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Himitsu no Mahou - alte Version

Alte Version 2004-2008
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Wie Ying und Yang

Wie Ying und Yang
 


 

Alle Nachrichten waren voll von den Horrorbildern der vergangen Nacht. Augenzeugen berichteten der leibhaftige Tod hätte in den Straßen Tokios sein Unwesen getrieben. Spezialisten waren der Meinung, dass es sich bei dem Täter des Massakers, um einen Mann handelte, der wahnsinnig geworden war und sich selbst wirklich für den Sensenmann hielt. Daher die Sense, erklärten sie. Andere wiederum waren zu geschockt von dem Grauen, um überhaupt irgendwelche Vermutungen aufzustellen. Natürlich war die Version der Spezialisten die, die geglaubt und auch auf sämtlichen Schlagzeilen zu sehen war:

„Sensenmann als Massaker Vorbild – 132 Tote.“

„Abstraktes Massaker in Tokios Straßen.“

„Wahnsinniger Mörder tötet im Namen des Todes 132 Menschen.“

Doch wie durch ein Wunder war auf keinen der grauenvollen Bildern Green zu sehen, oder vielmehr ihr Körper, geführt von Silence. Die Wächter, die für die Geheimhaltung ihrer Rasse verantwortlich waren, hatten ganze Arbeit geleistet und dafür gesorgt, dass nicht nur sämtliche Bilder von Green verschwanden, sondern auch alle Erinnerungen, derer die sie kämpfend gegen Youma gesehen hatten. Um den Halbdämon stand es allerdings nicht so gut. Sein schönes, doch blutbesudeltes, Aussehen war überall auf der Welt zu sehen. Für die Wächter war deren Hikari wichtiger gewesen. Vor allen Dingen, aber die Magie die zum Einsatz gekommen war. Auch von dem waren alle Spuren beseitigt. Für die Menschen war es ein völlig „normales“ Massaker, ohne irgendwelche, in deren Augen, unlogischen Handlungen, gewesen. Demnach wurde auch nach Youma gefahndet, wie zu erwarten, natürlich ohne Ergebnis.

Bei den Wächtern sah es allerdings nicht besonders anders aus. Niemand konnte sich Youmas Existenz erklären. Es gab keinerlei Anzeichen auf seine Identität. Nur eins wussten sie: Er war ein Yami, somit ein Wächter.

Dies hatten sie sehr schnell anhand von simpler Technik herausgefunden. Etwas Simples wie die Zoom-Technik und schon war dem guten Beobachter das Wappen der Yami auf der Sense aufgefallen. Die Erklärung, dass Youma ein einfacher, nach Blut dürstender, Dämon war, hätte ihnen besser gefallen. Das war immerhin nichts Neues… aber ein Mitglied der, eigentlich vollkommen ausgerotteten Yami-Familie? Das war wirklich was Neues. Und das warf eine Menge Fragen auf. Fragen auf die niemand eine Antwort wusste. Im Jenseits hatten die ranghohen Hikari, seit dem Wiederfinden von Green, endlich mal wieder ein neues Diskussionsthema. Ein Thema welches wirklich heikel war.

Die Einzige die jedoch alle aufkommenden Fragen mit einer Antwort befriedigen konnte, war Green.

Momentan saß sie in zusammen mit Grey in einem Arbeitszimmer, mit einem wohl dampfenden Tee in der Hand. Sie hatte ihn noch nicht angerührt, denn die junge Hikari machte keine Anstalten ihre Traurigkeit zu verbergen. Auch wenn jemand der sie nicht kannte, ihre Gefühlslage wohl nicht sehen würde. Denn Green weinte nicht und soweit Grey es beurteilen konnte, hatte sie es auch nicht getan. Ihr, wie immer, ungeschminktes hübsches Gesicht sah sehr gefasst aus. Zwar recht blass, aber das, war sie schon vor all dem gewesen. Ihre Augen hingen schlaff und auch ein wenig leblos in den Augenhöhlen. Kein einziger Lichtpunkt war zu sehen.

Hinter den beiden Geschwistern war ein Computer eingeschaltet. Dessen 3D Plasma Bildschirm zeigte auf einer etwa fünf Meter großen Fläche die Aufnahmen der Menschenkameras, welche die Wächter sich einverleibt hatten. Das Größte zeigte die Aufnahme die der Helikopter kurz vor dem Verschwinden der Zwillinge gemacht hatte. Die von Außen wirkende Green, hielt Youma am Arm fest, der gerade abermals mit der Sense ausgeholt hatte. Hinter ihnen die elf kopflosen Menschen.

„Green. Ich kann deine Lage sehr gut nachvollziehen und auch, dass du ganz und gar nicht in der Stimmung bist, Auskünfte preiszugeben… aber das hier ist eine Angelegenheit die zu einem katastrophalen Ausmaß anwachsen kann. Noch unerfreulicher als sie ohnehin schon ist. Wir sind auf deine Hilfe angewiesen, da du scheinbar die Einzige bist, die etwas weiß. Bitte, Green, sag mir wer der Mann ist, der dich angegriffen hat.“ Green sah von ihrer Tasse auf, an dem Gesicht ihres Bruders vorbei und auf eins der angezeigten Bilder. Auf dem Bild war Youmas, noch nicht blutbespritztes, Gesicht zu sehen. Jetzt wo sie Grey und Youma auf einmal sah, fiel ihr auf, dass zwischen den beiden Wächtern die gleiche Ähnlichkeit vorhanden war, wie auch bei Green und Silence. Nur das Grey lange nicht an Youmas atemberaubender Schönheit herankommen konnte.

„Green…“ Ein verzweifelter Versucht die Aufmerksamkeit seiner Schwester wieder auf sich zu lenken. Es schien gelungen zu sein, denn die Angesprochene sagte:

„…Ich hab es doch schon einmal gesagt: Ich weiß es nicht. Er hat mich einfach aus heiterem Himmel angegriffen und nicht gesagt warum oder wie sein Name lautete. Ich bin genauso ahnungslos wie wir alle.“ Teilweiße entsprach dies auch der Wahrheit. Green hatte keinerlei Erinnerungen an das was passiert war, nachdem Silence ihre verbotene Technik angewandt hatte. Aber nachdem sie die schrecklichen Bilder gesehen hatte, war sie froh darüber sich ahnungslos nennen zu können. Sie wusste nicht wie sie den Kampf geschlagen hatte, wenn Silence nicht übernommen hätte.

„Warum sollte ein Wächter die Hikari angreifen…“, sagte Grey gedankenverloren. Es war deutlich, dass diese Frage nicht an Green gerichtet war, sondern an sich selbst und einfach nur so in den Raum geworfen war. Die Hikari hoffte er würde mit dem Ausfragen aufhören, doch ihr Hoffen war vergebens. Grey war aufgestanden und zeigte auf ein Bild auf dem Green alleine zu sehen war. Sie sah genau auf was er zeigte, tat aber so als würde sie es nicht merken. Es war der Stab. Genauergenommen, der von Silence.

„Was ist das?“

„Hat mit Tinami ausgeliehen“, kam es wie aus der Pistole geschossen. Es war nämlich eine Ausrede die Green sich schon vorher parat gelegt hatte.

„Es sieht so aus als hättest du schwarze Augen, findest du nicht auch?“ Es war deutlich worauf Grey hinaus wollte, doch Green tat weiterhin als wüsste sie es nicht.

„Findest du? Das wirkt sicherlich nur so.“ Der Kaze war nicht überzeugt, das sah man ihm an. Auch wenn er zugeben musste, dass die königsblauen Augen seiner Schwester auch jetzt ein wenig dunkler als normal wirkten. Was wahrscheinlich an dem fehlenden Licht lag.

„Green, es bringt nichts.“ Green zuckte zusammen, nicht weil es die Stimme von Silence war, sondern aus dem Grund, dass sie hörbar war. Hörbar in dem Sinne, dass auch Grey sie gehört hatte. Er öffnete den Mund fassungslos und blinzelte einige Male. Als er stumm mit dem Zeigefinger auf Green zeigte, wurde ihr klar, dass Silence, sichtbar, hinter ihr stehen musste.

Als ob Green gerade ihre Schulfreundin ihrem Bruder vorstellen würde, sagte sie:

„Grey, darf ich vorstellen? Das ist Silence. Silence, dass ist mein großer Bruder Grey. Sie ist eine Wächterin der Dunkelheit.“
 

Auf Silence’ Aufforderung hin, hatte Green ohne Mucken das Zimmer verlassen. Wahrscheinlich war sie sogar froh darüber. Nach anfänglichem Anstarren von Greys Seite aus, war Silence ohne Umschweife angefangen zu erklären. Er unterbrach sie nicht, doch die Yami konnte deutlich an seinem Gesicht sehen, was ihre Worte auslösten. Viel erklärte sie nicht, nur das Wichtigste. Aber jedoch so viel, dass er verstand und keine Fragen mehr hatte.

„Und du brauchst Greens Körper zum agieren, Silence-san?“

„Ja. Ein anderer kommt nicht in Frage. Nur die Körper der Hikari sind mit meinen kompatibel.“ Grey verfiel dem Schweigen. Es war deutlich zu sehen, dass er sich deswegen große Sorgen machte und abermals sah er auf die Plasmabilder.

