Die Meeries - Nuzlocke Challenge [HeartGold-Edition] von Zekeia_galad ================================================================================ Kapitel 3: Gemeinsam sind wir stark! ------------------------------------ Das konnte doch alles nicht wahr sein! Mit einem genervten Kopfschütteln sah sich Chan gezwungen, Tiramisu und Toffee wieder zurück in ihre Pokébälle zu beordern. „Meine Güte...“, brummte er mürrisch mit einem Blick hinter sich wo er einen deprimiert schleichenden Mööh entdeckte, der ihm mit gesenktem Kopf folgte. „Vor dir muss man ja alle Weibchen verstecken…!“ Der schwängerte die ja schon, indem er sie nur ansah! Allein für Tiramisu war es wahrscheinlich ziemlich gefährlich, sich außerhalb ihres sicheren Pokéballs aufzuhalten, wenn hier ein paarungswütiges Meerschweinchen in Form einer lilafarbenen Ratte herumlief…! „Ah!“ Neue Route, neues Glück, und aus dem hohen Gras heraus blinzelte ihn ein neugieriges Webarak an. „Ein Webarak!“, bemerkte der Youtuber und deutete für Mööh in die Richtung des genannten Pokémon. „Super, neues Routenpokémon! Los, Mööh!“ Der sollte das schwächen, damit der Fang leichter gelang. Noch während Chan sich bereits einen passenden Namen für die kleine grüne Spinne überlegte, starrte Mööh diese nur schweigend an. Vorerst. Denn schon im nächsten Moment brüllte Mööh wutentbrannt los. „GROAHR!“ Chan, der damit gar nicht gerechnet hatte, zuckte vor Schreck zusammen und konnte nichts mehr dagegen tun, dass Mööh das männliche Webarak in der Luft zerriss und dabei wüst vor sich hin fluchte. „Wa…?“ Oh Gott! Hatte er gerade eben nicht noch gedacht, dass ein frei herumlaufender Mööh eine Gefahr für Tiramisu war? Die Wahrheit war noch viel schlimmer! Wenn der so auf andere Männchen reagierte, dann war wohl eher der arme, kleine, wehrlose Toffee in Gefahr!! Und er selbst vielleicht auch? Zugegeben, das schüchterte ihn gerade schon ein wenig ein. Genug, um die Beschwerde „Ich wollte das doch fangen…“ lediglich zu flüstern, was noch dazu in einem fremden Ruf unterging. „Hey! Du da!“ Was war denn jetzt schon wieder? Abgelenkt durch die Stimme sah sich Chan nach dessen Besitzer um und entdecket den etwas rundlicheren Jungen mit dem gestreiften T-Shirt, der sich vorher noch mit seinem Kumpel ein Duell geliefert und ihn so angeschnauzt hatte. „Du wirkst wie ein Schwächling auf mich! Prima! Dich knöpf’ ich mir vor!“, drohte er und schickte sein Rattfratz in den Kampf. Na ja, wenn er unbedingt verlieren wollte… „Los, Mö…“, wollte Chan seine eigene Ratte ins Gefecht schicken, doch besann er sich gerade noch rechtzeitig. „… Lieber doch nicht…“ Das andere Rattfratz war auch ein Männchen und noch einmal so etwas wie das zerfetzte Webarak wollte er nun wirklich nicht sehen…! Wahrscheinlich zeigte ihn der andere Junge dann noch an. Wegen Tierquälerei oder so. „Dann… Ähm…“ Wen sollte er stattdessen ins Rennen schicken? „Tiramisu!!“, entschied er sich schließlich und rief sein Feurigel während Mööh wieder mit seinem Pokéball Vorlieb nehmen musste. „Los, zeig die neue Attacke, mit der du vorhin Mööh losgeworden bist!“ Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. Tiramisu’s Mundwinkel verzogen sich zu einem sachten Lächeln und mit einem Knistern entflammte ihre linke Hand. Jetzt gab es gegrillte Ratte! Die erschrak darüber offensichtlich während sein Trainer mit glitzernden Augen Chan auf die Pelle rückte. „Wow, du bist ja soooo cool!!!“, jubelte er sofort. „Krieg’ ich ein Autogramm? Und deine Telefonnummer? Bitte, bitte, bitte!“ „Ähm…?!“ Chan wich abgeschreckt zurück und wollte bereits mit einem Kopfschütteln verneinen, doch da kam ihm plötzlich eine Idee. Wenn er den Leuten auf den verschiedenen Routen und in den verschiedenen Städten seine Nummer gab, dann könnten sie die Augen nach Tense offen halten und ihn benachrichtigen, wenn sie ihn sahen… Das wäre doch eine Idee! Solange der Junge nicht seine Nummer bei Ebay verscherbelte… „Na gut.“, gab er also nach und nannte dem Jungen, der sich als Julian vorstellte, die Zahlenreihenfolge, die nötig war, um ihn zu erreichen. „Yeah! Ich hab’ die Telefonnummer von Chan von AWP!“ Konnte der nicht vielleicht noch lauter kreischen damit das auch der letzte Idiot mitbekam? „Wie genial ist das denn?“ Chan blickte dem Jungen nach, der scheinbar gerade völlig abhob und vor sich hin tänzelte. Und hatte dabei irgendwie das böse Gefühl, etwas unglaublich Dämliches getan zu haben. „Du weißt schon, dass dich Julian jetzt ständig anrufen und dir irgendeinen Schwachsinn erzählen wird, wie toll doch sein Rattfratz ist, das du gerade platt gemacht hast…?“ Julian’s dunkelhäutiger Freund mit der Sonnenbrille hatte wohl ihren Kampf von gerade eben mitbekommen, wie auch das danach. „Aber mal was anderes! Liefern wir uns einen Kampf! Mit mir wirst du nicht so leicht fertig!“ Sagte er und verlor. „War nett mit dir. Bye! Wir müssen weiter.“ Chan grinste über beide Ohren über Tiramisu’s Sieg über das Taubsi und das Rattfratz, das der Junge eingesetzt hatte. Da hatte er sich wirklich ein cooles Starterpokémon ausgesucht. Nur sollte es ihm im nächsten Gebiet nicht so wirklich viel helfen, ebenso wie die anderen Beiden. Denn eine Weile später standen sie am Eingang zur Dunkelhöhle. „Yeah!“, freute sich der Schwarzhaarige mit der blonden Strähne und ballte motiviert die Fäuste. „Eine zweite Chance auf Kleinstein!“ Bei Route 46 hatte das ja nicht wirklich geklappt weil sich Mööh in den Vordergrund gedrängt hatte. In der Dunkelhöhle würde es aber erneut möglich sein, dem kleinen Gestein zu begegnen und es zu einem Teammitglied zu machen. „Und wehe, wenn jetzt ein Zubat kommt!“ Eigentlich sollte er es besser nicht verschreien. Vielleicht war er ja schnell genug und entdeckte ein Kleinstein bevor die Fledermäuse auf ihn aufmerksam wurden. Chan stürmte voran in die Höhle, Tiramisu kam eher zögernd nach. „Chan…“, jammerte sie inmitten der pechschwarzen Finsternis, in der man kaum die eigene Hand vor Augen sah. „Es ist kalt. Und dunkel.“ Es fröstelte sie, so dass sie sich mit den Händen an den Oberarmen zu wärmen versuchte. Brrrr! „Ich suche Kleinstein!“, antwortete Chan’s Stimme etwas entfernt. Es dauerte ein wenig, bis sich Tiramisu’s Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten und die Umrisse ihres Trainers ausmachen konnten. Damit hatte sie es auch etwas leichter als er, dessen Finger die Steine abtasteten. Und irgendwann fand er, was er gesucht hatte, und schrie vor Schreck auf als sich einer der Steine bewegte. „WAH!