Ippo ni Yoko von MAC01 (Seto x Jou) ================================================================================ Kapitel 38: Einen Schritt der Offenheit --------------------------------------- Ich sitze im Wohnzimmer. Links von mir sitzt Bakura-kun, der von Doktor Akari ein großes Pflaster auf die Stirn geklebt bekommen hat. Rechts von mir sitzt Yugi. Otogi- und Honda-kun sitzen vor der Couch auf dem Boden. Otogi-kun sitzt hinter Honda-kun und hält ihn sanft in seinem Arm. Hätte nicht gedacht, dass es in der Clique noch zwei geben würde, die schwul sind und das offen zeigen. Aber ich freu mich irgendwie darüber. Das zeigt doch, dass das nichts Besonderes mehr ist in der heutigen Zeit. Nichts, was man verstecken müsste. Jedenfalls in einem solchen Freundeskreis. Die anderen unterhalten sich angeregt. Ich bekomme davon nicht wirklich viel mit. Mir schwirrt zu viel im Kopf herum. Allen voran bekomm ich das Bild von der Narbe an Seto's Handgelenk nicht mehr aus dem Kopf. Es ist erschreckend, wie gut er auch mich täuschen konnte. Ich kann mich einfach nicht an eine Zeit erinnern, in der mir Seto so fertig vorgekommen wäre, dass mir der Gedanken gekommen wäre, dass er Suizid begehen könnte. Egal welchen Scheiß er von Gozaberu angetan bekam, er stand danach immer wieder auf und machte weiter. Gozaberu... Alleine bei dem Namen zieht sich mir etwas im Bauch zusammen. Dieses Monster, das versucht hat meinen Bruder zu zerstören. Ihn kaputt zu machen, damit er ihn neu, nach seinen eigenen Vorstellungen formen konnte. Doch ich hatte immer den Eindruck, dass Seto alles über sich ergehen ließ, alles runterschluckte und danach einfach wieder aufstand. Stärker wurde, weil er ein weiteres Mal Gozaberu nicht hatte siegen lassen. Klar, ich wusste, dass all der Scheiß bei ihm Narben hinterlassen hatte und nicht spurlos an ihm vorbei gegangen war. Das hab ich schon daran gemerkt, dass er sich zu mir distanzierte. Meine Nähe nicht mehr ertrug. Nach außen hin kalt, herablassend und gemein gegenüber anderen wurde. Manchmal... nur ein oder zwei Mal, hab ich bei mir gedacht, dass nicht mehr viel fehlen würde, dass Seto zu IHM werden würde. Doch all das, war nur eine Maske, die er trug. Wenn wir daheim waren, unbeobachtet, unter uns, dann war er anders. Zwar immer noch körperlich distanziert, aber er lächelte hin und wieder. Hatte Spaß mit mir ein gerade neu erschienenes Spiel zu zocken oder einfach... mir bei den Hausaufgaben und bei Themen, die mir nicht so lagen, zu helfen. Aber es gab nie einen Zeitpunkt, an dem ich dachte, dass er am Boden zerstört wäre, dass er keine Kraft mehr hätte oder dass er nicht wieder aufstehen könnte. Und je mehr ich drüber nachdenke, desto unklarer wird mir, wann er diesen Schritt gewagt hatte. Wie alt ist diese Narbe an seinem Handgelenk? War es wirklich das, wonach es aussieht oder trügt der Schein? Könnte Isono etwas davon wissen? Oder wie soll ich jetzt überhaupt reagieren? Bislang hab ich auf eine Reaktion versucht zu verzichten. Doch vielleicht sollte ich Seto darauf ansprechen? Ihn direkt fragen... Antworten fordern... Aber steht es mir überhaupt zu, ihn darauf anzusprechen und irgendetwas zu fordern? Ich spüre auf einmal, wie mir jemand eine Hand auf die Schulter legt und ich erschrocken zusammenzucke. Große, violette Augen mustern