Armer, kleiner Bill von chaos-kao (Eine kleine TokioHotel FanFic;;;;; Kappi 11 hochgeladen am 5.1.08) ================================================================================ Kapitel 6: Neugierige Brüder, schwule 'Hexen’ und eine neue Frisur ------------------------------------------------------------------ Hi Leute, vielen Dank an alle, die mir ein Kommi geschrieben haben ^^ Sind natürlich immer noch herzlich willkommen,ne? ^^ Also dann, viel Spaß mit dem nächsten Kappi ^^ %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% |Mit einem gezielten Tritt kicke ich das Buch unter das Bett, |hechte zur Tür und reiße sie auf ... „Was treibst du denn so lange?“, werde ich überaus freundlich von meiner Mutter begrüßt. Schade, ich hatte auf jemand ganz anderen gehofft. „Ich war gerade beschäftigt. Also, was willst du?“ „Ich wollte nur wissen, ob du schon alles in die Wäsche getan hast, was du mit aufs Konzertwochenende nehmen willst.“ Mist, das hatte ich völlig verpennt. Schnell drehe ich mich um, krame etwas in meinem Kleiderhaufen, der sich mal wieder in einem Zimmereck angesammelt hat, und drücke meiner Mutter schließlich zwei enge T-Shirts, ein Langarmshirt und zwei enganliegende Jeans in die Hand. Dann schiebe ich sie schon fast wieder aus dem Raum. Ich möchte heute einfach nur noch meine Ruhe. Mir gehen im Moment viel zu viele konfuse Gedanken durch den Kopf, als dass ich noch groß mit meiner Mutter herum streiten könnte. Nachdem ich den Schlüssel im Schloss wieder umgedreht habe, krabble ich halb unter mein Bett, um das Buch wieder zu holen. Niesend und mit Spinnweben im Haar komme ich eine Minute später wieder darunter hervor. Vielleicht sollte ich doch mal wieder aufräumen, nicht, dass die ehemaligen Bewohner der Netze wieder zurückkommen und ich jede Nacht Panik haben muss, von Spinnen aufgefressen zu werden. Seltsam, was für Gedanken einem manchmal kommen, wenn man etwas verdrängen will. In meinem Fall die Sache mit Tom. Müde tapse ich zu meinem Bücherregal und schiebe das Buch achtlos einfach zwischen zwei andere Bücher. Mit einem Mal ist mir fast alles egal. Mit einem Mal habe ich das Gefühl, nicht mehr ich selbst zu sein. Das Gefühl, in der Mitte auseinander zu brechen. Auf der einen Seite zerrt ein dummes Gesetz und die gesellschaftliche Moral an mir und an der anderen Seite sind meine Gefühle für Tom. Meinem Tom. Diese Gefühle, die ich nicht kontrollieren kann. Diese Sehnsucht nach seiner Nähe, die mich im Moment nach Unten zieht. Mit leerem, aber gleichzeitig übervollem Kopf lasse ich mich rücklings auf mein Bett fallen. Zeit für eine Runde Selbstmitleid! Tom. Immer wieder dieser Name. Diese Gefühle. Diese gottverdammten Gefühle, die ich in der letzten Zeit für ihn entwickelt habe. Warum bricht das Alles eigentlich jetzt erst über mich herein? Ich meine, ich bin mir doch schon seit ein paar Tagen meiner Gefühle vollends bewusst. Also, warum habe ich dann erst jetzt das Gefühl in einem kalten, tiefen See zu ertrinken. Das Gefühl, als ob mich irgendein Monster nach unten ziehen würde. Nein, nicht irgendein Monster, sondern DAS Monster. Das Monster, das mich seit dem letzten Konzert fast jede Nacht besucht hat. Das Monster, das sich in der Kiste versteckt hatte. Anscheinend habe ich den Deckel jetzt vollständig zur Seite geschoben und damit den Blick auf das Grauen im Inneren der Kiste freigelegt. Ich weiß nicht wieso, aber der Gedanke, dass ich das Monster ‚kenne’, beruhigt mich etwas. Ein leises, zaghaftes Klopfen reißt mich zurück in die Realität. Langsam stehe ich auf um die Tür zu öffnen und stehe dann Tom gegenüber. Ohne zu reden, bedeute ich ihm herein zu kommen, die Tür hinter sich zu schließen und zu zusperren. Währenddessen setze ich mich zurück auf mein Bett. „Bill?