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Die Meeries - Nuzlocke Challenge [HeartGold-Edition]

von

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Eine etwas andere Nuzlocke Challenge

Jede Geschichte beginnt irgendwann, so auch diese.

Genau genommen tat sie es in jenem Moment, als die Mittagssonne hoch am Himmel stand und warmes Licht spendete. Doch jener Mann, in dessen Zimmer gerade aufdringlich der Wecker zu klingeln begann, hatte zu diesem Zeitpunkt noch die Vorhänge zugezogen, so dass kein Licht herein drang.

Bis spät in die Nacht war er mit seinen Forschungen beschäftigt gewesen, derart vertieft, dass er die Zeit vergessen und erst in den frühen Morgenstunden ins Bett gegangen war. Murrend und raschelnd befreite er sich von seiner Bettdecke und musste sich überwinden, aufzustehen. Ein lautes Gähnen erklang während eine tastende Hand nach der Ursache des schrillen Lärms suchte und den Wecker schließlich verstummen ließ.

Das graue Haar wurde ein wenig unbeholfen wirkend geordnet, sich frische Kleidung angezogen und schließlich in den weißen Kittel gehüllt, den er bei seiner Arbeit trug. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet, dass es beinahe zwölf Uhr mittags war.

Es war schon so spät.

„Ich habe verschlafen…“, stellte der Professor fest, als er seine Krawatte anlegte und sich kurz darauf daran machte, die Vorhänge zu öffnen. Sogleich war es viel heller im Zimmer und er hatte einen guten Blick auf das kleine Örtchen Alabastia. Seiner Heimat, in der er auch arbeitete. Doch heute würde ihn der Weg nicht sofort ins Labor führen.

Zuvor würde er in eine andere Region reisen und sich seiner Radiosendung widmen. Und bei dieser Gelegenheit würde er auch noch einen alten Freund besuchen.

Und noch etwas war an diesem Tag anders. Er hatte geträumt. Von einem jungen Mann, der sich wie einst viele Trainer vor ihm bald auf die Reise machen würde. Einem vielversprechenden Talent. Hoffentlich hatte er eine Gelegenheit, mit diesem einen Menschen Bekanntschaft zu machen während er sich in der Johto-Region aufhielt.

Ein Schmunzeln schlich sich auf die Lippen des älteren Mannes als er sich auf den Weg machte.

„Ich freue mich schon darauf dir irgendwann zu begegnen… Chan.“
 

Dieser Mann namens Chan saß gerade in seinem Zimmer und las einen Manga als plötzlich eine Nachricht auf dem Desktop auf ploppte und kein Blick mehr auf das vollbusige Hintergrundbild erhascht werden konnte.

Der auf der Handinnenfläche abstützte Kopf regte sich ein wenig und der Dunkelhaarige wurde auf die neue Nachricht aufmerksam. Wer schrieb ihm denn zu dieser Zeit? Noch dazu eine vertonte Nachricht? Der Mauszeiger näherte sich der Nachricht und doch hatte er irgendwie ein ungutes Gefühl dabei.

Zu recht, denn kurz nach einem leisen Klick ertönte umso lauter eine quietschende Mädchenstimme und die kleine Tanne brüllte ihm nahezu ins Ohr:

„Abenteuer!! Aufgeregt!! Ich liiiieeebee Pokémon!!“

„Woah!“

Chan zuckte vor Schreck über die plötzliche Lautstärke zusammen und hielt sich die Ohren zu. Da wurde man ja taub! Seine armen Ohren! Noch dazu wurden sie auf eine so merkwürdige Art gefährdet, denn genau genommen hatte er nicht verstanden, was ihm die junge Frau eigentlich mit ihrer Nachricht sagen wollte.

Die Ratlosigkeit währte jedoch nur kurz, da er sich dazu entschied, einfach mal zu ihr zu gehen. Schließlich wohnte sie quasi nebenan. Und dann sollte sie ihm gleich mal erklären, wegen was sie gerade so abgegangen war.

„Hey, Mama!“, rief er nach unten als er gerade an seinem Poster vorbei an der Treppe ankam, drauf und dran, die Stufen hinunter zu steigen.

„Ich geh’ mal rüber zu Tanne! Ich glaub’, sie will mir irgendetwas sagen…“

„Ah, da bist du ja, Chan!“, folgte sogleich als Feststellung von Seiten seiner Mutter, die mit einem verträumten Blick am Tisch saß und wohl eine Tasse Tee oder ähnliches vor sich stehen hatte. Der Anblick erinnerte ihn ja fast an eine alte Großmutter in der Rente, aber er würde sich hüten, seine Mutter damit zu vergleichen. Würde womöglich nur Schläge geben.

Andererseits hätte sie sich diese auch verdient mit der unnützen Fortsetzung ihrer Worte:

„Du hast ganz knapp deine Freundin Tanne verpasst…!“

Hatte sie ihm nicht zugehört? Er hatte doch gerade eben noch gesagt, dass er zu Tanne gehen würde. Außerdem hatte er gar nicht mitbekommen, dass die Kleine überhaupt zu Besuch gekommen war – und angesichts der lautstarken Nachricht hätte ihm das auf jeden Fall auffallen müssen! Na ja, egal. Er war ja bereits auf dem Weg.

Ein etwas genervt klingendes „Deswegen geh’ ich doch rüber…?“ ließ er sich aber dennoch nicht nehmen. Und es wurde noch schlimmer als erneut die Stimme seiner Mutter in einem komischen Gezwitscher erklang:

„Ach, übrigens…“, begann sie und wurde schlagartig von ihrem Sohn unterbrochen, dessen Kopf wütend herum fuhr und lauter als beabsichtigt ein „WAS?“ dazwischen warf.