mich besorgt. Yugi erkundigt sich, was mich denn so beschäftigt, dass ich so ungewöhnlich ruhig zwischen ihnen sitze. Ich schau zu den anderen und bemerke, dass auch diese mich besorgt und fragend anschauen. Wie gern würde ich ihnen einfach alles erzählen und mir ihren Rat einholen. Aber das würde Seto brüskieren. Er würde das sicherlich nutzen, sich wieder zurück zu ziehen. Klar, ich könnte mit Jou-kun sprechen, aber der hat doch schon alle Hände voll damit zu tun, sich um Seto zu kümmern. Auch wenn er sich immer Zeit für mich nimmt, aber ich will ihn nicht noch weiter belasten. Mein Bruder braucht ihn wesentlich mehr als ich ihn! Plötzlich merk ich, wie mir Tränen über das Gesicht laufen. Ich versuch sie schnell wegzuwischen. Doch es kommen immer neue. Das Gefühl, der schlechteste Bruder der Welt zu sein, hat sich in mir festgesetzt. Immer wieder beteuerte ich, wie nah Seto und ich uns stehen. Aber ich habe nicht gemerkt, wie fertig er irgendwann mal gewesen ist und sogar versucht hat, sich das Leben zu nehmen. Wie... wie konnte mir das nur entgangen sein? Was für ein Bruder bin ich nur, der ständig erwartet, dass sein großer Bruder alles schafft und für ihn stark ist und alles schon irgendwie geregelt bekommt? Und wie konnte mir diese Narbe so lange entgehen? Yugi legt behutsam seinen Arm um mich. Auch Ryou- und Honda-kun rücken näher zu mir und schließen mich in ihre Armen. Auf einmal fühle ich mich gut aufgehoben, doch dieses Gefühl, als Bruder versagt zu haben, will nicht weggehen. Yugi redet beruhigend auf mich ein. Honda-kun streicht mir über den Kopf. Otogi-kun's Hand liegt auf meiner Schulter und Ryou-kun lässt seine Hand über meinen Rücken gleiten. Ich bin nicht allein! Die vier sind großartige Freunde, die auch für Seto großartige Freunde sein können, wenn er sie lassen würde. Das sie ihn nicht brüskieren, haben sie doch gerade heute Morgen bewiesen, in dem sie so taten, als hätten sie seine Panikattacke in der Nacht nicht mitbekommen. Ich schau zu ihnen auf und erzähl ihnen, was mir auf dem Herzen liegt. Ich erzähle, wie ich am Morgen zu Seto und Jou-kun ins Zimmer bin, von dem Gespräch, wie ich diese Narbe am Handgelenk meines Bruders entdeckt habe und welche Gedanken mir seit dem durch den Kopf schwirren. Und auch, dass ich es für einen Fehler halte, dass ich das alles jetzt erzähle, denn Seto wird sich davon brüskiert fühlen. Er kann gar nicht anders! Jedenfalls im Moment noch! Yugi drückt mich fest an sich und meint, dass all meine Gedanken, dass ich ein schlechter Bruder sei oder Seto gerade verraten habe, Unsinn sind. Auch wenn Seto in der Vergangenheit sie immer auf Abstand gehalten hat, sehen sie in ihm längst einen Freund... genauso, wie sie in mir einen festen Bestandteil ihrer Gruppe sehen. Und in so einer Freundschaft, die einer Familie gleicht, braucht einem nichts peinlich sein. Braucht man keine Angst haben. Ist man nicht allein mit seinen Gedanken oder Probleme. Otogi-kun meint, dass es ihn doch sehr überrascht zu erfahren, dass mein Bruder irgendwann mal an so einem Punkt gewesen sein will, dass er keinen anderen Weg mehr gesehen hat. Ich schau betrübt vor mich. Ich kann - will - ihnen jetzt nicht ALLES eröffnen und erzählen. Das würde in diesem Moment dann doch etwas weit gehen. Doch bevor ich etwas dazu sagen kann hör ich