“ „Hm?“ „Warum weinst du?“ Weine ich? Überrascht fahre ich über meine Wangen und spüre die Nässe unter meinen Fingern. „...“ Leise Schritte lassen mich aufsehen und direkt in Toms Augen blicken. Unsicher entgegnet er meinem Blick und setzt sich dann neben mich auf den Bettrand. Kein weiteres Wort muss mehr gesprochen werden. Nur Sekunden später spüre ich, wie sich seine Arme um meinen Oberkörper legen und mich zu ihm ziehen. Völlig fertig lasse ich mich in seine Umarmung fallen und schluchze laut auf. Wann habe ich eigentlich das letzte Mal nicht alleine geweint? Wann habe ich das letzte Mal überhaupt wirklich geweint? Ich weiß es nicht mehr. Schniefend vergrabe ich mein Gesicht in seiner Halsbeuge, spüre seinen warmen Atem an meinem Ohr. Leises, beruhigendes Murmeln dringt hinein und das leichte Kraulen seiner Finger in meinen Haaren tun das Übrige um mich sicher und geborgen zu fühlen. Und langsam verebben auch meine Schluchzer wieder, werden meine Tränen weniger. Als ich es wieder wage aufzuschauen, sehe ich in Toms braune Augen. Manchmal hat er wirklich etwas von einem Hund. So treu und lieb, wie er gerade schaut. Mit einem leichten Grinsen zupft er mir die Spinnweben, die ich in meinem Gefühlschaos total vergessen habe, aus den Haaren und hält sie mir vor die Nase. „Bill, Bill, manchmal frage ich mich wirklich, was du treibst, wenn du alleine bist. Züchtest du jetzt Spinnen oder willst du einen neuen Haarschmuck aus Spinnennetzen entwerfen?“ Trotz meiner Tränen muss ich einfach lachen. „Na siehst du, ein Lächeln steht dir viel besser als diese ganzen Tränen.“ Vorsichtig wischt er mir die restlichen Tränen fort und sieht mir geradewegs in die Augen. Das Kribbeln im meinem Magen versuche ich zu ignorieren. Ich will mit keiner unbedachten Aktion unsere Zweisamkeit stören, will nicht, dass er mich von sich stößt. „Bleibst du heute Nacht wieder hier?“ Kam das wirklich gerade aus meinem Mund? Wenn das nur mal gut geht ... Gespannt beobachte ich Toms Reaktion. Werde nicht so ganz schlau daraus. Was sollte dieses Strahlen bei meiner Frage? „Hm, wenn du willst.“ „Hätte ich sonst gefragt?“ „Wahrscheinlich nicht. Lässt du mich los, damit ich mich Bettfertig machen kann?“ Ups, ich halte ihn ja immer noch umklammert. Seit wann eigentlich. Na ja, ist mir jetzt auch egal. Tom, mein Tom, schläft bei mir! Irgendwie geht es mir bei diesem Gedanken schon wieder ein ganzes Stückchen besser. Fort sind all die Zweifel und trüben Gedanken der letzten Stunde. Fast schon happy schlüpfe ich aus meinen Alltagsklamotten und ziehe mir ein weites, übergroßes Schlafshirt über und auch meine enge Panty tausche ich gegen eine Boxer um. Wo die eigentlich herkommt, bleibt mir schleierhaft. Vielleicht hat meine Mutter sie ja aus Versehen bei mir statt bei Tom eingeräumt ... Kurz husche ich noch ins Bad um mir wenigstens die Zähne zu putzen und mir das Gesicht zu waschen. Zu mehr fehlt mir einfach jegliche Energie. Als ich wieder zurück in meinem Zimmer