Ob das seine Mutter überrascht hatte?

Für einige Momente stand sie nur da und sah ihn mit großen Augen an. Er konnte nicht klar definieren, ob sie wütend über seine Gereiztheit war oder wie sie darauf reagieren würde.

Doch mit der Reaktion, die kam, rechnete er definitiv nicht.

Im nächsten Augenblick lächelte sie breit und gab ein ebenso zwitscherndes „Nüx!“ von sich, bei dem sich Chan nur mit der Hand gegen die Stirn schlagen konnte.

Irgendwie hatte er bei dieser Situation das Gefühl als handele es sich um ein Déjà-vu…

Es kam ihm einfach irgendwie bekannt vor, doch er wusste nicht, woher.

Mit einem leichten Kopfschütteln und einem Seufzer, welcher die Bewegungen begleitete, näherte sich ihm seine Mutter als er gerade im Eingangsbereich auf den Boden sank um sich seine Straßenschuhe anzuziehen.

„Professor Lind hat nach dir gesucht. Er meinte, er habe eine dringende Bitte an dich. Du kennst den Weg, oder?“

Mit den Händen in die Hüfte gestemmt setzte sie also doch noch fort, was sie zuvor hatte sagen wollen. Die letzten Worte klangen allerdings irgendwie verdächtig, so dass ihr Sohn einen skeptischen Seitenblick riskierte und bemerkte, dass seine Mutter hinter ihrem Rücken etwas verbarg. Die Situation ließ beinahe nur einen Schluss zu.

„Jaa…?“, beantwortete Chan zuerst noch zögerlich ihre Frage, um kurz darauf mit mehr Überzeugung in der Stimme eine Warnung auszusprechen: „Denk’ nicht mal dran…!“

Eine Hand hebend und grinsend wollte er sich von seiner Mutter verabschieden, ehe sie auf dumme Gedanken kommen würde, doch der Verlust der Ernsthaftigkeit war für sie wohl wie eine Einladung, um ihm eine große Papierrolle ins Gesicht zu klatschen.

„EY!“

„Nimm die hier mit! Da! Mit meiner Karte findest du das Labor sofort! Ist ja schließlich auch direkt nebenan!“

Grummelnd nahm Chan die Rolle aus seinem Gesicht, doch dass er sie tatsächlich öffnete lag nur daran, dass er nicht mit seiner Mutter diskutieren und damit Zeit verschwenden wollte. Schließlich wollte er wissen, weswegen Tanne so ausflippte, und anscheinend hatte ja auch Professor Lind nach ihm verlangt. Aber weswegen brauchte er eine Karte für dieses Kaff, Neuborkia, welches nur aus vier Häusern bestand? Davon gehörte eines ihnen, eines Tanne’s Familie, ein Gebäude war das Labor des Professors… es war keineswegs so unübersichtlich, dass man sich verlaufen konnte. Das Haus, in dem er mit seiner Mutter wohnte, befand sich inmitten von Bäumen nahe einem Gewässer. Der einzige Weg, der aus der Stadt führte, war die Route 30 in Richtung Rosalia City. Dorthin gelangte man aber nur, wenn man an den anderen Häusern vorbei ging. Er konnte es also gar nicht verfehlen!

„Ääähm… Danke… Wow…“

Chan’s Stimme strotzte nur so vor Ironie, die seiner Mutter wohl nicht auffiel. Denn die erwischte er gerade dabei, wie sie voller Tatendrang und hochmotiviert irgendwelches Zeug in seinen Beutel packte und vor sich hin brabbelte. Was zum…?

„Pass auf, dass du nichts Wichtiges vergisst, bevor du das Haus verlässt! Ich packe dir mal alles in deinen Beutel. Trainerpass… Frische Unterwäsche…“

„Ich geh’ jetzt! Sonst wird das nie was!“, beschloss Chan und riss seiner Mutter den Beutel aus der Hand um sich diesen umzuhängen. Bevor die noch mehr unnützes Zeug hinein stopfte und er den Beutel am Ende gar nicht mehr tragen konnte. Oder darunter begraben wurde. Oder noch Schlimmeres. Er mochte sich gar nicht ausmalen, was alles geschehen könnte. Mit einem Blick über die Schulter vergewisserte er sich, dass seine Mutter es bei einem gezwitscherten „Bis daaann!“ beließ und ihm nicht folgte.

Die Augen hätte er wohl aber besser geradeaus gerichtet während er die Tür öffnete…
 

Mit einem „Wuuuusch“ kam ein dunkler Schatten heran geschossen, der in den verwirrt drein blickenden Chan, der nicht mehr als ein „WA-!?“ heraus bringen konnte, hinein lief.

„Du…“

Es war die dunkelhaarige Lilli mit der hellen Ponysträhne, die ihn da beinahe über den Haufen rannte. Eigentlich war sie ein Marill, ein mausähnliches blaues Pokémon welches dem Element Wasser angehörte. Und in nicht allzu großer Entfernung verriet ein „Chaaan!“ den Aufenthaltsort der dazu gehörigen Trainerin.

Tanne stand dort und winkte eifrig mit beiden Armen um ihrer beider Aufmerksamkeit zu gewinnen. Es war ein Wunder, dass ihr Endivie, welches neben ihr stand, nicht eine wirbelnde Hand ins Gesicht bekam. Oder Lotta stand einfach nur weit genug weg, um nicht von ihrer sehr aktiven und bewegungsfreudigen Trainerin eine rein zu bekommen.

