Chiisana LOVE-STORIES von Ditsch (Die ultimative Anime-Crossover-Dating-Fanfic) ================================================================================ Kapitel 38: Kouji und Urara - Der betörende Duft einer Blumenwiese ------------------------------------------------------------------ Von Dieses Pairing ist mal wieder durch Zufall entstanden, trotzdem passen die beiden wunderbar zusammen: Sie sind ungefähr im gleichen Alter und haben auch beide noch keinen festen Partner (da Syrup zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Pretty Cure aufgetaucht ist ^.~). Diesmal gab es auch nicht das große Problem, dass sie aus verschiedenen Welten kommen. Doch natürlich gibt es ganz andere Hürden, die die beiden überwinden müssen... Noch eine kleine Anmerkung: Bei dem Lied, das vorkommt, habe ich an die Melodie des Sailormoon-Songs „Moonlight Densetsu“ gedacht. Und hat übrigens noch ein Fanart dazu gezeichnet: http://animexx.onlinewelten.com/fanarts/output/?fa=1423516&sort=wb&sort_manuell=1033676-1423516-1461665-1482511-1484323-1486573-1487385 Der betörende Duft einer Blumenwiese Wenn es etwas gab, das Kouji absolut nicht ausstehen konnte, dann war es das Kaufen von Geschenken. Sein Problem dabei waren weniger die Kosten als vielmehr die riesige Auswahl an Produkten. Daher war er jedes Mal aufs neue ratlos, wenn er für einen Freund oder Verwandten ein Geschenk kaufen musste. In weniger als einer Woche feierte nun seine Stiefmutter ihren neununddreißigsten Geburtstag und er hatte noch immer keinen blassen Schimmer, was er ihr schenken sollte. Er hätte seinen Vater fragen können, doch er hatte sich diesmal fest vorgenommen, ganz alleine etwas zu finden, das ihr gefiel, denn sonst wäre das Geschenk ja nicht wirklich von ihm. Auf der Suche nach diesem streifte er nun ziellos durch die Straßen der Stadt. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn und mit jedem Schritt fühlte er sich müder und ausgelaugter, was bei den hochsommerlichen Temperaturen und der selbst für japanische Verhältnisse ungewöhnlich hohen Luftfeuchtigkeit auch kein Wunder war. Er zog ein weißes Baumwolltuch aus der Tasche seiner Shorts hervor und wischte sich damit über die Stirn. Er war jetzt schon seit über einer Stunde unterwegs und war an jedem Geschäft schon mindestens zweimal vorbeigekommen, ohne auch nur eine Kleinigkeit gefunden zu haben. Trotzdem wollte er auf keinen Fall nach Hause zurückkehren, bevor er nicht etwas gekauft hatte. Auf einmal bemerkte er auf dem größeren Platz, dem er sich schlendernd näherte, einen Menschenauflauf, der immer größer zu werden schien. Neugierig geworden, beschleunigte er seinen Schritt und erreichte schließlich die Masse, die sich um einen Punkt in der Mitte drängte. Dass alle Menschen hier dem weiblichen Geschlecht angehörten, machte ihn nur noch neugieriger. Wenn all diese Frauen sich um etwas rissen, würde es sicher auch für seine Stiefmutter äußerst interessant sein. Der Zwölfjährige war zwar recht groß für sein Alter, aber eben doch noch ein Kind, weswegen er selbst auf Zehenspitzen nicht entdecken konnte, um was all diese Leute sich drängten. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als sich wagemutig in die Menge zu stürzen. Schon bald war er im Herzen des Tumults angekommen und sah auch gleich, was der Grund für all die Aufregung waren: zwei wohlgestaltete junge Männer – einer blond, der andere brünett – standen dort, ein freundliches Lächeln im Gesicht, und teilten rosa Flugblätter an jeden aus, den es interessierte. Da waren sie hier genau richtig, denn die großen Stapel mit den Blättern, die sie unter den Armen trugen, schrumpften in atemberaubender Geschwindigkeit. Kouji, dem das Ganze ein wenig peinlich war, da er außer den beiden Schönlingen weit und breit kein männliches Wesen entdecken konnte, schnappte sich