bin, empfängt mich das einsame Licht meiner Nachttischlampe und Tom, der es sich schon in meinem Bett bequem gemacht hat. Kurz überlege ich noch, ob ich die Zimmertür abschließen soll, entscheide mich aber dagegen. Auffordernd klopft Tom neben sich auf die Matratze und ich lege mich vorsichtig neben ihn, bedacht auf einen Sicherheitsabstand von mindestens dreißig Zentimetern. Dass ich dabei fast aus dem Bett falle, bemerke ich erst, als Tom leise erschrocken aufquietscht und mich mit einem Ruck an sich heranzieht. Stocksteif liege ich nun halb auf ihm. „Entspann dich!“ Vorsichtige Finger versuchen die Verspannungen in meinem Rücken zu lösen. Irgendwann siegt einfach meine Müdigkeit und ich entspanne mich wirklich. Mit meinem Kopf auf Toms Brustkorb kann ich seinem Herzschlag lauschen. Er beruhigt mich ungemein und schon kurze Zeit später bin ich eingeschlafen. Am nächsten Morgen wache ich das erste Mal seit langem wieder völlig frisch und ausgeschlafen auf. Ein kurzer Blick auf meinen Wecker lässt mich entsetzt über meine Augen reiben. Acht Uhr. Acht Uhr in der früh, wenn ich ausschlafen könnte! ... Aber eigentlich bin ich ja ausgeschlafen. Seltsam zufrieden kuschle ich mich wieder an Tom, der immer noch unter mir liegt und den Schlaf der gerechten träumt. So schön bequem mein brüderliches Kissen auch ist, finde ich nicht mehr die Ruhe zum weiterdösen. Also drehe ich mich auf den Bauch, lege mein Kinn auf meine verschränkten Arme und beobachte sein schlafendes Gesicht. Dabei lasse ich den gestrigen Abend vor meinem inneren Auge Revue passieren. Ich kann es kaum glauben, dass Tom wirklich noch eine Nacht zusammen mit mir in einem Bett verbracht hat, nachdem er sich gestern morgen nach dem Aufstehen so seltsam und ablehnend verhalten hatte. Verstehe einer große, kleine Brüder. Und doch habe ich ihn so unendlich lieb. So lieb. Nach einer weiteren halben Stunde wird mir das bloße Betrachten von Tom zu langweilig und ich überlege, was ich stattdessen machen könnte. Plötzlich fällt mir die Rabenfeder, die ich vor Jahren einmal bei einem Spaziergang gefunden und bis jetzt immer in meiner Nachttischschublade versteckt hatte, wieder ein. Mühsam strecke ich mich und erreiche tatsächlich den Schubladengriff um den Schieber aufzuziehen. Nach kurzem Suchen und Umhertasten halte ich dann auch endlich die schwarze Feder in der Hand. Mit einem teuflischen Grinsen nähere ich mich damit Toms Gesicht und streiche sachte mit ihr über seine entspannten Gesichtszüge. Feixend beobachte ich, wie ein Zittern durch seinen Körper geht und er seine Nase kraus zieht, er aber nicht aufwacht. Wie ein Kaninchen, schießt es mir durch den Kopf. Vorwitzig schiebe ich nun sein T-shirt etwas nach oben und kitzle ihn mit der Feder am Bauch. Ich bin so fasziniert davon, wie sich seine Bauchmuskeln anspannen und sich feine Härchen aufstellen, dass ich erschrocken zusammenzucke, als ich dem funkelnden Blick seiner braunen Augen begegne. Zu gerne hätte ich dieses Spielchen noch etwas weiter getrieben ... wie wohl ‚Klein-Tom’ auf so eine Behandlung reagiert hätte? Peinlich berührt erwidere ich den forschenden Blick, mit dem er mich mustert. „Dir scheint es ja wieder besser zu gehen.