Licht ohne Wärme von mangacrack (Ob unser Kampf jemals enden wird? ...) ================================================================================ Die Vorzeichen - Die Mächte des Feuers ---------------------------------------- Kommentar: Es tut mir Leid, dass ich solange gebraucht habe, aber von September bis Februar lag die Fanfiction still. Mir fehlte es an Einfällen, Kreativität und Motivation. Das hat sich jetzt geändert und ich hoffe, die Länge entschädigt euch ein wenig. Ich warne nur kurz: es taucht ein eigener, kleiner Nebencharakter auf, aber was es damit auf sich hat, wird noch in diesem Kapitel aufgelöst. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und würde mich über Kommentare freuen. mangacrack xxx ::Kapitel 8 - Die Mächte des Feuers:: „Wer traut sich durchs Feuer zu gehen? Wer ist bereit die Flamme zu führen?“ Raphael stand vor dem Tor und starrte auf die Inschrift, die seit Jahrhunderten über Michaels Haus prangte. Er fragte, sich, warum sie ihm gerade jetzt wieder ins Auge fiel. Vielleicht weil er solange nicht hier gewesen war. Immer war Michael zu ihm gekommen und wenn es dann mal anders herum gewesen war, dann hatte man Michael in seinem Hauptquartier der Armee angetroffen. Oft hatte er auf dem Thron gesessen und hatte von dort aus seine Horden kontrolliert. Die Heerscharen passten zu dem Feuerengel! Sie waren wild, ungebändigt und zollten nur ihrem einzig wahren Herrn Respekt! Dem Feuerengel Michael-sama! Wer Michael kannte, würde sich fragen, was die Heerscharen dazu brachte DIESEM Engel zu gehorchen. Doch wer die Heerscharen kannte, fragte sich nicht zu Unrecht, ob es überhaupt einem anderen Wesen gelingen würde diese Engel zu kontrollieren! Raphael erinnerte sich an die Zeit zurück, wo er noch selbst auf dem Schlachtfeld gekämpft hatte und zum ersten Mal mit den Mächten in Kontakt gekommen war. Es war ein grausamer Anblick, der sich ihm geboten hatte. Ihre Schwerter hatten sich durch die Reihen der Dämonen gemäht und gnadenlos waren sie über jedes Wesen hergefallen, das sich ihnen in der Weg stellte. Nicht Unrecht hatte Alexiel damit, als sie einst sagte, dass ihnen die Dämonen lieber waren. Allerdings konnte er sich auch nur dafür verachten, dass sie die wahre Natur der Engel so spät erkannt hatte. Sie waren blutrünstig! Engel waren grausame und selbstsüchtige Wesen, nicht anders in der Lage zu leben! Wie oft hatte sich seine Erkenntnis bewahrheitet? Sie versuchten es alle zu leugnen, doch sie waren von einem Wahnsinnigen erschaffen worden. Was sollte sich dann anders als dasselbe daraus ergeben, als nicht etwas ebenso wahnsinniges? Erneut warf Raphael einen Blick auf die Inschrift: „Wer traut sich durchs Feuer zu gehen? Wer ist bereit die Flamme zu führen?“ Sie passte zu Michael. Sie sagte deutlich, was Michael von der Welt hielt. Er musste auf sich acht geben, wenn er da jetzt reingehen würde. Michael hasste Feiglinge! Und an keinem anderen Ort lief man in größere Gefahr einfach niedergebrannt zu werden. Der Bann des Feuers schützte Michael. Am Tor schon brannte in zwei großen Schalen ein kleines Feuer und im ganzen Haus würde man Flammen von verschiedener Farbe und Hitze antreffen! Es gab keinen sicheren Ort für Michael. Genauso wie das Wasser Sarah einst vor Sevothtarte geschützt hatte, stand Michael und dem Schutz des wohl gefährlichsten Element von allen überhaupt. Selbst er würde sich nicht rechtzeitig heilen können, würde Michael auf die Idee kommen ihn ernsthaft verletzen zu wollen. Auch kurz nach dem ersten großen Krieg, als Michael sich zurück zog, weil er es nicht fertig gebracht hatte Luzifel, des Himmels größten Verräter, zu töten. Michael hätte nur loslassen müssen und er wäre bis auf die Knochen verbrannt! Jetzt herrschte eine ähnliche Atmosphäre. Nicht ganz so stark, nicht ganz so heiß, aber dennoch hitzig genug, um sich Sorgen zu machen. Der Windengel betete inständig dafür, dass Michael ihn rein lassen würde. Seinen Thronsaal durfte er ungefragt betreten, doch unter den Elementaren galt die Regel, dass ihre Residenzen tabu waren. Auch wenn das Michael in der Regel nicht interessierte. Aber selbst im dritten großen Krieg, als er Sarah entführt und mit sich genommen hatte, hatte Uriel erst um eine Versammlung der Elementare gebeten, anstatt dem Messias einfach zu sagen, wo sich seine Schwester aufhielt. Mit Sicherheit hätte keine Macht der Welt es fertig gebracht dem Messias seine Schwester vor zu enthalten! Sie hatten sich am Ende sogar geprügelt! Der Messias war zu Recht sauer gewesen, weil seine geliebte Schwester entführt worden war. Selbst der geduldige Uriel, der Setsuna erst die Koordinaten verraten hatte, als er selbst bereit war Sarah herauszurücken, schien bereit