„NEIN, wir sind NICHT zusammen!!“, entfuhr Chan aus reinem Reflex, mit dem er zudem Lilli von sich weg schob. Diese Missverständnisse kamen ständig auf, aber in diesem Fall war das doch gar nicht möglich, denn… „Das ist ein Pokémon! Ein Pokémon!“

„Hö?“ Tanne blickte ihn aus großen, blauen Augen verwundert an. „Weiß ich doch?“

Natürlich wusste sie, dass Chan und Lilli kein Paar waren. Sie wusste auch, dass dieser Nerd nichts mit einem Pokémon anfangen würde. Warum betonte er denn extra noch das – ihrer Meinung nach - Offensichtliche?

Gut, für andere sah es vielleicht verdächtig aus, wenn sie sich so nahe standen. Aber das war Tanne egal, denn sie schob sich einfach näher zu ihrem Pokémon und Chan, um zu dem Größeren empor zu blicken. Dieser sah nach ihrer Erwiderung deutlich gelangweilter und weniger angriffslustig aus.

„Was gibt’s denn?“, erkundigte er sich bei Tanne. Denn die war ja anscheinend sehr mitteilungsbedürftig gewesen. Wenn sie anscheinend bei ihm zu Hause gewesen war und ihm auch noch so eine seltsame Nachricht schickte als sei sie auf irgendeinem Trip.

„Na jaaa…“

Oh weia, sollte das etwa wieder so ein dämlicher Verlauf wie zuvor im Gespräch mit seiner Mutter werden? Chan vermutete es fast und war umso erleichterter, als dem nicht so war.

„Professor Lind hat nach dir verlangt. Warst du schon bei ihm im Labor?“

Herrgott, wusste denn hier jeder alles über jeden? Seine Mutter, Tanne… Die wussten ja beide schon, dass der Pokémon-Professor irgendetwas von ihm wollte, ehe er es überhaupt selber wusste! Chan seufzte.

„Nee… Bin aber auf dem Weg dorthin.“

Auch wenn er sich beim besten Willen nicht erklären konnte, was der Professor von ihm wollen könnte. Er hatte bisher eigentlich nicht viel mit ihm zu tun gehabt. Der Professor und sein Gehilfe waren ja auch ziemlich beschäftigt und irgendwie nur im Labor anzutreffen.

Das Einzige, was Chan wusste, war, dass Tanne vor einiger Zeit ihr Endivie von eben diesem Professor bekommen hatte. Danach hatte sie sich noch ein Marill gefangen und war seitdem den ganzen Tag auf Achse und mit den beiden Weibchen unterwegs. Mal hier, mal da, nirgends allzu lange.

Aber was wollte der Professor nun von ihm? Wenn es etwas zu erledigen gab, gab es doch eindeutig genug andere Menschen, die er darum bitten könnte. Er hatte ja noch nicht einmal ein eigenes Pokémon.

Ganz in diese Gedanken versunken starrte Chan eher abwesend in die Richtung, in die Tanne gerade deutete, um ihm zu zeigen, wo er hin musste.

Dabei fiel ihm eine Gestalt ins Auge, die sich ziemlich nah am Pokémon-Labor herum drückte. Wer auch immer das war verhielt sich ziemlich verdächtig. Zum Einen versteckte er – oder sie? – sich an der Seite beim Zaun und dem Briefkasten. Zum Anderen war das Gesicht unter der Kapuze und der ins Gesicht gezogenen Mütze nicht erkennbar. Die Entfernung trug ihren Teil dazu bei, dass das Antlitz unter dem Schatten nicht zugeordnet werden konnte. Hatte er denjenigen – oder diejenige – schon einmal gesehen?

Ein Kapuzenpulli und eine Schirmmütze… das erinnerte ihn irgendwie an…

„A…rdy…?“

War er das wirklich? Er hatte ihn lange nicht mehr gesehen. Früher hatten sie mehr miteinander zu tun gehabt, doch inzwischen war alles anders geworden. Bedauerlicherweise. Aber Ardy hatte seine Gründe für seine Entscheidung gehabt und die würde er akzeptieren müssen. Und auch akzeptieren. Dennoch war die Ähnlichkeit unverkennbar und so näherte sich Chan dem Verhüllten, um vielleicht doch noch einen Blick zu riskieren. Hatte er Recht oder lag er falsch? Den Hals streckend wollte er eigentlich nur schauen, bekam dafür aber prompt die Faust der fremden Person ab.

„Hey! Starr mich nicht so an!“, fauchte ihn eine gereizte Stimme an.

Chan, völlig perplex über den unerwarteten Angriff, meckerte zurück: „Ey!! Spinnst du total? Vollpfosten!“

Was ging denn mit dem ab? Warum schlug der ihm einfach so eine rein? Chan murrte kurz vor sich hin und überhörte völlig Tanne’s ängstlich-überraschtes „Oh Gott, Chan!“ als er sich auf den anderen Mann stürzte um sich für den Schlag zu rächen!

Um die beiden Prügelnden herum sauste die kleine Tanne hin und her, versuchte „Chaaaan!“ rufend eben diesen zu beruhigen. Sie zappelte, sie quietschte, doch nichts half. Chan war zu beschäftigt damit, nach einem erfolgreichen Schlag in das Gesicht des Anderes, den Haarschopf aus dessen Händen zu befreien. Der konnte ihm doch nicht einfach so sämtliche Haare ausreißen, der Bastard! Er war kürzlich erst beim Friseur gewesen und hatte sich seine blonden Strähnen nachfärben lassen. Doch nicht, damit sie ihm jetzt irgendein daher gelaufener Idiot, der sich toll vorkam, ausriss. War der Kerl irgendein komischer Fanboy, der die Haare aufbewahren und sonst was damit anstellen würde?

„Ch…“, wollte Tanne wohl erneut versuchen, die Schlägerei zu beenden. Keiner der Beiden hatte bisher auf ihre Rufe reagierte und inzwischen wurde es ihr auch zu blöd. Diese dummen Jungs!