“, stellt er mit einem Seitenblick auf die Feder in meiner Hand fest. Stumm nicke ich, bin immer noch wie gefesselt von seinen Augen. Wie ein großer Teddybär kommt er mir in diesem Augenblick vor. In einem Anfall von kindlichem Übermut knuddle ich ihn einmal kräftig, nur um dann aus dem Bett zu springen und mich ins Bad zu verziehen. Wie ich dort feststellen muss, keine Minute zu früh. Macht sich doch meine Erregung langsam aber sicher immer deutlicher bemerkbar. Ignorieren, kalt duschen oder mir einen runterholen? Duschen auf jeden Fall, stelle ich nach einem flüchtigen Blick in den Spiegel fest. Mit den Spinnenweben im Haar habe ich sicher Ähnlichkeit mit einer Hexe, einer männlichen Hexe ... Wie nennt man männliche ‚Hexen’ eigentlich? Hexer, Zauberer oder doch Hexenmeister? Hexenmeister hört sich irgendwie so nach Sado-Maso an ... Hätte ich jetzt eine Bratpfanne zur Hand, würde ich sie mir über den Kopf ziehen. Aber hey, mein Problem hat sich gerade mehr oder weniger von selbst gelöst! Tatsächlich ist meine Erregung über meine Gedanken über männliche ‚Hexen’ beträchtlich geschrumpft. Gibt es eigentlich auch schwule Hexer? Jetzt wird es langsam pervers! Feixend ziehe ich mich aus und stelle mich unter die Dusche. Der plötzlich aufkommende Gedanke daran, dass Tom sich vielleicht in meiner Abwesenheit in meinem Zimmer umgesehen haben könnte, treibt mich zu Eile. Es wäre mehr als unangenehm wenn er eines der Bücher finden würde. Vor allem das, das ich nur provisorisch versteckt habe. Und wo habe ich eigentlich den Zettel mit meinem ‚Brainstorming’ über Toms Verhalten gelassen. Panisch dusche ich mir den letzten Schaum ab, trockne mich hastig ab, binde mir das nächstbeste Handtuch um die Hüfte und flitze zurück in mein Zimmer. Erleichtert finde ich Tom immer noch im Bett vor. Lesend. Moment, lesend?!? Scheiße, er wird doch nicht ... ?! Hastig laufe ich zu meinem Bett. Besser gesagt ich versuche es. Denn etwa einen Meter davor stolpere ich über meine Schuhe, die ich am Vortag nach der Probe mal wieder einfach nur ausgezogen und hingeschmissen habe, und mache mich schon einmal auf eine harte Landung gefasst, als ein Ruck durch Tom geht, er sich superheld-like aus dem Bett wirft, mich am Arm packt und mich mit einem Ruck zu sich zieht. Vielleicht sollte ich doch öfter aufräumen ...? Sekunden später finde ich mich in seinen Armen wieder. Nackt. Während dieser Aktion und Hektik muss sich mein schlampig umgebundener ‚Lendenschurz’ auf und davon gemacht haben. Richtig, da liegt er ja, der Wicht! Mit knallrotem Kopf stehe ich nun nackt an Tom gepresst da und spüre durch seine Boxer hindurch, wie sich etwas bei ihm regt. Ich wusste schon immer, dass ich geil aussehe, aber mit dieser Reaktion habe ich jetzt doch nicht gerechnet. Ewigkeiten scheinen wir so dazustehen, bis Tom sich räuspert, mich loslässt, sich bückt, das Handtuch aufhebt und mir vor die Nase hält. Dabei weicht er geschickt meinem Blick aus und dreht seinen Kopf immer so, dass ich den Rotschimmer um seine Nase herum nur erahnen kann. Eine Minute später stehe ich auch schon alleine in meinem Zimmer. Ein paar Türen weiter schließt sich die Badezimmertür mit einem lauten Knall. Anscheinend muss er jetzt ein ‚kleines’ Problem lösen. Ob er auch über männliche Hexen philosophiert? Seufzend ziehe ich einfach irgendetwas zum Anziehen aus dem Schrank und fange dann tatsächlich an, den gröbsten Plunder aufzuräumen. Erst als ich ein aufgeschlagenes und scheinbar hastig fallengelassenes Buch vor meinem Bett finde, fällt mir