einen heruntergefallenen Zettel und bahnte sich schnellstens einen Weg aus der Horde begeisterter Frauen. Als er schließlich wieder frei atmen konnte, kam ihm auf einmal der unangenehme Gedanke, es könnte sich hierbei um etwas Unanständiges handeln. Wer wusste schon, was zwei so ungewöhnlich schöne Männer im Schilde führten...? Doch der Anblick zweier Mädchen in seinem Alter, die sich ebenfalls in das Getümmel stürzten, beruhigte ihn etwas und er warf einen Blick auf den Handzettel. Natts House verkündete die Überschrift in großen, bunten Buchstaben. Neben einigen Fotografien farbenfroher Armbänder und kunstvoll gearbeiteter Halsketten hieß es: Schmuck aller Art! Unsere Accessoires lassen das Herz jeder Frau höher schlagen! Diese Beschreibung ließ Kouji lächeln. Über so etwas würde seine Stiefmutter, die in ihrem Schlafzimmer eine große Kiste mit Schmuckstücken aller Art lagerte, sich bestimmt freuen; er hatte einen Glückstreffer gelandet. In der unten Ecke des Zettels fand sich auch eine Adresse samt Umgebungskarte, und er sah, dass er auch, was die Strecke anging, durchaus glücklich war: der Laden befand sich nur einige Straßen weiter. Während Kouji in die angegebene Richtung lostrabte, schien seine Erschöpfung wie weggeblasen. Er war froh, dieses Jahr endlich mal ein Geschenk finden zu können, das der Beschenkten wirklich gefiel. Schon bald stand Kouji vor dem zweistöckigen Gebäude, auf dessen weißer Fassade in roten Buchstaben der Name des Geschäfts prangte. Neugierig warf er einen Blick durch das sommerlich dekorierte Schaufenster. Das Innere machte einen sehr gemütlichen Eindruck, mit großen Holzschränken voller Bücher und anderer Gegenstände und ein paar Tischen aus demselben Material, auf denen etliche Schmuckstücke ausgebreitet waren. Ohne zu zögern öffnete der Blauhaarige die Tür und betrat das Natts House, aus dem ihm angenehm kühle Luft entgegenströmte. Im ersten Moment dachte er, er wäre allein, doch dann bemerkte er ein Mädchen mit zwei langen, strohblonden Zöpfen, das auf einer ins zweite Stockwerk führenden Treppe saß und in diesem Moment von einem Buch in ihrem Schoß aufsah. Als sie ihn entdeckte, legte sie es schnell zur Seite, stand auf und verbeugte sich tief. Mit freundlicher, melodischer Stimme hieß sie ihn herzlich willkommen. „Guten Tag“, brachte Kouji hervor, der von der Höflichkeit, die sie selbst einem Jungen wie ihm wie selbstverständlich entgegenbrachte, ein wenig überrascht war. Das Mädchen richtete sich wieder auf. Erst jetzt bemerkte Kouji, dass sie kaum älter sein konnte als er und fragte sich, wie sie in ihrem Alter schon hier arbeiten konnte. Er betrachtete sie, wobei sein Blick ihr niedliches, mit vielen Rüschen verziertes Outfit, kaum gestreift hatte, als er an ihrem Gesicht hängenblieb. Kurze Ponyfransen hingen ihr in die Stirn, die aber – zum Glück, wie Kouji unwillkürlich feststellte – nicht ihre leuchtenden Augen verdeckten. Diese hatten eine interessante Farbe, die irgendwo zwischen braun und gelb zu liegen schien und die Kouji gerne aus der Nähe betrachtet hätte. Das lebensfrohe Lächeln, das das Mädchen an den Tag legte, schien ebenso zu strahlen wie ihre ganze Erscheinung. Das harmonische Bild von ihr auf einer Wiese voller bunter Blumen, das ihm unwillkürlich in den Sinn kam, versuchte er vergebens zu unterdrücken. „Suchst du etwas Bestimmtes?“, fragte sie und warf ihm ein noch blumigeres Lächeln als zuvor zu. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er sie anstarrte, als wäre sie ein längst ausgestorbenes Tier, und er senkte seinen Blick schnell auf ihren luftigen, knielangen Rock, auf ihre grazilen dünnen Beine, auf ihre in Sandalen steckenden Schuhe... Wie zierlich sie doch ist, dachte er dabei. Wie eine Elfe. Wieder kam ihm das Bild mit der Blumenwiese in den Sinn, doch diesmal schwebte das Mädchen darüber, die kleinen Flügelchen eifrig flatternd... „Ähm... Geht es dir gut?