“ Um Himmels willen, da bekam man ja einen Herzinfarkt!? Aber hey, dafür hatte er ein neues Pokémon. „Willkommen im Team, Domino!“ Keine Antwort. „… Hä?“ Warum sagte er nichts dazu? Gut, es mochte ein stilles Wesen haben, aber deswegen konnte es doch trotzdem etwas Nettes sagen? Chan tastete in der Dunkelheit nach dem neuen Teammitglied und klopfte mit der Faust gegen etwas Dumpfes. „Nanu?“ Das war dann wohl Domino’s Kopf gewesen. Allerdings regte sich das Porzellanschwein noch immer nicht und sagte auch nichts. Auch nicht gegen Tiramisu, die sich einen Spaß daraus machte, das Kleinstein einzukleiden und ihm eine kuschelige Mütze aufzusetzen. „…?“ Er hatte wirklich nur komische Pokémon im Team. Aber dafür jetzt wenigstens sein erhofftes Kleinstein, das ihm in der Arena sicherlich von Nutzen sein würde! Und da er in dieser gottverdammten Höhle ohnehin nichts sehen konnte beschloss er, diese einfach wieder zu verlassen und die Reise in Richtung Viola City fortzusetzen. Sie müssten ohnehin gleich da sein. Am Eingang der Höhle klatschte ihm jedoch erst einmal ein Taubsi ins Gesicht, das sich im Eifer des Gefechts auf ihn stürzte als sei er irgendein feindliches Pokémon. „Ich hab’ schon ein Flugpokémon.“ Nämlich Toffee. Trotzdem würde er sich das Taubsi fangen. Einfach, um ein Flugpokémon in Reserve zu haben, falls etwas passieren sollte. In einer Nuzlocke Challenge war man ja nie wirklich sicher, dass alles glatt lief. „Hallo, Schoko.“, begrüßte er sein neues Vögelchen. So langsam sollte er mal wieder in einem Pokémon-Center vorbei schauen. Nach den Kämpfen war sein Team erschöpft und außerdem war es dringend notwendig, Mööh zu kastrieren. Mit dem ging es so schließlich auch nicht weiter. Reichte ja, dass der total aggro wurde, wenn er einem männlichen Pokémon gegenüber stand. Da brauchte der nicht auch noch jedes weibliche anzuspringen und es schwängern zu wollen! „Hey hey, im Gegensatz zu Toffee bin ich wenigstens auch tagsüber aktiv und nicht nur nachts!“, quietschte ihn Schoko auf dem Weg voll und versuchte wohl, ihn von ihren Vorteilen zu überzeugen. „Ich bin eindeutig die bessere Wahl! Und jetzt rück’ mal Klamotten raus!“, keifte sie dann auf einmal los als habe sie erst nach mehreren Metern bemerkt, dass sie in der menschlichen Form rein gar nichts am Leib trug. „Du siehst nicht gerade aus als wäre es dir peinlich, so herum zu laufen!“, mischte sich Tiramisu ein noch ehe Chan das Taubsi in den Ball zurück rief um das Gezeter abrupt zu beenden. „Chan!“, erklang da auch schon die nächste weibliche Stimme. Oh Mann, gab’s hier irgendwas umsonst oder warum quiekte ihm eine nach der anderen hinterher? „Chaan! Warte doch mal!“, rief die Stimme erneut. „Du bist echt schnell! Du hast mich in Windeseile überholt!“ „Ach, Tanne.“, konnte Chan endlich die Stimme seiner Youtube-Kollegin zuordnen. „Ich hab’ dich unterwegs gar nicht gesehen…?“ Wann sollte er sie denn überholt haben? Die war doch voraus gelaufen. Wo war die denn dann bitte schön zwischenzeitlich gewesen? Hatte sie sich verfranst und war in Richtung des Hauses von Mr. Pokémon abgebogen statt an den beiden jungen Trainern vorbei die Dunkelhöhle und Route 31 anzusteuern? Das erschien ihm logisch und kam als Möglichkeit durchaus in Frage, so dass er nicht weiter nachhakte. Wäre ohnehin nicht möglich gewesen, denn Tanne plapperte schon wieder über etwas völlig anderes. „Ich wollte dir noch diese Kampfkamera schenken!“ „Brauch’ ich nich’.“, wollte Chan abwinken, aber da wurde ihm das Teil schon in die Hand gedrückt. Oh Mann! „Ach ja, und sieh dich in Viola City gut um! Da gibt’s einiges an coolen Sachen zu entdecken! Zum Beispiel den Knofensa-Turm, die Trainerschule oder die Arena! …“ Tanne fixierte ihn mit leuchtenden Augen als sie wie ein Wasserfall drauflos quatschte, doch ebenso schnell verstummte sie wieder obwohl ihr Mund gleichzeitig offen blieb. „… Wobei, das war’s auch schon. Ähm…“ Ach so? Chan prägte sich ihre genannten Punkte ein. Das dürfte ja schnell gehen und in die Arena wollte er sowieso. Ohne die Arenaorden würde er schließlich früher oder später nicht mehr weit kommen. „Muss jetzt auch schon weiter nach Dukatia City, weil ich dort zum Shoppen verabredet bin! Und noch mal überholst du mich nicht! Byyyeeee!“ Und schon war der kleine Wirbelwind wieder verschwunden. „Ciao.“ Chan winkte ihr mit trockenem Gesichtsausdruck hinterher. Himmel, die war immer so aufgedreht. War das nicht anstrengend? Dieses ständige Gequietsche und Gezappel. Kopfschüttelnd wandte er sich Tiramisu zu. „Wir gehen erst ins Center und dann in den Turm. Die Trainerschule brauchen wir nicht!“ Das war doch ein Plan. Der einzige Störfaktor lief hinter ihm her und murmelte „Ich würde da gerne rein.“ „Okay, wenn’s unbedingt sein muss.“, gab Chan nach. Gegen Tiramisu hatte er eben keine Chance, also würde er ihr ihren Wunsch erfüllen bevor die ihm womöglich noch Feuer unter dem Hintern machte. Auf diese Erfahrung würde er dann doch gerne verzichten. Seufzend fand er sich damit ab, dass sie die Trainerschule besichtigen wollte. Was war denn an Schulen so interessant? Menschen mussten die ohnehin jahrelang besuchen und sich mit Prüfungen und Hausaufgaben herumschlagen. War doch ätzend. Aber als Meerschweinchen kannte sie das offensichtlich nicht und hatte deshalb großes Interesse an dem Gebäude. Chan seufzte während sich Tiramisu mit einem „Juhu!“ über seine Entscheidung freute. „Aber erst bringen wir die anderen ins Center.“, bot er ihr allerdings einen Kompromiss an. Das war wichtiger. Erst einmal alle aufpäppeln und dann konnten sie sich in aller Ruhe die Stadt mit all den wichtigen Orientierungspunkten ansehen. Außerdem lag das Pokémon-Center auf dem Weg. Schon beim Betreten von Viola City stach es einem ins Auge und war mit wenigen Schritten erreicht. „Sollen wir deine Pokémon heilen?“, fragte die Krankenschwester und streckte ihm bereits die Arme entgegen als er das Center betrat. „Ich bitte darum! Und das Rattfratz gehört dringend kastriert! Hören Sie? Dringend!“, erklärte er gleich nachdrücklich ehe er Joy die vier Pokébälle seiner Mitstreiter aushändigte. „Ich gehe in der Zwischenzeit mit meinem Feurigel in die Trainerschule…“ Würde er jedenfalls, wenn sich besagtes Feurigel in der Nähe aufhalten würde. „… Eh? Tiramisu?