gewesen ein Erdbeben herbei zu rufen, nur damit er wieder zurück zu seinen Sinnen fand. Doch das hatte erst Michael fertig gebracht. Raphael betrat nun endlich nach langen Zögern Michaels zu Hause. Wie lange war er nicht mehr hier gewesen? Es musste Jahrtausende her sein! Der Garten sah zwar nicht viel anders aus, aber es war auch kein Garten im üblichen Sinne. Statt Büschen, Sträuchern, Bäumen und Pflanzen hatte Michael eine Felsenlandschaft! Der Boden war heiß, glühte wie erhitzte Kohle und überall waren kleine Lava Seen, die aus der Erde traten. Raphael war für einen Moment gewillt, sich eine frische Brise zuwehen zu lassen, weil Asche Spuren in seine Lunge gelangten, doch er ließ es bleiben. Es wäre unhöflich gewesen hier seine Kräfte zu benutzen, nicht das Michael was auf Höflichkeit geben würde, aber wenn er schlecht drauf war, dann konnte er das als nonverbalen Angriff verstehen und möglicherweise auf stur schalten. Wenn das passierte, könnte er auch sofort wieder gehen. Es würde nichts nützen. Doch heute war es von ungemeiner Wichtigkeit, dass er es schaffte mit Michael zu reden. Es traute sich kein Anderer zu fragen, was Michael zu tun beabsichtigte. Raphael seufzte und fuhr sich mit einer Hand durch sein Haar. Die blonden Strähnen fielen in sein Gesicht. Sein weißer Anzug, den er trug, war ein einziger Kontrast zu der braun roten Umgebung. Selbst Michaels Residenz, das sich über mehrere Stockwerke erstreckte und nicht wie bei ihm selbst flach gebaut war, schien eine Zusammensetzung aus Drachenhörnen, Klauen und roten Steinen zu sein. Raphael vermutete, das die rote Farbe an der Fassade Dämonenblut war. Er wollte nicht wissen, wie es dahin gekommen war, aber musste wieder einmal neidlos zugeben, dass Michael Zuhause beeindruckend war. Doch das war nicht zu dem, was man zu sehen bekamen, wenn man in das Haus gehen würde. Sein Haus war offen, sodass man von allen Seiten den Himmel sehen konnte. Alles mit Glas versehen, das nach Regentagen seine Dienerinnen in den Wahnsinn trieb, weil sie alles putzen mussten. Hier gab es keine Fenster zu putzen! So fern Michael seine Einrichtung in den letzten Jahrhunderten nicht verändert hatte, so war alles, was ein Eindringling vorfinden würde einen Sichtvorhang statt einer soliden Glasscheibe. Aus Raphaels Sicht hatte sein lieber Freund Michael in der Hinsicht nicht mehr alle, denn in Sachen geschmackvoller Einrichtung war dessen Sinn für das Passende und stilvolle genauso verdreht, wie sein Verhältnis zu Frauen. Umso überraschter war er deswegen als eine Frau auf ihn zukam und sich vor ihm verneigte. „Ich heiße sie willkommen, Raphael-sama!“ Als sie sich wieder aufrichtete, sah Raphael, dass sie kein Engel war. Ihr zurück gebundenes, langes rotes Haar offenbarte ihre spitzen Ohren und ihre Haut schimmerte seltsam. Ein näherer Blick zeigte Raphael, dass es Schuppen waren. Das Gerücht, dass Michael sich nicht von Grigori hielt und statt den in Himmel üblichen Schwestern sich seiner sagenumwobenen Drachengestalten bediente, schien wahr zu sein. „Sie scheinen sehr erstaunt über mein Erscheinen zu sein, Raphael-sama!“ „Ich habe in der Tat nicht mir einer Frau in Michael Residenz gerecht, werte Dame!“ Raphael bemühte sich höflich zu sein. Er ermahnte sich selbst, dass der Feuerengel sein Verhalten Frauen gegenüber vielleicht an jedem Ort der Welt eher dulden würde, als in seinem eigenen Zuhause. Die Dienerin lächelte allerdings amüsiert. „Ich gebe zu, dass jemand wie sie das vielleicht seltsam findet, wo Michael-dono sonst keine Frauen in seiner Gegenwart duldet, doch bei mir und meinen Artgenossen ist das etwas anders. Michael-dono hat uns vor Urzeiten erschaffen. Deswegen sind wir ihm bedingungslos loyal. Er hat uns aus seinem Feuer geboren, uns einen Körper gegeben, der mit der Hitze und dem Feuer zurecht kommt, wie sonst kein anderes Wesen auf dieser Welt.“ Raphaels Gedanken überschlugen sich, als er das hörte. Er konnte es kaum glauben. Seine eignen Verbündeten waren Vögel und Wesen der Luft aller Art, doch das war etwas anderes. Er hatte sie nicht erschaffen! Zwar erkannten sie ihn als ihren Herren an, aber der Einzige noch in einem bekannten Fall einem Geist einen Körper gegeben hatte, war Rosiel gewesen. Doch auch der hatte einem Grigori zu einer fester Form verholfen und nicht einem leblosen Ding Leben eingehaucht. Mit einer fachmännischen Miene begutachtete Raphael die Dienerin, die nun das hintere Tor freigab und ihn herein ließ. Sicherlich wusste Michael bereits, dass er hier war, denn ohne Erlaubnis ihres Herrn würde sie das Tor nicht öffnen! Er war sich sicher, dass sie sofort Körper, Geist und Leben für Michael opfern würde. Oder ihn verteidigen, sollte es nötig werden. Und