siedend heiß ein, nachzusehen, was genau Tom da eigentlich gelesen hat. Geschockt keuche ich auf und erwarte unwillkürlich, dass mir der Himmel über dem Kopf zusammenfällt. Ausgerechnet ‚Schwul - na und?’ musste er in die Finger bekommen und dann auch noch genau DIESE Seiten aufschlagen. Irgendjemand meint es eindeutig nicht gut mit mir. Vielleicht sollte ich mich etwas über Voodoo informieren. Dann kann ich mich zumindest wehren! Aber zumindest würden die Bilder erklären, wieso sich ‚Klein-Tom’ bei unserem ‚Zusammenstoß’ so schnell zu Wort gemeldet hat. Andererseits bezweifle ich, dass Tom auf Jungs steht. Fuck, und wenn er jetzt denkt, ich sei schwul. Was ja auch irgendwie stimmt, aber ... Verdammte Scheiße! Hey, du da oben! Wenn das irgendwelche unangenehmen Folgen für mich hat, verlange ich Schmerzensgeld von dir!!! Langsam brummt mir wirklich der Kopf. Wird Zeit, dass ich die Bücher wieder aus dem Haus bekomme. Etwas angepisst schnappe ich mir meine Schultertasche und stopfe die Bücher etwas unsanft hinein. Jetzt muss ich nur noch daran denken, sie heute noch abzugeben. Gerade, als ich mich daran machen will, die Klamotten, die ich für das Konzert brauche, auf mein Bett zu legen, meldet sich mein Magen mit einem lauten Knurren zu Wort. Also gut, Zeit für die Raubtierfütterung. Wie viel Uhr ist es eigentlich? Ein kurzer Blick auf meinen Wecker zeigt mir, dass es schon fast Zeit fürs Mittagessen ist. Jetzt kann ich nur noch hoffen, dass es diesmal etwas anderes als Mehlwürmer oder Kakerlaken gibt. Hoffnungsvoll tapse ich hinunter in die Küche und, oh Wunder, scheint es heute keine Insekten zu geben, sondern eine stinknormale Lasagne ... zumindest auf den ersten Blick. Denn als ich meinen Blick etwas durch die Küche wandern lasse, fallen mir die Schneckenhäuser auf der Arbeitsfläche auf. Leer. Ich ahne Schlimmes! „Mama!?“ rufe ich leicht panisch. „Ja, was ist denn?“, tönt es mir aus dem Nebenzimmer entgegen. „Warum sind da überall leere Schneckenhäuser?!“ „Oh, ach die, habe ich euch noch nicht gesagt, dass ich heute ein neues Lasagnerezept ausprobieren will. Und dafür habe ich frische Weinbergschnecken gebraucht. Das Essen ist übrigens in zehn Minuten fertig.“ „Urghs!“ würge ich gequält hervor. „Tut mir leid, Mama, aber mir ist nicht gut. Ich lasse mir dann vielleicht später eine Pizza, oder so, kommen, wenn es mir wieder besser geht.“ Hoffentlich kann man Schneckenlasagne nicht mehr aufwärmen! „Aber das gute Essen!?“ Gut?! Die will uns doch alle vergiften! „Aber mir ist wirklich nicht gut!“ Mit meinem lange eingeübten und perfektionierten Dackelblick sehe ich sie an, in der Hoffnung, dass sie es mir abkauft. „Na gut, nicht, dass du morgen nicht auftreten kannst. Soll ich dir einen Kamillentee kochen?“ Nicht das auch noch! „Nein, passt schon. Wenn es schlimmer werden sollte, kann ich mir ja selber noch einen kochen.“ „Okay, wenn du meinst. Bist du dann aber so lieb und holst Tom zum Essen?“ Erleichtert mache ich mich vom Acker und laufe in Richtung Toms Zimmer. Soll ich ihn vorwarnen oder ihn ins Verderben laufen lassen? Wenn er jetzt vergiftet wird, können wir den Auftritt morgen streichen ... und ich werde ihn, wenn ich Pech habe, für immer verlieren. Andererseits müsste ich mich dann nicht wegen diesem Buch vor ihm rechtfertigen ... Letztendlich entscheide ich mich dafür mein Bruderherz vor der bösen Köchin, auch Mutter genannt, zu retten und ihn zu warnen. Erst zaghaft, dann aber etwas bestimmter klopfe ich an seine Tür. „Komm rein.