Die Meeries - Nuzlocke Challenge [HeartGold-Edition] von Zekeia_galad ================================================================================ Kapitel 2: Prägende Begegnungen - oder doch eher...? ---------------------------------------------------- Jener „Idiot“ hatte gerade eindeutig Besseres zu tun als noch weitere Gedanken an die merkwürdig verhüllte Gestalt zu verschwenden. Denn ehe es sich Chan versah stürzte sich ein wildes Taubsi auf ihn und Tiramisu und klapperte bedrohlich mit dem Schnabel. Und so aus nächster Nähe sah das Pokémon doch ein wenig gefährlich aus mit den aufblitzenden Krallen. „W-Was in drei Teufels Namen…!?“, entfuhr dem erschrockenen Chan, der nicht einmal ansatzweise mit einer plötzlichen Attacke gerechnet hatte. Kaum ging man ein paar Schritte in höheres Gras, da kamen die Viecher auf einmal daher als hätten sie Tollwut. Das hielten seine Nerven doch nicht aus! „Hast du sie noch alle, du blöder Vogel!?“ Tiramisu schien sich davon so gar nicht beeindrucken zu lassen. Sie schob Chan mit sanftem Druck beiseite und ballte kampflustig die linke Hand zur Faust. „Tiramisu!!!“ „Lass mich mal.“ Ihre Augen folgten der Flugbahn des Vogels, der sich bereits wieder in die Luft erhoben hatte und nun über ihren Köpfen kreiste. Es wartete wohl darauf, einen günstigen Moment zu erwischen, der sich ihm in Form einer sich nicht sonderlich defensiv präsenten Tiramisu tatsächlich recht bald bot. „Tiramisu!!!“ Was machte die da? Chan riss die Augen auf als das Taubsi zum Sturzflug ansetzte und sich dem Meerschweinchen mit dem Schnabel voran näherte. Der Vogel würde sie treffen und auf ihrem doch noch recht niedrigen Level konnte das durchaus gefährlich werden! Sofort machte Chan einen erneuten Schritt nach vorne und hob die Arme, wollte Tiramisu vor der Attacke schützen. Doch diese hatte wohl bereits eine andere Idee. Mit einem „Ha!“ zog sie die Mundwinkel nach oben, deutete ein leichtes Lächeln an, als habe sie die Attacke des Vogels bereits erwartet. Das Taubsi war keine zwei Meter mehr entfernt und so setzte sie mit aller Kraft zum Sprung an. Dabei prallte sie mit dem Ellenbogen gegen das Taubsi, welches sie dadurch eher schlecht als recht mit der Schnabelspitze am Hals erwischte. Weh tat es trotzdem. „Mist!“, entfuhr es dem Meerschweinchen. Die Wunde begann sofort zu bluten und so legte sie ihre Rechte darauf, um den Weg zu versperren. Das hätte nun wirklich nicht sein müssen. Und wo war jetzt der Vogel? „Tiramisu! Pass auf!“, hörte sie Chan einmal mehr rufen. „Über dir!“ Die Warnung kam gerade noch rechtzeitig um Tiramisu zu ermöglichen, sich unter der erneuten Attacke des Taubsi wegzuducken. Dabei fiel sie auf den harten Boden, was nur bedingt von dem weichen hohen Gras gedämpft wurde. Aber dadurch vermied sie wenigstens einen Treffer durch ihren Gegner. Zumindest durch diesen. „Au!!!“ Irgendetwas Weiches hatte sie an ihrem Fuß berührt und sie mit scharfen Krallen gekratzt. Als sie sich nach dem Übeltäter umsah entdeckte Tiramisu ein Wiesor, das sie drohend anfunkelte. Ob es vorhatte, sich mit dem Taubsi gegen sie zu verbünden? Sie hatte das Wiesel in diesem hohen Gras vorher gar nicht gesehen. „Auch das noch…“ Was sollte sie jetzt tun, wem sich zuerst widmen? Das kleine Tier krallte sich an ihrem Bein fest wie ein Klammeraffe. „Hey!! Was soll das?“ Und über ihrem Gesicht bemerkte sie den Schatten des Vogels, der zu einem erneuten Angriff ansetzte. Na toll! Vor ihr das Taubsi, hinter ihr das Wiesor… aber Moment mal, da kam ihr eine Idee! „Na wartet!“ Mit einer flinken Handbewegung erwischte sie das Wiesor am Schwanz und zog es von ihrem Bein weg. Und weil sie es ohnehin gerade in der Hand hatte holte sie ausreichend Schwung um es dem heran fliegenden Taubsi geradewegs gegen den Körper zu schlagen. „NEEIIN!!! Lasst mich!!!“ Der Treffer hatte gesessen und beide Pokémon in Ohnmacht fallen lassen. Chan konnte das Spektakel nur sprachlos und mit offenem Mund beobachten, dem erst nach einiger Zeit ein „Ähm…“ entwich. Dazu fiel ihm wirklich nichts mehr ein. Aber gut, zwei besiegte wilde Pokémon bedeuteten ein wenig Erfahrung für Tiramisu, die sie sehr gut gebrauchen konnte. Schließlich war sie noch „klein“ und konnte noch keine besonders guten Attacken, die sie gewinnbringend einsetzen könnte. „Kannst du aufstehen?“, fragte er sein Meerschweinchen und bot ihr seine Hand an, um ihr vom Boden aufzuhelfen. Beim Versuch, aufzustehen, schien Tiramisu’s Fuß unter ihr wegzuknicken. Die Kratzer hatten kleine Blutbahnen auf ihrer Haut verursacht, und ihr „Autsch!“ war gar nicht nötig um zu erkennen, dass sie Schmerzen haben musste. Denn noch vor diesem einen Wort traten ihr Tränen in die Augen. Chan überlegte kurz. Der Blick glitt einmal zu Tiramisu’s Hals, an dem sie das Taubsi erwischt hatte, dann noch einmal zu ihrem zerkratzten Fuß. „Na gut…“ Er presste die Lippen kurz aufeinander und stieß dann ein Seufzen aus. „Huh?“ Tiramisu blickte ihn fragend an weil sie sich keinen Reim darauf machen konnte, welche Erkenntnis er gerade in seinem Kopf gewonnen hatte. Wie denn auch? Sie war zum einen weiblich und zum anderen ein Meerschweinchen, wie also sollte sie sich in die Gedankengänge eines Menschenjungen hinein versetzen können? Chan drehte sich um und ging in die Knie. Irritiert blinzelte das Meerschweinchen ihn an, noch immer nicht die Intention dahinter verstehend. „Komm schon, steig auf. Du bist verletzt…“ Ach so?! Die Augen etwas weiter öffnend verstand Tiramisu nun, was er damit bezweckte. Sie sollte auf seinen Rücken klettern und er würde sie tragen? War das nicht etwas…? Erneut blinzelte sie während sich ein zarter rötlicher Ton auf ihre Wangen schlich. Sollte sie wirklich…? Unsicher und mit zitternder Hand tastete sie nach Chan’s Schultern und hielt sich an diesen fest. Wirklich? Sie war vielleicht schwer. Allerdings fiel ihr kurz darauf ein, dass er sie schon bei ihrer ersten Begegnung auf den Armen gehabt hatte. Bei der Erinnerung errötete Tiramisu nur noch mehr und schmiegte eilig ihr rotes Gesicht an den Rücken ihres Trainers. „Geht’s bei dir so, Tiramisu?“ Chan wartete ihre leise Zustimmung ab ehe er sich erhob und ihren Beinen mit seinen Armen zusätzlichen Halt bot. Es war ein merkwürdiges Gefühl, sich auf diese Art tragen zu lassen und Tiramisu wusste noch immer nicht recht, was sie davon halten sollte. Doch sobald die ersten holprigen Schritte gemacht waren stellte sie fest, dass man sich durchaus daran gewöhnen konnte. „Da vorne ist eh schon Rosalia City…!