„Für meine Schwester ist das eine zu große Last. Sie hat bereits genug gelitten.“

„Ich bin mir darüber sehr wohl im Klaren. Glaub mir, wenn es eine andere Möglichkeit gäbe, würde ich ein anderes Medium wählen. Green und ich sind uns sehr ähnlich. Ich habe noch nie jemanden gefunden mit dem ich so gut zusammen passe. Daher ist sie mir besonders wichtig und deshalb werde ich sie beschützen. Sie ist schon zu tief in all dem hinein geraten um wieder heraus kommen zu können. Wenn ich nicht bei ihr bleibe, wird Youma sie töten.“ Grey nippte gedankenverloren an seinen Tee.

„Ich schließe mich den Gedanken an, dass sie Schutz braucht… aber durch dich gerät sie weiterhin ins Kreuzfeuer zwischen dir und deinem Zwilling.“

„Das leugne ich nicht.“

„Vielleicht wäre es das Beste wenn sie hier im Tempel bleibt. Hier ist sie sicher.“

„Absolut nicht. Das Sicherheitssystem würde bei Youma keine Wirkung zeigen, da er zur Hälfte ein Wächter ist.“ Ein schwaches Lächeln huschte über Greys Gesicht.

„Klingt als würdest du dich auskennen.“

„Lange Existenz fördert die Allgemeinbildung“, antwortete Silence mit einem Zwinkern. Der Kaze achtete nicht darauf und wurde sofort wieder ernst.

„Und? Was hast du nun vor?“ Auch Silence’ Gemüt passte sich dem von Grey an.

„Durch den Tod ihrer kleinen Freundin ist Green schwer angeschlagen. Sie macht sich für Karis Tod verantwortlich. Durch ihre Schicksalskarten glaubt sie nun, dass sie der Bote allen Übels wäre. Aus verständlichen Gründen. Ich bezweifle ehrlich gesagt dass sie momentan in der Lage ist Lichtmagie anzuwenden. Du weißt selbst wie unstabil dieses ist.“

„Absolut schutzlos…“ Silence erhob den Zeigefinger.

„Genau. Daher ist es in erster Linie wichtig Green aus ihren Kummer herauszuholen… und ich habe dafür auch schon alles in die Wege geleitet.“ Grey stellte seine Tasse ab und sah seine Gesprächspartnerin verwundert an. Das Gesicht, welches Green wirklich unheimlich ähnlich war, war nun geschmückt mit einem geheimnisvollen Lächeln.

„Was hast du geplant?“

„Es gibt ein Wunderheilmittel, gegen alle Wunden dieser Welt, wusstest du das?“ Wenn möglich wurde ihr Lächeln noch eine Spur geheimnisvoller. Es war leicht zu sehen, dass ihr die Geheimnistuerei gefiel. In Greys Gesicht stand nur ein geschrieben: Verwirrung.

„Was für eins?“

„Wenn ich das sagen würde, würde man mir nachsagen ich würde auf Kitsch stehen. Daher wirst du wohl selbst darauf kommen müssen!“
 

Das Wetter hatte sich eindeutig Greens Stimmung angepasst. Genauso traurig wie sie sich fühlte, sah auch der Himmel aus. Nur mit dem Unterschied, dass er hemmungslos Tränen vergoss, in Form von einem Regenguss, der seine Konkurrenz suchte. Eine Weile, sie konnte keine Zeit festlegen, starrte sie in das Unwetter hinaus, welches wahrscheinlich die letzten Blutspuren der vorigen Nacht wegspülte, ehe sie den blauen Vorhang fallen ließ und das Bild somit verschwunden war. Aus den Augenwinkeln sah sie auf die modische Wanduhr, welche die Form eines Mondes hatte. Mit schnellen Schritten verabschiedete sich der trübe Nachmittag und ging über in einen regnerischen Abend. Green war froh darüber, dass sie, mit Ausnahme von Silence, alleine war, denn so musste sie nicht daran denken, Essen auf den Tisch zu bringen. Pink war bei den Lings zu Essen eingeladen, wie auch das Übernachten… und Kari… sie würde nichts zu Essen haben wollen, wenn Green nicht in der Stimmung war, welches zu machen. Sie hätte sich entweder selbst was zu Essen gemacht oder einfach darauf verzichtet.

Würde. Hätte.

Vergangenheit.

Sie war Vergangenheit.

„Green, wir müssen reden.“ Die Angesprochene rührte sich auf Silence’ Worte hin nicht vom Fleck. Sie stand mit dem Rücken zu ihr.

„Ich will nichts damit zu tun haben.“ Eine Antwort die die Yami erwartet hatte. Kooperation wäre in ihrer momentanen Lage sehr unwahrscheinlich. Silence hätte nicht anders gehandelt, wäre sie an Greens Stelle gewesen. Sie tendierte dazu etwas zu sagen, doch den Gedanken hätte sie sich sparen können. Es klingelte an der Haustür.

Green zuckte zusammen und sah überrascht zur Tür, die man am anderen Ende der Stube sehen konnte. Sie sah sie an, als hätte sie vergessen dass ihre Wohnung einen Aus und Eingang hatte. Nach dem dritten Klingeln, fragte Silence ob sie nicht langsam mal hingehen wolle. Der Ton nerve sie, fügte die gereizt hinzu.

Doch die Lichterbin wandte sich ab.

„Ich will niemanden sehen.“ Hörbar seufzte Silence auf.

„Dir muss man auch wirklich immer zu deinem Glück verhelfen…“, sagte die Tote als sie, als wäre es vollkommen normal, die Hand durch Greens Herz streckte und ehe sie die dazugehörige Formal sprach, sagte sie noch, mit einem beinahe mütterlichen Klang:

„Sturkopf!“ Schon gehörte Greens Körper ihr und mit einem triumphierenden Grinsen stolzierte Silence in Greens Körper hinüber zur Tür. Die Klinke drückte sie gerade noch herunter, ehe sie ihr Medium wieder sich selbst überließ. Für diese war es zu spät einen Rückzieher zu machen, denn die Tür war bereits offen und erstaunt brachte Green den Namen des Besuchers über die Lippen:

„Gary!“ Der Angesprochene entfiel ihre offensichtliche Verwunderung über seinen Besuch nicht und ein wenig verwirrt, aber auch leicht mit Trotz, sah er sie an. Es war deutlich, dass er gerade von Nebenan gekommen war, denn er trug keine Jacke. Mit einem simplen schwarzen Pullover stand er vor ihr, als wäre es das normalste der Welt. Natürlich, das war es auch, sagte Green sich selbst.

„Was ist los? Silver sagte du wolltest heute Abend mit mir reden?“ Green sah augenblicklich zu Silence. Ihr war klar geworden, wer die Fäden hier in der Hand hielt. Silence sah mit einem unschuldigen Blick zur Seite, konnte es dennoch nicht lassen, ihr Medium kurz schnippisch anzugrinsen, ehe sie sich auflöste. Ihr war nicht entfallen, dass ihr Plan aufging. Allein der kurze Augenblick in dem sie Gary gesehen hatte, hatte ausgereicht um ein wenig Leben zurück in Greens Augen zu bringen.

Tja. Das kitschige Etwas war wirklich ein wahres Wundermittel.

Greens Herz handelte schneller als ihr Gehirn und schon hatte sie Gary hereingebeten, anstatt sich herauszureden.

„Das Gleiche wie… immer, Gary?“ Sofort war Green wieder in ihre Schauspielrolle der „gut-gelaunten Green“, zurückgekehrt. Bei Grey war es etwas anderes gewesen. Er hatte die Hintergründe gewusst. Wenn Gary herausfinden würde das Kari… tot war, würde er sich nicht einmal mehr rauswerfen lassen. Vielleicht wusste er es auch schon. Immerhin konnte Green nicht ausschließen dass Silence es ihm verraten hatte. Obwohl… trotz allem, war Gary wohl noch die Person die Green am besten kannte. Er würde wohl auch ohne Erklärungen sehen, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Auch, wenn sie sich alle Mühe gab ihre Trauer zu verbergen. Er hatte sie bis jetzt immer durchschaut…

Hoffte sie darauf?

„Ja, danke.“ Die Hausherrin wand sich von ihren Besucher ab und schritt hinter die Theke, welche die Küche von der Stube trennte. Während sie am Kühlschrank zu Gange war, sah Gary sich fast schon neugierig um. Die Neugierde konnte er sich selbst nicht erklären, immerhin war er schon so oft hier gewesen. Auch jetzt, wo der letzte Besuch schon mehr als zwei Wochen zurück lag, hatte sich in der Wohnung nichts verändert. Wie immer war es aufgeräumt und ordentlich. Die Pflanzen schienen gerade erst benässt worden zu sein. Scheinbar war Green trotz allem ihren Pflichten nachgegangen. Die hellblauen Vorhänge waren vor dem großen Stubenfenster zugezogen und nur durch das Trommeln des Regens machte das Unwetter draußen auf sich aufmerksam.