“ Schnell folge ich seiner Aufforderung und schlüpfe durch den Spalt, den er mir geöffnet hat. Kaum bin ich innen, schließt er auch schon seine Zimmertür hinter sich ab. „Ich soll dich zum Essen holen ...“ „Was gibt es denn, du siehst so bleich aus.“ „Das willst du gar nicht erst wissen!“ seufze ich und lasse mich ungefragt auf sein Bett plumpsen. „Doch!“ „Schneckenlasagne!“ „Was?!?“ „Schneckenlasagne. Das ist eine Lasagne aus Schnecken.“ Kläre ich ihn auf. „Du scherzt!“ „Nö, das ist mir todernst.“ „Oh Gott ...!“ Etwas grün um die Nase lässt er sich neben mich auf sein Bett fallen. „Und du isst mit?“ „Nein, ich habe Bauchschmerzen!“ grinse ich ihn an. Und dir würde es auch besser bekommen, wenn du welche hättest! „Und außerdem lasse ich mir später eine Pizza kommen. Wenn du willst, bestelle ich eine für dich mit und du lässt das Essen irgendwie verschwinden.“ „Kann ich zaubern?!“ Ist mein Brüderchen etwa leicht gereizt? „Nein, aber behaupten, dass dir schlecht ist. Wir haben das Essen von gestern einfach nicht vertragen. Ich muss später sowieso noch einmal kurz in die Stadt, ein paar Bücher abgeben, da kann ich eigentlich gleich zwei Pizzas mitbringen, wenn du einverstanden bist.“ Stummes Nicken und ein mehr als erleichterter Gesichtsausdruck sind mir Antwort genug. „... Ist dieses eine Buch, das ich heute morgen bei dir gelesen habe, da auch mit dabei?“ Das musste ja so kommen! Sofort versteife ich mich und suche krampfhaft nach einer passenden Ausrede. Wetten, in einer halben Stunde, fällt mir dann aus heiterem Himmel die Passende ein, aber im Moment sieht es verdammt schlecht damit aus. „... Ja. Wieso fragst du?“ Als ob ich DAS nicht selber wüsste! „Nur so ... wollte nur wissen, seit wann du solche Bücher liest ...“ „Hm, seit etwas weniger als einer Woche ...“ „Ach so ... Bist du schwul?“ Nein! Nur in dich verknallt! „Nein ... aber vielleicht bi ...“ „Also muss ich keine Angst haben, dass du im Schlaf über mich herfällst?“ Doch!!! Verdammter Idiot, bist du so blind oder tust du nur so?! „... Nein ...“ „Dann ist’s ja gut ...“ Am liebsten würde ich jetzt auf ihn einprügeln, ihm ins Gesicht schreien, was ich für ihn empfinde. Wer reagiert hier denn so heftig auf Körperkontakt zum anderen? DU! TOM ! „Bill? Alles in Ordnung?“ NEIN! „Doch. Ja, alles okay.“ Seit wann kann ich so gut lügen? „Ich geh dann mal wieder, die Bücher zusammensuchen. Ich bin in spätestens zwei Stunden wieder zurück.“ Ruckartig stehe ich auf und lasse Tom auf allein auf seinem Bett zurück. Dass die Bücher schon seit einiger Zeit in meiner Umhängetasche stecken, muss er ja nicht unbedingt erfahren. Schnell schlüpfe ich noch in meine Schuhe und in eine Jeansjacke, schnappe mir meine Tasche und verabschiede mich mit einem „Tschüß!