“ Chan’s Stimme drang wie von weiter Ferne an ihr Ohr, denn Tiramisu hatte längst mit einem entspannten Schmunzeln die Augen geschlossen und sich an seinen Rücken gekuschelt. Und aus diesem Dämmerschlaf erwachte sie erst wieder als sie von einer heiseren lauten Stimme geweckt wurde. „Stopp, Grünschnabel!“ Ein alter Mann kam erstaunlich gut zu Fuß näher heran und stützte sich auf seinen Stock. Irgendwie bot er ein merkwürdiges Bild mit diesem Hilfsmittel und den tiefen Falten im Gesicht, die von seinem Alter zeugten, denn er hatte wie ein hipper Jugendlicher seine Kappe verkehrt herum aufgesetzt und wollte mit seiner Sonnenbrille wohl cool sein. „Du bist noch nicht lange Trainer, oder?“ Ein aufmerksamer Blick wanderte von oben nach unten und musterte Chan’s Erscheinungsbild ganz genau. Dieser öffnete die Lippen um etwas zu sagen, doch wurde jäh wieder unterbrochen: „Aha, Volltreffer! Wusste ich’s doch!“, stieß der Alte triumphierend aus. Mit einem breiten Grinsen hob er den rechten Daumen empor. Bei Facebook hätte er in diesem Moment wahrscheinlich auf den „Gefällt mir!“-Button gedrückt… „Aber das ist schon in Ordnung…“, fügte er dann hinzu und klang als sei es furchtbar schlimm, dass man als Trainer erst angefangen hatte. Hallo, hier war schließlich erst das zweite Kapitel und er verließ gerade zum ersten Mal sein mickriges Heimatdorf? „Keine Sorge, ich bringe dir ein paar Tricks bei! Schließlich ist ja noch kein Meister vom Himmel gefallen.“ Gott, konnte der Kerl nicht einfach aufhören zu labern? Chan und Tiramisu konnten ihn nur stumm anstarren denn sobald der Mund geöffnet wurde brabbelte der Alte sofort weiter und ließ sich unter keinen Umständen in seinem Monolog unterbrechen. Waren alle älteren Herrschaften so? Professor Lind hatte auch ein Talent für solches Wasserfall-Geschwafel... „Aber ohne das Mädel.“ Und zack. Ohne dass es Chan so recht mitbekam – und Tiramisu wohl auch nicht – hatte sich der Alte das Meerschweinchen geschnappt und flitzte im Kreis um Chan herum. „Sie scheint verletzt zu sein und würde uns nur aufhalten. Komm mal eben her, Lady…!“ „Eh?“ Es war nicht zu sagen wer von den Beiden in diesem Moment mehr überrumpelt war. Chan konnte es gar nicht fassen, geschweige denn reagieren. Einzig Tiramisu versuchte sich zappelnd und kreischend zu befreien. „Chaaaaaaaaaan!! H-hilfe!! Was soll denn das!?“ Den Alten kümmerte es nicht, denn der steuerte zielstrebig das nächste Haus mit einem roten Dach an und erklärte, worum es sich dabei handelte – auch wenn nicht ganz klar war wem genau seine Worte nun eigentlich galten: „Wir lassen dich am besten einfach gleich hier im Pokémon-Center! Dann wird sie geheilt. Außerdem wirst du hier garantiert noch Stammkunde werden.“ So schnell hatte Chan noch nie jemanden rennen sehen, schon gar nicht einen alten Mann. Der schien innerhalb von einem einzigen Wimpernschlag die Tür aufgerissen und Tiramisu im Inneren des Gebäudes abgesetzt zu haben und sauste gerade schon wieder in Chan’s Richtung. Was zum…? So schnell konnte er gar nicht schauen, da hatte ihn der Kerl am Kragen seines T-shirts gepackt und schleifte ihn durch die kleine Stadt, die mit ihren paar zusätzlichen Häusern gegenüber Neuborkia eindeutig die Nase vorn hatte. Vor jedem Gebäude, zu dem er etwas zu sagen hatte, blieb der Alte kurz stehen, erklärte, und rannte weiter. „Hier ist der Supermarkt! Da gibt’s Bälle und andere nützliche Items.“, erläuterte er den Sinn und Zweck des blau bedachten Gebäudes neben dem Pokémon-Center. „Hier geht’s zur Route 30. Schau doch!“, war dann die nächste Erklärung mit zusätzlich deutendem Zeigefinger in Richtung des Weges, der aus Rosalia City führte. „Dort gibt’s Trainer, die nach Gegnern suchen. Und wenn du noch ein Stück läufst, kommst du zum Haus von Mr. Pokémon.“ Prima, da wollte Chan ja eigentlich sowieso hin. Aber er hatte keine Chance, den Rundgang des alten Mannes zu unterbrechen, der bereits von der Route abdrehte und das Meer ansteuerte. „Und das ist das Meer, wie du siehst. Manche Pokémon halten sich ausschließlich im Wasser aus. Du kannst hier surfen oder angeln.“ Wie praktisch. „Vielen Dank für die unnütze Info.“, dachte sich Chan, der genau wusste, dass er weder surfen konnte noch eine Angel besaß. Somit konnte er mit dieser Aussage aktuell noch gar nichts anfangen außer sie als unwichtig abzustempeln. War der Kerl jetzt endlich fertig? Die Hoffnung wurde jäh zerschlagen als der Alte stolz ein weiteres Haus präsentierte. Es sah eher unscheinbar aus, nicht so imposant wie das Pokémon-Center oder der Supermarkt, die wenigstens durch etwas andere Dächer heraus stachen. „Und daaa~s…“ Oha, das klang, als sei dieses Gebäude furchtbar wichtig. Als dürfe man Rosalia City nicht verlassen ohne es gesehen zu haben weil man die Sehenswürdigkeit schlechthin verpasste. „… ist mein bescheidenes Zuhause!“, zerstörte auch die Hoffnung, dass irgendetwas an dem Ganzen hier Sinn machte. Das war… ernüchternd. „Danke, dass du mich bis hierher begleitet hast!“, erwiderte der Alte grinsend und endlich – endlich! – den starren Griff um Chan’s Kragen lösend. Der hier doch gar nicht freiwillig mitgemacht hatte und immer noch überfordert und mit leerem Blick vor sich hin starrte. Das fiel wohl auch dem Alten auf. „Und weil du Chan von AWP bist und ich ein großer Fan bin, möchte ich dir gerne meine ganz persönlichen, supertollen Turbotreter schenken! Sie sind noch schön warm vom Tragen!“ Chan hatte die Situation immer noch nicht ganz realisiert und streckte wie fremd gesteuert seine Hände in Richtung des müffelnden Schuhpaares aus. „Der Witz war gut, oder? Du bekommst natürlich ein brandneues Paar.“ Wow, alles andere wäre ja wohl auch ein bisschen eklig gewesen. Andererseits fielen manchen Leuten noch merkwürdigere und fragwürdigere Geschenke ein. Chan, der gerade bemerkte, das die Führung damit wohl beendet war, fand nur langsam in die Realität zurück und kam erst dann in dieser an als der Alte aus seinem Haus längst einen nigelnagelneuen Schuhkarton geholt und ihm diesen in die Hand gedrückt hatte. Als sich Chan das Präsent etwas näher besah stellte er sogar fest, dass die Schuhe gar nicht mal so schlecht aussahen. Das flammenähnliche Muster verlieh ihnen einen sportlichen Touch und auch die Farbe war nicht so schlimm wie erwartet. Er hätte ja fast damit gerechnet, dass ihm dieser Spaßvogel rosafarbene Schühchen andrehte… So aber konnte der Dunkelhaarige aufatmen und in das neue Schuhwerk schlüpfen, welches wohl der Grund dafür war, warum dieser Alte so unheimlich schnell laufen konnte. Und siehe da – kaum hatte Chan die Schuhe an schienen sich seine Füße wie von selbst in Richtung des Pokémon-Centers zu bewegen. „WOAH!! Argh!!“ Das ging ihm zu schnell! Er konnte nicht einmal mehr rechtzeitig bremsen und prallte mit voller Wucht gegen die Tür. Seine Nase! „Au!!