„Hmpf.“ Die junge Frau schnaubte und ballte die Hände zu Fäusten um sie drohend über die beiden Kämpfenden zu erheben und bedrohlich zu schimpfen: „JETZT REICHT’S ABER!!“

Auf den einen wurde mit dem ausgestreckten Zeigefinger gedeutet, was ihn wohl herzlich wenig interessierte. Auch auf ihre Forderung „DU, hör’ auf, andere Leute anzupöbeln!!“ hin drehte er nur schnaubend den Kopf zur Seite und beantwortete auch nicht die Frage, wer er überhaupt sei. Schließlich ging seine Identität das Mädchen ja wohl nichts an. Chan hingegen wurde direkt von Tanne in Richtung des Labors geschoben, damit er endlich dort hinein ging statt sich auf offener Straße zu prügeln.

Professor Lind wartete schließlich schon und um diesen anderen komischen Vogel hier würde sie sich schon noch kümmern.
 

„Was?“

Die sich plötzlich öffnende Labortüre lenkte die Aufmerksamkeit des Professors und seines Gehilfen auf eben jene.

„Ah! Da bist du ja, Chan! Ich habe schon auf dich gewartet!“, entgegnete Professor Lind, kaum dass er den jungen Mann erkannt hatte. Na endlich!

Besonders wütend schien er aber nicht darüber zu sein, dass er jetzt erst aufkreuzte, denn ein abschätziger Blick in das Gesicht des Professors ließ Chan ein Lächeln entdecken.

„Weißt du eigentlich, mit was sich meine Forschung beschäftigt??“, wurde er da gerade noch gefragt, doch die Antwort kam völlig unbeeindruckt: „Lassen Sie mich raten…“

Was konnte das nur sein, wenn es sich um ein Pokémon-Labor und bei dem Kerl um einen Pokémon-Professor handelte? Ganz bestimmt beschäftigte er sich mit … Mathematik! Deutscher Rechtschreibung? Oder vielleicht doch mit…

Er überlegte wirklich, ob er auf diese blöde Frage eine ebenso blöde Antwort geben sollte, entschied sich dann aber dagegen und erwiderte „Mit Pokémon.“

Was wohl ein Fehler war, denn mit einem Mal brach aus Professor Lind ein derartiger Redeschwall hervor, dass Chan nicht zu sagen vermochte, was er ihm eigentlich mitteilen wollte.

„Pokémon in Pokébällen aufzubewahren und sie überall zur Hand zu haben ist heutzutage nichts Besonderes mehr. Aber vor der Erfindung des Pokéballs haben die Leute ihre Pokémon mit sich spazieren geführt!“

„Ach, wirklich?“

Wozu erzählte der ihm das? Wahrscheinlich schweifte er jetzt vollends ab und erzählte ihm die frühere Geschichte der Entwicklung von Pokébällen oder weiß der Geier was. Besser, er hörte gar nicht mehr zu. Leider verhinderten vor dem geistigen Auge auftretende Bilder, dass er wirklich nicht zuhören konnte.

„Ja, genau wie deine Freundin Tanne! Pokémon in Pokébällen durch die Gegend zu tragen ist natürlich eine komfortable Sache, aber es lohnt sich auch, ihnen etwas Auslauf zu gönnen! Es ist nämlich gut möglich, dass dies beeinflusst, wie und wann sich deine Pokémon entwickeln!“

Blablabla… Es fiel ihm nur etwas schwer, sich vorzustellen, wie er ein dickes, schlafendes Relaxo durch seine Haustüre bekommen wollte. Hatten die Leute früher ihre Pokémon etwa auch mit in die Badewanne genommen und im eigenen Bett schlafen lassen? Schwer vorstellbar, zumal ein großer Teil der Monster noch nicht einmal dort hinein passen würden. Und es gab so einige Pokémon, mit denen er garantiert nicht kuscheln wollen würde.

„Und genau da kommst du ins Spiel! Ja, Chan, genau DU!“

Professor Lind gestikulierte wild mit den Armen und hätte ihm beinahe mit dem Zeigefinger ins Auge gestochen.

„He, Vorsicht!“, beschwerte sich Chan sofort und suchte nach Deckung, indem er abwehrend den rechten Arm hob. Wieso hampelte der auf einmal so herum? Hatte er etwa bemerkt, dass er ihm schon gar nicht mehr zuhörte, und wollte seine Reaktionszeit testen?

„Ich möchte dir eines meiner Pokémon geben, damit…“

Der Professor begann noch etwas zu sagen, aber Chan schaltete ab sobald es darum ging. Er hörte nur noch, dass ihm ein Pokémon gegeben werden würde. Das war doch klasse! Er hatte schließlich noch keines und wenn er einfach so eines bekommen würde, dann war das doch genial. Ohne etwas zu bezahlen! Wer würde da schon Nein sagen? Garantiert nicht er!

„Cool, ich mach’s!!“

Was auch immer er dafür tun müsste, er würde es tun. Aber zuerst wollte er ein cooles Pokémon haben und genau das war, womit er die nächsten Sekunden verbringen sollte. Professor Lind deutete zu seiner Linken auf drei Pokébälle und bot ihm an, sich eines davon auszusuchen. Ein eindringliches Geräusch aus seinem Laptop erlaubte Chan zudem, sich Zeit bei der Auswahl zu lassen, während Professor Lind seine neu eingegangene E-Mail überprüfte.

Wen sollte er nehmen? Ein Endivie hatte Tanne bereits und er wollte etwas Cooleres haben. Ein Feuerpokémon, oder doch lieber das kleine Krokodil Karnimani, welches seine Gegner mit Wasserattacken angreifen konnte? Puh, keine leichte Entscheidung!