“ von meiner Mutter, das ich laut in Richtung Küche brülle. Keine Reaktion. Auch gut. Eine halbe Stunde später trete ich wohlbehalten durch die große Eingangstür der Bücherei zurück ins Freie. Ich fühle mich, als ob ich eine schwere Last los hätte. Die Last von dicken, schweren Büchern mit zweifelhaftem Inhalt. Ich überlege, was ich jetzt machen werde, habe ich doch noch locker eine Stunde Zeit, bevor ich die Pizza besorgen muss. Unbewusst bleibe ich vor einem Friseursalon stehen. Haarverlängerung zum Sonderpreis. [[Ich weiß, dass er eigentlich in einem kleinen Kaff wohnt und die Haare sonst wo sich hat verlängern lassen, aber das passt gerade so gut hier rein. Bitte nicht böse sein *puppy-eyes*]] Noch mehr Preisnachlass, wenn man nicht innerhalb einer Stunde fertig ist. Ein kurzer Blick in meinen Geldbeutel zeigt mir, dass ich vor dieser Aktion unbedingt noch Geld hohlen muss. Trägt nun mal schließlich nicht jeder 1200 Euro mit sich herum. Und die Pizza muss ich dann ja auch noch bezahlen können. Fünf Minuten später ist mein Konto um 1300 Euro leerer und meine Geldbörse anscheinend um einen Kilo schwerer. Zögernd betrete ich den Salon und werde dann auch schon gleich von einem Friseur mit langen, blaugesträhnten Haaren begrüßt. „Kann ich ihnen helfen?“ „Ja, ich möchte eine neue Frisur.“ Das wollen wahrscheinlich die Meisten, die diesen Laden betreten, geht es mir auch schon, während ich noch am Sprechen bin, durch den Kopf. Einige Vorschläge später bin ich dann endlich mit einem Vorschlag einverstanden und nach ungefähr einer Stunde bin ich dann auch tatsächlich fertig und kann meine neue Frisur in jedem Schaufenster bewundern, an dem ich vorbeikomme. Scheiße, ich bin viel zu spät! Schnell laufe ich los, um zwei Pizzas zu besorgen. Mist, ich hätte Tom fragen sollen, was für eine Sorte er haben will! Leise fluchend betrete ich ein gutes Pizzarestaurant, das auch Pizzas zum Mitnehmen anbietet. Kurzentschlossen nehme ich einfach eine Pizza-Hawaii für mich und eine Salami-Pizza für Tom. Nach einer Viertelstunde warten, werden mir auch schon die Pizzen ausgehändigt und ich mache mich im Eiltempo auf den Nachhauseweg. Wenn Tom Hunger hat, ist er wirklich unausstehlich. Dann ist er sogar noch schlimmer als mein drei Jahre alter Cousin, der sich, immer wenn er hungrig ist, auf den Bauch legt und mit Fäusten und Füßen den Boden malträtiert oder noch schlimmer, seinen Kopf aus Protest gegen die Wand schlägt. Wenn Tom das als Kleinkind auch gemacht hätte, würde das Wenigstens einige seiner seltsamen Verhaltensweisen erklären, sinniere ich vor mich hin. Vielleicht sollte ich mit dem Singen aufhören und Tom-ologe werden? Daheim angekommen, werden mir auch sofort, kaum dass ich an Toms Zimmertür geklopft habe, die Pizzaschachteln aus der Hand gerissen, nur um sofort wieder fallengelassen zu werden. Mit offenem Mund starrt er mich an, als wäre ich ein Alien von einem anderen Stern. Was hat er denn? „Was ... was ist mit deinen Haaren passiert?!?“ So schlimm sind die doch gar nicht! Und wenigstens sehe ich mit offenen Haaren nicht aus wie ein Bobtail! „Ich war vorhin beim Friseur und habe mir die Haare verlängern und schneiden lassen, wieso fragst du?“ „Die ... die sind so anders ... Darf ich sie mal anfassen?“ Sind wir hier denn im Streichelzoo? „Wenn du unbedingt willst?“ antworte ich ihm wenig begeistert. Langsam tritt er näher zu mir hin und streckt seine Hand nach meinem Kopf aus. Unwillkürlich schleicht sich ein angenehmes Kribbeln in meinen Magen, so, als ob ich aus Versehen eine von Mutters Heuschrecken bei lebendigem Leibe gegessen hätte, als er seine Finger sanft durch meine Haare gleiten lässt. Ich spüre, wie er eine einzelne Strähne nimmt und anfängt mit ihr zu spielen. „Die Haare fühlen sich an, als ob sie echt wären ...“ „Sind sie ja auch. Nur nicht von mir.