“ Kouji zuckte zusammen, als er ihre Stimme hörte. Sie klang besorgt. Wie lange hatte er dagestanden, ohne etwas zu sagen? „Ja, alles in Ordnung“, murmelte er und fixierte dabei das Holzmuster des Fußbodens, um nicht sofort wieder in seine Fantasiewelt entführt zu werden. „Möchtest du dich nicht etwas umschauen?“, fragte sie jetzt, die Stimme wieder so fröhlich wie bei ihrer Begrüßung. Kouji versuchte, ein Lächeln zu Stande zu bringen, doch er traute sich nicht, die Reaktion des Mädchens zu beobachten, sondern drehte sich stattdessen willkürlich zu einem in der Nähe stehenden Tisch um. „Du suchst sicher ein Geschenk, oder?“, fragte sie neugierig und landete mit einem kleinen Hüpfer neben ihm. Ein frischer Duft erreichte seine Nase und er tat schnell einen unauffälligen Schritt zur Seite, da die Blumenwiesenvision sich wieder einzustellen drohte. „Ja, genau“, sagte er. „Für wen?“, wollte sie wissen. Ihre Finger strichen liebevoll über die Schmuckstücke. „Für meine Stiefmutter“, erklärte Kouji. Es ärgerte ihn, dass er nur so kurze Sätze herausbekam, die fälschlicherweise den Eindruck erweckten, als habe er kein Interesse an einem Gespräch. Dem war nämlich nicht so, da er das Mädchen unbedingt dazu bringen wollte, ihn weiterhin mit ihrer lieblichen Stimme zu verzaubern. Zu gerne hätte er dabei auch ihr Blumenwiesenlächeln gesehen, doch aus Angst, wieder die Realität zu vergessen, traute er sich nicht, ihr noch einmal ins Gesicht zu sehen. „Hat sie Geburtstag?“, hakte sie nach und ließ ein mit Perlen verziertes Armband durch ihre Finger gleiten. Kouji nickte, erleichtert, dass sie sich nicht hatte abschrecken lassen. Er wollte etwas sagen, doch ihm fiel nichts Gescheites ein, wofür er sich innerlich verfluchte. Nach einer Weile, in der sie stumm dagestanden und ihren Blick über die Auswahl hatten schweifen lassen, sagte Urara: „Du solltest nicht so lange über das Geschenk nachgrübeln. Solange es von Herzen kommt, wird deine Stiefmutter sich sicher darüber freuen.“ „Meinst du?“, wollte Kouji wissen. Aus den Augenwinkeln nahm er war, wie sie begeistert nickte. „Auf jeden Fall! Es sollte nur ihren Geschmack nicht total verfehlen, damit sie nicht denkt, du hättest einfach das erstbeste Accessoire gekauft, das dir über den Weg läuft.“ Kouji seufzte. „Das ist es ja eben. Ich weiß nicht, was sie mag.“ „Wie lange kennst du sie denn schon?“ „Anderthalb Jahre.“ „Na, das reicht doch!“, rief sie mit gespielter Empörung aus. Erneut seufzte er. „Ich weiß nicht...“ „Aaalso“, begann sie. „Was ist ihre Lieblingsfarbe?“ Kouji überlegte einen Moment, musste dann aber eingestehen, dass er keine Ahnung hatte. „Welche Farbe trägt sie denn am häufigsten?“ Wieder dachte er einen Moment nach. „Verschieden...“ „Mh...“, machte sie nachdenklich. „Und trägt sie viel Schmuck?“ Kouji zuckte mit den Schultern. „Je nachdem, wie sie gerade drauf ist.“ Urara lachte, unbeschwert und naiv. „Okay, wir finden schon irgendwas Schönes.“ Mit diesen Worten hielt sie Kouji eine Kette mit gelben und orangenen Perlen hin, die sie gerade in der Hand hielt. „Was hältst du davon? Ich habe sie selbst gemacht.“ Kouji nahm sie und betrachtete sie kurz. „Mh“, war das einzige, was er zu sagen wusste. „Oder wie wäre es mit diesem Armband?“, fragte das Mädchen und zeigte ihm ein weiteres Schmückstück, diesmal vor allem in roten Farben gehalten. Wieder konnte er sich nicht entscheiden, und so führte sie ihm immer wieder ein neues Accessoire vor. „Sind deine Eltern eigentlich geschieden? Oder warum hast du eine Stiefmutter?“, fragte sie irgendwann vorsichtig. „Sie sind geschieden“, erklärte Kouji und zwang sich dann, weiterzusprechen: „Mein Vater hat mir immer gesagt, meine Mutter wäre tot. Aber letzten Sommer habe ich meinen Zwillingsbruder getroffen, der bei ihr und unserer Großmutter lebt.