Ohne Gary sonderlich zu beachten holte Green die Gläser aus dem Schrank und öffnete den Kühlschrank. Begleitet mit dem Geräusch des zugehenden Kühlschranks ertönte Garys Stimme, in einem Tonfall, den Green noch nie von ihm gehört hatte:

„…Es tut mir Leid, Green…“

Das Glas rutschte Green aus der Hand und zersprang in Scherben, als es auf den Boden aufschlug. Das Geräusch erreichte ihre Ohren nicht. Sie war in dem Moment zu aufgewühlt um sich auf ihre Umgebung zu konzentrieren. Er wiederholte die gleichen Wörter noch einmal. Erst da schien ihr Denkvermögen den Betrieb wieder aufzunehmen.

Was sagte er da? Warum sagte er so was? Was tat ausgerechnet ihm Leid?! Green war es die es Leid tat. Green war es die sich entschuldigen musste. Aber auch tausend Mal die gleichen Worte könnten es nicht wieder gut machen, was sie getan hatte. Aber… warum, wofür, was tat ihm Leid? Er hatte keine Sünde begangen! Sie war die Sünderin, nicht Gary! Green ertrug es nicht. Es tat weh, so schrecklich weh. Es war als hätten diese Anreihe von Wörtern ein Loch, eine alte Wunde, in ihr aufgerissen. Es klaffte, schmerzte, schrie nach Heilung. Doch die Hikari kannte kein Heilmittel. Sie war ratlos, stand einfach nur am Kühlschrank, wie eine Puppe der man den Strom genommen hatte.

Doch er war nicht fertig. Und mit jedem weiteren Wort wurde die Wunde ätzend größer:

„…Ich habe dich in Stich gelassen, als du meine Hilfe am dringendsten gebraucht hast. Ich habe es tatenlos zugelassen dass dir all das Leid widerfahren ist… dass du von irgendeinen Wesen besessen worden bist... dass du so verletzt warst, dass du ins Hospital musstest… und dass du all das alleine durchstehen musstest!“ Green zuckte zusammen, als sie deutlich vernahm wie Gary mit der zusammengeballten Faust auf die Theke schlug.

„Und das obwohl ich geschworen hatte dich zu beschützen! Du hast mir dein Vertrauen geschenkt und ich bin dem ganz und gar nicht gerecht geworden. Ich hab dich enttäuscht… und das… und das…“ Seine Wut verrauchte und zurück blieb abermals der Ton der so schrecklich ungewohnt war von Gary zu hören. Voller Schuldgefühle… voller Trauer und Groll über sich selbst. Seine Worte waren aufrichtig und vollkommen ernst gemeint. Genau dies war es, was Green dazu veranlagte aufzukeuchen als er mit folgenden Worten abschloss:

„…Tut mir so unendlich Leid…“

Green wusste nicht wie sie das handhaben sollte. Immer noch war sie nicht fähig zu agieren, ihr Körper gehorchte ihr einfach nicht. Aber sie musste reagieren. Denn Green wollte nicht, dass Gary sich so fühlte, wie es seine Stimme verriet. Sie wollte, dass er sie viel eher anschrie, ihre Fehltaten ankreidete und nicht seine – die er nicht einmal begangen hatte. Green war Schuld. Sie war abermals Schuld an allem. Sie war die Ursache dafür, dass Gary sich so fühlen musste… und jetzt musste sie dafür Sorge tragen, dass er nicht länger mit diesen Gedanken herumirrte. Aber sie wusste einfach nicht wie! Green fand keine passenden Worte um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen – um sie in simple Worte zu fassen. Ihre Gedanken sprangen im Dreieck, überhaupt nicht in Stande zu solch einer Tat. Irgendeine kleine Stimme in ihr… vielleicht ihr Verantwortungsbewusstsein oder ihr Gewissen… sagte ihr, dass sie Gary Recht geben sollte. Wenn sie ihm Recht geben würde und die Entschuldigung nicht annehmen würde… würde er wahrscheinlich nachgeben, sich seiner „Schuld“ bekennen und aus ihren Leben verschwinden. Eine nicht angenommene Entschuldigung würde er akzeptieren, dessen war Green sich sicher. Und das, war doch das, was sie wollte… oder? Die beiden mussten weg. Siberu würde Gary schon folgen… Sie würden sich nie wieder sehen. Damit wären sie vollkommen aus der Schusslinie der Todeskarte. Denn wäre deren Leben nicht mehr in Gefahr… und sie würden nicht so enden… wie Kari.

Aber Green war ein Egoist. Sie wollte nicht zu dem Leben zurückkehren, welches sie vor den Beiden geführt hatte. Einsamkeit… ewige, nicht entrinnbare, Kälte… ihr Schicksal als Unglücksbote alleine tragen, ohne Hoffnung, ohne ein Lichtblick zu haben… Es war jedoch genau das was sie wählen musste. Es war die einzige Wahl die sie hatte.

Alleine bis zum Tod.

Hoffentlich würde der nicht lange auf sich warten lassen…

„Verschwinde.“ Green sagte dieses Wort ohne Gefühl. Vollkommen ohne Betonung, als wäre sie ein Computer der dies gesagt hatte. Die Wunde wurde größer und Green fragte sich, warum sie nicht schreiend am Boden lag. Gary sagte nichts, sie konnte auch nicht sehen, was dieses Wort ausgelöst hatte. Sein Gesicht sah sie nicht. Wahrscheinlich war dies auch besser so… dies machte es leichter.

„Verschwinde! Ich will nichts mehr mit dir und Sibi zu tun haben! Ihr sollt aus meinem Leben verschwinden, ich brauche euch nicht mehr! Verschwindet in eure Welt und lasst euch hier nie wieder blicken! Ich will euch nie wieder sehen! NIE!“

Schweigen.

Tu es schon, hör bitte wenigstens einmal auf mich!

Gary sagte nichts und Green fragte sich, ob er sich argumentlos ergeben würde. Absolut nicht seine Art, doch es würde es leichter machen… auch wenn sie es fast schon hoffte…

Zuerst wusste sie nicht was es war, doch schnell hatten ihre Sinne ihre Arbeit wieder aufgenommen. Jedoch nicht schnell genug um zu verhindern, dass Garys Hand, die Ihre ergriffen hatte, sie zu sich herum drehte.

Der Anblick von Gary gab ihrer Wunde einen weiteren Riss. Er sah unheimlich ernst aus, doch hinter der Ernsthaftigkeit war deutlich sichtbar, dass Greens Worte ihn verletzt hatten. Plötzlich veränderte sich jedoch sein Gesichtsausdruck. Er wurde zu etwas, was Green absolut nicht verstand: Er lächelte.

„Ich wusste es…“ Diese Worte sprach er fast schon seufzend, begleitet mit… Erleichterung aus. Warum? Was erleichterte ihn?

Es war genau wie damals unter dem Kirschbaum. Genau wie damals schreckte er zögernd die rechte Hand aus und berührte, ebenso sanft wie damals, ihre Wange. Sie verstand nicht warum, und irgendwie… war es ihr auch egal. In dem Moment wollte Green sich einfach nur fallen lassen, sie wollte die Augen schließen und sich einfach nur in dieser Geborgenheit laben. Am liebsten wollte sie ihre Hand auf seine legen um ihn daran zu hindern, sie jemals wieder zurückzuziehen.

„Wenn du deine Worte ernst gemeint hättest, hättest du nicht geweint.“ Geweint? Sie hatte es überhaupt nicht bemerkt… aber jetzt wo er es sagte, spürte sie, dass ihre Wangen von Tränen benetzt waren. Deshalb also, hatte er seine Hand an ihre Wange gelegt, um ihr die Tränen wegzuwischen. Womit hatte sie diesen Idioten nur verdient!

Doch jetzt, wo er seine Aufgabe beendet hatte, zog er die Hand wieder zu sich und Green spürte beinahe schon einen Entzug. Sie wollte sich nach ihm ausstrecken und die Entziehung zu stillen. Dies blieb allerdings eine Wunschvorstellung, denn sie selbst blieb stehen und regte sich nicht. Fast schon automatisch wischte sie sich die restlichen Tränen weg und spürte dabei wie warm ihre Wangen geworden waren.

„Was hättest du getan, wenn ich nicht geweint hätte?“

„Ich hätte dich zur Rede gestellt, Green. Ich weiche nicht noch einmal von deiner Seite.“ Green spürte wie sie errötete und war froh, dass ihre nussbraunen Haare ihr vor die Augen fielen. Die Hikari fühlte wie die Schuldgefühle langsam und sicher von ihr Besitz ergriffen. Wieso nur, war er so nett zu ihr? Wieso wollte er sie jetzt noch beschützen und vor allen Dingen, warum machte er ihr keine Vorwürfe? Obendrein gab er sich selbst die Schuld! Womit hatte sie das verdient? Womit hatte sie es verdient, dass sie jemanden wie Gary kannte und behaupten konnte, sie hätte ihn an ihrer Seite?

Green versuchte sich abzulenken und tat so als würden die auf den Boden liegenden Scherben sie interessieren. Pflichteifrig bückte sie sich und sammelte mit gesenktem Kopf die Trümmer des ehemaligen Glases auf. Sie hatte keine zwei Scherben auf ihrer Hand, ehe auch Gary sich nieder kniete um ihr zu helfen. Seine Moral hatte es schlicht und einfach verboten Green tatenlos zuzusehen.