“ Durch die Geschwindigkeit und den Aufprall wurde Chan’s Körper nach hinten abgefedert und er plumpste rücklings auf den Boden. Diese Schuhe waren ja gefährlich! Am besten zog er die gleich wieder aus! „Hm?“ Noch ehe er sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte entdeckte er Tiramisu, die gerade aus dem Pokémon-Center kam. „Ah! Tiramisu…!“ Und schwupps war Chan wieder auf den Beinen und sah sein Meerschweinchen besorgt an. „Bist du wieder fit?“ Sie sah wieder etwas besser aus. Ihr Gesicht war nicht mehr ganz so blass sondern hatte wieder eine gesündere Farbe angenommen. Und in ihren Bewegungen schien sie auch nicht mehr eingeschränkt zu sein. Der Gang war sicherer und sie lächelte ihn fröhlich an. „Ja!“, bestätigte Tiramisu ihr momentanes Befinden, doch im nächsten Moment verriet ihr knurrender Magen, dass es durchaus noch verbesserungswürdig war. „Ä-ähm…“ Ups. Das war ihr jetzt schon ein wenig peinlich. Aber sie hatte schließlich auch noch nichts gegessen und das Glas Wasser, das sie von Chan’s Mutter bekommen hatte, machte auch nicht satt. „Ich glaube, da hat wohl jemand Hunger… Da vorne war ein Geschäft. Glaube ich…“ Tiramisu’s Augen blitzten freudig auf, Chan hingegen blickte bei seinen eigenen Worten ziemlich entgeistert drein. Er hatte sein ganzes Erspartes eingepackt und sah vor seinem geistigen Auge seine Pokédollar gerade von dannen schweben… Hoffentlich fraß ihm dieses Meerschweinchen nicht am Ende die Haare vom Kopf! „Hier.“ Das war doch das Haus mit dem blauen Dach gewesen, richtig? Er näherte sich diesem und fasste nach der Türklinke. Hinter sich hörte er ein quietschendes „Jaaaa! Futter!!“ Tiramisu schien irgendeine Art Freudentanz aufzuführen. Was genau trieb die da eigentlich? Die hatte wohl zu viel Energie, von wegen Hunger… Kopfschüttelnd winkte Chan sein Meerschweinchen heran und öffnete nun endlich die Tür zum Supermarkt. „OOOOOOOOOOOOOOOHHHHHHH!!!!!“ Oh Gott, Tiramisu flippte ja völlig aus! „DAS PARADIES!!!!“ Lag das jetzt am Geschlecht oder warum ging die so ab wenn es um einen kleinen Einkauf ging? Chan rückte lieber etwas von ihr ab und ging zu dem Verkäufer an der Kasse. Der war als Mann vielleicht gerade eine etwas angenehmere Gesellschaft als ein durchdrehendes Meerschweinchen, das sich förmlich auf die Regale stürzte und um diese herum sprang. „Willkommen!!“, wurde er dort begrüßt. „Kann ich euch helfen?“ Grins. Dieses Angebot würde er doch gerne annehmen. Die Leser wollten bestimmt auch mal andere Pokémon außer Tiramisu sehen. Schließlich hatte er noch so viel mehr Meerschweinchen…! Aber zum Fangen benötigte er etwas ganz dringend, was er im Moment noch nicht besaß: „Ich brauche Pokébälle!“ „Pokébälle sind leider schon alle ausverkauft. Vorhin hat ein junger Mann den ganzen Rest gekauft.“ Grins, grins. Das Grinsen regte ihn jetzt schon auf, aber Chan war gerade nicht nach einem Streit zumute und so akzeptierte er schnaubend, dass die nächste Lieferung wohl noch etwas auf sich warten ließ. So ein Mist. „Dann eben nur Gemüse.“ Für Tiramisu. „Und für mich ’ne Pizza.“ „Sehr gerne.“, erwiderte der Verkäufer und Chan machte sich schon Hoffnungen. Sollte er sich dringend abgewöhnen, denn im nächsten Moment kam der nächste Dämpfer: „Pizza ist schon ausverkauft. Hat auch schon der junge Mann…“ „Hmpf!!! Na toll…“ Von was hatte dieser Typ denn bitte schön nicht das letzte Stück gekauft? „Wie wäre es stattdessen mit ein paar Heilsalben und Tabletten? Sie wirken gegen Gift und Paralyse.“, versuchte ihm der Verkäufer alternative Angebote zu machen. „Meinetwegen…“ Die Medikamente waren zwar keine Pizza und somit würde er wahrscheinlich bereits zu Beginn seiner Reise verhungern, aber was soll’s… dann überlebte wenigstens Tiramisu. War doch sicher auch einmal interessant, eine Nuzlocke Challenge, die daran scheiterte, dass der Trainer verhungert war. Chan seufzte und zückte seinen Geldbeutel. „Das macht dann insgesamt 1.800 Pokédollar!“ Grins, grins, grins. Boah… „WAS!?“ Sah er aus als wäre er irgendein Neureicher? Als Youtuber verdiente man zwar ein bisschen was, aber nicht so viel wie manche immer meinten. Der Verkäufer hier dachte wohl auch man wurde über Nacht reich… Schweren Herzens trennte sich Chan von seinen hart verdienten Münzen. Und bevor der Kerl ihm jetzt noch mehr abzocken wollte schob er dem lieber gleich einen Riegel vor. Die ein oder andere Masche kannte er schließlich! „Und ich brauch’ keine Tüte, ich hab’ schließlich meinen Beut…“ Moment mal? Wo war sein Beutel? Er hatte ihn doch die ganze Zeit um gehabt? Hatte er zumindest gedacht, aber jetzt, wo er sich danach umsah, entdeckte er, dass er sein Gepäck gar nicht mehr dabei hatte. Ach du Scheiße?! Hatte er es unterwegs verloren? Vielleicht bei dieser Sache mit dem Taubsi und dem Wiesor? Bestimmt hatte er den Beutel schon gar nicht mehr gehabt als er Tiramisu huckepack getragen hatte. Und die hatte seinen Beutel auch nicht dabei, wie er mit einem Blick in ihre Richtung feststellte. „Ach egal. Tiramisu!“ Mit dem Ruf machte er sein Meerschweinchen auf sich aufmerksam bevor die hier noch Wurzeln schlug oder in ihrem eigenen Sabber angesichts der vielen frischen Leckereien im Regal ersoff. „Gehen wir. Der Saftladen hier hat fast nichts Brauchbares und ist obendrein teuer! Und Mr. Pokémon wartet bestimmt schon.“ Tiramisu blinzelte ihn an einer Karotte knabbernd an. Was? War es etwa schon so spät, dass sie aufbrechen mussten? Ein wenig wehleidig warf sie noch einen Blick in das Regal. So viele Köstlichkeiten, so viel leckeres und knackiges Gemüse… aber gut, sie hatte von einer rundlicheren Kundin gerade diese extrem saftige Karotte geschenkt bekommen und war für den Moment wunschlos glücklich. Also folgte sie vor sich hin nomsend Chan nach draußen und in den Norden von Rosalia City. Die Fortsetzung der Reise war schließlich auch ganz spannend, außerdem war sie neugierig wegen diesem Mr. Pokémon und dessen Entdeckung. Zuerst einmal galt es aber heil über diese Route zu kommen. Im hohen Gras versteckten sich haufenweise Käferpokémon. Gefühlt alle paar Meter wurden sie von flinken Webarak, hinterlistigen Raupy und trägen Safcon aufgehalten. Immerhin stolperten sie dabei auch über Gemüse und Tabletten, die wohl irgendwelche anderen Trainer auf der Flucht vor den bösen übermächtigen Käfern verloren hatten. Unterwegs verdrückte Tiramisu über das ganze Gesicht strahlend eine extragroße Gurke und Chan sah sich mit einem Fan konfrontiert, der bei seinem Anblick abging wie ein Zäpfchen und ihm die Hand so lange schüttelte, dass Chan das Gefühl hatte, sie würde ihm gleich abfallen. „Wow, du bist doch Chan von AWP!!! Ich bin ein großer Fan!