„Hör mir zu…“, begann Professor Lind wieder, doch Chan war noch völlig in seine Überlegungen versunken. Schließlich war das hier eine Entscheidung, die sich so schnell nicht rückgängig machen lassen würde und er wollte schließlich länger etwas von seinem Pokémon haben. „Ich habe einen Bekannten namens Mr. Pokémon… besonders seltener Fund… mal wieder um ein Pokémon-Ei… Blablaba… Ich hab’s! … Bla… du könntest der Sache doch für mich nachgehen, oder?“

Jetzt wusste er, welches Pokémon er nehmen würde, und so streckte Chan zielstrebig die Finger nach einem der Pokébälle aus um seine Auswahl aus diesem zu befreien.

„Was sagst du? Los, du darfst dir dafür auch eins dieser Pokémon aussuchen! Wie ich bereits sagte… aber wenn ich dir schon eines schenke, kannst du ruhig etwas für mich tun.“

Der war gar kein Professor, sondern ein Erpresser! Puh, vielleicht hätte er sich vorher überlegen sollen, ob es eine so gute Entscheidung war, sich auf all das hier einzulassen. Aber nun hatte er schon ein kleines Feurigel in der Hand und hielt es hoch, um auch dem Professor klar zu machen, welches seiner Pokémon er gerne hätte. Das Kleine sah aus als lächele es die ganze Zeit und gab ein munteres „Feu! Feu!“ von sich. Noch mochte es vielleicht klein und niedlich sein, aber später würde bestimmt ein cooles, feuerspeiendes Pokémon daraus werden!

„Ähm… ja… wie auch immer. Möchtest du ihr einen Spitznamen geben?“

Chan nickte, denn ihm war auch bereits ein guter Name eingefallen, den er dem weiblichen Feurigel gerne geben wollte.

„Ich nenne sie… Tiramisu!“, verkündete er sogleich seine Entscheidung.

Im nächsten Moment wurde er geblendet, als das kleine Feurigel in einen Lichtkegel getaucht wurde, und im nächsten Moment deutlich schwerer auf seinen Armen lag. Doch nicht mehr als ein Feurigel, sondern als eine Frau mit langem, weißen Haar. Lediglich der Pony war braun und von schwarzen Strähnen umrahmt. Was aber mehr als das und große ihn ansehende Augen auffiel war die Tatsache, dass die Frau in seinem Arm unbekleidet war.

„Was zum…!?“, entfuhr Chan erschrocken als er dies ziemlich schnell bemerkte. „B-Brüste!!“ Moment mal, das war ja nicht einmal das Ungewöhnliche! „M… Mensch!! Äh… HÄÄÄ?“

„KYAAAAAAAH!!!“, kreischte die Dame auf seinen Armen urplötzlich los, hatte wohl die Schrecksekunde überwunden und die Situation realisiert. Denn mit einem Mal wurde sie knallrot und fing an, zu zappeln, um von seinem Arm herunter zu kommen.

„Lass mich runter!!“, forderte sie laut. „NEEEEIIIIIIN!!“

Himmel, da zerriss einem ja das Trommelfell, wenn die so plärrte! Dem Wunsch kam Chan also sehr gerne nach, zumal er immer noch nicht ganz verstand, was hier gerade eben geschehen war. Er hatte ein Pokémon ausgewählt und auf einmal wurde es zu einer erwachsenen Frau!? Und sprach? Wie ging das denn?! Dass das bei Tanne und ihren Pokémon auch so war, daran dachte er in diesem Moment nicht. Ein starrer Blick folgte der Frau, die gerade von dem Gehilfen seinen Arbeitskittel dargeboten bekam, um sich wenigstens vorübergehend etwas anziehen zu können. Dann wurde er auch schon von Professor Lind weggeschoben.

„Glotz’ sie nicht so an, das ist unhöflich! Außerdem sollst du doch zu Mr. Pokémon und schauen, was der eigentlich schon wieder gefunden hat. Er wohnt nur ein kleines Stück nördlich von Rosalia City. Vielen Dank schon mal, Chan!“

Ach ja, da war was gewesen. Entsprechende Wortfetzen hatte er auch vorher aufschnappen können. Ein nicht erwähnenswerter Botengang und dafür bekam er ein Feurigel…? Na ja, mehr oder weniger. Chan riskierte einen Blick in Richtung des Pokémon, welches keines mehr war, und wurde sogleich wieder von dem Gehilfen des Professors abgelenkt, der ihm raschelnd eine Tüte mit Gemüse entgegen hielt.

„Halt, Chan! Sieh das hier als Entlohnung für deine Dienste an. Hab’ ich gerade in meiner Manteltasche gefunden...“, erklärte er dazu, was er mit der Tüte vor hatte. Als ob er Grünzeug essen würde…!

„Wenn dir die Situation etwas zu brenzlig wird, solltest du deinen Pokémon ohne zu zögern etwas Gemüse geben. Zu Beginn sind nämlich alle Pokémon noch leicht zu verletzen.“

Ach so, das Grünzeug war für Tiramisu, die schon sabbernd neben ihm stand und die Tüte fixierte.

„Aha… Wie auch immer… Tiramisu?“

Es war immer noch ein merkwürdiges Gefühl, anstelle des kleinen Feuerpokémon eine Frau neben sich zu haben, deren Körper nur von dem Kittel bedeckt war. Noch dazu starrte sie ihn gerade extrem gruselig an, wie er fand. Sie rührte sich nicht, ihr Blick war starr und brachte ihn aus der Fassung. „Ähm…“

Sofort versuchte er, seine Irritation zu kaschieren, indem er die Tüte mit dem Gemüse in seinen Beutel packte, denn schließlich konnte es ja nicht schaden, das mitzunehmen. Nicht, wenn es das für lau gab, und verhindern konnte, dass Tiramisu unterwegs etwas zustieß. Wenn sie von einem wilden Pokémon besiegt werden würde, hätte er nämlich ein Problem!