“ Bei dem Gedanken an diese Zeit, die nun schon fast ein Jahr her war, musste er unwillkürlich lächeln. Er hatte die digitale Welt erkundet und gerettet, Freunde gefunden und war seinem Zwillingsbruder begegnet, mit dem er sich seitdem häufiger traf. Auch seine Mutter hatte er ein paar Mal wiedergesehen. „Ich wünschte, bei mir wäre es genauso...“, murmelte das Mädchen so leise, dass Kouji sie kaum verstehen konnte. Unwillkürlich sah er auf und bemerkte einen traurigen Ausdruck in ihrem Gesicht. „Warum?“, fragte Kouji, auch wenn er sich nicht sicher war, ob sie darüber reden wollte. Doch auf einmal schien sie wieder ganz die alte zu sein und erklärte lächelnd: „Meine Mutter ist vor vielen Jahren gestorben.“ „Das tut mir leid“, murmelte er. Ihm wurde bewusst, wie sie sich gefühlt haben musste, als er von seiner Mutter erzählt hatte. Ihr Lächeln wurde breiter. „Kein Problem, wirklich. Ich habe ja noch meinen Vater, meinen Großvater und meine Freunde.“ Kouji nickte. „Freunde... können einem wirklich eine Hilfe sein“, sagte er gedankenverloren. Einen Moment schwiegen sie, doch es war kein unangenehmes Schweigen, sondern eher ein solches, in dem die Gefühle der einzelnen sich dem anderen völlig von selbst und ohne jede weitere Erklärung eröffnen „Wir sind wieder dahaaa!“, rief auf einmal eine fröhliche Stimme in den Raum. Kouji und das Mädchen drehten sich gleichzeitig zur Tür, in der nun vier Schülerinnen in ihrem Alter standen. „Hey“, sagte die Blonde und blickte verlegen zu Boden. Kouji tat es ihr gleich, denn es kam ihm vor, als hingen all seine Gefühle noch im Raum und die Ankömmlinge hätten diese gesehen und somit wie in einem offenen Buch in ihm gelesen. „Wir gehen schon hoch“, verkündete das Mädchen mit den knallroten Haaren, das eben auch schon gesprochen hatte. Die Blonde nickte und die vier stiegen hintereinander die Treppe hinauf in den ersten Stock. „Ich nehme das hier“, murmelte Kouji und griff willkürlich nach einem Schmuckstück, das er bei genauerem Hinsehen als jenes erkannte, das das Mädchen ihm zuerst gezeigt hatte. „Okay“, sagte sie ebenso leise und ging mit der Kette zur Kasse. Nachdem Kouji bezahlt und die kleine Schmuckschachtel in seiner Hosentasche verstaut hatte, nuschelte er noch ein „Auf Wiedersehen“ und verließ dann rasch den Laden. Draußen angekommen, erhöhte er sein Tempo noch und rannte schließlich fast, als er am Bahnhof ankam, ohne die Sonne zu beachten, die immer noch erbarmungslos auf ihn herabbrannte. Die folgende Woche verging wie im Flug und so kam Kouji erst am Vorabend des Geburtstags seiner Stiefmutter, als sein Vater ihn auf sein Geschenk ansprach, diese Begegnung wieder in den Sinn. Er durchwühlte die Schublade seines Schreibtisches und fand schließlich, was er suchte: eine kleine, weiße Plastiktüte, auf die das Logo des Natts House gedruckt war. Er zerriss den Tesafilmstreifen, der sie verschloss, und zog andächtig die Kette heraus. Ihre leuchtenden Farben erinnerten ihn an das Mädchen, das sie hergestellt hatte. Bei dem Gedanken an sie schlich sich ein Lächeln auf sein häufig gleichgültig dreinschauendes Gesicht. Er stellte sich vor, wie sie auf ihrer Blumenwiese lag und ihr sonniges Lächeln auf die Perlen übertrug, während sie sie auffädelte, und so ihrem neuen Besitzer ein Leben voller Glück ermöglichte. „Kouji?“, fragte eine Männerstimme und ließ ihn in die Realität zurückkehren. Der Junge drehte sich um und sah seinen Vater, der gerade das Zimmer betrat. Als er die Kette in seiner Hand sah, fragte er überrascht: „Hast du dein Geschenk etwa noch nicht eingepackt?“ „Nein“, antwortete er schlicht. Der Ältere seufzte und streckte die Hand aus. „Gib schon her, ich mach das eben.“ Unwillkürlich schlossen sich Koujis Finger fester um die Perlen. Sein Vater blickte ihn verwundert an. „Willst du sie selbst einpacken?