„Ich schaff das schon!“, protestierte Green.

„Lass mich dir helfen!“ Gary sah auf und traf den Blick der Hikari.

„Und damit meine ich nicht nur die Scherben.“ Green vergaß für einen Moment die Scherben, wie auch ihre Umwelt, als sie in seine dunkelgrünen Augen sah. Sie hatte vollkommen vergessen, was für ein Vertrauen in diesen Augen ruhte. Ein fast schon dringendes Bedürfnis, ihm alles anzuvertrauen überspülte sie, wie eine Welle. Es gelang ihr nur mit größter Mühe dem zu widerstehen und sich nicht auf dieser Welle mittreiben zu lassen. Damit ihr dies erleichtert wurde, senkte sie eilig den Blick und begann schweigend ihre Aufräumarbeit zu beenden. Darauf achtend, nicht seine Hände zu berühren.

Gary beschloss, dass dies alles nichts brachte. Er musste das Problem anders anpacken. Vielleicht sollte er erst einmal über etwas anderes, was Lockeres reden um sie ein wenig abzulenken.

„Wo sind eigentlich Pink und Kari?“ Greens Hand kam zum Stillstand.

„…Weg.“ Gary entfiel das nicht. Schnell bemerkte er, dass seine Idee ganz und gar nicht eingeschlagen hatte. Irgendetwas war mit ihr absolut nicht in Ordnung. Warum traf sie diese Frage so? Kaum hatte er diesen Gedanken beendet, fiel ihm die Nachrichten des gestrigen Abends ein. Weil ihm dieses Massaker mehr als suspekt vorgekommen war, hatte er im Internet nach weiteren Daten gesucht und war darauf gestoßen, dass ein Augenzeuge in einem Forum berichtete, er hätte ein kleines Mädchen in der Mitte durchgeteilt im Park gesehen.

Aber das war wohl eines Zufalls zuviel…

„Green, Kari ist doch nicht etwa einer der gestrigen Massaker-Opfer?“ Er stellte diese Frage mit Ruhe in der Stimme, doch auch zögernd, mit Rücksicht, als fürchte Gary Green würde diese Worte nicht vertragen.

Ohne eine Antwort zu geben, stand Green auf und warf die Scherben weg. Gary tat es ihr gleich, auch wenn er das Gesicht seiner Freundin nicht aus den Augen ließ. Es war offensichtlich, dass sie versuchte seinen Blick auszuweichen. Dennoch nahm sie ein neues Glas und füllte Wasser hinein. Mit beiden Gläsern schritt sie zielsicher auf die kleine Sofagruppe zu und stellte die Getränke dort ab.

„Willst du was zu knabbern?“ Das war Antwort genug. Kari war einer der Getöteten. Mitleid kam in Gary auf, merkwürdigerweise nicht wegen dem toten Mädchen, sondern wegen dem Mädchen, welches tapfer lächelnd vor ihm stand. Hatte sie nicht genug durchgemacht? Hatte sie nicht schon genug gelitten? Warum musste auch noch das dazu kommen… Gary fühlte sich durch diese Erkenntnis noch schlimmer als zuvor. Was sollte er tun, was sagen, um ihre Wunden zu heilen? Was war angebracht, wenn überhaupt etwas angebracht war? Vielleicht wollte sie lieber allein gelassen werden…

Nein! Sie war lange genug alleine gewesen. Lange genug hatte er zugeschaut, jetzt musste etwas getan werden. Ansonsten würde er seine Green nie wieder zurückbekommen.

Green setzte sich, in aller Ruhe trank sie einen Schluck von ihrem Wasser. Jedoch immer noch darauf bedacht, ihn nicht anzuschauen. Gary blieb stehen.

„Was ist? Setz dich doch.“ Er ging ihrem Wunsch nicht nach. Mit einem geduldigen Blick sah er sie an und Green entfiel auch nicht das Mitleid, welches sich in seinen Augen spiegelte.

„Gary, es ist wirklich…“

„Nichts in Ordnung. Green, glaubst du das merke ich nicht? Wir waren zwar lange getrennt, aber das hat nichts daran geändert, dass ich dich kenne und ich kenne den Unterschied zwischen deinem wahren Lächeln und deinem Aufgesetzten! Also beende dein Schauspiel und gib deine Gefühle zu. Du hast keinen Grund dich dafür zu schämen.“ Das Lächeln auf Greens Gesicht fiel in sich zusammen, als er seine kleine Rede beendet hatte.

„Du verstehst das nicht…“ Die Hikari sah in eine andere Richtung um nicht seinen vertrauensvollen Augen zu verfallen.

„Wie auch. Du verstehst es Dinge für dich zu behalten und andere in den Wahnsinn zu treiben“, seufzte er. Die Reaktion war unerwartet, doch, wenn er diesen Vergleich als Dämon aufstellen durfte: sie klang wie Gesang des Himmels. Green lachte. Sie lachte ihn nicht aus für seine ernst gemeinten Worte, sie kicherte einfach nur dezent. Schnell jedoch war dieser entspannte Augenblick vorüber. Denn als hätte Green sich selbst nicht gehört und auch nicht bemerkt hatte, dass sie zu lachen begonnen hatte, schlug sie plötzlich die Hand vor dem Mund - als wäre ihr Lachen eine verbotene Tat, für die man sie hängen könnte.

Ein weiteres Mal herrschte Schweigen. Green behielt während diesen Minuten die Hand vor dem Mund. Ihr, über sich selbst, geschockter Gesichtsausdruck, veränderte sich langsam. Sie hörte auf Garys Worte und als sie die Hand senkte, sah er eine bodenlose Trauer in ihrem Gesicht. Noch nie hatte er sie in solch einen Zustand gesehen. Jetzt wo das aufgesetzte Lächeln sich aufgelöst hatte und sie mit leicht gesenktem Kopf dasaß und das Licht somit nicht ihr Gesicht erhellen konnte, wurden ihre dunklen Ringe unter den Augen erst richtig betont. Geschlafen hatte sie seit langen nicht mehr richtig - das war deutlich zu sehen. Doch blutunterlaufen waren ihre Augen nicht, also hatte sie nicht viel geweint. Wahrscheinlich nicht mehr, als diese paar Tränen von gerade eben. Gary wusste nicht ob, dass ein Gutes oder schlechtes Zeichen war. Er tendierte allerdings zum Letzteren. Green hatte die Trauer in sich hineingefressen. Zum Glück, lag der Tod des Mädchens erst einen Tag zurück. Der Halbdämon traute Green zu, dass sie die Trauer bis in den Tod, in sich vergaben hätte, wenn es nötig getan hätte.

„…Es gibt danach kein Zurück mehr…“, ertönte Greens klägliche Stimme, als sie zu Gary aufsah. Dieser setzte sich jetzt endlich vor ihr hin.

„Ich will nicht zurück.“ Green blickte zu ihm und sah, dass er ihr einen aufmunternden Blick schenkte. Nur einen kurzen Moment war Green dadurch ebenfalls zu einem Lächeln animiert. Stattdessen holte sie jedoch tief Luft und begann…
 

„Es gibt ein Wunderheilmittel, gegen alle Wunden dieser Welt… Was hat Silence-san nur gemeint?“ Im Tempel war es weit entfernt davon zu regnen. Die Nacht hatte soeben über den Tag gesiegt. Am Horizont trafen sich dunkle Blautöne mit den hellen und vereinten sich zu einem herrlichen Farbspektakel. Im dunklen Bereich des Himmels leuchteten bereits die ersten Sterne auf. Wie so oft saß Grey an seinen Schreibtisch, von dessen Punkt man den Himmel, mit seinem Panorama bestens sehen und bestaunen konnte. Er arbeitete hier am liebsten und er musste zugeben, dass ihm diese Tageszeit gefiel, wahrscheinlich wegen der guten Inspirationen. Auch wenn es der Moment der Scheidung von Tag und Nacht war.

„Liebe.“ Grey erschrak als die Stimme seines Tempelwächters an sein Ohr drang und wirbelte herum.

„Ah, ich hab gar nicht bemerkt, dass du herein gekommen bist, Ryô!“ Ein mechanisches und doch höfliches Lächeln zeigte sich kurz auf Ryôs Gesicht, ehe er ein Tablett mit Greys Leibgericht auf einen Tisch stellte.

„Ihr wart auch sehr in Gedanken, Grey-sama. Es wundert mich da nicht dass Ihr meine Anwesenheit Euch unbemerkt geblieben ist.“ Der Angesprochene sah zu dem Essen und zeigte darauf. Ryô erhob verspielt den Zeigefinger und sagte predigend:

„Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg eben zum Prophet kommen… mit anderen Worten: Ihr habt mal wieder das Abendessen verpasst.“ Wie ein Kind lächelte Grey unschuldig, als wäre er von seiner Mutter getadelt worden. Jedoch stand er auf und setzte sich zum Tisch. Doch ehe er mit dem Essen begann, wandte er sich noch einmal an Ryô, der gerade wieder in Schweigen verfallen wollte.