“, schien dieser sein Glück gar nicht fassen zu können. „Hier, ich möchte dir uuuuuunbedingt diese Aprikokobox schenken!“ Geschenke nahm er natürlich gerne an, auch wenn er eigentlich gar nicht vorhatte, jetzt zum Aprikokosammler zu mutieren und täglich an jedem Aprikokobaum vorbei zu schauen… aber einem geschenkten Gaul sah man ja bekanntlich nicht ins Maul und so bedankte sich Chan höflich und schritt weiter voran bis eine Kampfansage seine ganze Aufmerksamkeit einforderte: „Los, Rattfratz, Tackle!!“, befahl eine junge Stimme. Chan zuckte bei dem lauten Gebrüll zusammen. Was? Da wollte ein Trainer mit ihm kämpfen? Ha! Dem würde er es zeigen! „Alles klar, ich nehme die Herausforderung natürlich an! Los, Tiramisu, dem zeigen wi-… Äh… Moment… Hä?“ Nach weiteren Schritten hatte er den rufenden Trainer ausfindig gemacht, aber der stand mit dem Rücken zu ihm und drehte sich gerade erst um. „Ach, du meintest gar nicht mich…“, versuchte Chan den Jungen zu beschwichtigen, der die Backen wie ein Hamster aufblähte und ihn empört anstarrte. „Mann ey, was willst du?“, beschwerte er sich prompt über die Störung. „Du nervst! Ich kämpfe gerade gegen meinen Kumpel!“ Ja, das sah er jetzt auch. Entschuldigung, dass er besagten „Kumpel“ hinter dem dicken Trainer nicht gleich gesehen hatte! Das war doch aber kein Grund, ihn gleich so anzupflaumen… „Öhm… könntet ihr vielleicht Platz machen? Ich muss zu Mr. Pokémon.“ Die Route war ja groß genug um den Kampf woandershin zu verlagern. Aber inkompetent wie die Trainer in Pokémon-Spielen nun mal waren machte der Junge keine Anstalten, den Weg frei zu machen. Sein Kumpel ebenso wenig, denn der nutzte die Ablenkung und befahl seinem eigenen Rattfratz, das den dicken Jungen anzugreifen. „Geh woanders lang!“, forderte der im Moment noch von Chan. „Du hast ja noch nicht einmal ein Pokémon dabei…!!“ „Hä?“ Natürlich hatte er ein Pokémon!? Eines, das die ganze Zeit schon rum stresste weil es ihr nicht schnell genug voran ging. Oder erkannte der nicht, dass es sich bei Tiramisu um ein Feurigel handelte? Wäre nicht verwunderlich, aber das Meerschweinchen würde sich bestimmt outen. „Tiramisu??“ Er entdeckte ihren Haarschopf inmitten des hohen Grases zu seiner Rechten. „Komm schon, Chan!“ Während er sich mit dem Trainer geplagt hatte, hatte sich Tiramisu bereits nach einem anderen Weg umgesehen und dabei hochkant in das Gras gestürzt, in dem sie beinahe unterging. Bei genauerem Hinsehen entdeckte der Dunkelhaarige, dass sie einen gut versteckten Weg durch das dichte Gebüsch ansteuerte. Nicht schlecht! Da folgte er ihr doch gleich und konnte bereits nach kurzer Zeit ein kleines Häuschen ausmachen vor dem ein Mann mit erhobenen Armen, die ein großes Ei hielten, herum hampelte und die ganze Zeit „Chaaaaan! Chaaaaan!!!“ plärrte. „Da bist du ja endlich!“ Der Hampelmann, auch genannt Mr. Pokémon, wurde mit einem Mal auf ihn aufmerksam als er sich nach der Ursache des Raschelns umsah und die Beiden dort entdeckte. Professor Lind hatte ihm geschrieben, dass sie kommen würden, und er wartete schon gefühlt eine halbe Ewigkeit. „Du bist doch Chan, oder?“, vergewisserte er sich, dass er den richtigen Trainer angesprochen hatte. „Der Idiot, der extra hierher kommt, nur weil Professor Lind zu faul ist…?“ Mr. Pokémon rannte auf ihn zu und stolperte, kurz bevor er bei ihnen angekommen war, über einen Stein. „ARGH!!“ Oh nein, das Pokémon-Ei!! Es rutschte ihm aus der Hand und der ehemalige Besitzer verfiel kreischend in eine solche Panik, dass es einen weiteren Mann auf den Plan rief. „Mach doch keinen solchen Krach, Mr. Pokémon. Was ist denn los? Oh?“ Die hellen Augen hatten neben seinem Freund auch Chan und Tiramisu entdeckt. „Ach. Bist du nicht Chan von AWP? Mein Name ist Professor Eich.“ Chan versteckte sich gerade hinter dem Rücken seines Meerschweinchens und lugte erst bei der Vorstellung des älteren Herrn hervor. Tiramisu wirkte im Gegensatz zu ihm nicht einmal ansatzweise skeptisch sondern blinzelte den Professor treudoof wie ein Lama und das gefangene Ei umklammernd an. „Was haben wir denn da?“ Der Professor kam näher und ging an Mr. Pokémon, der sich gerade mühsam und den Rücken haltend in die Höhe kämpfte, vorbei. Mit einer nachdenklich am Kinn angelegten Hand musterte er Tiramisu. Was war das denn für ein Pokémon? Ein solches hatte er ja noch nie gesehen. „Das ist ein ziemlich seltenes Pokémon, das du da spazieren führst…“ war schließlich der Schluss, zu dem er kam. „Hmmmm…“ „Das ist weil… bla… bla…“ Mr. Pokémon ratterte Professor Eich wohl den gesamten Verlauf seines E-Mail-Austauschs mit Professor Lind herunter, der scheinbar haarklein Chan’s Rolle in dem Ganzen beschrieben hatte. „Ach, du hilfst Professor Lind also bei seiner Forschung?“, erkundigte sich der Professor aus der Kanto-Region und musterte nun auch Chan mit deutlichem Interesse. „Du siehst auch aus wie jemand, der sich sehr um seine Pokémon kümmert. Und du scheinst zuverlässig zu sein. Alles klar, möchtest du mir auch helfen?“ Prompt und ohne eine Antwort abzuwarten versenkte der Professor seine Hand in der weiten Tasche seines weißen Kittels und zog ein kleines Gerät hervor. „Sieh mal her… Das ist das neueste Modell des Pokédex. Er erfasst automatisch Daten über Pokémon, die man gefangen oder gesehen hat, und legt selbstständig neue Einträge an. Er ist eine Art High-Tech-Lexikon. Nimm ihn mit auf deine Reise!“ Gehörte langes Gerede eigentlich zu den Dingen, die man beherrschen musste, bevor man Professor werden durfte? Dieser hier ratterte alle möglichen Funktionen des kleinen Geräts herunter und kam aus den Lobreden und der Schwärmerei gar nicht mehr heraus. „Augen zu und durch!“, beschloss Chan und nahm den Pokédex an, damit das Geplapper hoffentlich sein Ende nahm. „Und jetzt speicher am besten noch meine Telefonnummer in deinem Pokécom ein, damit ich dich jederzeit belästigen kann!“ Lachend ratterte Professor Eich die Zahlenfolge herunter und Chan ergab sich seinem Schicksal, irgendwie nur die Nummern von komischen Professoren und seiner Mutter zu haben. Doch gerade als er die neue Nummer hinzufügen wollte klingelte der Pokécom. Wer war das denn jetzt? “Ja? Wer stört?“, fragte Chan, den Anruf annehmend. „H-hallo, Chan? Es ist schrecklich!“, ertönte Professor Lind’s Stimme so laut, dass es Chan beinahe das Trommelfell zerriss und Tiramisu, Professor Eich und Mr. Pokémon auch ohne Lautsprecher den sich überschlagenden Worten lauschen konnten. „Äh… uhm… wie soll ich das erklären? Ich weiß ja selbst nicht, wie… Jedenfalls ist es ganz schrecklich! Bitte, komm schnell zurück!!! Wääähääää!“ „Professor?“, versuchte Chan, sich Gehör zu verschaffen. „Was ist…? Was?