“ Einen Moment lang lag dem Blauhaarigen der Satz „Ich will sie behalten“ auf der Zunge, doch als ihm bewusst wurde, wie lächerlich das klang, schüttelte er den Kopf und reichte seinem Vater das Schmuckstück, auch wenn es ihn schmerzte, es hergeben zu müssen. Ich kann sie jedes Mal sehen, wenn Mutter sie trägt, sagte er sich, um dieses Gefühl loszuwerden. „Dieses Mädchen...“, flüsterte Kouji. Der Blick seiner blauen Augen war auf den Fensehbildschirm gerichtet, auf dem ein blondes Mädchen in Latzhose gerade fröhlich in eine begeistert rufende Menge winkte. Seine Stiefmutter, die neben ihm auf dem Sofa saß, warf ihm einen erstaunten Seitenblick zu. „Ich wusste gar nicht, dass du dich für Musik interessierst!“ Doch der Junge hörte sie gar nicht, sondern starrte weiter auf das Mädchen, das nun fröhlich zu singen begann. Er konnte nicht sagen, ob es ihr Blumenwiesenlächeln oder ihre wundervolle, feengleiche Stimme war, die ihn erneut in die Fantasiewelt eintreten ließ, die er vor wenigen Wochen entdeckt hatte... Er hatte schon den Duft all der wunderbaren Pflanzen, die dort unter ihren zierlichen Füßen sprossen, in der Nase, als die Stimme seiner Mutter ihn unsanft in die Realität zurückholte: „Kouji-kun! Hörst du mich?“ Sie hatte sich über ihn gebeugt, eine Hand auf seiner Stirn, und blickte ihn besorgt an. Als er verwirrt blinzelte, stellte sie fest: „Dein Gesicht ist ganz warm. Hast du Fieber?“ Kouji winkte ab und versuchte etwas zu sagen. Doch die Überraschung darüber, dieses Mädchen so plötzlich wiederzusehen, wenn auch nur auf dem Bildschirm, hatte noch die Überhand über seinen Körper und er bekam kein Wort heraus. Er räusperte sich. „Dieses Mädchen...“, krächzte er schließlich. Seine Mutter sah ihn erstaunt an. Er fuhr fort: „Ich kenne sie. Sie arbeitet in dem Laden, in dem ich die Kette für dich gekauft habe. Sie hat sie selbst gemacht.“ Sie legte ihre Hand auf ihren Ausschnitt, wo das Schmuckstück hing. Dann lächelte sie. „Tatsächlich. Die Kette strahlt genauso wie das Mädchen.“ Kouji nickte, ebenfalls lächelnd, den Blick immer noch auf den Fernseher gerichtet. Gerade beendete das Mädchen ihren Song und verbeugte sich tief. „Vielen Dank, Urara Kasugano!“, rief ein Moderator und kam zu ihr auf die Bühne, um ihr sogleich einen riesigen Strauß bunten Blumen zu überreichen, die sie dankend entgegennahm. Kouji seufzte. Urara Kasugano, klares Licht des Frühlings... Dieser Name traf ihre Persönlichkeit perfekt. Nichts ähnelte ihr mehr als die wärmenden Strahlen der Sonne, die jeden noch so kalten Winter vertreiben konnten... „Sie scheint sehr bekannt zu sein“, staunte seine Mutter derweil und sagte dann etwas, das den Blauhaarigen zusammenzucken ließ: „Hättest du nicht Lust, nochmal zu diesem Laden zu gehen und mir ein Autogramm von ihr zu besorgen?“ Ein fast schon schelmisches Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie seine erstarrten Gesichtszüge erblickte. „Wenn du nicht möchtest, ist es auch nicht so wichtig“, fügte sie hinzu. Das ließ Kouji aus seiner Starre erwachen. „Doch!“, rief er ein wenig zu laut aus, und murmelte dann: „Wenn du unbedingt willst...“ Sie lachte. „Wenn du keine Hausaufgaben mehr hast, kannst du ja jetzt hingehen.“ Er nickte und stand auf, wobei er sich Mühe gab, ganz lässig zu erscheinen, während sein Inneres beim Gedanken an Urara vor Glück wie wild durcheinanderwirbelte. Doch als er endlich die Haustür hinter sich geschlossen hatte, konnte ihn nichts mehr halten: So schnell er konnte, flitzte er die Treppe herunter, durch den Haupteingang und im Höchsttempo zum nahe gelegenen Bahnhof. Dort musste er feststellen, dass der nächste Zug in die gewünschte Richtung erst in zehn Minuten kam. Ungeduldig lief er auf dem Gleis hin und her, immer wieder einen Blick auf die Uhr werfend. Acht Minuten... Fünf