„Was meintest du gerade eben?“ Früher hätte sich Ryô an diesem Punkt sofort dafür entschuldigt, dass er sich vorhin in die Gedanken seines Herren eingemischt hatte. Doch Grey war froh darüber sagen zu können, dass er ihm das abgewohnt hatte. Er hatte auch oft genug seinen Freund darauf hingewiesen, dass dieser seine Meinung offen Kund geben konnte, ohne dass Grey dies kritisieren würde. Wahrscheinlich würde Ryô es in der Öffentlichkeit niemals wagen, aber wenigstens unter vier Augen. Schon einmal ein Anfang. Und das Suffix würde Grey ihm auch noch austreiben!

„Liebe, Grey-sama.“ Ryô wurde leicht rot als er fortfuhr.

„Das Wundermittel von dem Ihr spracht… ich denke damit ist Liebe gemeint. Mir ist schon öfter zu Ohren gekommen, dass man der Liebe solcherlei Fähigkeiten zusagt.“ Grey legte den Kopf schief.

„Davon hab ich noch nie etwas gehört.“ Ryô musste sich ein belustigtes Lächeln verkneifen. Wer hätte das von Grey gedacht…!

Greys Gesicht wurde ernst, was Ryô nicht entfiel. Der Windwächter sah schweigend und in seinen eigenen Gedanken verworren auf ein Bild welches auf dem Schreibtisch stand. Er hatte es von seiner geliebten Schwester bekommen und ob man es glaubte oder nicht, sie war nicht alleine auf dem Bild. Es war das Gleiche, welches auch die beiden Halbdämonen besaßen: Mit dem Unterschied, dass Greys Exemplar an beiden Seiten beschnitten war, so das zum Großteil nur noch Green zu sehen war. Von den beiden Geschnittenen waren nur noch höchstens einen Zentimeter zu sehen. Ryô hatte seinen Herren einmal gefragt warum er gerade dieses Bild eingerahmt hatte. Grey hatte weiß Gott genug Bilder seiner Schwester. Der große Bruder hatte mit traurigen Augen und doch einem Lächeln geantwortet:

„Weil sie auf diesem Photo am glücklichsten ist.“

„Wem von den Beiden mag sie wohl am liebsten?“ Ryô sah auf, als seine Gedanken von Greys Stimme unterbrochen worden waren. Abermals würde er am liebsten den Kopf über den Kaze schütteln.

„Das habt Ihr noch nicht gemerkt?“ Maulend legte Grey die Arme auf den Tisch, achtete mal wieder nicht auf das Essen, und stützte seinen Kopf auf diese.

„Wahrscheinlich der, den ich am wenigsten leiden kann.“ Diesmal konnte Ryô sich ein apartes Lachen nicht verkneifen.

„Wahrscheinlich!“

Abermals verfiel Grey dem Schweigen und zu Ryôs Staunen nahm er die goldene Gabel und begann mit dem Essen. Er sagte dabei nichts, eigentlich wie immer. Beim Essen sprach er nie, er stempelte es als ein Bruch der Etikette ab. Doch diesmal wusste Ryô hatte es einen anderen Ursprung, als seine Eitelkeit was die Allüre anging. Er fragte sich worüber er nachdachte…?

„Danke fürs Mahl“, sagte Grey sonst auch nach Beenden des Essens und nahm auch widerwillig seine tägliche Medizin ein, die er mittlerweile schon fünfmal einnehmen musste.

„Kurz bevor sich meine erhabene Familie dem Yami-Problem zugewandt hat…“ Ryô fiel zum ersten Mal auf, dass Grey „meine erhabene Familie“ mit einem für ihn untypischen Unterton gesagt hatte. Etwas was ihn fast schon schockierte.

„… haben sie, was Green angeht, einen Entschluss gefasst.“

„Entschuldigt meine Neugierde: Welchen?“ Grey drehte sich zu seinem Freund und sah leidend und doch todernst aus.

„Sie wird erst hingerichtet wenn die Ersten beiden ihrer schicksalhaften Karten sich bewahrheitet haben. Mit anderen Worten…“

„… Sobald Hikari-sama sich in einem Dämon verliebt, ist sie zum Tode verurteilt.“

„Und wie ich das sehe… dauert das nicht mehr lange…“
 

Green hatte länger gebraucht alles zu erklären, als Silence. Der Unterschied war höchstwahrscheinlich weil Green ganz von Anfang an erzählte und auch nichts ausließ. Wie erwartet, war Gary ein guter Zuhörer. Was Anderes hätte sie auch nicht von ihm erwartet. Er lauschte ihren Worten ein wenig angespannt, doch dennoch strahlte er eine Ruhe und Sicherheit aus, so dass Green kein einziges Mal ins Stocken kam oder in Zweifel geriet, ob das, was sie gerade preisgab, richtig war. Immer mal wieder sah sie zu ihm rüber, um seine Reaktion in seinem Gesicht lesen zu können. Dabei bemerkte sie öfter, dass er kurz davor war etwas zu sagen, oder ein Stöhnen unterdrücken musste. Oft nahmen seine Augen auch einen leidenden Ausdruck an, die Schuldgefühle kehrten oft zurück. Doch was ihr besonders ins Auge fiel: Als sie von Youma berichtete und seinem Leben als Halbdämon, sah Gary merkwürdigerweise weg. Kaum hatte er weggeschaut, kam Green ins Stocken. Auf Grund dessen, dass sie sich auf einmal fragte, wie er und Siberu eigentlich ihre Kindheit als „halb und halb“ verbracht hatten und ob sie Schwierigkeiten damit gehabt hatten…?

Fragen tat sie jedoch nicht und irgendwann kam Green beim gestrigen Tag an.

„… Ich kam zu spät. Er hat sie… er hat sie… einfach… durchgeteilt! Kari… Kari starb… in meinen Armen… wozu bin ich eigentlich mit Heilmagie ausgerüstet wenn sie nichts bringt?! Ich konnte nichts tun um ihre Schmerzen zu lindern! Ich konnte sie nicht vor dem Tod bewahren! Ich… Ich konnte überhaupt nichts tun… Kari war doch unschuldig… sie hatte mit all dem doch nichts zu tun…und dieser Dämon, dieser leibhaftige Sensenmann, hat auch noch behauptet es würde ihm „Leid“ tun! Er hat ein unschuldiges Kind ermordet!“ Green hielt es nicht länger aus. Begleitet mit einem aufkeuchen, welches die nahenden Tränen andeutete, vergrub sie das Gesicht in ihre bebenden Hände.

„Dann… dann… hat Silence meinen Körper übernommen und gegen Youma gekämpft… Dabei ist dieses schreckliche Massaker angerichtet worden… und das… wa‘s. Das ist alles.“

„Dich trifft keine Schuld für das Massaker.“ Green lugte zwischen ihren Fingern hervor.

„Ja, vielleicht - aber für Karis Tod! Wäre sie nicht bei mir gewesen… Die Karten... wäre sie noch am leben!“ Sie löste ihre Hände nun vollkommen von ihrem Gesicht und nahm ihr Glöckchen in die Hände.

„…Wusstest du, dass die Elemente sich immer einen Wirt suchen der in Verbindung zum Lichtelement steht? Deswegen hat das Element Erde sich Kari ausgesucht… und das Feuerelement Firey… weil ich sie aus meiner Kindheit kenne… zwei ganz normale Menschen, die überhaupt nichts mit diesem furchtbaren Krieg zu tun haben!“ Das Glöckchen fiel geräuschlos auf ihre Brust zurück und mit bebender Stimme fuhr sie fort:

„Silence hatte Recht. Ich bin eine Botin des Unglücks. Alle Personen die ich liebe stürzen durch meine Hand, durch meine Existenz, ins Leid! Mutter musste wegen mir auf ihren Frieden verzichten. Greys Gesundheit verschlechtert sich drastisch, wegen mir. Firey und Kari sind da hinein gezogen worden, wegen mir. Kari ist tot! WEGEN MIR!“ Es gelang Gary nicht irgendetwas dazu zu sagen, denn mit Tränen überströmtem Gesicht sah sie ihn an.

„Und was ist mit EUCH?! Ich hab euch verletzt! Ich hab euch sogar lebensgefährlich verletzt! Das wird nicht einmal das Ende sein! Die Karten lügen nie! Ich werde euch umbringen… ihr zwei, die mir am Wichtigsten seid, werdet wegen mir sterben.“ Mit ihren großen königsblauen Augen sah sie ihrem Gegenüber leidend, zutiefst leidend, an. Ihre Lippen bebten, doch Green hielt das Aufkeuchen tapfer zurück. Nur die Tränen, die von ihrem Schmerz zeugten, konnte sie nicht zurück halten, so stur sie es auch versuchte.

Diesen Anblick ertrug der Halbdämon keine zwei Sekunden, ehe er handelte. Schneller als Green blinzeln konnte, oder das er selbst darüber nachdachte, war er plötzlich neben ihr, um
 

nicht nur den Arm um sie legen, sondern auch um sie an sich drücken. Überrascht über diese unerwartete und ungewohnte Berührung sah Green ihn mit großen verweinten Augen an, bevor sie den Kopf senkte. Doch nicht nur das. Durch seine Taten ermutigt schlang sie beide Arme um ihn und vergrub ihren hellbraunen Haarschopf in seinem schwarzen Oberteil.