„Okay, gehen wir… als erstes sollten wir dir andere Klamotten besorgen…“, entschied er, denn vielleicht würden sie diese auch etwas robuster machen und gegen die Angriffe schützen. Von hinten hörte er noch ein zweistimmiges „Bis daaaann!!“ ehe er die Tür öffnete und mit Tiramisu, die sich dicht hinter ihm hielt, das Labor verließ.
 

„Chaaaaaaaaaan!!! Huuhuuu!“

Oh Gott. Die Stimme kannte er doch. Diese schrillen, lang gezogenen Wörter, bei denen ihm auf jeden Fall die Luft ausgegangen wäre.

„Tanne!? Ihr seid ja immer noch hier!?“

Hatte die nichts zu tun, oder was? War sie die ganze Zeit hier draußen gewesen? Seine Augen suchten die Freundin und ihre Pokémon, entdeckten sie auf einem großen Tuch und vor Leckereien und Getränken sitzend nicht unweit des Labors. Was zum…? Die machten hier einfach mal so vor dem Labor ein Picknick?! Es sah zumindest sehr stark danach aus. Oder sie waren gerade fertig geworden, denn kaum war sie entdeckt worden tänzelte Tanne ziemlich flink auf sie beide zu um Tiramisu näher in Augenschein zu nehmen.

„Wie süüüß! Das Pokémon, das du bekommen hast, ist ein Feurigel, stimmt’s?“

Wie auch immer sie darin noch ein Pokémon erkennen und es sogar zuordnen konnte. Es war ihm ein Rätsel und rang ihm gar ein wenig Respekt ab, aber vielleicht brachte das einfach ihre Erfahrung als Pokémon-Trainer? Außerdem hatte sie ja selbst zwei solche Exemplare. Lotta und Lilli waren schließlich auch ein Endivie und ein Marill, aber nicht einmal ansatzweise als solche erkennbar. Oder hatte nur er solche Probleme damit?

„Hihi… Das ist ein echt tolles Pokémon!“, fügte Tanne lächelnd hinzu und schaltete dann wohl in eine Art Tutorial-Modus oder etwas ähnliches. „Dann erkläre ich dir mal was!! Wenn du sie so spazieren führst, wird sie immer zutraulicher werden. Vergiss nicht, dich manchmal umzudrehen und mit ihr zu reden! Oh, und warum stellst du sie nicht auch mal deiner Mut-…?“

Chan ließ sie ihren Satz nicht beenden, denn der Verlauf deutete bereits an, wie das enden würde. Gegen die ersten Worte hatte er ja nichts, aber jetzt wurde es doch zu viel des Guten und so unterbrach er das Mädchen schnell: „Wozu das denn!? Ich hab’ ja schließlich nicht vor, Tiramisu zu heiraten…!“

Weshalb sollte er sie seiner Mutter vorstellen? Das war ganz bestimmt das, was Tanne gerade vorschlagen wollte. Aber er sah das absolut nicht ein. Schließlich war er nicht mit diesem Pokémon liiert, da konnte es noch so menschlich aussehen! Er würde auch niemals mit ihr eine Beziehung führen – keine solche zumindest! – und deshalb sah er keine Notwendigkeit in solchen Aktionen.

„Das gehört sich doch so!!“, beschwerte sich Tanne gleich bei ihm und erst, nachdem er ihr mit einem Schnauben klar machte, wie wenig er davon hielt, probierte sie es mit der Wahrheit: „Aber deine Mutter hat bestimmt schickere Klamotten für sei!! Sieh dir den Kittel doch mal an! Der ist ihr viel zu groß! Es gibt soooo viele süßere Klamotten, die sie anziehen könnte…!“

Frauen. Das konnte man doch gar nicht mehr anders sagen. War doch total egal, was sie trug, solange sie überhaupt etwas am Körper hatte. Sonst würden sie unterwegs von jedem alten Knacker aufgehalten werden, der sie voll sabberte und begrabbeln wollte. Wenn sie süß aussah, würde das bestimmt genauso passieren. Also besser, sie behielt den Kittel an, auch wenn dadurch die Beine unbedeckt waren und er lediglich das Nötigste der unteren Körperhälfte verdeckte.

„Hatschu!“

Da war Tanne sofort auf Achse, sobald das Geräusch erklang und verriet, dass Tiramisu gerade eben niesen musste. „Oh… Da hast du’s…! Sie erkältet sich noch!! Geh und besorg ihr süß-… äh, warme Klamotten, los!“

Oha, da wurde das Mädchen gleich wieder wütend und er hatte sie von vorhin noch gut genug in Erinnerung um zu wissen, dass er sich wohl besser nicht weiter mit ihr anlegen sollte. Außerdem wollte er ja auch nicht, dass Tiramisu krank wurde, aber anscheinend war der Kittel wohl doch zu wenig. Und er wohnte ja gleich hier, also gab er seufzend klein bei.

„Ist ja gut… Komm, Tiramisu…“

Dann würde er eben doch seine Mutter um andere Klamotten für sie bitten. Ein kurzer Seitenblick nach hinten ließ ihn feststellen, dass Tiramisu ihn erst noch irritiert ansah, aber nach weiteren vergangenen Sekunden tapsend hinterher kam. Schuhe würde er ihr auch besorgen müssen, er konnte sie doch nicht barfuß hier herum laufen lassen. Am Ende trat sie noch in irgendeine Glasscherbe oder so. Lieber nicht.