“ Wo war sie denn jetzt schon wieder? Und warum verschwand sie die ganze Zeit so urplötzlich? Immer musste er sie suchen! Die konnte sich doch nicht ernsthaft verlaufen haben. Sie war gerade noch hinter ihm gewesen! Mit einem Augenrollen verließ Chan das Center und hielt Ausschau nach seinem Pokémon. Dieses war vor der Tür an einem sportlich, aber gleichzeitig auch ziemlich verdächtig aussehenden Typen hängen geblieben. „Beerenfürstücke? Wie bitte?“ „Genau, Schwester! Beerenfürstücke!“ In welcher Sprache unterhielten die sich bitte? “Und was ist das jetzt genau?“, wollte Tiramisu wissen, die sich wahrscheinlich ebenso wie Chan fragte, worum es überhaupt ging und was der Kerl mit Beerenfürstücke meinte. „Komm ruhig näher! Wenn du mehr wissen willst, dann… Ähähähä…“ Da lief es einem ja eiskalt den Rücken hinunter wenn der so penetrant grinste und sich an sein Meerschweinchen ran machte! „He?!“ Mit einem schnellen Satz war Chan bei den Beiden und ergriff Tiramisu’s Hand. „Pfoten weg. Das ist ein Pokémon, du Widerling! Gaff sie nicht so an!!“, beschwerte er sich bei dem Kerl, der sogar noch ein Stück größer war als der Youtuber selbst. Aber das war ihm doch egal. Machte sich der Kerl nicht strafbar wenn er was mit einem Pokémon anfing? Mit einem Meerschweinchen, hallo? „Lass das!“ „Pah, Langweiler…!“, schnaubte der Kerl, wirkte wohl aber trotz angefressener Miene so als habe er prompt das Interesse verloren. Vielleicht gingen seine Gedanken in eine ähnliche Richtung wie die des Schwarzhaarigen und er hatte sich dagegen entschieden, Tiramisu abzuschleppen. Und noch während Chan Tiramisu an der Hand von diesem ekligen Aufreißer wegzog wandte sich der schon wieder dem nächsten Rock zu. Nicht zu fassen! „Hat dir eigentlich keiner beigebracht, dass man nicht mit komischen Fremden spricht? Dabei wolltest du doch unbedingt in die Trainerschule!“ Da musste man ja furchtbar aufpassen. Irgendwann entführte einer Tiramisu weil sie so süß war. Oder Toffee, der ihr in seiner Naivität wohl recht ähnlich war. Und auf Mööh musste man auch aufpassen wenn der so aggressiv wurde. Auf kleine Kinder aufzupassen war wahrscheinlich leichter. Wobei, gerade zog er die Pokémon vor. Schließlich befanden sich vier davon gerade im Pokémon-Center und Tiramisu, die er gerade zur Trainerschule navigierte, würde von dieser ohnehin ausreichend abgelenkt sein und keinen Unsinn mehr machen. „Wow!!!“, entfuhr es dem Feurigel als sie gerade die Trainerschule betraten und sich prompt in einer typischen Atmosphäre wiederfanden. Die Bänke waren von einigen Schülern besetzt. Die Einen folgten aufmerksam dem Unterricht, den ein bärtiger Kerl mit merkwürdiger Frisur gab; die Anderen zockten im Verborgenen irgendein Game. Der Lehrer war wohl ebenso enthusiastisch wie blöd. Freudestrahlend und hochmotiviert ratterte er den Stoff an der Tafel herunter und bekam noch nicht einmal annähernd mit wie wenig sich mancher Schüler für das, was er sagte, interessierte. „Öde…“, das fand auch Chan und konnte durchaus nachvollziehen, warum die zockenden Banknachbarn sich die Zeit anders vertrieben. Die sollten nur aufpassen, dass ihnen der Lehrer nicht ihre Handhelds abnahm. Aber der war scheinbar ohnehin auf die beiden Neuankömmlinge aufmerksam geworden und tanzte mit wilden Pirouetten in Richtung des Eingangs um Chan und Tiramisu mit seinem Gequassel Kopfschmerzen zu bereiten. „Earl lautet mein Namö! Pokémon sind wunderbar, oui! Isch werde dir vielö Lektion erteilön für zu werdön eine besserö Trainer. Was möchtest du wissön? Soll isch dir erzählön, wie man wird stark?“ Wow, krass. Er verstand nur die Hälfte von dem, was dieser Außerirdische da von sich gab, aber hey – wenn jemand so derart wie ein Wasserfall redete, dann gab es dafür doch bestimmt eine Belohnung? „Ja, erzähl mal…“, gab sich Chan also geschlagen und hoffte inständig, dass die Belohnung etwas Sinnvolles sein würde, das ihn entsprechend entschädigte. „Du möschtest also wissen, wie man trainiert Pokémon auf die Art und Weisö, die ist rischtisch?“ „Jaha…?“ Hatte er doch gesagt? Oder hatte er wirklich nicht verstanden, was der meinte? „Très bien!“, brüllte der Lehrer ausgelassen. „So lass misch erklärön! Selbst wenn eine Pokémon… Bla… kurz an die Kampf teilnimmt… Bla bla… ein paar von die EP ab… Bla…“ Chan blickte den Bärtigen an. Die Lippen bewegten sich, aber er kapierte wirklich kein Wort von dem, was der da von sich gab. „Mehr vön mir?“, fragte der Lehrer auf einmal und Chan motivierte lediglich der Gedanke an die Entschädigung zu einem desinteressierten „Jaa…ha…“ „Soll isch dir nun beibringen die korrekte Art und Weise zu kämpfön mit deine Pokémon?“ War das nicht das Gleiche wie die ganze Zeit schon? Der redete wohl gerne um den heißen Brei herum. Innerlich betete Chan bereits zu Gott, dass der den Lehrer verstummen oder ihn selbst taub werden lassen würde. Konträr dazu winselte er allerdings ein weiteres „… Ja….“ Auch wenn ihn der Lehrer gerade furchtbar nervte! „Très bien! So lass misch erklärön…“ Bla bla bla bla. Eine gefühlte Ewigkeit später holte der Kerl wohl mal Luft und Chan nutzte es, um Klartext zu sprechen. „Krieg’ ich jetzt wenigstens etwas dafür, dass ich dir zuhöre…?“ „Non!“ Der Lehrer schien noch immer nicht verstanden zu haben, dass er gar kein Interesse an seinen Worten zeigte, und beantwortete die Frage ebenso enthusiastisch wie er zuvor die Kampfweise erklärt hatte, die Chan bis jetzt nicht einleuchtete. „Scheiße. Dann tschüss.“ Das tat er sich nicht länger an! Und Tiramisu war scheinbar auch überfordert. Denn die starrte hochkonzentriert auf die Tafel, verstand aber wahrscheinlich genauso viel wie Chan. Nämlich nur Bahnhof. Da war der Knofensa-Turm sicher interessanter und lehrreicher. Außerdem würden sie dort auch wieder die Möglichkeit für ein weiteres Team-Mitglied haben. Aber zuerst mussten sie die Jungs aus dem Pokémon-Center holen… Draußen war es immer noch dunkel und dennoch vermochte der hohe hölzerne Turm einen Schatten auf die kleine Gruppe zu werfen, die ihn Minuten später ehrfürchtig nach oben blickend erreichte. „Da drin dauert’s wohl länger…“, stellte Chan mit einem nachdenklichen Blick fest während Tiramisu mit offenem Mund staunte. „Hoch…“ „Seid ihr bereit?“ „Jawohl!