In Nottingham von -Moonshine- ================================================================================ Kapitel 17: The end of what was known before -------------------------------------------- "Warum machen wir das doch gleich?" Claire nahm die Tüte entgegen, die der Bäcker ihr hinhielt, während Kate ihm das Geld reichte, dass sie ihm für die Brötchen und das süße Gebäck schuldeten. Sie hatten auch Donuts, Scones und andere Leckerbissen eingekauft und zumindest Kate freute sich schon auf einen entspannten Morgen im Kreis ihrer besten Freunde. Sie hatte heute unglaublich gute Laune, denn es war Samstag und vor ihr lag ein entspanntes Wochenende, an dem sie nichts anderes tun würde, als faulenzen und ihre Freizeit zu genießen. Die ganze letzte Woche hatte sie damit verbracht, ihre Bücher, die Claire ausgeliehen hatte, zu lesen und hatte damit angefangen, die Hausarbeit zu schreiben. Nun fehlten nur noch die Einleitung und der Schluss, aber dafür war auch nächste Woche noch Zeit und eine Auszeit brauchte jeder mal. Der Tag versprach schön zu werden - bereits jetzt strahlte die Sonne und es war erstaunlich warm; der Frühling machte sich schon bemerkbar und das beflügelte viele dazu, das warme, gemütliche Haus zu verlassen und die müden Glieder wieder ein wenig zu beanspruchen und in der frischen Luft zu recken. "Weil wir hilfsbereite und nette Mädchen sind." Kate bedachte ihre missmutige Freundin mit einem Grinsen, doch sie wusste, dass Claire gar nicht wirklich schlechte Laune hatte - sie tat einfach nur gerne so, als wäre sie ein Miesepeter. Diese verdrehte die Augen. Dass sie soeben als "nett und hilfsbereit" bezeichnet wurde, ging ihr ziemlich gegen den Strich. "Und wenn unerwünschte Leute da sind?", wollte sie skeptisch wissen. Kate zuckte mit den Schultern. "Jake hat doch gesagt, Gabe wird nicht da sein, also würde ich mir an deiner Stelle keine Sorgen machen." "Ich habe von Dave geredet", brachte Claire gepresst hervor und konnte ein leises Knurren aus den Tiefen ihrer Kehle nicht unterdrücken. Kate versuchte, nicht zu lächeln. "Glaub ich nicht. Der wird wohl kaum dableiben uns bis in die frühen Morgenstunden noch mit aufräumen, oder?" Ihre Freundin dachte eine Weile darüber nach und musste ihr schließlich Recht geben. Niemand - vor allem niemand, der sich so abgeschossen hatte wie Dave letztes Mal - blieb noch bis zur Frühe, nur um nachher seinen Dreck wegzuräumen. "Gleich sind wir da." Kate deutete auf eine Wohnsiedlung von weißen, sterilen Hochhäusern, die vor ihnen lagen und die Studenten beherbergten. Es war kaum etwas los auf den Straßen; die meisten schliefen entweder noch oder waren während der vorlesungsfreien Zeit zu Hause bei ihren Eltern. "Juhu", machte Claire trocken und schwenkte die Brötchentüte hin und her. "Hier ist es ja wie ausgestorben. Schlafen die alle noch ihren Rausch aus oder was?" Kate lachte. "Vielleicht." An dem Haus mit der Nummer 14 bogen sie in die Auffahrt und klingelten bei "Parker" - Jake's Appartement war mit der 204 versehen. Die zwei für den zweiten Stockwerk, die vier für das Appartement Nummer vier. Lange Zeit machte ihnen niemand auf und Kate runzelte schon besorgt die Stirn, als Jake's gehetzte Stimme durch die Sprechanlage zu hören war: "Wer ist da?!" "Der Weihnachtsmann und er bringt dir milde Gaben", scherzte