“ „Willst du damit sagen, dass diese Haare schon einmal am Kopf eines anderen Menschen waren?!“ Was ist denn jetzt schon wieder los? Warum regt er sich so darüber auf? Und wieso zieht er seine Finger weg, als würden meine Haare in Flammen stehen? Etwas ungehalten antworte ich ihm: „Wo denkst du, würden sonst Echthaare herkommen? Vom Fisch?“ „Nein ... aber stell dir nur mal vor, dass die Haare vielleicht erst vor ein paar Wochen noch am Kopf irgendeiner Leiche waren!“ Gar nicht melodramatisch, der Gute. „Leiche? Wie kommst du darauf? So weit ich informiert bin, kommen die Haare von Inderinnen. Die haben anscheinend in Indien irgend so ein Ritual, bei dem sich die jungen Inderinnen ihre Haare abschneiden lassen müssen. Und die werden dann nach Europa, oder so, verkauft.“ „Ach so ...“ „Und wie findest du die Frisur jetzt?“ „... Ungewohnt, aber sie steht dir fast besser, als die Alte.“ Sie gefällt ihm! Innerlich fange ich gerade an, Rumba zu tanzen, lasse mir aber nach außen hin nichts anmerken. Käme sicher schön blöd. „Freut mich, dass sie dir gefällt ... aber hast du keinen Hunger? Die Pizza ist bestimmt schon ganz kalt!“ „Scheiße, du hast Recht!“ Ehe ich mich versehe, hebt er die Pizzen wieder vom Boden auf, setzt sich auf den Boden und zieht mich neben sich. Immer noch etwas verdutzt, bekomme ich eine Schachtel in die Hand gedrückt. „Teilen wie sie uns? Ich meine so, dass jeder von jeder etwas bekommt?“ „Klar, warum hätte ich denn sonst zwei genommen, die ich mag?“ smile ich ihn frech an. „Wenn ich nicht so einen Hunger hätte, du kleines berechnendes Miststück, dann ...“ „Was ‚DANN’? Würdest du mich dann vernaschen?“ Als mir bewusst wird, was ich meinem Bruderherz da gerade unterstellt habe, schießt mir sofort das Blut in den Kopf und Tom verschluckt sich an seinem Stück Pizza. Hustend sitzt er vor mir, bis ich mich seiner erbarme und ihm ein paar Mal kräftig auf den Rücken schlage. Als er sich wieder beruhigt hat, wandelt sich mein Schlagen immer mehr in ein liebevolles Streicheln um. Immer wieder lasse ich meine Hand von seinen Schultern hinab bis zur Mitte seines Rückens wandern. Einfach so, ohne groß darüber nachzudenken. Leises Schnurren lässt mich wieder zur Besinnung kommen und ich beobachte belustigt, wie Tom, seine Augen leicht geschlossen, an seinem Stückchen Pizza herumkaut. Plötzlich hält er mir sein Stück hin, um mich abbeißen zu lassen. „Mach bitte weiter ... ich füttere dich auch.“ Flüstert er todernst, als ich Anstalten mache, mit den Streicheleinheiten aufzuhören. Lächelnd mache ich weiter, doch irgendwann wird mir meine Stellung zu unbequem und ich lasse mich hinter Tom nieder, so dass er zwischen meinen gespreizten Beinen zum Sitzen kommt. Als er sich nicht gegen diese Aktion wehrt, lege ich mein Kinn auf seine Schulter und schlinge meine Arme um seinen Bauch. Nach kurzem Überlegen setze ich meine Liebkosungen an seinem Bauch fort. Ertaste seine leicht ausgeprägten Bauchmuskeln durch sein T-Shirt hindurch. Sein zufriedenes Aufseufzen zeigt mir, dass es ihm gefällt. Immer wieder hält er mir ein Stück Pizza vor die Nase, damit ich nicht im Angesicht zwei gut duftender Pizzen verhungern muss. Gut, dass hier keine Reporter reinkommen. Das wäre sicherlich ein gefundenes Fressen für die Presse, unter dem Motto: ‚Inzest bei Tokio Hotel. Wird dies das Aus für die Band sein?’ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)