“ Er verstand rein gar nichts. Was war denn passiert? „Herrgott, jetzt brüllen Sie doch nicht so ins Telefon! Und reden sie langsamer! Ich versteh kein Wort…!“ Aber da hatte Professor Lind schon aufgelegt… Irgendetwas musste passiert sein. Er warf einen kurzen Blick in Tiramisu’s Richtung. „Beeilen wir uns!“ „Okay!“ Er vermochte nicht so recht zu sagen, wie das Meerschweinchen auf diesen merkwürdigen Anruf reagierte. Einerseits schien sie sich darüber zu freuen, dass es etwas zu tun gab, andererseits war sie aber bestimmt auch besorgt, was ihrem ehemaligen Besitzer zugestoßen sein könnte. Das Gebrüll des Professors war wohl aber noch meilenweit zu hören gewesen und hatte einige wilde Taubsi auf den Plan gerufen, die ihnen kampflustig nachflatterten. „LAUF!“, schrie Chan und nahm die Beine in die Hand, um möglichst schnell zurück nach Rosalia City zu bekommen. Einige Treffer kassierten sie dennoch von den Vögeln und nachdem sie schnaufend und hustend in der kleinen Stadt angekommen waren war erst einmal ein erneuter Abstecher ins Pokémon-Center fällig, um wieder zu Kräften zu kommen. Puh. Das war anstrengend. Zu dumm, dass es hier keinen Schutz zu kaufen gab, mit dem sie sich in solchen Situationen die feindlichen Biester vom Leib halten könnten. Immerhin hatten sie die Vögel abgehängt, denn über die Grenze hinweg schienen sie ihnen nicht zu folgen. Vielleicht fürchteten sie sich vor zu vielen Menschen. Einem Habitak wäre es wahrscheinlich egal gewesen, die waren ja doch noch eine Spur aggressiver als Taubsi. Und wo war Tiramisu jetzt schon wieder? Er entdeckte sie beim Ausgang der Stadt, wo ihnen zuvor der alte Mann entgegen gelaufen war. Chan runzelte die Stirn als er bemerkte, was genau Tiramisu da mit genießerisch geschlossenen Augen tat. „Ein Feuer-Pokémon, das Blumen beschnüffelt… Ich fasse es nicht.“ Wobei, sie war ja auch Vegetarierin… vielleicht war sie deswegen so angetan? „Wie lange dauert das noch?“ Er dachte, sie machte sich vielleicht Sorgen? Der Dunkelhaarige schüttelte den Kopf. Neben ihm schnaubte jemand verächtlich. „Hm?“ „Ein Pokémon aus dem Labor. Was für ein peinliches Exemplar. Passend für einen Schwächling wie dich…“ Die Stimme kannte er doch. Das war der Typ, der vor dem Labor in Neuborkia herum gelungert und auf einmal auf ihn eingeschlagen hatte! Der Kerl mit dem Kapuzenpullover, der Möchtegern-Bösewicht, der sein Gesicht nicht zeigen wollte. „Du schon wieder? Willst du Stress? Lass mich und mein Pokémon in Ruhe!“ Was laberte der ihn so von der Seite an und bezeichnete ihn als Schwächling und seine süße Tiramisu als peinlich? War doch ihre Sache wenn sie gerne Blumen beschnüffelte. Jeder hatte doch irgendeine Macke…! Der Fremde schnaubte erneut und deutete mit dem Zeigefinger auf Chan. „Was ich damit sagen will? Dann erkläre ich’s dir eben: Du bist ein Loser und dein Pokémon auch. Meins hier ist dagegen nicht übel. Wenn es mit dir fertig ist, bleiben keine Fragen mehr offen. Oder willst du etwa behaupten, du könntest gegen mich gewinnen…?“ Sollte das eine Herausforderung zum Kampf sein? Chan verzog schmollend das Gesicht und zeigte dem Kerl den Mittelfinger. „Das wollen wir doch erst einmal sehen!!!“, entgegnete er auf diese Provokation hin. „Das lassen wir nicht auf uns sitzen! Mach ihn platt, Tiramisu!!!“ „Los, Karnimani.“ Was? Chan starrte mit mulmigem Gefühl auf das gegnerische krokodilähnliche Pokémon. Das war jetzt aber gar nicht gut. War Karnimani nicht vom Typ Wasser? Damit dürfte es gegenüber Tiramisu, dem Feuer-Pokémon, im Vorteil sein. Er biss die Zähne zusammen, dann fiel ihm eine Taktik ein, mit der er den Kampf vielleicht trotzdem für sich entscheiden könnte. Und so flüsterte er Tiramisu ins Ohr: „Setz erst Rauchwolke und Silberblick ein, bevor du es mit Tackle angreifst.“ Mithilfe der Rauchwolke würde es dem Karnimani schwerer fallen, das Meerschweinchen zu treffen, und anhand des Silberblicks könnte Tiramisu die Verteidigung des Gegners senken. Dadurch würde sie selbst kräftigere Treffer landen können und das Karnimani vielleicht nicht fähig sein, zum Gegenschlag auszuholen. „Karnimani, Silberblick!“ Scheinbar war der andere Trainer nicht ganz so dämlich, sich auf den Typvorteil zu verlassen, und setzte eine ähnliche Taktik ein. Allerdings war der Rauch sehr dicht und im Gegensatz zu Tiramisu hatte das Karnimani wohl nicht darauf geachtet, sich die Position des Feindes einzuprägen. Noch während sich das krokodilähnliche Pokémon hektisch umsah machte sich das Meerschweinchen bereit, mit Tackle anzugreifen und traf. „Tz-!“, schnaubte der Verhüllte. „Für einen Schwächling hast du ganz schön was auf dem Kasten… Keine schlechte Taktik.“ Wollte er sich damit bei ihm einschleimen und ihn vom Kampfgeschehen ablenken? Wenn ja, dann hatte sich der Kerl gehörig geschnitten, denn Chan ignorierte die grimmige Bemerkung und wies sein Meerschweinchen an, weiter mit Tackle anzugreifen. Mit einem „Karnimani, weich aus.“ reagierte allerdings auch der andere Trainer und sorgte dafür, dass sich Karnimani mit dem Bauch voran auf den Boden legte. Tiramisu, die gerade bereits zu einem Tackle angesetzt hatte, kullerte über den Feind hinweg und streifte diesen nur noch mit dem Knie. „Gleich hast du’s geschafft!“, feuerte Chan sie an. „Los! Tackle!“ „HIYAH!“, stieß Tiramisu einen Kampfschrei aus um einem Faustschlag in Karnimani’s Gesicht zusätzliche Kraft zu verleihen. Gewonnen! Das gegnerische Pokémon sah schon sehr mitgenommen aus und wurde deshalb von dem Verhüllten zurück gerufen. „Du hast gewonnen.“, gab der Verlierer missmutig zu. „Bist du jetzt zufrieden… …?“ Keine Antwort. Chan besah sich Tiramisu’s siegreiche Linke und erkundigte sich, ob bei ihr alles okay war. Na dann. Die Ablenkung wollte der Vermummte nutzen um sich aus dem Staub zu machen. Doch da hatte er die Rechnung ohne Chan gemacht. „He!“, rief der Dunkelhaarige sofort und eilte dem jungen Mann mit der Kapuze nach, die Hand ausstreckend um ihn irgendwo zu fassen zu bekommen. „STOPP MAL! Was sollte das jetzt eigentlich? Wer bist du und was zum Teufel hast du für ein Problem mit mir und meinem Pokémon!? Und was hast du beim Labor gemacht?“ „H-Hey!“ Chan hatte den Fremden an der Kapuze zu fassen bekommen und zog daran, um ihn zurückzuhalten, was den panisch-empörten Ausruf zur Folge hatte. Und noch ehe der Andere es verhindern konnte, hatte der Youtuber ihm die Kapuze vom Kopf gezogen und blickte in ein bekanntes Gesicht, auf das er mit einem überraschten „Wa-… DU?“ reagierte. Tense…!? Die kurzen braunen Haare, die hellen Augen… ganz klar Tense. Ein Tense ohne Brille, aber unverkennbar ein Tense! „Du trägst zwar keine Brille, aber du bist es definitiv!