“, kam zu Chan in dreifacher Form ein und dieselbe Antwort auf seine Frage zurück. Dreifach deshalb, weil Domino mal wieder nichts sagte. Der hatte sich auch keinen Meter bewegt sondern musste die ganze Zeit von seinem Trainer vorwärts geschoben werden. Das würde wohl noch ziemlich mühsam werden. Ebenso das Training, das einige von den Pokémon noch bitter nötig hatten, um für alles Weitere gewappnet zu sein. Zahlreiche Bäume umrahmten den hohen Turm und schienen ihn von fast allen Seiten zu stützen. Der Eindruck, den man von außen bekam, setzte sich auch im Inneren fort. Dazu war es noch nicht einmal nötig, dass die Nasen den Geruch des Holzes einfingen aus welchem der Turm erbaut worden war. Statuen, die einem Knofensa nachempfunden waren, zierten zu beiden Seiten den Eingang. Sie sahen dem Pokémon so zum Verwechseln ähnlich, dass Tiramisu reflexartig eine Kampfpose einnahm und die leblose Statue herausfordernd anstarrte. Und sich darüber wunderte, warum diese sich keinen Millimeter rührte. Nanu? Nanu, das dachte sich auch Chan, der bereits einige Schritte voraus gegangen war und die sich bewegende breite Säule im Zentrum des Raumes begutachtete. „Krass, die Säule bewegt sich…“ Warum das denn? Ziemlich wackelige Angelegenheit. Nicht, dass der Turm gleich einstürzte, und seine Reise ein jähes Ende nahm. Grausige Vorstellung! „Die Mönche scheinen oben mitten im Training zu stecken.“, klärte ihn die Stimme einer älteren Dame auf, die wohl nur dazu da war, Schaulustigen gegenüber zu erläutern, was es mit dieser Säule auf sich hatte. Was sollte das denn für ein Training sein? Tanzten die, oder was? Auf die ungestellte Frage in seinen Gedanken bekam er zwar keine Antwort, aber die Alte war ja eh nicht alleine hier und so gab es als potenzielle Informationsquellen weitere Anwesende. Darunter zwei Mönche, von denen sich einer neben einer Leiter positioniert hatte und neugierige Gäste dazu einladen wollte, einen Blick nach oben zu werfen. Und dabei hatte er ein ganz besonderes Lockmittel: “Leute, die es bis ganz an die Spitze schaffen, erhalten eine exklusive Attacke!“, versprach er gerade als Chan näher kam. „Willst du dein Glück probieren, junger Mann?“ „Aber klar doch!“, entgegnete der Youtuber grinsend. „Und ich brauche kein Glück. Ich habe ein Feuer- und ein Flugpokémon dabei, die eure Knofensa fertig machen werden!“ Knofensa-Turm. Das hieß für ihn automatisch, dass hier wohl das rankenähnliche Pokémon angebetet und sicherlich auch im Kampf benutzt wurde. Was für ihn nur von Vorteil war, denn sowohl Tiramisu als auch Toffee sollten mit dieser Art Feind sehr gute Chancen haben. Das würde ein Kinderspiel werden! „Und dann fange ich mir auch gleich selbst eines!“ Sicherlich gab es die hier auch zu fangen und ein Pflanzen-Pokémon im Team wäre für die weitere Reise bestimmt nützlich. Zum Einen um den Zerschneider zu lernen und zum Anderen gegen diverse Wasserpokémon, gegen die Tiramisu auf Dauer nicht mehr standhalten würde. Immer schön den Typvorteil nutzen und jede Gelegenheit wahrnehmen, das Team durch Anhänger verschiedener Typen zu ergänzen. Dann würde er für alles gewappnet sein. Erst mal aber würde er hier ein wenig trainieren wenn sie es ihm ohnehin so leicht machten. Und die Attacke abstauben. Was das wohl für eine sein mochte? Gedankenverloren kletterte Chan die Holzleiter herauf und blickte oben in das grinsende Gesicht eines Nebulak. „Eh?“ Beinahe hätte er die Hand mitten in dem Gesicht des Geistpokémon platziert. So aber konnte er die Finger gerade noch rechtzeitig zurückziehen. Was dummerweise den Nachteil hatte, dass er so schnell keinen alternativen Halt mehr fand und mit einem „WOAH!“ abrutschte. Tiramisu, die hinter ihm die Leiter hinauf kletterte, machte sich ganz klein, um von dem fallenden Chan nicht mitgerissen zu werden. „AAAAAAHHHH!!!!“, schrie der gerade noch und verlor mitten im Fall sämtliches Zeug aus seinem Beutel. Darunter den Pokéball seines Hoothoot Toffee, das hochmotiviert aus diesem erschien und sich mit einem „Yay! Ich darf kämpfen!“ über den versehentlichen Ruf zum Gefecht sichtlich freute. Jene Freude währte nur kurz, denn der starre Blick des Nebulak bereitete ihm ein komisches Gefühl in der Magengegend und machte ihn schwummerig. Als hätte er nächtelang durchgemacht und jetzt erst bemerkt, wie müde er war, fiel Toffee prompt um und war noch vor dem Bodenkontakt tief und fest eingeschlafen. Das Nebulak grinste über seine erfolgreiche Attacke nur noch mehr und schleckte Toffee fröhlich über die Wange. Noch nicht einmal das konnte den kleinen Vogel wieder aufwecken. „So wird das nichts... Aaaargh…“ Wenn er Tiramisu oder ein anderes Pokémon ins Rennen schickte würde es wahrscheinlich ähnlich ablaufen. Was für eine fiese Taktik! Die sollte er sich merken! Fieberhaft überlegte er, was er alternativ machen könnte, und nutzte dann nach der Erkenntnis „Dann fange ich es eben gleich!“ die Ablenkung des Nebulak aus um einen Ball zu werfen. Obwohl es nicht geschwächt worden war blieb es brav im Ball, doch es brauchte ja noch einen Namen! Chan flüsterte diesen leise und als Oreo seine menschliche Gestalt inmitten des altbekannten Lichtblitzes annahm und Tiramisu beschämt einen hochroten Kopf abwandte, musste der Trainer einmal mehr feststellen: “Vielleicht sollte ich den Pokémon erst Klamotten geben und sie danach fangen…“ Oreo machte das wohl nichts aus, denn der grinste schon wieder und präsentierte sich mit stolz in die Hüfte gestemmten Armen ungehemmt in seiner ganzen Pracht. Kopfschüttelnd ließ Chan ihn besser wieder in seinem Ball verschwinden. Das war’s dann wohl mit Knofensa, aber ein Nebulak mit Geist- und Giftattacken war vielleicht auch nicht so übel. So konnte er sich jetzt wenigstens auf das Training und vor allem die Kämpfe gegen die Mönche konzentrieren, die noch folgen sollten. Tiramisu hatte wie erwartet mit ihrer Glutattacke leichtes Spiel mit den zierlichen Pflanzengegnern und auch Mööh und der ständig einschlafende Toffee trugen ihren Teil dazu bei, dass Chan irgendwann auch die letzte Leiter nach oben erklimmen konnte. Von dort kam ihm bereits ein Schwall an Beschimpfungen und Fluchen entgegen. Nicht diese Wörter waren es, jedoch aber die Stimme, die Chan verriet, wen er dort erwarten würde. Der junge Mann schien in ein hitziges Gespräch mit einem der Mönche vertieft und schimpfte vor sich hin. Jener Mönch versuchte wohl, ihn zu beruhigen und ihm einen guten Rat mit auf den Weg zu geben: „Du solltest deine Pokémon besser behandeln… Deine Gründe in allen Ehren… Aber du kämpfst einfach zu verbissen.“, erreichte damit scheinbar aber eher das genaue Gegenteil von der gewünschten Reaktion. „Für mich zähle nur Pokémon, die starke Siegertypen sind.“, fauchte Tense zurück und übertönte in der Lautstärke den älteren Mann. „Alle anderen Pokémon interessieren mich einen feuchten Kehricht! Ich mach das alles hier ja auch nicht nur zum Spaß!“ „Tense…!