er zweifelte nicht an, dass sie das auch konnte! Ihr Haar war rot und hinten zu einem Zopf zusammen geflochten. Ihre Haut war schuppig, wie er zuvor schon festgestellt hatte und einen Farbton den man grob irgendwo zwischen blau und lila einordnen musste, da er sich im Licht ständig zu ändern schien. Auffällig war neben den beiden gebogenen Hörnern, die ihr aus dem Kopf ragten, auch die recht kurze Kleidung. Es war keineswegs die traditionelle Kleidung. Normalerweise trugen die Diener, egal ob hochrangig oder einfach gestellt, lange schwarz weiße Gewänder, die der Einheit entsprachen. Was man hier wirklich nicht sagen konnte. Das Oberteil war kurz und hörte in der Mitte des Bauches auf und Ärmel hatte es gar keine und der lange weite Rock, wurde durch einen modernen eher der Praxis zu geschnittenen kurzen Hosenrock ersetzt. Bewaffnet war sie nicht, zumindest konnte Raphael keine Waffe erkennen, allerdings glaubte er nicht, dass das die Drachin davon abhalten ihn in Stücke zu reißen, wenn sie es für nötig erachtete oder er auch nur einen falschen Schritt tat. Denn sicherlich hatte sie zumindest noch eine andere Gestalt, denn er konnte auf einen Blick sehen, dass der schon der Knochenbau nicht der menschlichen oder engelhaften Art entsprach, die ihm sonst unterkam. Überhaupt war sie kräftiger als die meisten Frauen, die er kannte. Sie wirkte eher wie ein Krieger für das Schlachtfeld, als eine Dienerin für Haus und Hof. In ihm keimte der Verdacht auf, dass sie in der Tat eigentlich eine Soldatin war und nur eigens für die Dienste unter Michael angestellt. Ähnlich wie Barbiel unter ihm stand. Deswegen schätzte er die Drachin als Leibwächterin Michaels ein. Auch sah er, dass die anderen Diener, die durch das Haus huschten durchaus zu dem eigentlichen normalen Standard gehörten, allerdings hielten sie sich nur in den großen offenen Gängen auf. Er wurde teils auch durch abgelegene Gänge geführt, wo nur Fackeln Licht spendeten und alles andere von dem schwarzen Stein verschluckt wurde. Nach näherer Begutachtung hatte Raphael erkannt, dass es Vulkangestein war, aus dem Michaels Zuhause gemacht war. So hatte er es zunächst angenommen, doch mehr und mehr begriff Raphael, dass es ein richtiger Vulkan war, in dem Michael lebte. Zwar wusste der Windengel nicht, wie sein Freund es fertig gebracht hatte einen Vulkan in den Himmel zu schaffen, einen vermutlich aktiven noch dazu, aber das war Wissen, das besser für immer verborgen bleib. Aber es offenbarte Raphael auch, wie lange er nicht mehr hier gewesen war. Sie hatten sich entweder bei ihm im Krankenhaus, bei ihm Zuhause oder im Hauptquartier der Heerscharen getroffen. Nie bei Michael. Aber der kleine Feuerengel brauchte das vermutlich auch. Es war ja schließlich nicht immer so gewesen, dass er recht offen über sich sprach. In den Hochzeiten von Sevothtartes Diktatur war Michael chronisch schlecht gelaunt gewesen. Schlecht gelaunt im Sinne von verdammt mies drauf. Und das für mehrere Jahrzehnte jeweils am Stück. Nicht einmal er hatte sich getraut, den Versuch zu wagen Michael zu beruhigen. Das war einmal schief gegangen und seit dem hatte er es gelassen. Ihm selbst hatte das weniger ausgemacht, aber die Umgebung hatte stets sehr gelitten und ihm nur noch mehr Arbeit gemacht, als es genützt hatte. Im Gegensatz zu diesen Zeiten hatte Michael inzwischen zu einem sehr friedfertigen Engel entwickelt. Zeitweilig zumindest. Der Messias hatte ganze Arbeit geleistet. Doch als die Drachin in menschlicher Gestalt vor einer großen und schweren Flügeltür stehen blieb, wurde sich Raphael bewusst, dass jetzt ihm ein ganzes Stück Arbeit bevor stand. Dieser blöde Uriel, der ihm das hier eingebrockt hatte. Er hätte schließlich ebenfalls mit Michael reden können und es hätte nicht halb so verdächtig gewirkt. Insgeheim schwor sich Raphael sich Uriel noch einmal vorzuknöpfen. Der Engel der Erde hatte ihm noch so einige Fragen zu beantworten. Doch erstmal war jetzt das wichtiger, was ihn erwarten würde. Zum Abschied wandte er sich noch einmal an die Drachin. „Ist er in guter Stimmung oder muss ich mich mal wieder darauf einrichten, mich selbst heilen zu müssen?“ Die Drachin sah ihn nun nicht mehr ganz so freundlich wie vorhin an und trat einen Schritt auf ihn zu. Sie funkelte ihn mit ihren roten Augen an und richtete ihren Finger auf Raphaels Brust. „Michael-dono ist still in letzter Zeit. Es geht ihm nicht gut, das sehe ich ihm an. Aber er redet nicht. Normalerweise mische ich mich in seine Angelegenheiten nicht ein, denn es sind die seinen und ich gehorche seinen Wünschen und Befehlen. Aber sein Wohl steht an oberster Stelle. Tun sie was sie können, um ihm zu helfen, aber wenn sie ihm weh tun, Raphael-sama, dann schwöre ich ihnen, dass sie an keinem Ort der Welt vor mir sicher sein werden!