„…Ich will das nicht… ich will euch nicht verletzen…“

Jetzt da Gary alles wusste, konnte Greens verzweifelte Handlungen sehr gut nachvollziehen. Wenn er an ihrer Stelle gewesen wäre, hätte er auch auf sein eigenes Glück verzichtet um die, die ihm am wichtigsten waren, nicht in Gefahr zu bringen. Aber gerade weil er sie verstand… was sollte er sagen um Green zu trösten? Was waren da die geeigneten Worte? Vielleicht sollte er sich auf sein Gefühl verlassen und alle Logik außer Acht lassen?

Von diesem Gedankengang so aufgenommen, bemerkte er nicht wie er unablässig Greens Haare durchstrich. Green allerdings, beruhigte dies ungemein. Den Grund dafür wusste sie nicht. Doch ihr Zittern ließ nach und sie spürte wie die Tränen langsam ein wenig verstummten. Obwohl – was tat er eigentlich? Nichts. Oder eher, nicht viel. Er war einfach bei ihr und diese Nähe… Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, dass sie so von Jemand gehalten worden war. Denn genau das war es: Gary hielt sie und bewahrte sie somit vor dem verschlingenden Loch der Einsamkeit. Sie wollte nicht, dass er sie je wieder los ließ und sie als Folge darauf, zurück in dieses Loch fallen würde. Doch gab es eine andere Möglichkeit?

Green hob vorsichtig den Kopf und bemerkte dabei, dass er sie ansah. Kaum als sie sich ihre Blicke abermals kreuzten, sagte eine kleine Stimme in ihr ein einziges Wort.

„Ja.“ Fast so als ob Gary dieses Wort tatsächlich als Antwort auf ihre Gedanken gesagt hätte, führte er seine stumme Antwort aus:

„Es ist nicht gesagt dass genau das eintrifft. Schau dir deine Familie an: Sie interpretieren etwas ganz anderes in die Karten. Ich kann dich sehr gut verstehen, wenn du das Risiko nicht eingehen willst, es ist, im wahrsten Sinne des Wortes, ein Spiel mit dem Schicksal… aber…“ Green zuckte erschrocken zusammen, als der Dämon plötzlich beide Hände an ihr Gesicht legte und es somit ein wenig anhob. Als Gary ihr Erschrecken bemerkte, zog er seine Hände zurück, doch Green war schneller und ergriff sowohl seine Rechte als auch seine linke Hand. So gut es ging, brachte sie ein Lächeln zustande und sagte:

„Was wolltest du sagen?“ Sein Blick und auch seine Mimik waren ernst und mit einem undurchdringbaren Blick, der keinen Widerspruch zuließ fuhr er fort:

„Ich gehe das Risiko ein. Ich lasse dich nicht noch einmal allein, schon gar nicht in so einem Fall wie diesen. Denn ich weiß, dass du genauso wenig willst, dass wir uns nie wieder sehen.“ Green holte zum Widerspruch aus, kam jedoch nicht weiter als die ersten zwei Buchstaben eines „Aber“s.

„Das ist meine Entscheidung, Green. Nicht deine, also brauchst du dir auch nicht die Schuld dafür zu geben. Es ist meine Verantwortung und wenn mir etwas passieren sollte, dann ist es ebenfalls meine Schuld. Ich denke, dass sich Silver meiner Meinung anschließen wird.“ Durch diese Worte arbeiteten Greens Tränen abermals auf Hochtouren, diesmal jedoch aus einer gänzlich anderen Ursache. Die Tränen waren kein Beweiß für ihre Traurigkeit, sondern man konnte schon eher sagen, das Gegenteil. Es perlte jedoch nur eine Träne ihre Wange herunter.

„… Was soll ich dazu noch sagen…“

„Gar nichts. Eine Ablehnung würde ich eh überhören“, antworte Gary spielerisch. Green nickte und meinte, sie wolle dann Schweigen. Sie löste ihre Hände von den Seinen und rieb sich ein wenig die Augen, fast so als wäre sie müde. Der Halbdämon war drauf und dran ein wenig von ihr wegzurücken. Immerhin hatte er sie sogar mit seiner Berührung erschreckt. Doch Green machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Diesmal war es Gary der überrascht wurde, denn die Hikari kuschelte sich an ihn. Sie schloss die Augen, sagte nichts. Die Schüchternheit des Halbdämons schlug zurück und damit wurde sein Gesicht rot wie eine Tomate. Fast so als müsste er sich versichern, dass niemand anderes außer sie im Zimmer war, sah er zu beiden Seiten. Es kam Gary so vor als wäre sein Arm schwer wie Stein, als er ihn jedoch endlich bewegt bekam. Schneller als erwartet und auch weniger steif als gedacht fand er seinen Arm plötzlich um Greens Schulter wieder. Diesmal war sie nicht zusammengezuckt. Gary bildete sich sogar ein, sie hätte ein kurz gelächelt.

Warum machte es ihn plötzlich so nervös? Warum meldete sich gerade jetzt, und nicht schon früher, seine verdammte Schüchternheit? Wahrscheinlich weil die Wünsche nun unterschiedlich waren. Keine zehn Minuten später war Garys größter Wunsch es gewesen Green Traurigkeit zu lindern, dies hatte ihn handeln lassen. Doch jetzt handelte er aus einen völlig anderen Wunsch: Gary wollte Green Nahe sein. Er wollte sie berühren.

Der Gedanke, dass er ein Dämon war und sie eine Hikari und das dies absolut unnatürlich, beinahe schon unlogisch war, schob er brüsk zur Seite.

„Gary…“

„Hm?“ Das Mädchen in seinen Arm ließ die Augenlieder gesenkt als sie fortfuhr:

„Warum? Warum tust du das alles für mich?“ Garys Röte hatte soeben abgenommen, doch jetzt kehrte sie mit voller Wucht wieder zurück und er musste das Stottern unterdrücken. Er war froh darüber, dass Green immer noch die Augen geschlossen hatte. Ehe er sich jedoch beruhigt hatte, vergingen wohl einige Sekunden.

„Du bist mir einfach nicht egal. Du bist mir… wichtig. Ich weiß nicht ob du darauf geachtet hast, aber wir kennen und jetzt immerhin schon fünf Jahre.“ Green konnte nicht drum herum nun die Augen zu öffnen. Ein erfreutes Lächeln spielte um ihre Lippen. Das wusste er? Wie niedlich! Das hatte sie ihm nicht zugetraut… Es war der erste Schultag auf einer japanischen Mittelschule. Gary war in ihrer Klasse gewesen. Das waren noch Zeiten! Zeiten des „Ookido-san“ und „Najotake-san“. Er war ja so ein arroganter Idiot gewesen. Green erinnerte sich noch gut daran, dass sie sich nach der Schule immer bei Sho und damals noch Firey, beschwert hatte. Er hatte sich wirklich verändert… und sie wahrscheinlich auch. Gary hatte sich vielleicht bei Siberu genauso über sie beschwert - wer weiß?

„Daher…“, fing Gary wieder an und schreckte Green aus ihren Gedanken auf.

„…bist du zu so was wie… wie… ein Teil meines Lebens geworden. Einen Teil den ich nicht missen will und schon gar nicht will ich, dass du wieder so einsam wirst wie zu dem Zeitpunkt als wir uns kennen lernten.“ Er räusperte sich und vollführte mit seiner freien Hand eine gespielt genervte Handbewegung.

„Auch wenn du mindestens genauso anstrengend bist wie Silver. Nein, ich denke du toppst ihn.“ Gary unterstrich seine Worte mit einem Seufzten, auf das Green gespielt einstimmte.

„Du und dein Ego! Gib doch einfach zu, dass du mich liebst!“

Beide liefen rot an bei dem Wort welches Green aus Versehen rausgerutscht war.

„AH! D-Das meinte ich nicht! I-Ich meinte… naja so äh… geschwisterlich! Du weißt doch, dass ich euch beide auf eine andere Art liebe, als DIE Liebe! Also nichts falsch verstehen, ja?“ Zu einem simplen und einverstandenen Nicken war Gary gerade noch in der Lage. Das hatte ihn aus der Fassung geworfen. Green nestelte stillschweigend, und immer noch in seinen Arm, den Zaum ihres Rockes. Bedacht ihn nicht anzuschauen und den Blick gesenkt zu halten. Lange hielt sie das jedoch nicht durch und sah verstohlen in seine Richtung. Gary sah ebenfalls woanders hin, er bemerkte nicht einmal, dass Green wieder zu ihm rüber sah. Der Hikari war etwas ins Auge gesprungen und sie griff nach dem was um den Hals des Dämons hing. Sie musste etwas tun um sie beide abzulenken... und sie hatte etwas gefunden.

Gary sah Green verwundert dabei zu wie sie seinen Anhänger beinahe schon geschockt begutachtete.

„Was ist?“

„Woher hast du das?!“, antwortete Green, als sie ihren Kopf wieder hob und ihn direkt ansah. Gary wollte ein wenig zurückweichen, denn die beiden hatten nur einen kleinen Abstand zwischen einander. Doch sie hielt immer noch seine Kette in der Hand, so dass ihn jeglicher Versuch in diese Richtung versagt war, wenn er sich nicht würgen wollte.

„...W-Wie?“ Zu mehr war er in dieser Situation nicht in der Lage.