“ Mit dem doch recht überraschten Ruf lenkte er den Angesprochenen wohl ab, aber der warf ihm nur einen geringschätzigen Blick zu. „Chan…“ War das hier die Möglichkeit, endlich mit ihm zu reden, was der ganze Mist sollte? Schließlich war ja jetzt sogar die Polizei hinter Tense her. Doch während Chan noch überlegte, mit was er anfangen sollte, war der Andere bereits beim Fenster und ergriff ein Fluchtseil. Der wollte doch nicht… „Warte, Tense!“, versuchte Chan, seinen – eigentlich – besten Freund aufzuhalten. „Verrate mir wenigstens, was du vorhast!“ Der Mönch hatte doch gerade eben noch etwas von Gründen gesagt und auch Tense’ Worte ließen vermuten, dass er irgendetwas mit alledem im Schilde führte. Nur was? „Und warum du so komisch drauf bist!“ Normal war der nicht. Tense sollte es ihm erklären! Doch der schnaubte nur und stieß sich mit dem Fuß vom Fensterbrett, auf das er geklettert war, ab, noch ehe Chan ein „HE!“ von sich geben und ihm nachstürmen konnte. „Nichts für ungut, aber für einen Schwächling wie dich habe ich gerade keine Zeit.“, entgegnete Tense trocken anstelle einer vernünftigen Antwort und war mit Schwung außer Reichweite. „Komm sofort zurück!!!“ Verdammt! „Tense, du bist so ein Arsch!!“ Und weg war er auch. So eine verfluchte Scheiße! Das regte ihn jetzt aber wirklich auf! „Die armen Pokémon…“, wisperte der Mönch hinter ihm während Chan noch drauf und dran war, auf das unschuldige Fensterbrett einzuprügeln um sich irgendwie abzureagieren. „Du da. Junge.“, forderte er dessen Aufmerksamkeit ein als habe er sein Vorhaben durchschaut. Die alten, doch weisen Augen betrachteten den jungen Mann mit den dunklen Haaren und der blonden Strähne. Er kannte diesen „Tense“ wohl. Ob das der Junge war, den dieser gemeint hatte? Er sah anders aus als der Mönch es erwartet hätte. Normal. Auf eine gewisse Art war es gerade diese Normalität, die den Anblick merkwürdig machte. Vielleicht war es noch nicht zu spät… „Was?“, wollte Chan wissen, mehr verwundert als verärgert über die an ihn gerichteten Worte. Der Mönch würde sich vergewissern müssen. „Kämpf gegen mich.“, forderte er von dem deutlich jüngeren Mann und schickte sein Knofensa und sein Hoothoot bereits in besagten Kampf. „Kein Problem!“ Chan hatte gegen beide einen Typvorteil und so war seine Auswahl recht schnell klar, ebenso die Festlegung der jeweiligen Gegner: „Domino, kümmer du dich um den Vogel! Und du, Tiramisu, erledig’ die Pflanze!“ Tiramisu, die den Level des Knofensa um beinahe das Doppelte überstieg, hatte mit ihrem Gegenpart leichtes Spiel und mit einer einzigen Glut „Gewonnen!“ „Hä?“, wunderte sich Chan dennoch. Nicht darüber, aber über „Domino?“ Na gut, bei Domino und dem Hoothoot war der Levelunterschied genau entgegen gesetzt zu dem von Tiramisu und Knofensa, aber mit seiner Verteidigung als Gesteinpokémon sollte Domino eigentlich dennoch etwas reißen können. Der Vogel stürzte sich mit blitzendem Schnabel auf ihn, aber das Kleinstein rührte sich kein Stück. „Domino!!!“, brüllte Chan lauter. War der taub? „Beweg’ dich doch endlich! Komm schon!“ Gute Verteidigung war das eine. Sich von einer Attacke treffen zu lassen weil man nicht auswich, eine andere. Doch bis sich Domino regte drängte sich Tiramisu schon dazwischen und versetzte dem Hoothoot mit einem Kinnhaken den K.O.-Schlag. „HA!!“ Und nun zu Chan, denn dem hatte sie durchaus auch etwas zu sagen. Mit den Händen auf Domino’s Schultern schob sie diesen zu seinem Trainer zurück. „Chaaan! Domino ist doch aus Porzellan! Wie soll er denn kämpfen?“, erinnerte sie ihn mit jammerndem Unterton an etwas, was er die ganze Zeit über nicht bedacht hatte. „Stimmt ja…“ Kein Wunder, dass er Domino, wann immer er ihn während des Trainings einwechselte, sofort wieder auswechseln musste… Das hätte mal böse ins Auge gehen können! Der taktische Fehlschlag schien den Mönch, der seine besiegten Pokémon zurückrief damit sie sich ausruhen konnten, jedoch nicht wirklich zu interessieren, denn der erkannte mit einem „Ah, sehr gut.“ den Sieg seines Gegners an. „Mit deinem Kampfstil brauchst du dich nicht einmal vor Meister Falk zu verstecken. Hier, nimm diese TM. Das ist die TM Blitz. Damit kannst du jeden noch so dunklen Ort erhellen. Praktisch, oder? Zumindest, wenn du ein Pokémon hast, das diese TM erlernen kann.“ Der Mönch weiter unten hatte es ja bereits versprochen, dass es eine TM zu ergattern gab. Ganz schöner Betrug, dass es ausgerechnet so eine war. Chan winkte mit einem gezwungenen Lächeln ab. Die TM war doch total nutzlos! Und dafür war er jetzt extra hier hinauf geklettert? „Ähm… ist schon gut.“, versuchte er, sich vor der Annahme des unnötigen Geschenks zu drücken und suchte eilig nach einem guten Grund: „Hauptsache, wir konnten noch ein bisschen für die Pokémon-Arena hier trainieren.“ Als wolle sie ihn bei seinen Lügen – wobei das ja nicht ganz gelogen war sondern er einfach nur seine wahren Gedanken für sich behielt – unterstützen gähnte Tiramisu gerade und sorgte dafür, dass Chan dem Gespräch ein schnelles Ende machen konnte: “Wir machen uns mal wieder auf den Weg. Ist schon spät und morgen wartet langes Training.“ „Ich bin auch schon ganz schön müde…“, bekräftigte Tiramisu ihren Trainer und tappste diesem schläfrig hinterher nachdem er sich von dem Mönch verabschiedet hatte. Und der Mönch, der völlig auf die Weitergabe der versprochenen TM fixiert war, hatte prompt den ursprünglichen Grund für seinen Kampf mit Chan vergessen. Der fiel ihm erst ein, als der Trainer längst auf dem Weg ins Pokémon-Center und auf der Suche nach einem Schlafplatz war. „Oh, Mist!!! Jetzt habe ich ihn gar nicht gewarnt…!!“ Der junge Mann, Tense, hatte ihm doch eindringlich seine Gründe dargelegt, und er hatte es total verbockt, diese Chan mitzuteilen. Dabei betrafen sie ihn doch! „Äääähm… Ach, wird schon schief gehen…“, hoffte er dann. Er war ja auch nicht mehr der Jüngste und es war zu anstrengend, hinunter zu klettern und den jungen Burschen zu suchen. Außerdem hatte der ja eh gesagt, er würde morgen noch einmal trainieren gehen. Mit ausreichend Training würde er es bestimmt schaffen und dann würde es gar nicht nötig sein, ihm die eigenen Bedenken mitzuteilen… Die Ausrede mit dem Training war auch durchaus ernst gemeint gewesen, wie die verschlafenen und hungrigen Meerschweinchen am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe feststellen mussten. Sie waren noch nicht einmal ganz wach und dann nervte sie schon ein hochmotivierter und brüllender Chan: “Auuufwaaacheeen!!