“ Was machte der denn hier?! „Shit.“, gab Tense grummelnd zurück und wühlte in der Tasche des Kapuzenpullovers nach der unauffindbaren Brille. „Wo hast du die Brille hin? Verloren?“, fragte Chan, der durch die Identifikation seines besten Freundes vollends aus dem Kontext gerissen wurde und prompt die zuvor gestellten Fragen vergessen hatte. Was machte Tense hier, warum meckerte der ihn an und warum hatte er gegen ihn kämpfen wollen? „Das frage ich mich auch. Sie muss doch hier irgendwo sein…“, murmelte der Braunhaarige noch immer suchend. „Ahahaha!!!“, fing Chan auf einmal bei einem gewissen Gedanken an zu lachen. „Kein Wunder, dass du gegen mich verloren hast, wenn du nicht mal was siehst!! Du bist so ein Idiot! Hahaha!!“ Tense zusätzlich zu provozieren hätte er wohl besser lassen sollen. Denn der hatte nun wohl doch noch seine Brille in der Tasche gefunden, aufgesetzt und funkelte Chan nur noch wütend an bevor er ihm mit einem „Nerv’ nicht!“ einen Faustschlag ins Gesicht verpasste wie zuvor Tiramisu seinem Karnimani. „Ah!“ Autsch…! „Depp!“, beschwerte sich Chan und hielt sich die Wange. Wollte der ihm alle Zähne rausschlagen oder was? „Schon wieder!“ Das war jetzt schon das zweite Mal. Erst die Prügelei vor dem Labor und jetzt kassierte er schon wieder eine? „Ich dachte, wir seien Freunde?“ Jener Freund stapfte allerdings gerade schon schnaubend davon und Chan wurde durch einen durchdringenden Blick von Tiramisu davon abgehalten, Tense zu folgen. „Wolltest du nicht eigentlich nachsehen, was beim Professor passiert ist? Du trödelst schon wieder so…“ Ach ja, der Professor und sein Anruf. Da war was. Das hätte er ja fast vergessen! Und nachdem er sich umsah und Tense ohnehin nirgends mehr entdecken konnte entschied sich Chan schulterzuckend dafür, Tiramisu’s Worten nachzukommen. Zum Glück ging es schneller von Rosalia City nach Neuborkia als anders herum. Denn auf dem Rückweg konnten sie wenigstens bei den Vorsprüngen hinunter springen und das hohe Gras größtenteils meiden. Noch einmal würden sie sich nicht von wild gewordenen Taubsi über eine ganze Route jagen lassen! Außerdem war es schön, zu sehen, wie schnell sie auf einmal vorankamen. Schon kurze Zeit später standen sie vor dem Labor und Chan riss mit einem „Hallo?“ die Tür auf. Um kurz danach ein Klicken zu vernehmen und auf Handschellen zu blicken, die seine Handgelenke aneinander ketteten. „H-hä?“ Was ging denn jetzt ab? „Was soll die Scheiße denn jetzt!?“ Vor ihm stand ein Polizist, der ihn völlig überzeugt anstierte, obwohl im Hintergrund ein panischer Professor Lind auf und ab lief und wichtigtuerisch mit den Armen wedelte. „Der Täter kehrt immer zum Tatort zurück. Du bist verdächtig!“, war die Begründung des Uniformierten. „Geht’s noch?“ Mann, das machte ihn gerade wirklich wütend. Er hatte nichts getan! Oder doch? Nein, er wusste von nichts. Zumindest von nichts, weswegen man abgeführt und ins Gefängnis gesteckt werden könnte. Der konnte ihm gleich mal erklären, was er denn bitte schön verbrochen haben sollte! „Du bist garantiert der Dieb, der die Pokémon aus dem Labor gestohlen hat! Das ist doch eines davon!“ „Ich?“ Tiramisu sah sich mit einem anklagend erhobenen Zeigefinger konfrontiert und versuchte, Chan aus der Patsche zu helfen und die Situation klar zu stellen. Dabei kam sie jedoch nicht weiter als zu einem „Aber…“, ehe sich nun auch endlich der Professor zu Wort melden konnte: “Stopp, das ist ein Missverständnis! Das Feurigel habe ich ihm geschenkt!!“ Zum Glück kam das vom Professor, denn der war in diesem Moment vielleicht am Glaubwürdigsten. Schließlich hätte Chan das Meerschweinchen ja bestechen können, damit es ja nichts Falsches sagte sondern zu seinen Gunsten aussagte. Na ja, im Normalfall sagten die ja gar nichts sondern quiekten einfach nur den ganzen Tag lang vor sich hin. Gerade war es dennoch gut, ein sprechendes Meerschweinchen in der Nähe zu haben. Und eine Freundin, die alles gefasst beobachtete und sich nun auch mit erhobenem Arm einmischte. „Hey! Chan!!“ Tanne war auch noch hier? Entweder hatte er sie aufgrund ihrer Größe übersehen oder sie war ihm gerade einfach nur nicht aufgefallen weil er beim Betreten des Gebäudes gleich für nichts und wieder nichts verhaftet wurde. „Erinnerst du dich noch an den komischen Typen, der hier im ersten Kapitel herum geschnüffelt hat und totaaal verdächtig war? Ich wette, der ist derjenige, der das arme Karnimani einfach so geklaut hat!!“, stellte die junge Frau an Chan gewandt ihre ganz eigene Vermutung in den Raum. „Karnimani? Du meinst, Tense war der Dieb?“, entfuhr es Chan urplötzlich, denn die Puzzleteile ergaben in seinem Kopf sofort das Bild des besten Freundes. Und so purzelten die Worte unbedacht über seine Lippen und riefen einmal mehr den hellhörigen Gesetzeshüter auf den Plan: “… „Tense“? Ihr kennt den Dieb!?“ Sofort zückte er ein kleines Notizbuch und kritzelte etwas in dieses. Oh scheiße! Bestimmt war das auch ein Missverständnis, deshalb versuchte Chan, durch weitere Erklärungen die Situation zu entschärfen und Tense zu entlasten. Er erzählte, wie Tense vor dem Labor herum gelungert war, wie sie sich geprügelt hatten. Wie der Freund beim Verlassen der Stadt nicht mehr zu sehen gewesen und ihnen letztlich doch noch entgegen gekommen war. Dass er ebenfalls ein junges Karnimani besessen und ihn zum Kampf heraus gefordert hatte. Jedes noch so kleine Detail könnte hilfreich sein, den Verdacht abzulenken, doch Chan bemerkte beim Reden selbst, dass er wohl mehr Schaden anrichtete als Tense irgendwie zu helfen. Verdammt. Ablenken, sofort ablenken! „Wie wär’s, wenn sie einem armen, unschuldigen Jungen endlich mal diese Dinger abnehmen würden?“ Mit trockener Stimme und entsprechendem Gesichtsausdruck hob er die Arme, damit der Polizist endlich wieder die Handschellen löste. Denn egal was war – er hatte mit dem Diebstahl der Pokémon jedenfalls nichts zu tun. Das hatte ja auch Professor Lind bestätigt, der gerade das Ei in Tiramisu’s Armen genauer unter die Lupe nahm. „Arm? Unschuldig?... Du?“ Tanne sah Chan mit großen verwunderten Augen an und konnte sich ein Prusten nicht verkneifen. Zum Glück lachte sie erst über seine Worte als der Polizist seinen Fehler eingesehen und mit dem kleinen Schlüssel die Handschellen geöffnet hatte. Für ihn gab es hier auch nichts mehr zu tun. „Ich werde diesen Kerl finden! Bis dann!