Minuten... Zwei Minuten... Eine halbe Minute. Er blickte in die Richtung, aus die der Zug kommen sollte und erblickte tatsächlich die Bahn, die sich viel zu langsam auf den Bahnhof zubewegte. Als sich schließlich die Türen öffneten, drängte Kouji sich in den Waggon, den Protest der aussteigenden Fahrgäste ignorierend. Ungeduldig wartete er, bis der Piepton ertönte, der das Schließen der Türen ankündigte, wartete, bis der Zug endlich Fahrt aufgenommen hatte, wartete auf die Ansage der Station. Und nach einer Ewigkeit war er endlich angekommen, hechtete aus dem Wagen und sprintete dem Ausgang entgegen. Dort brauchte er einen Moment der Orientierung, bis er schließlich den Weg wiedererkannte und dem Natts House praktisch entgegenflog. Erst, als er nach Luft schnappend vor der Eingangstür des Ladens stand, wurde ihm bewusst, dass er im Grunde alle Zeit der Welt hatte. Das Geschäft würde erst in ein oder zwei Stunden schließen, und wieder zu Hause sein musste er auch noch lange nicht. Es war kein zeitlicher Druck, der ihn dazu gebracht hatte, all seine Kräfte aufzuwenden, um so schnell wie möglich hier her zu gelangen... Es war einzig und allein der Wunsch, sie wiederzusehen, der seit ihrer Begegnung in seinem Herzen verankert gewesen war, den er jedoch immer unterdrückt hatte. Kouji atmete tief ein, dann wieder aus. Gleich würde er endlich wieder ihr und ihrem Blumenwiesenlächeln gegenüberstehen, das in Realität noch tausendmal bezaubernder war als auf dem Bildschirm... Er öffnete die Tür und richtete seine vor Freude strahlenden Augen auf die Treppe, auf der Urara beim letzten Mal gesessen hatte. Nichts. Er ließ den Blick über den ganzen Laden streifen und spürte eine tiefe Enttäuschung in ihm aufsteigen, die ihm die Kehle zuschnürte. Sie war nicht da. Lediglich ihre Freundin mit den roten Haaren stand hinter dem Verkaufstresen und begrüßte ihn nun mit fröhlicher Stimme. Kouji sah sie an. Er hätte es wissen müssen. Er hätte daran denken müssen, dass Urara nicht den ganzen Tag in diesem Geschäft verbrachte. Er hätte darauf kommen können, dass all die Mädchen, die beim letzten Mal ihre Begegnung so abrupt beendet hatten, ab und zu hier arbeiteten und somit seine Chance, auf Urara zu treffen, höchstens eins zu fünf betrug. Voller Wut auf sich selbst und Enttäuschung, umsonst gekommen zu sein, verzog er das Gesicht und wandte sich der Tür zu, um den Laden zu verlassen. Doch eine Frage der Rothaarigen hielt ihn auf: „Warst du nicht neulich auch schon hier?“ Er drehte sich wieder um und nickte; seine Stimme zu benutzen war ihm in seinem momentanen Gemütszustand zu riskant, er hätte doch nur ein unverständliches Gekrächze herausgebracht. „Wolltest du zu Urara-chan?“, fragte das Mädchen, umrundete den Tresen und kam auf ihn zu. Er starrte sie an und spürte, wie er langsam errötete. Die andere grinste. „Gib mir doch deine Adresse, dann kann sie dich mal besuchen kommen.“ Kouji fühlte sich ziemlich ertappt, daher vermied er es, ihr in die Augen zu sehen, als er murmelte: „Ach was, das will sie bestimmt gar nicht.“ Sie klopfte ihm auf die Schulter. „Doch, bestimmt! Da bin ich mir sicher! Ihr habt euch doch richtig schön unterhalten, oder?“ Koujis Gesicht wurde immer röter. Warum hatte Urara es ihren Freundinnen erzählt? Für ihn war diese Begegnung ein Geheimnis, von dem er nicht einmal seinem Zwillingsbruder erzählt hatte... Aber Mädchen waren in dieser Hinsicht wohl einfach anders gestrickt. Die Rothaarige hielt ihm einen kleinen Notizzettel und einen Kugelschreiber hin. „Nun komm schon“, munterte sie ihn auf. „Sie freut sich bestimmt, von dir zu hören!“ Kouji seufzte, nahm aber trotzdem das Blatt und schrieb in möglichst sauberer Schrift seinen Namen, seine Adresse und seine Telefonnummer darauf. „Bestimmt steht sie gleich morgen vor deiner Tür!