“, schrie er mit erstaunlicher Ausdauer. „Jetzt wird trainiert, ihr Müffelstücke! Unser Ziel ist die Arena!“ Tiramisu und Mööh wirkten verwirrt und angewidert über die abrupte Störung ihres Schlafes. Sie hatten doch gestern erst so viel trainiert, warum denn jetzt schon wieder? Das galt zwar auch für Toffee, aber für den fielen die frühen Morgenstunden vielleicht noch in seine nachtaktive Zeit, so dass er als Einziger einigermaßen fit wirkte und sich nur darüber wunderte, dass Mööh gerade noch keine Brille trug. Hatte ja schließlich noch nicht einmal die Zeit gehabt, sich diese aufzusetzen. Was vielleicht auch mit ein Grund für die verärgerte Miene war. Auch Oreo schien nicht begeistert, gähnte gerade noch herzhaft und murrte dann über die Ansprache „Müffelstücke“. Ging’s noch mit dem Kerl? Und Domino? Domino war Domino. Ein Meerschweinchen aus Porzellan, das nicht sprechen konnte. Aber irgendwie trotzdem einen ähnlichen Eindruck vermittelte wie die anderen Schlafmützen. Trotzdem drängte Chan zur Eile. Frühstücken konnten die Meerschweinchen nach der Arbeit immer noch. Quasi als Belohnung und zur Stärkung vor der Arena, in der er hauptsächlich auf Mööh und Domino setzte. Wenn er Letzteren auf irgendeines der wilden Pokémon warf machte er wenigstens auch etwas Schaden. Und das war nötig, denn letztlich waren es Oreo und Domino, die am meisten von dem Training profitierten und von ihrem niedrigen Level herunter kamen. „Yeah! Das sollte reichen!“, verkündete Chan sehr viel später das Ende des Trainings. Er war zufrieden mit dem Ergebnis. Drei Pokémon befanden sich im zweistelligen Bereich, Mööh war knapp drunter. Nur Toffee würde noch ein wenig Training benötigen, aber der hatte eine gute Fähigkeit für die bevorstehenden Kämpfe und würde sich gegen geflügelte Artgenossen trotzdem behaupten können. Es war ohnehin an der Zeit, die Früchte ihres Trainings zu erproben. Nach einer Stärkung in Form von saftig-frischem Gemüse war es auch so weit und Chan verkündete die Teamaufstellung, die er sich für die Arena überlegt hatte: “Ihr drei dürft die Arena rocken! Mööh und Toffee machen die Vorkämpfe und Domino kümmert sich dann um den Arenaleiter!“ „Jupp. Das schaffen wir schon.“, erwiderte Toffee zuversichtlich. Auch Mööh war einverstanden, auch wenn er dies mit einem grummeligen „Kinderspiel…“ äußerte und eher vermuten ließ, dass er die ganze Aktion für unter seiner Würde empfand. „Prima.“ Chan wartete Domino’s Antwort nicht ab, denn bis da eine kommen würde, wäre er längst in Rente, wenn nicht sogar gestorben. Also ging er einfach mal von Einverständnis aus. Der Kleine konnte ja ohnehin nichts dagegen machen, dass er in Richtung Arena mitgeschleift wurde. Auf zum Kampf! „Wow, du bist doch Chan von AWP!“, kreischte ihm direkt beim Betreten des Ziels schon wieder eine Stimme entgegen. „Ich kann dir jede Menge Tipps geben!“ Danke, seine Strategie stand schon, und er hatte gerade nun wirklich nicht die Zeit, sich mit irgendwelchen aufdringlichen Fans zu beschäftigen. Schließlich wollte er gegen den Arenaleiter antreten, aber außer Guido befand sich hier irgendwie niemand…? “Um zu Falk zu kommen, musst du dich auf diesen Knopf stellen!“ Ach so? Okay, dann waren die Tipps vielleicht doch ganz hilfreich. Zumal der Kerl ihm sogar ganz genau die Stelle anzeigte, auf die er sich stellen sollte. Der Knopf war ganz schön groß. „Aha, und dann…?“ Chan näherte sich dem Knopf. Um sich nicht extra bücken zu müssen trat er einfach mit dem Fuß darauf. War doch bestimmt egal, womit man drückte… „Woah!!!“ Besser wär’s gewesen, wenn er sich gebückt hätte. So hätte er vermieden, dass er durch die Schwerkraft nach unten gezogen wurde als der gedrückte Knopf einen Mechanismus in Gang setzte, der ihn, einen sich an ihm festklammernden erschrockenen Toffee und einen verächtlich „Pussy.“ murmelnden Mööh nach oben beförderte. Das Ding drehte sich auch noch, da wurde einem ja schlecht! Noch dazu musste sich Chan oben erst einmal wieder neu orientieren, wo er jetzt eigentlich war. Überall waren Balken. Wow, das weckte Vertrauen. Wenn er da herunter fiel brach er sich garantiert irgendetwas! Sehr zögerlich krabbelte Chan auf allen Vieren über den ersten Balken und sah sich bereits den beiden Vortrainern, Leo und Klaus, gegenüber. „Ganz schön hoch, was? Das Training hier oben festigt das Band zu unseren Vogel-Pokémon. Wollen wir doch mal sehen, ob du Falk gewachsen bist.“, begrüßte ihn Leo. Ob er Falk gewachsen war? Die Frage war wohl eher, ob er diesen überhaupt lebend und ohne Knochenbrüche und Schrammen erreichen würde! Und was hatte Klaus zu sagen? „Wir trainieren hier Tag und Nacht, um die stärksten Vogel-Pokémon heranzuziehen. Zeige doch mal, was du so drauf hast.“ Nichts leichter als das. Mit dem Sandwirbel-spammenden Taubsi von Klaus wurde Toffee spielend leicht fertig weil der gegnerische Trainer irgendwie nicht kapierte, dass das Hoothoot über die Fähigkeit Adlerauge verfügte, die es unmöglich machte, seine Genauigkeit zu senken. Und da Klaus genau dies Runde für Runde versuchte, hatte es Toffee sehr leicht, in der Zwischenzeit das Taubsi mit mehreren Tackle auszuschalten. Schwieriger war es für Mööh, der mit einem Schnabel attackiert wurde und als kleines Rattfratz nicht in der Lage war, dem Vogel in die Luft zu folgen. Also entschied sich Chan, sein Ass im Ärmel früher einzusetzen, und warf deshalb Domino auf das gegnerische Pokémon. Er warnte ja sogar Mööh, sich zu ducken, aber bei dessen langsamer Reaktionszeit fiel Domino auf Beide. Das Gewicht des Porzellanschweins und des erwachsenen Männchens war zu viel für den kleinen Vogel, der darunter begraben wurde. Wäre er nicht bereits k.o., so hätte wahrscheinlich der noch wütender werdende Mööh dem Vogel den Rest gegeben. So musste sich der Brillenträger damit begnügen, darüber zu fantasieren, auf welche Art er Chan für diese blöde Aktion umbringen sollte, und legte einen stummen Eid darüber ab. Da besänftigte es ihn auch nicht wirklich, dass Chan ihn und Toffee zurückrief. „Super gemacht. Gönnt euch ’ne Pause, ihr zwei.“, lobte er sie dabei. So, und wo war nun Falk? „Du hast mich gerufen?“ Chan wandte seinen Kopf in die Richtung um aus der – wie er glaubte – die Stimme des jungen Arenaleiters kam. „Falk?