Michael unruhig war. Dies war keine Situation in der der Feuerengel etwas tun konnte und diese Hilflosigkeit störte ihn ganz gewaltig. Deswegen wäre Michael auch der Letzte, den Raphael benachrichtigen würde, wäre denn wirklich etwas. Ein wütender Michael war in der Regel schon schlimm genug, ein besorgter Michael war einfach nur unerträglich. „Die Narkose hat jetzt nachgelassen und Uriel dürfte tatsächlich bald wieder erwachen, doch erwartet nicht, dass er lange ansprechbar ist. Die Operation war Kräfte zerrend, auch für ihn. Er wird eine ganze Weile zwischen Schlaf, Traum und Realität hin und her schwanken.“ Jibril sah erleichtert aus und schien sich damit zufrieden zu geben. Sie ergriff wieder Uriels Hand und Raphael konnte fühlten, dass sie ihre Kräfte des Wassers dazu benutzte, um Uriel zu stärken. Bei Wasser und Erde ging das am besten, deswegen sagte Raphael nichts, auch wenn es ihn störte, das jemand in seine Behandlung eingriff. Nur Michael schien noch nicht ganz zufrieden zu sein. „Stellen wir Wachen auf?“, fragte er. „Bitte?“, hackte Raphael nach. „Das war doch kein Anschlag auf Uriels Leben, nicht von außerhalb.“ „Das weiß ich auch“, schimpfte Michael zurück und kreuzte die Arme vor der Brust. „Aber das heißt nicht, dass nicht jemand Uriels geschwächten Zustand ausnutzen könnte. Ich finde einer von uns sollte stets bei ihm sein und solange wir nicht wissen, wie viel er mitbekommt sollten wir ihm auch nicht das Gefühl geben, das er alleine gelassen wird.“ Die goldenen Augen blitzten unnachgiebig unter den roten Strähnen hervor, die Michael ins Gesicht fielen. Raphael wusste, dass er Michael nicht würde umstimmen können. Notfalls würde Michael hier ganz alleine Stellung beziehen und aus seinem Krankenhaus eine Festung machen. „Gut“, meinte er. „Ich bin einverstanden. Allerdings sollten wir dann Alexiel mit einbeziehen. Oder den Messias.“ „Grr!“ Das Knurren kam tief aus Michaels Kehle und sagte eigentlich alles darüber aus, was er von dieser Frau hielt. „Hör zu, Mika“, meinte Raphael vorsichtig. „Ich weiß, dass du sie nicht magst und mir gefällt das eigentlich auch nicht, denn sie ist der Grund, warum Uriel hier liegt, aber dennoch ist der organische Engel. Es kann Uriels Genesung nur helfen, wenn sie hin und wieder bei ihm ist. Sie trägt einen Teil aller vier Elemente in sich, nicht nur eines, so wie bei uns.“ Michaels Gesicht hatte sich verzogen, er sah aus, als hätte er auf eine Zitrone gebissen, dennoch nickte er dann mit dem Kopf. „Okay“, antwortete Michael. „Solange ich ihr nicht begegne, ist mir das egal. Doch sollte sie Uriel verletzten...“ ...würde er sie zu Asche verbrennen. So viel war Raphael klar. „Ich sorge dafür, dass du sie nicht siehst“, versprach er. Er war zwar im Moment auch nicht sonderlich gut auf Alexiel zu sprechen, doch für Uriels Genesung, die Körperliche wie auch die Mentale, war es wichtig, dass Alexiel präsent war. Sie sollte sich ansehen, was sie angerichtet hatte und was auch immer Uriel mit Alexiel schließlich bereden würde, es würde ihm gut tun. Und ihm selbst wahrscheinlich auch, gestand sich Raphael ein. Er konnte nicht leugnen, dass da eine Kluft zwischen ihm und Uriel war. Am deutlichsten war es gewesen, als er nach Uriels Atemwegen geistig gegriffen hatte, um sie für eine Zeit an sich zu binden und dem Erdengel so Schmerzen zu ersparen, doch es hatte nicht funktioniert. Sie hatten ihn künstlich am Leben erhalten müssen, mit Geräten. Die Abscheu vor diesen Dingern, die in der Medizin leider viel zu häufig verwendet wurden, war nur noch von dem Schock zu übertreffen gewesen, der er bekommen hatte, als Uriel ihn ablehnt hatte. Nicht bewusst, vielleicht, doch etwas in Uriel hatte sich ihm entzogen. War es Hass, Abscheu oder doch etwas anderes gewesen? Raphael gab zu, das Uriel und er sich lange nicht richtig verstanden hatten, doch vertraute er ihn etwa so wenig? Mit ein bisschen mehr Basis hätte Raphael die Verletzungen weitaus einfacher heilen können. Stattdessen hatte er den langen und sehr beschwerlichen Weg nehmen müssen und wenn sich dieses Verhältnis zwischen ihnen nicht besserte, könnte sich die Rehabilitation lange hinziehen. Raphael wagte sich gar nicht auszumalen, was passieren würde, wenn Uriel einen Rückfall bekam. Was ihn zu der Frage brachte, warum Uriel ihm nichts von seiner Verletzung am Hals gesagt hatte. Er hätte doch wissen müssen, das er es ohne weiter zu Fragen behandelt hätte. Vielleicht nicht ohne Uriel für seine Dummheit zu schelten, aber dennoch. Ein Geräusch hinter ihm, riss Raphael auf seinen Gedanken. Er drehte sich um und erblickte Michael, wie dieser gerade das Fenster öffnete und auf die Fensterbank kletterte. „Michael?