„Woher du sie hast! Ich hatte sie doch… und ich…“ Im Gegensatz zu Greens Gesicht, hellte das von Gary auf, da er nun verstand.

„Silver hat sie mir wiedergegeben.“ Die Hikari öffnete den Mund, schloss ihn wieder. Schien sich aber dann doch dazu zu entscheiden zu reden.

„Und ich dachte ich hätte sie verloren… ich hatte schon total schlechtes Gewissen! Der wird was von mir zu hören bekommen!“ Gary schmunzelte. Er konnte einfach nicht drum herum kommen, denn es freute ihn, dass Greens Art genau wie immer war. Eigentlich hatte sich doch überhaupt nichts verändert… oder doch?

Die Kette fiel zurück wo sie hingehörte, während Gary Green beruhigte. Er meinte er würde sich schon um einen gewissen Rotschopf kümmern und sie brauchte die Kette ja jetzt eh nicht mehr als Glücksbringer. Es drohte ja keine Gefahr.

Keine Gefahr… so ein Irrtum.

Green hatte ihm eins nicht erzählt: Nämlich, dass die Hikari die Absicht verfolgten sie umzubringen. Der Gedanke, dass Gary sich auch noch damit belasten musste war ihr zuwider. Außerdem, musste sie ganz ehrlich zugeben, glaubte sie auch nicht daran, dass ihre ach so heilige Familie sie töten würde. Sie wusste selbst nicht warum. Entweder weil sie ihrer Mutter vertraute oder weil sie die Hikari irgendwo nicht ernst nahm. Es konnte aber auch daran liegen, dass sie um einiges mehr Angst vor Youma hatte. Ein schöner und doch leibhaftiger Sensenmann. Genauso kaltblütig wie der Tod selbst… Sie musste sich nur die Bilder von Greys Bildschirm vor dem inneren Auge aufrufen und schon lief es ihr kalt den Rücken herunter. Früher oder später würde sie ihm wieder gegenüberstehen, solange sie mit Silence verbunden war, würde kein Weg drum herum führen.

… und er hatte Kari auf dem nicht vorhandenen Gewissen…

Aber davon mussten Gary und auch Siberu nicht allzu viel wissen… Auch wenn Green nicht vor hatte wieder mit dem Lügen anzufangen.

„Was ist? Du bist so in Gedanken.“ Die Angesprochene sah auf. Gary entfiel aber auch gar nichts. Kein Wunder, sagte Green sich selbst, sie saßen auch immer noch Arm im Arm… Diese Stellung wirkte merkwürdig. Er war es immerhin gewesen, der den Arm um sie gelegt hatte. Ok, sie hatte sich zwar davor an ihn angekuschelt, aber jetzt schmiegte sie sich nicht mehr an ihn und dennoch lag sein Arm immer noch um ihre Schulter.

„Manchmal denke ich, es wächst mir alles über den Kopf.“ Die Hikari zog ihre Knie an sich ran, legte den Kopf auf Garys Schulter und schmiegte sich ein wenig an ihn. In dem Moment dachte Green nicht daran, was diese Berührungen für eine Bedeutung hatten. Sie mochte es. Die Hintergründe waren ihr egal. Was sollte daran schon falsch sein?

Gary sah ein wenig zögernd zu Green. Da ihr Kopf auf seine Schulter lag und sie ihn ein wenig gesenkt hielt, konnte er ihre Augen nicht sehen. Somit fiel es ihm schwer ihr momentanes Gemüt zu definieren. Nur ihre Haltung ließ darauf schließen, dass sie abermals ihren Gedanken nachhing und dass diese Gedanken ihr scheinbar kein Wohlbehagen bereiteten. Er wollte gerade antworten als er plötzlich spürte wie Green ihre zierlichen Finger zwischen die seiner rechten Hand legte. Verwundert sah er sie an, doch nach wie vor war ihr Blick gesenkt. Langsam ließ der Halbdämon auch seine Finger auf ihre Haut sinken, auch wenn er nicht wusste was Green mit dieser Geste bezweckte. Kaum waren ihre Hände miteinander vereint, hob sie deren Hände ein wenig hoch und drehte sich nun zu ihm herum. Sie lächelte.

Und wie sie lächelte.

Noch nie hatte Gary so ein warmes Lächeln auf ihrem Gesicht gesehen. Es überschattete ihren schlechten Zustand und verlieh ihrem Gesicht ihre übliche Schönheit zurück. Auch wenn die Schüchternheit Garys ihn bei diesem Bild schier wahnsinnig machte, war er nicht in der Lage sich abzuwenden. Er war wie festgenagelt von diesem ungewohnten Anblick.

„Du bist ein Halbdämon und ich eine Hikari. Wir sollten uns gegenseitig umbringen, wir sollten uns hassen…“ Greens Blick wanderte zur deren verbundenen Händen, doch Garys war immer noch an Green gehaftet und lauschte wie in Trance ihren Worten.

„… und doch sind unsere Hände verbunden. Auch wenn wir schon das Blut der Artgenossen des jeweils Anderen vergossen haben. Wir sind unterschiedlich. So unterschiedlich wie es nur sein kann. Die Natur spricht gegen so eine simple Berührung. Aber weißt du woran ich dann denke, um mir zu sagen, dass es trotzdem richtig ist?“ Aus den Augenwinkeln sah sie zu ihm, das bezaubernde Lächeln immer noch auf dem Gesicht, welches Gary nach wie vor die Sprache raubte. Er schüttelte nur kurz den Kopf. Zu mehr konnte er seinen Körper nicht bringen. Als Green mit leiser Stimme antwortete, wandte sie ihren Blick wieder auf deren Hände.

„…An Ying und Yang.“

„An Ying und Yang? Wieso?“, brachte der Halbdämon gerade noch zu Stande. Green kicherte, wurde rot über sich selbst.

„Naja… Die Beiden Elemente sind doch so unterschiedlich wie es überhaupt möglich ist. Nacht und Tag, Schwarz und Weiß, Dunkelheit und Licht, das Übliche eben… und doch sind sie in ihren Kreis immer verbunden. Bis in alle Ewigkeit vereint, obwohl sie sich in keinem Punkt ähneln und alles dagegen spricht.“ Sie sah auf, lächelte immer noch und sagte:

„Wir sind wie Ying und Yang. Gegensätzlich und doch verbunden…“
 

Keine fünfzehn Minuten später hatten sich die Beiden vollständig von einander gelöst. Ein Meter Abstand lag zwischen ihnen. Die Haustür stand offen, vom Treppenhaus kam ein kühler Windhauch in die Wohnung, der Greens vordere Strähnen leicht in Bewegung brachte. Sie hielt sich an der Haustür fest und sah ihren gegenüber nachdenklich an.

„Du bist ein Idiot. Wie soll ich dir das nur wieder zurückzahlen?“

„Ganz einfach: Sonder dich nicht ab. Mehr verlang ich nicht von dir.“

„Hm. Ich denke das bekomme ich gerade noch hin“, antwortete sie mit einem verspielten Grinsen.

„Und wenn du das nächste Mal so eine Last auf deinen Schultern hast…“ Gary sah sie ernst an, während ihr Lächeln schwand.

„Dann denk daran, dass du nicht alleine bist. Jede Last ist leichter zu zweit zu tragen.“ Die Hikari sah ihn verwundert an, schmunzelte dann jedoch und nickte.

„In Ordnung.“

„Sehen wir uns dann morgen?“

„Klar, wie immer, ja?“

„Gut… dann…“ Gary drehte sich schon um, entschied sich dann aber doch anders. Er öffnete den Mund. Greens Augen wurden größer, vielleicht leuchtete sogar ein wenig Erwartung in ihren königsblauen Augen auf. Dieser unschuldige Anblick ließ in Gary die Röte aufkommen und sofort schloss er den Mund wieder und die Worte, die er sagen wollte, blieben somit in seinen Gedanken. Stattdessen sagte der Halbdämon:

„Gute Nacht, Green…“ Sie seufzte, wünschte ihm aber das Gleiche. Bevor sie jedoch die Tür schloss sagte sie noch mit einem kleinen Lächeln:

„Das sagst du mir aber noch irgendwann.“
 

Die Tür ging zu und Gary stand alleine im Gang.

Das Wesen mit dem dunklen Blut legte seine linke Hand lautlos auf die Tür, wo sie sich zu einer Faust zusammenkrampfte. Er biss die Zähne zusammen als hätte er plötzlich enorme Schmerzen.

„Verdammt...!“ Kurz musste Gary dem Drang widerstehen aus seinen Gefühlen heraus gegen die Tür zu schlagen. Er war wütend. Wütend über sich selbst. Wütend über das was er fühlte.

Er musste sich einfach irren.

Es durfte noch nicht zu spät sein um diese Entwicklung zu stoppen.

Es durfte einfach nicht!

„Bitte...es darf noch nicht zu spät sein!“
 

Green stand in ihrem kleinen heimischen, gut gewärmten, Flur, ein wenig fassungslos über sich selbst und daher nicht fähig sich zu bewegen. Was war da nur über sie gekommen? Sie hatte sich verdammt weit raus gewagt… und warum bereute sie es nicht einmal? Die Hikari spürte immer noch seine Berührungen, besonders wo seine Finger zwischen den Ihren gelegen hatten. Sie hatte sich wohl gefühlt, so wohl wie schon lange nicht mehr – sie konnte sich nicht daran erinnern sich jemals überhaupt so wohl und geborgen gefühlt zu haben.