“ Damit verschwand die Drachin in einem Feuerstoß und Raphael lächelte amüsiert. Es gab nicht viele weibliche Wesen, die ihn bisher bedroht haben und er musste zugeben, dass es anreizend war. Zu schade, dass Michael keine Liebeleien mit seiner Leibwächterin dulden würde, ansonsten hätte er sich das eben ganz sicher nicht so einfach auf sich sitzen lassen. Er atmete noch einmal tief ein, dann stieß Raphael die schwere Flügeltür auf. - „Michael?“, rief er. Es kam ihm ein Schwall von sehr heißem Dampf entgegen und kaum hatte er den Raum betreten, lief ihm der Schweiß über das Gesicht. Die Luftfeuchtigkeit war für Michaels Verhältnisse erstaunlich hoch, doch da dies anscheinend das Badezimmer war, war es wohl nicht unüblich für den Feuerengel, dass das sonst so verhasste - ihm entgegen gesetzte Element - in dem Raum seines Hauses in einer derartigen Konzentration vorhanden war. Eigentlich hasste Michael das Wasser. Seen, Regen, Schiffe und Meere aller Art näherte er sich nur, wenn er nicht anders konnte. Lieber ließ er Ozeane austrocknen als in die Gefahr zu laufen, schwimmen zu gehen, doch in seinem Heim, war das wohl etwas anders. Und an der Temperatur des Dampfes erkannte Raphael, das wohl auch kein anders Wesen als Michael in diesem Wasser baden konnte. Da ihm die Hitze bereits zuviel wurde, zog er sein Jackett aus und legte seine Schuhe und Strümpfe beiseite. Vorsichtig näherte er sich dem Zentrum des riesigen Badezimmers. Die Platten waren aufgewärmt, heiß besser gesagt. Schließlich hielt sich Michael in seinem privaten Domizil nicht zurück, wenn er es warm haben wollte. Zu gut wusste Raphael, dass Michael kein Feuer entzünden musste, um die gesamte Umgebung zum Schmoren zu bringen. Jetzt wusste, wieso Michael sich nicht den üblichen Grigori bediente, sondern sich seine eignen Hitze resistenten Untergebenen geschaffen hatte. Es war ganz einfach so, dass kein anderer Engel hier drin lange hätte überleben, geschweige denn hätte arbeiten können. Ihm selbst war die Umgebung zwar unangenehm, aber der Luftzug war nicht vollständig unterbrochen, so dass es für reichte, um sich hier ungefährdet drin aufhalten zu können. Aber er war auch ein Element! Einer der großen Vier! Er traute es nicht mal einer Hand voll weiteren Engeln zu so weit zu kommen, dass sie Michael, den großen Michael, dabei beobachteten durften, wie er badete. Das war ein verdammt großer Vertrauensbeweis und Raphael fragte sich womit er das verdient hatte. Er trat an den Beckenrand und setzte sich ruhig hin. Der Boden war nass und glitschig, aber es störte ihn nicht. Noch weniger, dass sich seine Kleidung mit der Nässe vollzog. Stattdessen störten ihn nur ein wenig die Gefühle, die Michaels Anblick in ihm auslösten. Durch den dichten Dampf konnte er die Konturen nur unscharf erkennen, aber es genügte. Michael war jemand, der ihn schon immer fasziniert hatte. In seinem Wesen, in seiner Art und in seinem Auftreten. Nicht größer hätte seine Angst im letzten großen Krieg sein können, als er erfuhr, dass Luzifer zurückgekehrt war. Er hatte es bereits geahnt, als er zum ersten Mal den Messias mit dem Schwert Nanatsusaya gesehen hatte. Vor langer Zeit hatte er nur durch Zufall erfahren, dass Luzifer in dem Schwert gebannt worden war und als er dann vollständig erwachte, somit sein menschliches Ich ‚Kira Sakuya‘ zurück ließ, hatte er befürchtet Michael zu verlieren. Er hatte Angst gehabt, dass Michael gehen würde. So unerreichbar für ihn, dass er nicht mehr der Strahl Licht für ihn sein konnte, der er war. Michael war unbesiegbar. Unbesiegbar und stark. So viel stärker als er, dass seine Sorgen unbegründet gewesen waren. Er war nicht dabei gewesen, als die Entscheidungsschlacht viel und Uriel hatte ihm nur ein Teil erzählen können, doch das reichte, um sich den Rest zusammen reimen zu können. Deswegen wunderte es ihn. Wenn Michael nach dem Krieg in Ordnung gewesen war, warum war er es jetzt nicht mehr? Was war vorgefallen? Was hatte sich so gravierend geändert, dass Michaels gesamtes Verhalten umschlug? Es machte ihm Angst. Diese Neuheit konnte er nicht verdauen und noch klammerte er sich an die Hoffnung, dass es nur etwas banales war. Eine Kleinigkeit über die Michael hinweg kommen würde. /Ich könnte es nicht ertragen dich zu verlieren, Michael/, dachte Raphael als er die Gestalt im Wasser betrachtete. /Ich bin noch nicht bereit dafür, ohne dich aus zu kommen./ „Hmm, Raphael“, gab Michael, zum ersten Mal seit er den Raum betreten hatte, einen Ton von sich. „Was machst du hier?