“, fragte Jibril und kam damit Raphael zuvor. „Was tust du da?“ Michael, der schon halb auf dem Fenstersims saß, drehte seinen Kopf und blickte Jibril seltsam an. „Nicht jeder hat den Luxus hier den ganzen Tag sitzen zu können“, meinte er. „Ich habe zu tun, die Armee leitet sich nicht ohne mich.“ „Aber...“, wandte Jibril ein. „Was ist mit Uriel? Du warst doch derjenige, der die Wache vorgeschlagen hat.“ „Natürlich beteilige ich mich daran“, fauchte Michael herrisch und ließ seine Flügel erscheinen, was Raphael zwang einen Schritt Beiseite zu treten, um von ihnen nicht umgehauen zu werden. „Doch ich werde die Nächte übernehmen müssen. Zur Zeit gibt es viel zu tun und wenn ich nicht aufpasse, versauen meine Männer die wichtigsten Teile der Pläne immer. Und ich habe eigentlich keine Lust den Himmel zwei Mal aufzubauen, nur weil es jemand nicht richtig gemacht hat.“ Das schien Jibril zu genügen, doch Raphael hob verwundert eine Augenbraue. Sicherlich half die Armee beim Aufbau des Himmels, doch seit wann hatte Michael da so ein genaues Auge darauf? Er tat doch sonst auch nicht mehr, als auf seinem Thron zu sitzen und vor sich hin zu brüten. „Bis dann“, meinte Michael zum Abschied und sprang dann aus dem Fenster, um sich von dem Wind davon tragen zu lassen. Für einen Moment war Raphael geneigt zu kontrollieren, ob Michael sich wirklich in Richtung Armeestützpunkt aufmachte, doch dann ließ er es. Vor Ewigkeiten hatte er versprechen müssen, dass er ihm nicht hinterher spionieren würde und Michaels Vertrauen war Raphael wichtig. Auch wenn er hin und wieder seine Schlupflöcher ausnutzte. Luzifer und dessen Versiegelung in das Schwert Nanatsusaya war eines davon gewesen. „Er verhält sich seltsam in letzter Zeit“, merkte Raphael an und sah in die Richtung, in die Michael gerade verschwunden war. „Findest du?“, meinte Jibril, „Ich denke, dass er jetzt endlich erwachsen wird. Ich meine, er hat seinen irrationalen Hass auf Luzifer endlich hinter sich gelassen, kümmert sich um den Himmel und alles. Ist das wirklich so eigenartig?“ Am liebsten hätte Raphael mit ja geantwortet, doch er wollte jetzt keinen Streit vom Zaun brechen. Nicht hier und jetzt und vor allem nicht vor Uriels Nase. Also behielt er seine Meinung und seine Verdächtigungen für sich. „Passt du auf ihn auf?“, fragte Raphael und nickte in Richtung Uriel. „Ich brauche jetzt erst mal eine Pause.“ „Ja, natürlich. Iss etwas, schlafe ein wenig und ruhe dich aus“, sagte Jibril. „Ich gebe Barbiel Bescheid, wenn etwas sein sollte.“ Für einen Moment war Raphael geneigt darauf zu bestehen, dass sie ihm Bescheid geben sollten, doch dann ließ er es. Barbiel war kompetent und wusste, wann sie ihn rufen musste. „Gut“, meinte Raphael und ging dann zur Tür. „Wir sehen uns.“ Jibril nickte zum Abschied, ehe sie sich wieder Uriel widmete. Raphael lief den Gang des Krankenhauses hinunter und schloss, das es ausreichte, wenn er heute in der kleinen Wohnung schlafen würde, die hier an sein Büro angeschlossen war. Es wäre zu weit, um jetzt nach Hause zu fliegen und richtig ruhen würde er sowieso nicht können, solange Uriel noch hier war. Es war zwar alles in Ordnung, aber dennoch hatte er so ein Gefühl, dass ihm etwas entging. Etwas wichtiges. Allerdings nicht bedeutend gefährlich, weswegen Raphael es auf die Ereignisse des heutigen Tages schob. „Es wird schon nichts sein“, murmelte er zu sich selbst. „Alles bloß Paranoia.“ Dann dachte Raphael nicht mehr daran und bewegte sich im Halbschlaf zu seinem Bett, während rechts von ihm der Himmel sich rot färbte, da die Sonne sich zu senken begann. xxx Wieder nicht alles hinein bekommen. Für Rechtschreibfehler entschuldige ich mich, bitte weist mich darauf hin, wenn ihr welche findet. Ansonsten gibt es nicht mehr viel zu sagen, außer dass ich wieder in Deutschland bin, es genieße einen Schreibtisch zu haben und an dem Ende von dieser FF arbeite. Welche doch drei Kapitel länger wird als geplant, mindestens. Zu dem Alexiel vs Michael Aspekt: ich würde schon sagen, dass Michael gewinnen würde, auch wenn wir dies im Manga leider nie so richtig erfahren haben. Ihren Kampf haben sie nie beendet, doch wenn es hart auf hart kommt, würde ich sagen, dass Michael als Sieger aus diesem Kampf hervor geht. Doch offensichtlich ist niemand sonderlich scharf darauf, dies heraus zu finden. Danke fürs Lesen mangacrack Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)