Claire, ihre Stimme aber blieb dabei todernst. Jake schwieg einen Moment lang. "...Claire?" "Ja, wer sonst?", fragte sie genervt und verdrehte wieder die Augen. "Wir bringen Frühstück", fügte Kate gutgelaunt hinzu. Sie wollte sich heute von Jake's und Claire's Streitereien auf keinen Fall die Stimmung verderben lassen. Wieder Stille am anderen Ende der Leitung. "Stimmt", sagte Jake dann nervös. "Hatte ich ganz vergessen. Äh... wartet kurz..." Er tuschelte mit irgendjemandem und Kate und Claire tauschten verwirrte Blicke aus. War noch jemand bei ihm oben? Gabe vielleicht? "Was ist los mit ihm?", fragt Claire leise und äußerst misstrauisch. Kate zuckte nur mit den Schultern. Sie war plötzlich selbst irgendwie nervös. "Äh", meldete Jake sich wieder, "ich mach euch auf, okay?" Schon betätigte er den Summer und die Tür sprang auf, als Claire schnell dagegen drückte. Sie seufzte laut. "Jetzt bin ich mal gespannt", sagte sie düster und Kate wusste, wen sie oben in Jake's Wohnung erwartete. Hatte Jake sie angelogen und Gabe doch eingeladen? Das konnte sie sich nicht vorstellen. Schweigend gingen sie die wenigen Treppestufen hinauf und ein ungutes Gefühl machte sich in Kate breit. Sie konnte es nicht genau einordnen und wusste auch nicht, woher es kam, aber es reichte schon, dass es überhaupt da war. Oben angekommen klopfe Claire kurz an der Tür, die auch sofort aufgerissen wurde. Kate fiel fast die Kinnlade herunter, denn vor ihnen stand ein halbnackter Jake, der gerade mal eine Boxershorts und seine Socken anhatte und - zu seiner Verteidigung – eine Jeans in den Händen hielt. Seine blonden Haaren waren nass – wahrscheinlich kam er gerade aus der Dusche – und sahen deswegen etwas dunkler aus, als sie wirklich waren. Zu allem Überfluss hatte er ein dämliches, schuldbewusstes Grinsen im Gesicht, von dem Kate nicht wusste, wie sie es interpretieren sollte. Sie schwieg. Claire jedoch nicht. "Oh. Mein. Gott." Ihre beste Freundin musterte Jake von oben bis unten mit einem Blick, der über Skepsis schon meilenweit hinausging. "Das ist etwas, was ich nie wissen wollte." Kopfschüttelnd wandte sie sich ab. "Äh... guten Morgen", brachte Kate errötend hervor und hob die Papiertüte mit dem süßen Gebäck vor ihre Brust, als könnte sie dadurch mehr Abstand zwischen ihn und sich bringen. So sehr hatte er sie noch nie verwirrt und obwohl sie ihn schon in Boxern gesehen hatte, hatte er zum Schlafen immerhin ein T-Shirt angezogen. Aber das hier - kam zu plötzlich, zu unerwartet. "Morgen", antwortete er, wobei er noch immer nicht dieses glückliche, dümmliche Grinsen aus seinem Gesicht wischen konnte. Warum hatte sie das nicht gleich misstrauisch gemacht? Mit einem gezwungenen, wackeligen Lächeln drückte sie sich an ihm vorbei, um in die Küche zu gehen und die Sachen dort abzuladen. Claire folgte ihr, wobei sie wirklich mit aller Macht versuchte, ihre Belustigung zurückzuhalten. Plötzlich bleiben beide stehen und starrten die zweite Erscheinung an, die sich in der Küche aufhielt, in Jake's Bademantel gehüllt, mit einer dampfenden Kaffeetasse in der Hand, die beiden Mädchen berechnend anlächelnd. "Hallöchen", flötete Rachel. Sie schien sich offensichtlich ganz heimisch zu fühlen, so, als wäre das ihr rechtmäßiger Platz und als gehörte sie hierher. "Hi", erwiderte Kate tonlos und zwang