“ „Ich wollte dich sehen“, gab Raphael eine halbwegs ehrliche Antwort von sich. Er wollte Michael nicht belügen und seine wahren Absichten traute er sich zu offenbaren. Aus welchen Gründen, das konnte er selbst nicht genau sagen, obwohl er wusste, dass Michael diese Feigheit verabscheute. „Ach“, erklang Michaels Stimme in einem spöttischen Ton. „So sehr, dass du dich sogar dazu herab lässt, um mich hier zu besuchen? Wie nett von dir!“ Michael war wohl sauer ihn. Zu lange kannte er den Feuerengel schon, um nicht zu wissen, dass dieser beleidigt war. Langsam wurden Michaels Konturen schärfer und Raphael konnte ausmachen, wie er näher kam. Leicht nervös grub er seine Finger in seine Hose. „Aber Mika-chan, ich…“, begann Raphael, wurde aber rüde unterbrochen. Wütend fuhr Michael dazwischen. „Vergiss es Raphael“, zischte er zornig. „Verkauf mich nicht für dumm. Ich weiß, wieso du hier bist, was du sagen willst und mit welchen Worten du wieder gehen wirst. Spar dir das!“ Nun war Michael fast am Beckenrand. Sein Badezimmer war genau genommen ein riesiger Raum, wo in den Boden ein Schwimmbecken eingelassen war. Wie tief es war, konnte Raphael nicht genau sagen, doch da Michael jetzt mit kräftigen Schwimmzügen auf ihn zu kam und dann sich mit einem Ruck aus dem Wasser stemmte, sodass das Wasser heraus spritzte und Raphael an den Stellen verbrühte, wo es seine Haut traf, nahm er an, dass er sich an der tiefen Seite des Beckens befand. Michael klammerte sich an den Beckenrand, legte seine Ellbogen auf dem Steinboden ab und sag von unten direkt in Raphaels Augen. Diesem viel auf, das Michael seine Haare sogar offen trug. Es war ein seltener Anblick, denn die längeren Haare störten ihn beim Kämpfen. Doch Raphael wusste, dass Michael das tat, weil er vermeiden wollte Luzifer ähnlich zu sehen. Die wirren, nassen Haare fielen Michael strähnig ins Gesicht, doch die goldnen Augen fixierten ihn, sodass er es nicht wagte, woanders hinzusehen. „So, Raphael“, begann Michael noch einmal, „glaubst du ich wüsste nicht, dass du hierher geschickt wurdest? Hab ihr darum geknobelt, wer den schweren Weg auf sich nehmen würde, hierher zu kommen? Hast du geweint, als du den kürzesten Strohhalm gezogen hast? Hä?“ „Nein Michael, es …“, doch schon wieder ließ ihn Michael nicht ausreden. „Versuch nicht dich raus reden, Raphael!“, rief jetzt Michael laut. „Ich weiß, dass Camael zu Uriel gegangen ist. Und der ist bei dir gewesen! Allerdings nur, weil die liebe Alexiel ihn darum gebeten hat! Ich wette, er hat dir erzählt, dass ich mir ‘seltsam‘ verhalte. Und? Bist hergekommen, um mich zu belehren? Mir zu sagen, dass ich ein Dummkopf bin?“ Raphael wusste nicht, was er sagen sollte. Nun kannte er den Grund, warum Michael so sauer war. Er fühlte sich betrogen. Betrogen und hintergangen. Schuldbewusst senkte er den Kopf. „Ich hab mir Sorgen gemacht“, meinte er leise. Michael zog misstrauisch die Augenbrauen hoch. Natürlich bemerkte er, dass Raphael die Vorwürfe nicht abstritt, aber immerhin tat es ihm leid. Das sah er dem Engel des Windes an. Doch noch hatte er ihm nicht verziehen. Deswegen rückte er noch ein wenig näher mit seinem Körper an den Beckenrand, griff mit einer Hand nach Raphaels Kragen und zog ihn dicht zu sich heran. Raphael schauderte, als Michaels warmen Atem an seinem Ohr spürte und selbst auf dessen nackten Rücken sah. „Du bist ein Arschloch, Raphael. Ein verdammt Feiges noch dazu. Du hast nicht die Kraft dich dagegen aufzulehnen. Obwohl du nicht hierher kommen wolltest, hast du dich Uriels Worten gebeugt und nicht von ihm in die richtige Richtung drehen lassen. Er musste dich wahrscheinlich nicht einmal bedrohen oder erpressen. Er kennt dich gut genug, um zu wissen, was er tun muss, damit du aus freien Stücken hierher kommst. Aber weißt du was? Ich hasse es. Ich hasse deine feige Art, die du schon seit so langer Zeit nicht abstreifen kannst. Du verkriechst dich in deinen eignen sicheren vier Wänden und wartest bis der Sturm vorbei ist! DU! Der früher vom Wind und von dem Himmel nie genug kriegen konnte. Du warst es, der mich einst angestachelt hat, unbeirrbar nach vorne zu sehen, erinnerst du dich? Und nun sieh, was von dir übrig ist. Nicht einmal belehren kannst du mich noch. Früher hättest du mich schon längst zur Rede gestellt. Doch wo ist jetzt deine scharfe Zunge? Deine Worte, die mich immer aus meinen Grübeleien und aus meiner Einsamkeit gerissen haben? WO VERDAMMT RAPHAEL, WO?