„MAMA! Bin wieder da! Hast du vielleicht Klamotten für T-…?“

„Ach jeee!“

„…iramisu?“

Oh weia, was war denn jetzt schon wieder los? Er hatte gerade erst die Tür zu seinem Zuhause geöffnet und schon kam ihm ein entzücktes Gezwitscher entgegen. Ursprünglich aus der Kehle seiner Mutter stammend war der Grund dafür recht bald klar, denn sie schien ähnlich wie Professor Lind dazu fähig, einen wahren Redeschwall von sich geben zu können.

„Da hast du aber ein niedliches Pokémon im Schlepptau, Chan! Hat dir das Professor Lind geschenkt? Was wollte er eigentlich von dir??“

„Also…“, versuchte der Dunkelhaarige, seine Mutter zu unterbrechen, damit er ihre Fragen beantworten konnte, doch keine Chance. „Ähm… Klamotten? Weißt du…“

Wow, wenn die so rotierte und im Kreis um sie herum sprang machte sie Tiramisu noch Angst! Die wirkte ohnehin gerade ein wenig überfordert. Und wenn er ehrlich war, konnte er es auch sehr gut verstehen. Dieses hibbelige Fangirl-Getue war ja gruselig!

„Hm, das hört sich nach Arbeit an!“

„Hä?“

Er hatte doch noch gar nichts gesagt. Wie denn auch, wenn sie ohne Punkt und Komma plapperte und ihn gar nicht erst zu Wort kommen ließ, damit er irgendetwas erklärte? Wahrscheinlich hatte sie sich selbst irgendetwas zusammen gereimt und wollte gerade einfach alles loswerden, was sie zu sagen hatte. Denn gerade setzte sie erneut dazu an, ihren Redeschwall fortzusetzen:

„Aber manchmal ist es ganz gut, von Leuten um einen Gefallen gebeten zu werden! ACH JA! Dein Pokécom ist von der Reparatur zurück! Hier hast du ihn wieder… kleiner, tragbarer Computer… Telefongespräche…fonsymbol auswählen…speichert automatisch… Namen auswählen… Kinderleicht, was?“

Sie war völlig begeistert von dem neuen Design des Pokécoms ihres Sohnes und präsentierte ihm stolz sein repariertes Gerät. Nur… war Chan da schon gar nicht mehr da. Und auch das süße Pokémon war auf einmal verschwunden.

„Chan?“

Sie bekam keine Antwort von ihrem Sohn. Auch dann nicht, als sie angestrengt in die Stille lauschte. Nichts und niemand regte sich. Selbst seinen Beutel hatte ihr Sohnemann einfach nur achtlos auf den Boden geworfen. Tze! Typisch Mann, der nicht einmal in der Lage war, einen einzigen Gegenstand aufzuräumen. Immer warfen sie alles einfach auf den Boden und sie konnte hinterher räumen. „Na warte, Bürschchen…!“ So nicht. Dem würde sie noch die Leviten lesen und ihm obendrein die Löffel lang ziehen dafür, dass er einfach abhaute während sie noch mit ihm sprach. Das war eine Unverschämtheit! Aber sie hatte schon eine Idee, wie sie sich dafür ’rächen’ konnte und würde. Eine super tolle Idee!

Ha! Nun aber würde sie sich erst einmal auf die Suche nach ihrem Sohn und seiner neuen Freundin begeben. Die er ihr eigentlich auch mal noch hätte vorstellen können…
 

„Tiramisu!? Bist du langsam mal fertig mit dem Umziehen???“

Ein lautes Gähnen begleitete den schon etwas genervt klingenden Ruf.

Chan hatte seine Mutter einfach ihrem eigenen Geplapper überlassen und war mit Tiramisu nach oben gegangen, um im Kleiderschrank nach passenden Stücken zu wühlen. Einiges davon sah passend aus und so hatte sich Tiramisu nach nebenan verzogen, um sich umzuziehen. Aber wie lange sie brauchte… Frauen!

Immerhin hatte er gerade keine Zeit mehr, darüber den Kopf zu schütteln, da sich prompt die Tür öffnete und ein zögerliches „Ähm…“ verriet die Rückkehr seines Pokémon, das hoffentlich etwas Passenderes gefunden hatte als den übergroßen Professorenkittel.

„U…und? Was hältst du davon, Chan?“

Tiramisu wirkte etwas verschüchtert und behielt die Arme hinter dem Rücken. Die weiße Bluse samt schwarzer Krawatte und ebenso dunklem Rock schienen aber gut zu passen, ebenso das Schuhwerk mit den kleinen Absätzen. Aber alles in einem…

„Wie süß! Sehr hübsch!“, kommentierte Chan ihren Auftritt, teils aber auch nur mit dem Hintergedanken, das alles hier einfach nur schnell hinter sich bringen zu wollen.

Die Frau ihm gegenüber beobachtete lächelnd, wie er näher kam um ihr das weitere Geschehen zu erläutern. „Sehr gut. Dann ziehe ich mich auch noch schnell um.“

„Okay.“

„Und danach können wir zu diesem Mr. Pokémon gehen.“

„Ja!“

Das klang nach einem Plan und Tiramisu war schon gespannt, wer und wie dieser Mr. Pokémon wohl sein mochte. Und was unterwegs so alles passieren würde. Hoffentlich nichts Schlimmes, aber Spannendes. Hauptsache, Chan war bei ihr und passte auf sie auf. Das würde er bestimmt, schließlich hatte er sich ja gerade auch darum gekümmert, dass ihr nicht mehr kalt war und sie um eine Erkältung drum herum kam. Sie sah noch lächelnd zu ihm empor ehe der plötzliche Aufschwung der Tür und ein lautes „Wo bist duuu? Chaaaan!! Vergiss deinen Beutel nicht!!!“ den Aufbruch weiter verzögern sollte.