“ Und weg war er, der Polizist, auf dem Weg, für Recht und Ordnung zu sorgen. In Rosalia City, wo der Verdächtige zuletzt gesehen worden war. Er musste sich beeilen, damit sich der Kerl nicht irgendwo versteckte und mit seiner Schandtat ungestraft davon kam! Auch Tanne schien aufbrechen zu wollen. Für den Moment hatte sie genug Abwechslung gehabt und sie war schließlich auch nur hier, weil sie ebenfalls angerufen worden und um die Rückkehr gebeten worden war. Und die Situation war ja scheinbar gerade geklärt. „Ich gehe auch. Wir treffen uns dann auf Route 29, Chan!“ „Alles… klar… Ähm…“ War das jetzt eigentlich die richtige Entscheidung gewesen? Genau genommen hatte er gerade – wenn auch unbeabsichtigt – seinen Kumpel verpfiffen. Andererseits war irgendetwas anders als sonst. Tense benahm sich merkwürdig und Chan konnte nicht sagen, was wohl in ihn gefahren sein mochte. Er versank ins Grübeln. Überlegte, ob das gut oder schlecht gewesen war. Was Tense mit alledem bezweckte. Und was sie weiter tun sollten. „Waaaas? Chan hat einen Pokédex von Professor Eich bekommen? Wow! Das ist ja unglaublich, Tiramisu! Weißt du, was das bedeutet!?“ Boah, konnten die nicht die Klappe halten? Chan grummelte kurz vor sich hin und fauchte dann los: „Maaaaaaann!! Ihr stört mich beim Nachdenken!!!“ Da konnte sich doch kein Mensch konzentrieren, wenn die im Hintergrund über solche banalen und unwichtigen Dinge plapperten und man selbst gezwungen war, sich das auch noch reinzuziehen. „RUUUUUHEEEEE!!!“ „Ist es wegen Tense?“ Professor Lind sah Chan fragend an und machte ihm im nächsten Augenblick einen Vorschlag, an den der Trainer noch gar nicht gedacht hatte. Wie auch, er konnte ja nicht denken, weil ihn die anderen Beiden mit ihrem überschwänglichen Gerede ablenkten… „Wie wäre es, wenn du dich auf die Suche nach ihm machst? In den größeren Städten findest du bestimmt etwas heraus… Tiramisu scheint dich auch lieb gewonnen zu haben und dir helfen zu wollen.“ Die größeren Städte… klar! „Hm… Keine schlechte Idee.“ Da hätte er ja auch von selbst drauf kommen können…! „Wenn du die verschiedenen Arenaleiter herausforderst und bekannter wirst, sollten die Leute gesprächiger werden, wenn ihnen etwas auffällt…“, erläuterte der Professor seine Idee weiter, drückte damit wohl seinen Dank dafür aus, dass Chan für ihn das Ei von Mr. Pokémon abgeholt hatte. Chan nickte verstehend und gleichzeitig zustimmend. „Okay, ich werde sehen, was sich machen lässt.“ Das klang nach einem Plan. Und auch Tiramisu schien damit einverstanden zu sein, denn die klammerte sich gerade an seinen Arm und wollte partout nicht mehr loslassen. „Ach ja, bevor du gehst, wollte dir deine M-…“ Professor Lind verstummte abrupt als sich die Tür des Labors ein weiteres Mal öffnete und ein „Chaaaan…“ die Person ankündigte, zu der er den Angesprochenen gerade eigentlich hatte schicken wollen. Seine Mutter. Seine Mutter, die mit in die Hüfte gestemmten Fäusten mitten auf der Türschwelle stand und im nächsten Moment mit etwas herum wedelte, das dem zu ihr blickenden Chan sofort bekannt vorkam. Sein Beutel! „Sieh mal, was ich in der Nähe der Route 29 gefunden habe…“ Cool, da war sein Beutel ja! Den hatte er gerade zwar schon wieder total vergessen, aber so wurde zumindest vermieden, diesen zu einem späteren Zeitpunkt stundenlang suchen zu müssen. Dankbar streckte Chan die Hand nach dem Beutel aus, doch dieser wurde sogleich aus seiner Reichweite gezogen. Was? „Und was höre ich da?“ Oh-oh, jetzt kam wohl die Beschwerde…! Am besten einfach mal den Kopf einziehen! „Du willst auf eine Reise gehen?“ Durfte er etwa nicht? Er war erwachsen und konnte auf sich selbst aufpassen! Außerdem hatte er Tiramisu dabei und immer noch vor, sein Team auch im Laufe der Zeit um weitere Meerschweinchen zu bereichern. Da sprach doch sicher nichts dagegen? Zumal er sich nur auf den Weg machen würde, um Tense zu finden und diesen zur Rede zu stellen bevor der dem Polizisten in die Arme lief. „Bring mir auf jeden Fall was mit! Ich spare auch einen Teil deines Geldes für dich!“ Chan runzelte die Stirn und bedachte seine Mutter mit einem skeptischen Blick. Von wegen Beschwerde. Die zeigte sich bei dem Gedanken, dass der Junge aus dem Haus war, eher begeistert als besorgt. „Danke, Mama…“ Bei der weiblichen Logik blickte er nicht durch, wirklich nicht. Aber wenigstens bekam er nun doch seinen Beutel in die Hand gedrückt und hängte sich diesen um, bevor es sich seine Mutter anders überlegte. „Ich muss aber gleich los. Wir haben Tense auf dem Rückweg getroffen. Vielleicht können wir ihn noch einholen!“ Außerdem wollte sich Tanne ja noch unterwegs mit ihnen treffen, warum auch immer. Deshalb ergriff der Dunkelhaarige die Hand seines Meerschweinchens und zog sie in Richtung der Tür. Sie sollten sich beeilen, wenn sie Tense noch erwischen wollten. Und erst als sie aus dem Labor verschwunden waren veränderte sich der Ausdruck auf dem Gesicht seiner Mutter und nahm besorgte, zweifelnde Züge an. „Chan… Pass auf dich auf…“, murmelte sie leise und den Blick gen Boden senkend. Sie hatte ein ungutes Gefühl… „Da bist du ja! Das ging schnell!“, begrüßte Tanne ihren sich nähernden Freund mit dem Feurigel im Schlepptau. Es wurde zwar bereits dunkel, aber die Beiden erkannte sie trotzdem noch recht gut. „Tanne!“ Chan schien seine Schritte auf die letzten Meter noch zusätzlich zu beschleunigen und kam atemlos, aber entschlossen drein blickend, bei ihr an. „Wir machen uns auf die Suche nach Tense! Tiramisu und ich werden alle Orden sammeln und spätestens in der Pokémon-Liga werden wir ihn bestimmt finden! Und ihm seine Spinnereien aus dem Kopf prügeln!“ Die Angesprochene blinzelte. Ganz schön hohes Ziel, das er sich da in den Kopf gesetzt hatte. Aber was Tense betraf… „Lass mich dir auch dabei helfen, Chan!! Bitte! Äh…“ Moment mal, hatte er nicht gerade… „Sagtest du gerade Pokémon-Liga? Mit Tiramisu?“ Sofort verzog sich das junge Gesicht zu einer zweifelnden Grimasse. Was hatte sie? Chan sah sie fragend an. „Du hast nicht ernsthaft vor, das nur mit Tiramisu zu schaffen? Sobald du einem Trainer mit Wasser-Pokémon gegenüber stehst, kannst du den Sieg total vergessen! Du brauchst eindeutig noch mehr Pokémon! Komm, ich zeige dir, wie man sie fängt. Sieh gut her!“ Oh Gott, Tanne war auch jemand, der einen nicht mehr zu Wort kommen ließ wenn sie einmal mit etwas, was ihr wichtig war, anfing… Dabei versuchte Chan doch, ihr zu erklären, dass Tiramisu auch mit Tense’ Karnimani fertig geworden war, und dass er wusste, wie man Pokémon fing! Aber nein… „Zuerst musst du das gegnerische Pokémon durch Angriffe schwächen und danach kannst du einen Ball werfen, um es zu fangen!“ War klar. „Wenn du es vorher auch noch mit Statusveränderungen belegst, kannst du es noch leichter fangen!“ War auch klar. „Kinderleicht, ne? Und hier hast du fünf Bälle, um es mal auszuprobieren!