“ Die letzten Worte hatte Michael direkt in das Gesicht seines Gegenübers geschrien und nur mühsam widerstand er dem Drang dem Windengel eine zu Scheuern. Es war nicht das erste Mal in seinem Leben, dass er Raphael wachrütteln musste, doch in letzter Zeit häuften sich diese Depressionen ein wenig. In einem Nebengedanken fragte sich Michael, was wohl der Grund für diese immer wieder kehrende Trauer und Passivität war, aber er hatte gewiss keine Zeit sich jetzt damit auseinander zu setzten. „Michael“, gab Raphael reuevoll von sich und Michael musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass der Windengel nun ein einziges Häufchen Elend war. Leicht seufzte er und ließ den festen Griff um den Kragen ein wenig lockerer werden, sodass er den blonden Engel wieder ansehen konnte. Es bestätigte sich. Es tat Raphael leid. Verdammt leid sogar und Michael beschloss, dass es genug war. Er konnte es ihm schließlich ja nicht ewig nachtragen. Außerdem war er dieses Verhalten bereits gewöhnt. Zu lange über Raphaels Verschrobenheiten zu brüten, war nur schlecht für die Seele. Er würde ihn ja sowieso nicht verstehen. Das zu versuchen hatte er schon lange aufgegeben. Raphael vergrub seine Hände in seinem Gesicht. Dies war einer der seltenen Momente, wo er echte Scham fühlte. Er war sich der Härte bewusst, denn Michael hatte nicht wie sonst herum geschrieen, getobt und Dinge zerstört, sondern ihm nur ziemlich klar gesagt, was er von seinem Verhalten hielt. Nämlich nichts. Er merkte, wie Michael langsam von ihm weg rückte und erwartete jeden Moment hinaus geschmissen zu werden. Doch stattdessen passierte genau das Gegenteil. Bevor er überhaupt sagen konnte, was geschehen, fühlte Michaels Arme um sich. Erstaunt und verwundert, wollte er den Kopf heben, merkte aber, wie der an Michaels Brust gedrückt wurde. Nicht genau wissend, was er tun sollte, und verunsichert wegen dem Vortrag von eben, seinen eignen Schuldgefühlen und seinen Verlustängsten, verharrte er einfach so und schloss die Augen. „Du bist ein Dummkopf, Raphael“, hörte Michael nicht neben sich sagen. Obwohl er nun langsam pitschnass war, weil sich die Nässe von Michaels Haut auf ihn übertrug, nahm er es nicht wahr. Er spürte nur, die Stärke, die vom Michaels Armen ausgingen, die ihn schützend umschlossen. Raphael wusste, das Michaels Haut kalk weiß war und er konnte fühlen, dass sie noch genau so weich war, wie er sie in Erinnerung hatte. Nicht oft erlaubte es ihm Michael ihn so zu berühren und jedes Mal wurde ihm dann bewusst, wie sehr Michaels körperliches Alter doch über seine wahre Natur hinwegtäuschte. Die Arme waren kräftig, es würde nicht ein Gramm fett daran zu finden sein, so wie überall an Michaels Körper. Es war alles reiner Muskel. Die Stärke, die Michael sich über die Jahrhunderte und Jahrtausende erarbeitet hatte, konnte er in jedem einzelnen Muskel spüren. Der Griff der Arme war fest und selbst wenn Raphael gewollt hätte, er hätte sich nicht daraus befreien können. Aber er genoss die sanfte Berührung, diese seltene Zärtlichkeit Michaels und wünschte sich, dass sie ewig andauern könnte. Momente wie diese, Momente des absoluten Friedens zwischen zwei Elementen waren sehr, sehr rar. Doch auch diesmal lag etwas zwischen ihnen. Seine verdammten Schuldgefühle und seine Angst. Er hasste sich dafür, dass er sie nicht abstreifen konnte. Aber sie war immer noch da. Die Angst, dass Michael ihn abweisen, ihn zurücklassen würde. Doch Michael kannte ihn besser als er dachte. Denn wieder sagte er: „Du Dummkopf. Raphael du solltest doch langsam wissen, dass ich dir nie lange böse sein kann.“ Das brachte Raphael dazu endlich wieder in Michaels Augen zu sehen. Zuvor hatte Michael sich am Beckenrand festgehalten, doch nun hatte er sich mit einem schnellen Schlag seiner Flügel, die gerade wieder verschwanden, aus dem Wasser katapultiert. „Michael!“ Raphael wusste nicht, warum sich ausgerechnet der Klang des Namens so in den Kopf gepflanzt hatte. Es schien ihm manchmal so, als könnte er dadurch all die Geheimnisse aufdecken, die der Feuerengel beherbergte. Zwar wusste er, dass dies nie der Fall sein würde und das es auch nicht gut wäre, von gewissen Dingen zu wissen, das wusste er aus eigener Erfahrung, doch es war die Faszination, die ihn so weit trieb. Eine Faszination, die niemals in seinem Leben nachlassen würde. Und der Preis dafür würde für alle Zeit derselbe sein. Aber den würde er auf sich nehmen. Den konstanten Schmerz in seiner Brust, der für immer bei ihm bleiben würde, als Erinnerung daran, wie nah und wie fern er Michael doch war. Inzwischen waren sie beide aufgestanden und Raphael trat einen Schritt zurück, um Distanz zwischen sie zu bringen. Michael benutzte inzwischen eines der Handtücher, die bereit lagen, um sich damit abzutrocknen. Zwar wäre das für den Feuerengel nicht unbedingt nötig gewesen, aber wahrscheinlich wollte er nicht vollkommen unbekleidet vor Raphael stehen. Nicht das es sonst Michael etwas ausmachen würde. Scham kannte er nicht, nur fühlte er sich nackt und oft noch kleiner und zierlicher als er schon war und nichts mehr verabscheute