Chan’s Mutter hatte soeben ihren Sohn samt Pokémon entdeckt, schien aber noch in der Tür abrupt zu erstarren.

„Eh…?“

Der Anblick überrumpelte sie eben. Da war zum Einen ihr Sohn, der gerade drauf und dran war, sein T-shirt auszuziehen, und zum Anderen eine erwachsene Frau, die eindeutig andere Kleidung trug als vorher. Auf dem Bett lagen einzelne Kleidungsstücke verstreut und die Decke sowie Kissen entweder zerknautscht oder definitiv nicht dort, wo sie zuvor gewesen waren. Was war hier denn passiert? Da versteinerte gar das Lächeln, das gerade auf ihre Lippen schleichen wollte, ehe sie erblasste und schockiert zurückwich.

„Chan, du…!? Wie kannst du nur? Das arme Mädchen! Oh mein Gott!!“

Was hatte er getan?

„NEEIIIN!! Es ist nicht das, was du denkst! Mann, Mama!!“

„RAUS!“

Seine Einwände und sein Erklärungsversuch wurden ja mal überhaupt nicht ignoriert. Seine Mutter setzte sogar noch eins drauf und schob ihn kurzerhand aus dem Zimmer, um hinter ihm die Tür zuzuknallen. Pff…! Chan schnaubte und setzte dann eben vor der Tür alleine seine Erklärung fort: „Ich wollte mich doch nur umziehen…! Meine Güte…“

Nicht einmal das durfte er, ohne dass ihm irgendetwas unterstellt wurde!

Dann würde er am besten gar nicht noch Öl ins Feuer gießen und einfach in sein eigenes Zimmer gehen, um sich dort umzuziehen. Das weiße T-Shirt landete prompt beim Betreten des Zimmers auf dem Boden und dann öffnete er seine Schranktür um nach seinem grünen Nerd-und-stolz-T-Shirt zu suchen. Dieses zog er sich gleich über und verließ mit einem „So, fertig.“ sein Zimmer in Richtung der Treppe, die nach unten führte.

„Tiramisu! Komm, gehen wir!“

Wo war sie denn?

Von unten tönte lediglich die Stimme seiner Mutter in seine Richtung. „Ah, Chan!“

Nach weiteren Schritten, die ihn die Stufen hinunter führten, entdeckte er sie. Und Tiramisu.

„Was geht denn hier ab!? Was macht ihr da bitte schön?“

Da fiel Chan direkt die Kinnlade hinunter als er die beiden Frauen vor einer Tasse und einem Glas am Esstisch im Erdgeschoss vorfand.

„Ich trinke Kaffee mit einem netten Mädchen? Ach, und ich habe dir noch ein paar Klamotten für sie eingepackt. Und Professor Lind war da, um dir seine Nummer zu hinterlassen. Vorsichtshalber.“, erklärte seine Mutter und überforderte ihn sogleich mit unnötigen Informationen. Tiramisu wirkte nicht so geschwätzig und lächelte nur leicht, ihm mit einem „Chan! Ich bin gleich fertig.“ andeutend, dass sie sich beeilen würde.

Und das tat sie tatsächlich. Mit wenigen Zügen leerte sie das Wasserglas vor sich, stellte es auf der Tischplatte ab und erhob sich mit dankenden Worten gen Chan’s Mutter. „Fertig! Vielen Dank!“

„Gerne doch!“

Es war ein nettes Gespräch gewesen, das sie geführt hatten, während Chan mit dem Umziehen beschäftigt gewesen war. Hoffentlich konnten sie das mal wiederholen! Chan schien ohnehin keine Zeit zu haben; er war bereits an der Tür und zappelte ungeduldig.

Tiramisu ließ es sich dennoch nicht nehmen, sich mit einem Winken und „Bye!“ zu verabschieden bis sie ihm tatsächlich nach draußen folgte.
 

Sie fand Chan in der Nähe des Labors vor, augenscheinlich angestrengt in Richtung des Briefkastens blickend und in seine Gedanken versunken.

„Nanu? Ist etwas?“, fragte sie ihn, dabei seine Aufmerksamkeit gewinnend obwohl er sie bei seiner Antwort nicht ansah. Doch immerhin antwortete er, auch wenn er dabei nur mit einem „Nope… Es ist nichts.“ abwehrte und ihr nicht verriet, weswegen er dorthin gestarrt hatte. „Lass uns gehen. Auf zur Route 29!“

Er setzte sich in Bewegung und Tiramisu folgte prompt.

„Wie weit ist es denn?“, wollte sie nun aber doch noch vorher wissen um abschätzen zu können, wie lange es wohl dauern würde.

„Nicht sehr. Wir müssen nur dort drüben nach Rosalia City und dann weiter in Richtung Norden.“

Das klang überschaubar, auch wenn vor ihnen nur hohes Gras und Bäume waren. Und hier und da eine einzelne Person.

So wie sich auch hinter ihnen eine einzelne Person befand, verborgen im Schatten des Labors, um Chan’s prüfenden Blicken zu entgehen.

Dieser Blindfisch schien ihn nicht entdeckt zu haben.

Dann konnte er nun ja endlich seinen Plan in die Tat umsetzen.

Ein finsteres Grinsen schlich sich auf die Lippen der Gestalt, die die Kapuze tiefer ins Gesicht zog und sich aus dem Versteck wagte.

Schließlich waren nun alle Störenfriede weg. Und diesen Idioten, der eines der Pokémon aus dem Labor vorzeitig von dort geholt und damit seinen Plan teilweise vereitelt hatte, würde er sich später noch vorknöpfen.



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