Bakura-kun, der sonst immer so ruhig ist. Ihn überrascht es nicht! Alle blicken zu dem Weißhaarigen. Sein sonst so zaghaftes Lächeln ist aus seinem Gesicht verschwunden und seine dunklen Augen haben eine gewisse Traurigkeit in sich. Von ihm kommt, dass in unserer heutigen Zeit der Schein selten mit dem Sein übereinstimmt. Gerade bei meinem Bruder würden sie das doch sehr deutlich spüren! Wie er will und nicht kann. Das der sonst so kontrollierte, distanzierte Kaiba Seto scheinbar nachts mit Albträumen kämpft. So wie mein Bruder schreien würde, glaube er nicht, dass es 'harmlose' Albträume wären. Das müssen schon welche sein, denen eine schwere seelische Verletzung zugrunde liegen müsste. Solche Verletzungen kommen nicht von ungefähr und was auch immer sie verursacht hat, könnte ihn zu irgendeinem Zeitpunkt an die Grenze des Erträglichen geführt haben. Nicht nur ich bin baff... So viel am Stück hat Bakura-kun selten von sich gegeben, schon gar nicht in dieser Tiefgründigkeit. Aber er hat recht... irgendwo... irgendwie... Ich weiß doch selbst am besten, was Seto schon alles durchgemacht hat. Auch wenn ich ihm nie gesagt habe, was ich alles weiß... weil ich nicht wollte, dass er das Gefühl hat sein Gesicht vor mir zu verlieren! Ich blicke in die Runde und frag, was ich tun soll. Soll ich das Gespräch suchen und auf Seto zugehen? Yugi schüttelt nur den Kopf, bevor er meint, dass Seto mir davon sicherlich längst erzählt hätte, wenn er dafür bereit gewesen wäre. Ich solle ihm noch etwas Zeit geben und abwarten, denn jetzt, wo er sich bewusst ist, dass ich die Narbe gesehen habe, wird er sich mit der Thematik befassen müssen. Und wenn er durch das eigene Aufarbeiten sich endlich bereit fühlt, dann wird er zu mir kommen. Das Gespräch von sich aus mit mir suchen. Unsicher nicke ich Yugi zu und danke ihm für seinen Rat, dem keiner widerspricht. Also geh ich mal davon aus, dass die anderen eine ähnliche Meinung vertreten. Wir reden noch eine Weile miteinander. Über dies und jenes, aber mehr als die Narbe an seinem Handgelenk gebe ich von meinem großen Bruder an diesem Abend nicht Preis. Aber es tut gut mit den anderen reden zu können. Sie nicht länger auszugrenzen. Ich denke, wenn wir aufhören uns hinter Fassaden und Masken zu verstecken und offen mit dem, was uns bewegt umgehen würden, wäre die Welt ein besserer Ort. Vielleicht ist das eine zu naive Sicht der Dinge, aber hey... ich bin auch erst 13! Ich darf naiv sein! Ich darf vertrauen! Denn mein großer Bruder hat alles dran gesetzt, dass mir niemand wehtut, mir nicht meine kindliche Naivität ausprügelt oder das Vertrauen in meine Mitmenschen zerstört, um mich 'stark' zu machen. Er hat mich stets beschützt... vor all dem Grausamen, vor all den Monstren da draußen... und vor allem vor dem einen Monster hier drinnen: Gozaberu! Doch er... er hatte niemanden, der ihn beschützt hat! Wundert es mich da echt, dass er irgendwann mal einen Punkt erreicht hatte, an dem er nicht mehr weiter konnte und alles beenden wollte? Nein! Nie wieder werde ich ihn so eine Last alleine tragen lassen. Ab sofort werde ich bei ihm sein und ihm Kraft geben, auch wenn er es nicht will! Werde ihm zeigen, dass ich ihn auch beschützen kann! Werde ihm zeigen, dass er nicht alleine ist! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)