“, versicherte das Mädchen, als sie den Zettel entgegennahm. Kouji murmelte etwas Unverständliches, verabschiedete sich von ihr und verließ den Laden. Diese Rothaarige schien ja ziemlich davon überzeugt gewesen zu sein, dass Urara ihn wiedersehen wollte... Aber woher wollte sie das überhaupt wissen? Seine Augen weiteten sich ein wenig, als ihm einfiel, was er noch vor wenigen Minuten gedacht hatte: Mädchen waren einfach anders gestrickt. Und es war auch typisch für Mädchen, seinen Freundinnen von all seinen Gefühlen zu erzählen... Unwillkürlich erschien ein Lächeln auf Koujis Gesicht. Bestimmt hatte sie recht gehabt. Bestimmt stand Urara morgen vor seiner Haustür und schenkte ihm ein Blumenwiesenlächeln der obersten Güte. Und wenn nicht morgen, dann eben übermorgen. Sie würde kommen, dessen war er sicher. Der nächste Tag verging viel zu langsam, während Kouji immer wieder einen Blick aus dem zur Straße ausgerichteten Fenster warf, um Uraras blonden Haarschopf zu entdecken. Doch sie kam nicht, und auch am nächsten Tag wartete er vergebens. Und so vergingen die Wochen und seine sehnsüchtigen Blicke wurden weniger und das fröhliche Lächeln, das er nach seinem zweiten Besuch im Natts House häufig gezeigt hatte, wurde mit jedem verstreichenden Tag mehr und mehr zu einem Ausdruck voller Traurigkeit. Langsam kündigte der Herbst sich an. Die Tage, an denen man das Haus im T-Shirt verlassen konnte, wurden weniger und schließlich begannen auch die Blätter der in der Stadt nur spärlich vorhandenen Bäume, ihr frisches, sommerliches Grün gegen ein tiefes Blutrot auszutauschen. Und mit jedem dieser Blutstropfen, der zu Boden fiel, verließ Kouji mehr und mehr die Hoffnung, sein strahlendes Licht jemals wiederzusehen. „Möchtest du wirklich nicht nochmal hingehen?“ Kouji, der abwesend aus dem Fenster geblickt hatte, schreckte auf und drehte sich zu seiner Mutter um, die gerade den Raum betreten hatte. „Was meinst du?“, fragte er, seine Stimme leise und teilnahmelos. Sie seufzte. „Das weißt du ganz genau.“ Natürlich wusste er, was sie meinte. Seit er wegen ihres Autogramms im Natts House gewesen war, hatte sie ihm diese Frage immer wieder gestellt. Es war wohl mehr als offensichtlich, wie er sich fühlte, doch er hatte auch nicht die Kraft, seine Gefühle vor allen zu verstecken. „Was soll ich noch da?“, fragte Kouji gekränkt. Er hatte Urara seine Adresse hinterlassen, zusammen mit dem ausdrücklichen – oder zumindest absolut offensichtlichen – Wunsch, sie wiederzusehen. Trotzdem hatte sie sich in den nun fast vier Wochen kein einziges Mal bei ihm gemeldet. Dabei war sie bei ihrem ersten Treffen mit ihm so freundlich und offen gewesen, da hätte doch jeder vermutet, dass sie ihn zumindest ein wenig mochte! Oder nicht...? War all das nur ihre Aufgabe als Verkäuferin gewesen? Ihre Pflicht als Mitarbeiterin? Kouji wollte nicht glauben, dass sie all diese Aufmerksamkeit jedem Kunden schenkte, doch ihm blieb nichts anderes übrig. Wenn er ihr irgendwas bedeuten würde, hätte sie ihn wenigstens mal angerufen. Seine Mutter, die noch immer im Zimmer stand, begann auf einmal zu lächeln. „Du könntest dich bei ihr entschuldigen, dass du sie wegen eines einfachen Missverständnisses aufgegeben hast.“ Kouji starrte sie an. „Was -?“, war das einzige, was er herausbrachte. Statt ihm zu antworten, fragte sie: „Darf ich kurz deinen Computer benutzen?