“ Den Kerl hätte er eher in eine Arena mit Wasser- oder Eispokémon gesetzt, denn mit seinen blauen Haaren und der gleichfarbigen Kleidung wirkte der nicht gerade wie ein Trainer von Flugpokémon. Irgendwie passte er aber dennoch hierher, denn seine Robe ähnelte gar ein wenig der von den Mönchen. Zufall? Chan wusste es nicht. Was er aber wusste, war die Tatsache, dass man sich ohnehin nie auf den äußeren Schein verlassen sollte. Falk wirkte siegessicher. „Ja. Ich bin Falk, der Arenaleiter von Viola City. Viele Leute sagen, mit Elektro-Attacken kann man Pokémon vom Typ Flug ganz leicht die Flügel stutzen und machen sich so über mich lustig. Das kann ich so nicht stehen lassen!“ Wer hatte ihn denn danach gefragt? Und war der Typ irgendwie nicht ganz helle, dass er ihm den Schwachpunkt seines Typs verriet? Als ob er das nicht bereits wüsste. Ebenso wie er wusste, dass er kein Pokémon hatte, das Attacken dieses Typs beherrschte oder diesem gar angehörte. Brauchte er ja auch nicht. Genauso wenig wie Falk’s praktische Demonstration seiner weiteren Worte. „Wenn du erst einmal siehst, wie anmutig meine Flug-Pokémon durch die Lüfte gleiten, weißt du, was wahre Größe ist!“ Pah. „Du hast doch bestimmt eh keine Pokémon vom Typ Elektro dabei!“ Noch mehr Pah. Auch wenn er Recht hatte. Und sich damit wohl ein bisschen über ihn lustig machen wollte, aber Chan würde auf diese Provokation nicht hereinfallen und entgegnete nur mit einem Grinsen und belehrend erhobenem Zeigefinger: „Brauche ich auch nicht. Ich habe schließlich Domino. Guck!“ Los geht’s. Mit seinem aktuellen Level war Domino auch stärker als Falk’s Taubsi, das den Kampf eröffnete. Chan holte Schwung und warf sein Kleinstein auf das gegnerische Pokémon. Ziemlich treffsicher und mit hoher Durchschlagskraft, denn der Vogel war prompt k.o., aber auch Domino bekam etwas davon ab. „Argh!“, machte Chan als er etwas bemerkte, was ihm nicht so ganz gefallen mochte. „Er geht kaputt!?“ Wohl wahr. Domino’s linker Arm löste sich bröckchenweise von seinem Körper ab. Da hatte er wohl zu fest geworfen! Oh weia! Das dachte sich auch Falk, der sich gezwungen war, sein deutlich besser trainiertes Tauboga in den Kampf zu schicken obwohl er sich vor den Gesteinsattacken Domino’s durchaus fürchten musste. Ha, daran hatte der wohl nicht gedacht, als er sich so auf Elektro-Pokémon fixiert hatte und dabei völlig außer Acht ließ, dass Vögel derartige Gestein-Attacken auch nicht besonders gut wegstecken konnten. Da half es dem Tauboga auch nichts mehr, dass es zwei Level höher war als Domino. Es fand trotzdem dasselbe Ende wie sein kleinerer Artgenosse, kostete das Kleinstein aber auch die Unversehrtheit seines rechten Armes. „Na hoppla.“, gab Chan summend von sich und war insgeheim doch recht froh, dass es nur die Arme waren, die sich bröckelnd vom Rest lösten. Sobald er den Orden hatte würde er einfach ins Pokémon-Center laufen damit sie Domino dort wieder zusammen klebten, und dann würde er Viola City den Rücken kehren. Hier gab es nichts mehr zu erledigen. „Ich habe gewonnen. Den Orden, bitteschön!“, forderte er mit ausgestreckter Hand von Falk, der ihm seufzend den Flügelorden reichte und ihm außerdem die TM Ruheort schenkte. Das war mal eine TM nach seinem Geschmack. Die konnte man gebrauchen. Chan lächelte stolz. „Dann mal wieder ab nach unten…!“ Dort erwartete ihn bereits wieder Guido, der ihm zu seinem Sieg gratulieren wollte, aber erst einmal „Äääh…“end auf Chan’s Allerwertesten starrte weil der mit dem Mechanismus nicht zurechtkam und sich wie ein fiepsendes Meerschweinchen am Boden festklammerte. Und sich in dem Unwissen, wie er unten ankommen würde, einfach irgendwie festhielt, so dass nicht sein Gesicht dem Ausgang präsentiert wurde sondern sein Po. „Herzlichen Glückwunsch zum Sieg!...!? Draußen wartet schon jemand auf dich. Er sagte, Professor Lind hätte ihn geschickt.“, versuchte Guido die Situation wohl irgendwie zu retten. „Und, dass er im Pokémon-Supermarkt auf dich wartet!“ Überaus interessante Pose, das musste er zugeben. Würde er garantiert nicht einnehmen wollen. „O-ok…!“, japste Chan mühsam und war noch viel zu verwirrt um sich darüber zu ärgern, dass ihm hier wahrscheinlich gleich wieder jemand Arbeit aufdrücken wollte. Sollte er noch mal zu irgendwem vorbeischauen und die Drecksarbeit für den Professor erledigen? Oder was war es diesmal? Die Antwort würde wohl im Supermarkt auf ihn warten und da sollte es als Nächstes hingehen. So viel dazu, dass es hier nichts mehr zu erledigen gab. „Ah, Chan! Lange nicht gesehen!“, begrüßte ihn der Gehilfe, den er anhand seiner Brille und seines Kittels auch ohne diesen Ruf sicherlich schnell erkannt hätte. „Ich wollte dir nur das Ei geben, damit du es für Professor Lind trainieren kannst. Würdest du?“ … Hä? Das Ei „trainieren“? Wie sollte das denn gehen? „Öhm… äääh… Keine Ahn- … äh, ich meine, wir erforschen es noch!“, stotterte der Gehilfe als er Chan’s skeptischen Gesichtsausdruck bemerkte, in dem sich diese Frage wohl offensichtlich widerspiegelte. „Herumlaufen? Warm halten??“, schlug er dann vor um nicht als komplett inkompetent zu gelten. „Klar doch…“, nahm Chan den Auftrag an, wenn auch etwas widerspenstig und sich innerlich fragend, ob der Professor und sein Gehilfe eigentlich überhaupt irgendetwas hinbekamen? Er hatte noch nicht einmal ausgesprochen, da wurde ihm das Ei auch schon in die Hand gedrückt. Mann, war das schwer geworden… nichts im Vergleich zu dem Moment, in dem sie es von Mr. Pokémon bekommen hatten. Gut, es war seitdem auch eine Weile vergangen. Er war nach Neuborkia zurückgekehrt, hatte auf dem Weg Tense getroffen, war verhaftet worden und dann an Rosalia City vorbei bis hierher nach Viola City gelaufen. Da war auch das „Lange nicht gesehen!“ von eben gar nicht mal so abwegig. Das Pokémon im Inneren des Eis hatte scheinbar auch viel Zeit gehabt, zu wachsen. Sicher dauerte es nicht mehr lange, bis es schlüpfen würde. Und der Gehilfe hatte ihm ja wenigstens ein paar Tipps gegeben, was er machen könnte, um diesen Vorgang zu beschleunigen. Aber nicht hier drin, weswegen Chan mit dem Ei im Arm den Supermarkt verließ und vor der Tür beinahe mit einer Frau im Kimono zusammen stieß. „Dieses Ei… hohoho!“, machte diese keineswegs beeindruckt oder verunsichert über den knapp entkommenen Zusammenstoß. „Hä? Was soll damit sein??“ Was zum…?! Was wollte die denn? Die Fremde senkte ihren Blick, den der geheimnisvoll das Gesicht abschirmende Fächer nicht so ganz verbergen mochte, auf das Ei in seinem Arm. „Ich verstehe.“, sprach sie weiter. „Mr. Pokémon hat es also Professor Lind geschickt und dieser gab es dann an Euch weiter…“ Konnte die Gedanken lesen? Chan runzelte die Stirn. „Das ist ein wirklich kostbares Ei. Zieht es bitte mit viel Hingabe auf.