sich, ihren entsetzten Blick von Rachel abzuwenden. Claire hingehen starrte sie weiter angewidert an und sagte nichts. Dann drehte sie sich zu Jake um, bedachte ihn mit demselben angewiderten Blick, drehte sich wieder zu Rachel um. "Was für eine Überraschung", sagte sie kalt und stellte betont langsam die Bäckertüte auf den Tisch, nahm der sprachlosen Kate das Paket mit den Donuts ab. "Das ist noch etwas, was ich nie wissen wollte." Rachel setzte ihr falsches Lächeln auf, das das Potenzial dazu hatte, einen bis in die unangenehmsten Träume zu verfolgen. Jake's Gesicht hatte einen bisher ungekannten, leichten Rotton angenommen und er lächelte verlegen. "Setzt euch doch, ich mach euch... Tee und dann können wir, äh, frühstücken", stammelte er. Kate wurde übel. Jetzt daran zu denken, irgendetwas essen zu müssen, brachte ihren Magen in Aufruhr, aber darüber hinaus rauschten ihre Gedanken durcheinander und keiner von ihnen war zu fassen. Außer einem vielleicht. Jake hatte die Nacht mit Rachel verbracht. Das war unübersehbar. Wenigstens wusste sie jetzt, was dieses flaue Gefühl war, das sie verspürt hatte, sobald er ihnen die Tür unten aufgemacht hatte. "Nee, lass mal", winkte Claire ab und nickte mit dem Kopf in Richtung Tür. "Wir können nicht bleiben. Wir müssen ganz kurzfristig nach Collingham." Stirnrunzelnd warf Kate ihrer Freundin einen fragenden Blick zu, sagte aber nichts. Es war ihr lieber, jetzt einfach zu gehen, denn zu bleiben hätte sie sicherlich umgebracht. Und wenn Claire dazu lügen musste, war ihr das auch recht. "Aber ich dachte ihr kommt zum Frühstück?" Jake verstand gar nichts und schaute erst Claire, dann Kate verwirrt an. "Jetzt seid ihr doch hier?" Claire verdrehte wieder die Augen. "Hast du denn die SMS nicht bekommen, die Kate dir geschickt hat? Dass wir nur die Brötchen vorbeibringen? Immerhin haben wir das versprochen", log sie ungehemmt und schien sogar Spaß daran zu haben, Jake an der Nase herumzuführen, was ihr wunderbar gelang. Der Junge verzog irritiert das Gesicht. "Nein, hab ich nicht." Dann dachte er kurz nach. "Warum müsst ihr so plötzlich hin? Ist irgendwas passiert?" Da er so besorgt klang, konnte Kate nicht umhin, wenigstens ein bisschen ehrlich zu sein. Ihre Stimme klang brüchig, als sie den Mund aufmachte. "Nein, es ist nichts, ich..." Dann fiel ihr das Telefonat vom Vorabend ein. "Judy hat mich nur gebeten, zu kommen und auf Micky aufzupassen..." Das klang wie eine lahme Ausrede, aber Jake schien sie ihr abzukaufen. Zumindest entspannte er sich wieder und nickte. "Ach so. Na gut. Danke für das Zeug." Dann grinste er wieder, als er Rachel einen seiner dümmlichen Blicke zuwarf. "Müssen wir es uns wohl allein gemütlich machen." Kate fühlte sich, als ob sie sich gleich übergeben würde. Sicherlich war ihr sämtliches Blut aus dem Gesicht gewichen. Zumindest fühlte sie sich ziemlich blutleer und krank. Schnell wandte sie sich ab und ging zur Tür, Claire folgte ihr. Beide konnte den genervten Blick nicht sehen, den Rachel Jake zuwarf, als er sich von ihr wegdrehte und die beiden zur Tür begleitete. "Bis dann", murmelte Kate, wagte es aber nicht, ihm in die Augen zu sehen, und trat auf den Hausflur. "Ja, ruf an, wenn du wieder zurück kommst", erwiderte er fröhlich. Claire sparte sich die Abschiedsformel und knallte die Tür Jake vor