Michael. Raphael sah zu, wie Michael sich das Tuch um den Körper schlang und das Zimmer verließ, um sich anzuziehen. Er folgte ihm, langsam und betrachtete dabei Michaels Statur. Er machte sich nach wie Sorgen um seinen Freund und näher würde er kaum kommen. Vielleicht würde er ein paar Informationen als Michaels Haltung, seinem Gang oder gar einer eventuellen Verletzung herauslesen können, was geschehen war. Doch zu erwarten war es nicht. Michaels Schritt war bestimmend und kräftig. Kaum ein anderer konnte durch seinen Gang so viel Kraft ausdrücken wie er. Die gesamte Himmelsarmee konnte eben diesen Schritt ausmachen und auch noch die Engel in der letzten Reihe erkannten ihn. Ähnlich wie wenn Michael seine Stimme erhob, um einen Kampf anzukündigen, eine Schlacht unter dem Getöse des Zusammenpralls zweier Mächte zu leiten oder eine gesamte Kompanie zusammen zu stauchen. Nicht genau wissend, was er tun sollte und um vielleicht doch noch eine Erklärung für Michaels Verhalten zu finden, folgte Raphael Michael bis in dessen Ankleidezimmer, wo allerlei Arten von Kleidung hing. Meist Lederklamotten, wie Michael sie bevorzugte, oder Anzüge im Armee Stil. Hin und wieder sah man auch moderne Kleidung, was bewies, dass der Feuerengel sich regelmäßig unerkannt auf die Erde schlich und sich unter Menschen mischte. Ganz hinten in der Ecke hingen auch einige traditionelle Roben, denen höchstens zu wirklich bedeutenden Anlässen Beachtung geschenkt wurde. Gelangweilt sah er Michael beim Anziehen zu, aber ihm viel auf, dass dieser scheinbar etwas suchte. Es lag zentnerweise Kleidung herum, die genau gleich aussah, aber Michael griff sich eine Hose, die ausgerechnet ganz unten lag. Misstrauisch sah Raphael näher hin. Michael bemerkte es und drehte sich um, während er den Gürtel der schwarzen Hose zu machte. „Was glotzt du so, Raphael?“ Es lag ein seltsamer Unterton im Michaels Stimme und Raphael wusste, dass da etwas war, das Michael ihm verschweigen wollte. „Etwas stimmt nicht Michael!“, bemerkte Raphael ruhig und lehnte sich an den Türrahmen, „Irgendetwas sieht anders aus…“. „…als sonst?“, vollendete Michael den Satz mit einer bitteren Stimme. Er drehte sich weg, sodass Raphael nur den weißen Rücken im Blick hatte, behielt aber das Shirt, das er sich angeschickt hatte anzuziehen, noch in der Hand. Nach einer kurzen Pause begann er zu reden. „Weißt du Raphael … ich habe vorletzten Monat meine Stiefel verbrannt.“ „Waren sie beschädigt?“, wollte Raphael wissen. Es war nichts neues, das Michael hin und wieder seine eigene Kleidung aus Frust oder Ähnlichem in Brand steckte. „Nein, alle!“ „Was meist du damit ... alle?“ Raphael stand der Mund offen. Michael hatte hunderte von Stiefeln! „Wenn ich alle sage, dann meine ich auch ALLE“, rief Michael und drehte nun Raphael das Gesicht zu. „Und weißt du auch wieso? Sie haben nicht mehr gepasst! Keiner von ihnen!“ „Wie…?“, fragte Raphael ungläubig, brach aber ab, da Michael weiter redete. „Dann waren meine Hosen dran. Auch sie passten nicht mehr. Es folgten meine Shirts, meine Handschuhe, meine Mäntel ... Alles eben!“ „Was hat das zu bedeuten, Mika-chan?“ „WAS DAS ZU BEDEUTEN HAT?“, schrie Michael nun aufgebracht und steckte das Hemd in seiner Hand in Flammen. „MIKA-CHAN WÄCHST, VERDAMMT NOCH MAL!“ „Michael…“, flüsterte Raphael ungläubig, ahnend, was passiert war. „ICH WERDE IHM IMMER ÄHNLICHER! SIEHST DU DAS NICHT?“ Raphael schwieg und sah wie Michael versuchte sich zu beruhigen. „Meine roten Haare verstecken es, aber ich sehe es. Der Ansatz ist schon teilweise vollkommen schwarz. Meine Haare werden dunkler. Mein eigener Körper hat es Äonen lang geleugnet und der Drache half, aber nach all dem, kann ich nicht mehr leugnen, dass ich es nicht sehe. Und du siehst es auch.“ Raphael sagte nichts, sondern sah Michael noch mit aufgerissenen Augen an. Dann veränderte sich sein Ausdruck, doch Michael wusste bereits, was er sagen wollte. „Sag es nicht Raphael. Ich sehe es.“ „Nein“, sagte Raphael, um den Gedanken, der in der Luft hing, von sich und vor allem von Mika-chan zu weisen. „Versuch ‘s nicht Raphael. Ich verwandele mich in das Abbild meines Bruders.“ „Du bist nicht wie er“, rief der Windengel dazwischen. „Bist du dir da so sicher, Raphael?“, gab Michael leicht wehmütig zurück. Ungläubig betrachtete er Michael. Er versuchte es zu leugnen, doch gerade ihm, als Arzt, fiel es ins Auge. Wenn Michael es nicht erwähnt hätte, hätte er es vielleicht übersehen, doch so musste er es zugeben. Es wäre ihm früher oder später aufgefallen, daran führte kein Weg dran vorbei. Erwähnt hätte er es nicht, Michael zu Liebe. Aber es war wahr. Wenn das so weitergehen würde, wäre es in ein paar Jahrzehnten Luzifers Reflexion. Das eben gleiche Spiegelbild. „Dennoch bist du nicht er“, beteuerte Raphael. „Aussehen macht noch keinen Charakter. Erinnere dich daran, wer er ist. Er hat uns alle verraten. Aus eigener Hand fiel er, nicht weil Gott es ihm befohlen hat. An allen seinen abscheulichen Taten, hatte er Freude. Du bist nicht wie er Michael. Du bist nicht so … verdorben.