“ Hallo, war er hier etwa die Mutterhenne oder was? Er öffnete die Lippen, wollte sich wohl darüber beschweren, aber da fauchte die Fremde ihn auf einmal aus nächster Nähe und mit deutlich gehobener Lautstärke an wie ein Halbstarker: „Verstehen wir uns?!“ Wow, ging’s noch? Die war ja gruselig! Chan nickte eilig und machte sich dann lieber mal davon bevor die in ihrer gespaltenen Persönlichkeit noch seltsamer, möglicherweise sogar gefährlich, wurde. Indem er von einem Eck der Stadt ins andere flitzte setzte er damit sogar automatisch den Tipp des Gehilfen um, dass er mit dem Ei herumlaufen sollte. Auch wenn er sich dabei ziemlich dämlich vorkam und auch skeptische Blicke anderer Passanten erntete, die sich wahrscheinlich auch fragten ob er noch alle Tassen im Schrank hatte. „Irgendwie bringt das nichts…!?“, meinte Chan nach einer Weile festzustellen. Das Ei wackelte in seinen Armen, aber das konnte an der Bewegung liegen oder schlichtweg Einbildung sein. Aber der Gehilfe hatte doch noch irgendetwas gesagt. Was war das gleich gewesen? Er sollte das Ei warm halten? Wenn er sich da drauf schmiss ging das höchstens kaputt und das Pokémon in ihm auch! Dafür gab es aber andere, die diesen Job erledigen könnten. „Los, ihr Müffelstücke!“, rief er seine Pokémon zu Hilfe und forderte sie auf: „Kommt alle raus aus euren Bällen und kuschelt, bis es schlüpft!“ Dass er da nicht früher darauf gekommen war! Schon etwas später hörte er aus einem Knäuel verschiedener Meerschweinchen eine gedämpfte Stimme rufen: „H… hey! Was soll das?“ „Ah, es hat geklappt!“ Eine weibliche Stimme, die garantiert nicht Tiramisu gehörte. Nein, es war das Langhaar-Meerschweinchen Petit Four, die soeben aus ihrem Ei geschlüpft war und sich eilig in ein langes zartrosa Kleid hüllte. „Schämt ihr euch nicht, eine Prinzessin so zu behandeln? Pah!“, beschwerte sie sich prompt, dass man sie nicht gebührend in Empfang nahm, indem man beispielsweise den roten Teppich vor ihr ausrollte, oder ihr huldigte wie irgendeiner ultrawichtigen Gottheit. „Prinzessin? Bitte? Sonst geht’s dir aber gut…?“ Was hatte er sich da denn schon wieder angetan? Er hätte sich doch selbst auf das Ei schmeißen sollen. Oder es in irgendeinem Gebüsch verstecken, damit es ein ahnungsloser Passant fand und dieses zickige Meerschweinchen selbst an der Backe hatte. „Aber okay… meinetwegen. Ich hab’ keine Zeit, mit dir zu diskutieren.“, gab Chan dann aber doch lieber nach und wich so einer Endlosdiskussion mit der eingebildeten Schnepfe aus. Er hatte schließlich Wichtigeres zu tun: „Die Route 32 wartet auf uns. Auf der 36er soll zumindest angeblich irgendein komischer Baum den Weg versperren… da geht’s wohl nicht weiter.“ Leider. Aber irgendetwas war wohl an der Geschichte mit diesem Baum dran, denn wann immer er von Passanten Worte aufschnappte hatten sie irgendetwas mit diesem zu tun. Immerhin führten mehrere Wege nach Rom und so stand auch für ihn mit seinem mittlerweile kompletten Team eine alternative Route bereit. Ob nun Route 36 oder 32 war da doch egal. Über letztere würde er früher oder später in Azalea City landen, das war auch nicht schlecht. Und je länger sie unterwegs waren umso mehr Möglichkeiten hatten sie, weitere Pokémon für das Team zu fangen. Also klemmte sich Chan munter den wehrlosen Domino unter den Arm. „Komm, Domino, fangen wir uns noch ein Teammitglied für die Box! Für Notfälle…!“ Man konnte ja nie wissen! Und Domino war ihm eine liebe Begleitung, denn der redete wenigstens nicht so viel wie die anderen Müffelstücke – beziehungsweise gar nicht. Nur wenige Schritte dauerte es, da ertönte aus dem hohen Gras ein „Määäh!!“ und er warf reflexartig Domino auf die Ursache des Geräusches. „WAAAAAH!!! Wer oder was ist daaa?!?“ Ein wildes Pokémon? Egal, er warf einfach mal erschrocken ein paar Kleidungsstücke hinterher. Ein weinerliches „Mwäääh!!“ verriet ihm, dass Domino getroffen hatte und bei dem kleinen flauschigen Voltilamm scheinbar auch für eine Beule und Kopfschmerzen sorgte. „Autsch, das tat weh.“, jammerte Bananacolada aufgrund der unsanften Behandlung und sah Chan vorwurfsvoll an. „Ich verlange eine Entschädigung.“ Der wurde recht kleinlaut und versuchte, sich zu entschuldigen. „S-sorry, hab mich nur total erschreckt. D-dann… äh… hast du ’nen Wunsch frei? Oder so ähnlich? Ich nehm dich auch anstelle von Oreo mit…?“ Das war ein Voltilamm! Mit dem wollte er es sich nicht verscherzen! Das war ein Pokémon mit Elektroattacken und definitiv eine Kandidatin für das spätere Stammteam! Bedrückt starrte er auf den Boden. Das war ein bisschen blöd gelaufen, kein guter Start für eine hoffentlich lange Zusammenarbeit. „Ich werde mir etwas überlegen.“ Ja? Da fiel ihm aber ein Stein von Herzen. Zu seinem Glück entging Chan durch den abgewandten Blick seines neuen Teammitglieds dessen teuflisches Grinsen, das ihn seine Worte prompt hätte bereuen lassen. Was auch immer sich Bananacolada als Gegenleistung ausmalte konnte nichts Gutes sein! Jedenfalls nicht für ihn. Aus irgendeinem Grund fröstelte es Chan. Doch als er selbst auf die Idee kam, dass es vielleicht an dem Voltilamm liegen könnte, und sich deshalb nach ihr umsah, strahlte die ihn an wie die Verkörperung eines Sonnenstrahls. Ein breites Grinsen zierte ihre Lippen. „Ist was?“, fragte sie ihn mit zuckersüßer Stimme. Da hatte er sich wohl geirrt… „Äh…ja? Nein…“, erwiderte Chan, unsicher, was er davon halten sollte. Hatte er sich das wirklich nur eingebildet? „Wie auch immer. Ist egal…“, versuchte er sich vor der Antwort zu drücken. Besser wär’s, wenn er sie sich nicht unnötig zum Feind machte indem er ihr irgendetwas unterstellte. Das Gegenteil wäre wohl angebrachter. Nicht zum Feind, sondern zu einer starken Verbündeten. Und statt Misstrauen sollte er ihr wohl eher Vertrauen entgegen bringen. „Dann zeig mal, was du so drauf hast! Der Typ da wird deine Bewährungsprobe.“ Mit einem Nicken deutete er in Richtung der fortlaufenden Route 32. Etwas entfernt stand der Junge, den Chan wohl mit „Der da“ gemeint hatte. Und „Der da“ hatte seine Worte wohl genauso gehört wie die optimistisch grinsende Bananacolada. „MANN!!!! Ich heiße Niels!! Und nicht „Der Typ da“!“, fauchte er ihnen entgegen als sie sich ihm näherten um ihn zum Kampf herauszufordern. Auch wenn es besser gewesen wäre, es nicht zu tun. Chan hätte es sein lassen sollen. Denn mit diesem Kampf sollte das Unvermeidliche seinen Anfang nehmen. Ob ihm das jemals verziehen werden konnte? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)