Green empfand es als völlig richtig: Sie hatte nichts falsch gemacht und daher auch nichts zu bereuen. Gedanken wie: „Oh mein Gott, was denkt er jetzt von mir?!“ Kamen ihr nicht in den Sinn. Den Grund dafür wusste sie nicht. Sie war absolut ruhig, auch wenn ihr Herz schrecklich schnell schlug und ihr beinahe schon Schmerzen bereitete. Fast so als würde es sich gegen die Erkenntnis wehren, die Green sich langsam zusammenreimte…

Green legte die Hände über ihr Herz und flüsterte, mit geschlossenen Augen:

„…Ich glaube… ich bin in einen Halbdämon verliebt…“
 

Fertig gestellt: 06.08.07 angefangen in Türkei, beendet in Deutschland (Viel im Flug geschrieben...während meine Mutter vor Angst gestorben ist, als der Flugzeugfahrer sagte, wir würden durch Gewitter fliegen x3 I luv Fliegen!)
 

Vorschau

Firey: Hi! Ich bin hier um eine kleine Vorschau auf das nächste Kapitel zu machen (ganz ohne Bakayama! Muha!) Im nächsten Kapitel setzen Green und Silence ihre Mission fort. Ich wüsste gerne was das für eine Mission ist... irgendwie erzählt man mir nicht so viel ._.°

Sibi: Kein Wunder. Du hast in der Storyline ja auch nichts zu melden öAö

Firey: ... *versucht ihn nicht zu beachten* Ich denke es handelt sich darum die Wahrheit über Youma (oder wie auch immer der hieß!) und Light herauszufinden ûû° Und...

Sibi: Na endlich wird ja auch zeit, dass dieser alte Kram abgeschlossen wird! Bald ist Sommer, da haben wir verdammt nochmal besseres zu tun, als in der Vergangenheit zu welzen!

Firey: û_______Û *IMMER noch versucht ihn nicht zu beachten* Darüber hinaus erfahren wir einiges über die Go...

Sibi: Ich sag doch. Langweillig. Laaaaangweilig!

Firey: Ò__ó WIR ERFAHREN ETWAS ÜBER GREENS GEFÜHLE FÜR GARY! FÜR _GARY_ NICHT _SIBERU BAKAYAMA_

Sibi: *DOOM* Wir...tun...WAS?! Sag das nochmal du Flachbrett! Das ist doch nicht dein ernst!

Firey: //Lügen macht Spaaaaß x3// Klar ist es das. Also les das nächste Kapitel „Punkt ohne Rückkehr“ ^^

Sibi: ...



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Bernsteinseele
2008-10-04T14:21:23+00:00 04.10.2008 16:21
sa hab mir das Kapi mal rausgepickt um mal in die Story zu schnubbern ... scheint tolle FF zu sein :)

Aber mir fiel auf, dass du scheinbar eine andere Definition von "entfiel" hast als ich. Für mich ist entfiel eher, wenn man was vergessen hatte .. wenn einem also was entfallen war. Aber in den Zusammenhängen wo ich sie in dem Kapi lass, würde ich eher "entging" nehmen ö.ö
Von:  JunAkera
2008-05-19T15:08:03+00:00 19.05.2008 17:08
O M G - O M G - O M F G

;___;
Cary-chan ich hab ja schon viele Himi-Lieblingskapitel aber dieses schlägt dem Fass den Boden aus!!! (oder wie man das sagt ;_;)

DAS KAPITEL IST SO SAUGEIL GEWORDEN *luv*

GxG x/////////////////////x
die GxG Szenen sind sooooooooo derbst süss!!! ♥♥♥♥

fangen wir aber von vorne an!!

arme Green-chan ;_; sie tut mir so leid - da dabei gewessen zu sein wg. Youma und dem Massaker!! Echt heftig mensch!!
aber Silence ist soooo sweet ♥
als sie sich bei Grey vorgestellt hat und mit ihm redet, dass ihr Green viel bedeutet und dass sie ihr helfen will (^////^ und wie *hihi*)

awww ich mag Silence ja eh schon aber jetzt o//////o
ich lieb sie ♥

machen wir weiter mit Grey/Ryô ^^
*grins*
(GxG zum Schluss WAAAII)
ich musste so lachen!!
"wohl der den ich am wenigsten mag" *rofl*
geil geil geil!! !! ich lieb Grey!! *höhö* *grey knuddeln möcht*
sowas goldiges!!!

Aber OO°
das mit Greens Tod *OMG*
das mit den zwei Karten - geile Idee aber sautraurig - das darf net passieren ;_;
DAS MUSS VERHINDERT WERDEN!!
*Gary und Sibi alamier*
die zwei müssen sie beschützen ;_;

JETZT *yahoo*
GxG
wie gesagt ♥ luv-Kappi!!!!
Nr 1 !!!!!
Gott wie süss das alles ist und süss geschrieben!!!

Gary wie er vor der Tür steht und Green (danke anSilence ohne sie wären die schönen Szenen nicht entstanden !! ^//////^) wie sie die tür aufmacht und dann so überrascht ist Gary zu sehen *sniff*

ich lieb es wie du beschrieben hast wie Green zuerst die Gefühle unterdrücken will!! Wie sie Gary dann rausschmeissen will ;_;
*sniff* aber Gary genau merkt dass sie das nich ternst meint ;_;
OMG
aber auch Garys Gefühle wie er ihr die Tränen wegwischt und wie er für sie da sein will ;_;

und jetzt mein absoluter Favo O______________________O°
auf der Couch *yaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaay*
wie Gary dann so zu ihr sagt "ich will nicht zurück"

SÜSSE ICH HÄTTE WIRKLICH BEINAH ANGEFANGEN ZU HEULEN ;___; OMG
das Kapitel ist so genial geil geschrieben...
aber weiter XD°°

O_O° dann umarmt er sie *yahoo* *mein GxG Herz springt im Dreieck*
und wie sie sich dann an Gary drückt und endlich mal einfach ihre Gefühle rauslässt *sniff* wie sie weint OMG

in der Szene kommen die Emotionen so geil rüber!! ♥

und dann das wo Green das mit der Hand macht und dann auch Gary seine Finger auf ihre Hand legt *waaaaaaaaaaaii*
ich hab gegrinst wie ein Honigkuchenpferd als ich es gelesen hab!!! ♥
*rumschrei*
(vor allem erinnert mich das an deinen GxG OneShort wo ich das eine Bild dazu gemalt hab =3 )

und Greens Worte über Ying und Yang - *auch fast geheult hätte* und das mit dem Dämon und der Hikari *sniff* (;_; die zwei schaffen das irgendwie - *sicha bin* *zu Cary-chan schiel* ist doch so oda ;_;)

aber das allerbeste "sag doch einfach dass du mich liebst" YAY Green GO GO GO GO XD°°
geil!! ich lieb es so!!!

das Kapitel ist wirklich durch und durch ein geiles Kapitel ♥

nur eins versteh ich nicht: als Gary draussen ist und das sagt Oo
meint er damit dass er sich nicht getraut hat Green zu sagen dass er sie wiriklich liebt oder dass er sich in Green verliebt hat Oo°°

(sodele - der Kommi ist im Zug entstanden *rofl* das wollte ich noch schnell gesagt haben XD°°° ich wollte das Kapitel ausdrucken und auf der Heimfahrt lesen, dann hab ich um 15 Uhr die ersten paar Sätze gelesen weil ich mich nicht zurückhalten konnte und um 15:30 hatte ich es gelesen *rofl* - im Geschäft OO°°°°
und ich war so geplättelt dass ich im Zug das Kommi geschrieben hab auf ein Blatt und es jetzt abgetippelt hab *rofl* XD°°°°

ach ja, danke Cary!! Dass du mir gesagt hast das ein neues Kappi on ist ;_; und sorry dass ich erst jetzt schreib *sniff* aber mein Mexx geht momentan nicht gut - >///< und ich guck momentan net so oft in meine persönliche Startseite um zu sehen was neues da ist... ;_; DANKE CARY!!!!)
Von: abgemeldet
2008-05-17T07:30:54+00:00 17.05.2008 09:30
ERSTE! x3
Ach, dieses Kapitel war soooo süß! Ich liebe GxG! *Blue und Green beide knuffel* Wollt ihr nicht zusammen durchbrennen?
Aber ich mache mir Sorgen um Blue wegen seiner Schmerzen... und ich könnte die Hikari (wieder einmal) in den Boden stampfen. Kaum kommt mal eine GxG- Szene, müssen sie diese mit ihren schlecht verhohlenen Morddrohungen auch schon wieder vermiesen!
Und ja Green, du BIST in einen Halbdämon verliebt. Schön, dass dir das auch auffällt! XD°
Ja, Blue, Green hat Recht, sag doch einfach, dass du sie (nicht wie eine Schwester!Oó) liebst!
Die Vorschau zum nächsten Kapitel fand ich auch cool! *g*
Ciao!
Deine Mekura


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