“ Schweigen erfüllte den Raum. „Wir sind uns ähnlicher als du glaubst, Raphie“, antwortete Michael fast mechanisch. „Ich bin der Engel des Krieges. Blutbäder und Gemetzel sind das wofür ich existiere. Dahinter steckt kein höherer Plan Gottes, als er mich schuf. Es gefällt mir einfach. Darin gehe ich auf. Zerstörung, dafür lebe ich. Daran erfreue ich mich. Die Ratsmitglieder haben recht, wenn sie sagen, dass ich schon lange des Mordes an Unschuldigen hätte anklagt und verurteilt werden sollen. Und jeder, der mich je auf dem Schlachtfeld gesehen hat, kann dir das bestätigen.“ „Du bist nicht er!“, beteuerte Raphael. Diesmal aus Angst. Diese tiefe uralte Angst, die schon immer in ihm gewesen war. Die nie hatte verschwinden können. „Wir sind aus demselben Blut, Raphael. Kein Tattoo der Welt ändert das.“ „Ihr seid vollkommen verschieden“, meinte Raphael bestimmend. „Du hast ihn besiegt. Und all die Jahre hast du nur Rache gewollt. Deswegen hast du Gefallen am Kampf gefunden.“ Michael lachte auf. Es klang hohl. „Gib es auf. Du, das Leben und die Wiedergeburt, wird die Entscheidungen des Todes nie verstehen. Ich bin nun mal so“, erklärte Michael schon fast liebevoll. „Außerdem ... Teilen wir uns sogar unsere Flügel.“ „Unmöglich“, wandte Raphael ein, glaubte einen Strohhalm gefunden zu haben. „Ihr seid nicht wie Rosiel und Alexiel. Luzifer besitzt das zusätzliche Flügelpaar. Dir sind die restlichen Schwingen geblieben. Es besteht keine …“ „…Verbindung?“ Michael schüttelte den Kopf. „So einfach ist das nicht“, verkündete er. „Sie ist nicht sichtbar. Aber es ist UNSER Flügelpaar, auch wenn sie auf seinem Rücken sitzen. Die Astralkraft, die daraus entspringt, gehört uns. Wir sind eins.“ „Michael.“ Raphael wusste nicht mehr, was er sagen sollte. - Stunden später hockte Michael allein vor einem Gemälde, das in der Übungssäle hing, die im ganzen Haus verteilt waren, frei zu jeglicher Benutzung. Melancholisch betrachtete er den Kampf von Engeln und Teufeln, die im ewigen Kampf mit einander ringen würden, solange das Bild dort hingen würde. Ohne aufzusehen oder sich zu rühren, widmete er seine Aufmerksamkeit auf einmal der Person, die ungefragt den Raum betreten hatte. Jeder andere wäre verbrannt, aber das hier war etwas anders. „Saiga“ Der Name der Drachin, die Raphael am Tor empfangen und durch das Haus begleitet hatte, trat aus dem Schatten einer Säule. „Michael-sama“, sagte sie. „Was willst du?“, fragte Michael ruhig, ohne eine Emotion erkennen zu geben. „War es richtig Raphael-sama so zu behandeln?“ Es entstand eine kurze Pause, ein Zeichen, dass Michael über die Worte nachdachte. „Du wagst es mein Handeln in Frage zu stellen?“, antwortete er schließlich. Es war unhöflich seinen Herren zu kritisieren und konnte bei Michael schnell tödlich enden, doch die Saiga schien keine Angst zu zeigen, sondern stand immer noch dort, ohne sich große Sorgen um ihr Wohlbefinden zu machen. „Es steht mir nicht das Recht eure Worte zu bezweifeln.“ „Aber…?“ Michael hatte das unausgesprochene Wort gehört. „Raphael-dono schien sich wirklich ehrliche Sorgen zu machen.“ Der Feuerengel seufzte. „Ich musste ihn so behandeln“, antwortete er auf die Frage, warum er Raphael so mies gegenüber gezeigt hatte. „Wer weiß, was passieren wird. Er muss eine dickere Haut bekommen. Sollte es schief gehen, darf ich ihn nicht mit in die Tiefe reißen.“ „Ich verstehe.“ Nun sah Michael die Drachin direkt an, die keine Scham zeigte und ihn selbstverständlich offen anblickte. Doch auch das wusste Michael. „Wirst du mit mir kommen Saiga? Trotz dessen, was uns erwarten wird?“ „Ich werde immer an eurer Seite sein, Michael-sama. Ihr habt mich erschaffen und ich existiere nur für euch.“ „Hmm.“ Michael winkte Saiga zu sich heran, die sofort folgte und sich gehorsam schräg hinter ihren Herren kniete. Dieser hob die Hand und berührte die geschuppte Haut und strich behutsam darüber. „Dann komm mit mir“, sagte Michael. „Lass uns dahin zurück kehren, wo wir hingehören. Auf das Schlachtfeld.“ „Jawohl, Michael-sama.“ Mit diesem Worten fing Saiga in einem Licht kurz hell an zu glühen, in dem sie vollends verschwand. Als das Glühen nachließ, schwebte ein langer blauer Dolch aus reinen Drachenknochen in Michaels ausgestreckte Hand. Michael steckte den Saiga, die große Fangklinge in seinen Gürtel und erhob sich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)