der Nase zu. Die Mädchen schlenderten schweigend nebeneinander her, beide mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, obwohl Kate's eindeutig düsterer waren. Das war's also. Sie hatte nicht gemerkt, dass sie sich doch die ganze Zeit Hoffnungen gemacht hatte, aber anscheinend war es wirklich so gewesen, denn so, wie es jetzt wehtat, kann es gar nicht anders gewesen sein. Sie atmete bewusst ein und aus, aus Angst, ihre zugeschnürte Brust würde ihr auch die Luftaufnahme verwehren, wenn sie sich nicht vorsätzlich darauf konzentrierte. Außerdem hatte sie so das Gefühl, als könnte sie etwas tun, als wäre sie nicht komplett machtlos. Obwohl es natürlich nur eine willkommene Illusion war. Claire räusperte sich. "Kate?" "Mhm?" "Was hältst du davon..." Sie hielt inne und warf ihrer Freundin einen prüfenden Seitenblick zu, bevor sie fortfuhr, "wenn wir wirklich nach Collingham fahren? Und auf Micky aufpassen? Wir haben das Haus für uns allein und na ja..." Den Rest verschwieg sie, aber Kate wusste auch so, was sie hatte sagen wollten. Sie nahm Claire in Augenschein und runzelte die Stirn. "Du willst nach North Collingham? Mit mir? Wo doch Gabe zwei Häuser weiter wohnt?" Claire zuckte die Schultern, als wäre ihr diese klitzekleine, unbedeutende Tatsache egal. "Wir müssen ihn ja nicht zur Pyjamaparty einladen, oder?" Sie zwang sich zu einem schiefen Lächeln. Kate lächelte ebenfalls müde, schwach. "Genau..." "Also rufst du an und sagst zu?", wollte sie hoffnungsvoll wissen. "Na gut", seufzte Kate. Sie hatte sowieso nichts Besseres zu tun, als nach Hause zu fahren. Es war schön da, ruhig, und sie würde ein wenig Ablenkung haben, denn Micky hielt einen ganz schön auf Trab. Alan und ihr Vater gingen auf Geschäftsreise, und nahmen gleich ihre Frauen mit, damit diese sich ein schönes Wellnesswochenende im Hotel machen konnten. Montag bis Freitag würden sie wegbleiben, also hatten Kate und Claire genug Zeit, um auf andere Gedanken zu kommen. Außerdem hatten sie sturmfreie Bude - mal von Danny abgesehen, aber der störte sowieso nie. Nachdem das geklärt war, legte sich wieder Schweigen zwischen die zwei. Zu Hause angekommen verkroch sich Kate in ihr Zimmer, nachdem sie Judy fürs Babysitting zugesagt hatte, und steckte die Nase wieder in ihre Arbeit, um sich abzulenken, um nichts zu fühlen. Sie vergrub sich in Blake's und Wordsworth's Gedichten und skizzierte kurz auf einem losen Blatt Papier, wie der Roman in dieser Zeit mehr Ansehen bekam und es sogar schaffte, dramatische Stücke ganz und gar aus dem Bewusstsein der Gesellschaft zu verdrängen - zumindest für diese kurze Zeit, die die Literaturepoche andauerte. Diese Notizen würde sie später als Grundlage für ihr Fazit verwenden, das erst noch geschrieben werden musste. Claire indessen machte sich in der Küche alleine etwas zu essen und dachte darüber nach, wie sie die Situation entschärfen konnte. Ob es reichen würde, wenn sie Jake einfach köpfte? Missmutig schüttelte sie den Kopf und steckte den letzten Rest Toast in ihren Mund, kaute, schluckte. Sie hätte Kate gerne irgendwie getröstet, aber was sollte sie schon sagen? Dass Jake ein Idiot war, war allgemein bekannt und bedurfte keiner Worte. Aber jetzt hatte er es endgültig vermasselt, und zwar ganz zweifellos. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)