“ Echt? Na, die nahm er doch gerne an. Das waren tausend Pokédollar, die er sich im Verlauf seiner Reise sparen konnte. Außerdem würde er wohl ohnehin erst in der übernächsten Stadt die Gelegenheit haben, Bälle zu kaufen. Der Verkäufer in Rosalia City hatte ja schließlich keine mehr. Was Chan immer noch wurmte, genauso wie der nicht vorhandene Pizzavorrat. „Danke für die Bälle… oder so.“, murmelte Chan seufzend. „Gern geschehen!“ Tanne strahlte über das ganze Gesicht und war schon wieder auf dem Sprung. Winkend entfernte sie sich von ihm. „Ich mache mich dann aber schon mal auf den Weg nach Viola City! Bye, Chan!“ Und weg war sie, der kleine Wirbelwind, den wohl nichts und niemand dazu bringen konnte, die Beine ruhig zu halten. Weg, das war auch Tiramisu. „Tiramisu?“ Ah da. Die hatte wohl schon wieder zu viel Ausdauer und rollte gerade durch das Gras. Manchmal verhielt sie sich wirklich komisch. „Äh…?“ Ach, besser, er ließ das unkommentiert und ließ sie einfach machen. Kopfschüttelnd wollte er sich mit dem Anblick abfinden und sie nur daran erinnern, dass er gerne den Weg fortsetzen wollte. Doch ehe er so weit kam bemerkte er ein heran hüpfendes Hoothoot. „Ah!“, machte auch Tiramisu, die den Vogel ebenfalls entdeckt hatte. Das Hoothoot starrte sie aus nächster Nähe an und wirkte interessiert an ihrer Beschäftigung. „Ein wildes Pokémon!“, konnte das Meerschweinchen den Trainer rufen hören. „Schnapp’s dir, Tiramisu!“ Gesagt, getan. Die Aufgeforderte reagierte geschwind und erwischte den Vogel am Fuß. Das Hoothoot reagierte erschrocken und mit einem Geräusch, das an ein Heulen erinnerte. Oh je. „Sorry…!“, entschuldigte sich das Meerschweinchen, aber Chan wies sie mit seinem „Sehr gut! Halt es fest!“ nun mal an, ja nicht loszulassen. „Los, Pokéball!“ Wie praktisch, dass Tanne ihm gerade welche in die Hand gedrückt hatte, denn sonst wäre er auf dieser Route leer ausgegangen! „Bring uns unseren ersten Gefährten!“ Der Vogel verschwand augenblicklich im Ball. Chan und Tiramisu beobachteten beide gespannt dessen Fall auf den Boden, wo er herum rollte weil sich das Hoothoot zu befreien versuchte und letztlich doch scheiterte. „Yeah!“, stieß Chan triumphierend aus als der Pokéball nicht mehr wackelte und somit das erste neue Teammitglied gefangen war. Jetzt brauchte er nur noch einen Namen dafür, aber die Farbe des Pokémon erinnerte ihn an ein ganz bestimmtes Meerschweinchen: „Und weil er braun ist, nenne ich ihn… Toffee!“ Wie schon bei Tiramisu reichte der Name aus um den Pokéball in ein helles Licht zu tauchen, welches insbesondere bei der sich verbreitenden Dunkelheit um sie herum blendete. Huch!? Im nächsten Moment blickte er in die weit aufgerissenen Äuglein des kleinen Meerschweinchens mit der Frohnatur, das wohl ebenso erschrocken war wie Tiramisu. „Iiiiiek!!“, kreischte sie los weil Toffee beinahe nichts am Leib trug. Es wurde zwar dunkel, aber man erkannte trotzdem die Konturen seines Körpers und so verdeckte sie eilig ihre Augen. „Warum zum Teufel seid ihr eigentlich immer alle nackt!?“, beschwerte sich auch Chan, der wenigstens nicht gleich bis unter die Haarwurzel errötete sondern genug Ruhe bewahrte um in seinem Beutel nach Wechselkleidung für das kleine Meerschweinchen zu suchen. „Hier, zieh das an!“ Er glaubte, etwas Passendes gefunden zu haben, und drückte es dem leise „D-danke!“ drucksenden Toffee in die Hand, allerdings… „Ist aber vielleicht ein bisschen zu groß…“ Na ja, sie würden sehen. Das Vögelchen schlüpfte flink in die angebotene Kleidung und Chan lächelte. „Perfekt!“ Doch nicht zu groß sondern genau passend. Wie auch immer sich diese Kleidungsstücke dann in seinen Beutel verlaufen hatten, denn schließlich hätten sie weder Tiramisu und noch weniger ihm selbst gepasst. Egal. Er war gerade hochmotiviert, noch ein Pokémon für sein Team zu gewinnen, nachdem das mit Toffee eben so prima geklappt hatte. Und hier gab es ja noch eine kleine Sackgasse, die Route 46, die die Reiseroute mittels eines hohen Vorsprungs unterbrach. Der war zum Klettern zu hoch, aber zu dessen Füßen befand sich ebenfalls hohes Gras. „Und da hinten ist auch gleich noch eine andere Route! Route 46… Holen wir uns da auch noch ein Pokémon und dann auf nach…“ Was hatte Tanne gesagt? „… Viola City!“ „Ui, was gibt’s da?“ Toffee tappste Chan neugierig hinterher, nur Tiramisu blieb noch zurück. Denn die hatte immer noch gerötete Wangen, sah jetzt aber eher angetan aus weil Toffee ein gutes Stück kleiner war als sie und … so süüüß! Wie niedlich der Kleine doch war! Schön, dass sie ihn dabei hatten! Also folgte auch sie mit einem Lächeln auf den Lippen und Chan’s Antwort lauschend: “Da gibt’s zum Beispiel Kleinstein, das uns in der Arena gut helfen kann! Und dann ist da noch… Mist.“ Auf der Route 46 gab es zwar nicht viel, aber das erhoffte Kleinstein zeigte sich nicht. Stattdessen entdeckte Chan ein Rattfratz. Die kleine lilafarbene Ratte starrte sie aus dem Gras heraus an und wedelte eifrig mit dem Schwanz wie ein kleines Hündchen. „Rattfratz… Kleinstein wäre besser gewesen…“ Schade. Aber dann würden sie eben das Rattfratz mitnehmen. Dieses zeigte sich hochgradig aggressiv und sprang gerade mit aufblitzenden Augen und den kleinen Füßchen voran Tiramisu an. “Kyaaaaah!!“, erschrak diese fürchterlich über die unerwartete Attacke. „Was willst du von mir!? Bleib weg!“ Kreischend lehnte sie den Oberkörper zurück und schlug gleichzeitig mit der Faust in Richtung des Angreifers um die Ratte abzuwehren. „Rattfratz. Es frisst alles.“, ertönte eine künstliche Stimme aus Chan’s Beutel. Der Pokédex! „Wo es Nahrung findet, baut es ein Nest und pflanzt sich ständig fort.“ „Das ist doch eindeutig…“ Es pflanzte sich ständig fort? Das passte doch wie die Faust aufs Auge. Da konnte das Rattfratz doch nur einen bestimmten Namen bekommen! „Ein… Mööh!!!“ Auch das Rattfratz wurde in helles Licht getaucht und enthüllte einen nackten Mööh, der sich wohl bereits wieder von dem harten Schlag ins Gesicht erholt hatte und einmal mehr die überrumpelte Tiramisu begrabschte. „Wo fasst du denn hin?! Perversling!!“ Und nicht nur das – seine Lippen waren ihrem Gesicht ziemlich nahe und formten einen Kussmund. Iiiiiih! Der sollte weg gehen! „CHAAAAN!! HIIIILFEEEE!“ „… Ach herrje …“ Das Rattfratz war wohl nicht nur nutzlos sondern auch noch komplett triebgesteuert…! „Das kann ja was werden!“, stellte Chan fest und fühlte sich auf einmal sehr erschöpft. Ein kreischendes Feurigel, ein dieses belästigendes Rattfratz und ein daneben stehendes und hohl drein blickendes Hoothoot, das die Situation nicht einschätzen konnte. Beste Voraussetzungen für den richtigen Beginn der Reise. Nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)