“ Der Junge nickte, nun komplett verwirrt. Von was für einem Missverständnis hatte sie gesprochen? Es ging doch nicht etwa um Urara...? Sein Herz begann, vor Aufregung zu klopfen, auch wenn sein Verstand versuchte, die Hoffnung aufzuhalten, die seinen ganzen Körper zu überfluten drohte. Er wollte nicht noch einmal enttäuscht werden. Währenddessen hatte seine Mutter den Internetbrowser geöffnet und den Link eines Videoportals eingegeben. Urara Kasugano tippte sie in die Suchleiste, woraufhin nach kurzer Ladezeit eine kleine Auswahl an Videos angezeigt wurde. Zielstrebig klickte sie auf das erste in der Liste, anscheinend ein Videoclip zu einem Lied namens „Auf der Suche nach dir“. Der Titel ließ ein merkwürdiges Gefühl in Kouji aufsteigen, das er jedoch weder deuten wollte noch konnte. In dem kleinen Videofenster erschien eine erste Szene, die jedoch aufgrund der langsamen Internetverbindung gleich stoppte. Kouji starrte auf den Bildschirm und fragte sich, ob das, was er sah, real war. Urara, die engelsgleichen blonden Haare dieses eine Mal nicht zu Zöpfen gebunden, auf einer traumhaften Blumenwiese, deren betörenden Duft man schon allein beim Anschauen erahnen konnte. Selbst das reine, weiße Kleid, das er immer vor seinem geistigen Auge gesehen hatte, schien Realität geworden zu sein. Nur eins fehlte, um das Bild perfekt zu machen: ihr wunderbares Blumenwiesenlächeln. Stattdessen lag ein trauriger, fast schon melancholischer Ausdruck in ihren Augen. Als das Video endlich fertig geladen hatte, klickte Kouji wie in Trance auf den Play-Button, und Urara setzte sich in Bewegung, ebenso wie eine rasche, aber doch nicht fröhlich wirkende Melodie. Die Blonde schritt langsam durch das Gras und ließ die langen Halme und Blüten sanft über ihre Handflächen streifen. Dann begann sie zu singen, und Kouji lief beim Anblick ihrer unvergleichlich schönen Stimme ein angenehmer Schauer über den Rücken. Die Anwesenheit seiner Mutter hatte er längst vergessen. In meiner eig’nen Welt war ich versunken, keiner konnte mich dort erreichen. Was auch immer meine Freunde taten, irgendwie war ich immer allein. Doch dann kamst du herein durch die Türe mit einer Kraft, die mich heilen konnte. Du sprachst mit mir und schienst mich zu verstehen, das war für mich das erste Mal. Doch nun kann ich dich nicht ein einz’ges Mal noch sehen, dabei wünsch ich’s mir doch so sehr! Durch meiner Freunde Ung’schick ist’s geschehen, dass du jetzt denkst, ich wollte nicht zu dir. Ich würde dich so gerne wiedersehen, doch ich weiß nicht, wo du bist. Ich habe solch Sehnsucht nach dir! Kouji, komm zurück zu mir! „Hast du die letzte Zeile gehört?“, fragte Koujis Mutter ihren Sohn, der noch immer auf den Bildschirm starrte, aufgeregt. Wie in Trance schüttelte er den Kopf. Er hatte sich eingebildet, sie hätte seinen Namen gesungen. Er klickte das Ende der Abspielleiste an, um es noch einmal anzuhören. Obwohl er versuchte, einfach das zu hören, was sie sang, verstand er wieder „Kouji“. „Siehst du?“, fragte seine Mutter lächelnd. „Sie vermisst dich!“ „Ich habe ihr meine Adresse gegeben“, murmelte Kouji, der es immer noch nicht wahrhaben wollte. Sie seufzte. „Hast du nicht hingehört? Ihre Freunde haben sie bestimmt verlegt und jetzt ist sie verzweifelt, weil sie dich nicht erreichen kann!“ Er dachte an das rothaarige Mädchen zurück, das den Zettel entgegengenommen hatte. Was, wenn seine Mutter recht hatte...? Wenn Urara dieses Lied tatsächlich für und über ihn gesungen hatte? Einen Moment zögerte er, doch dann sprang er auf, raste durch die Wohnung, stieß die Haustür auf und flitzte die Treppe herunter. Draußen angekommen bemerkte er den kalten Wind, der seine unbedeckten Arme frösteln ließ. Er konnte noch zurücklaufen, um sich eine Jacke zu holen... Doch diese Idee hielt sich nicht länger als ein paar Sekunden in seinem Kopf. Es würde ihn doch nur aufhalten. Also sprintete er los, und fühlte sich dabei wie vor einigen Wochen, als er Urara hatte wiedersehen wollen. Er erinnerte sich, dass er damals enttäuscht worden war, aber unerklärlicherweise war er sich sicher, dass dies heute nicht der Fall sein würde. Urara würde dort sein und ihn mit offenen Armen empfangen. Der Gedanke an das, was sie ihm durch das Lied mitgeteilt hatte, ließ ihn lächeln, denn es hatte genau das ausgedrückt, was er die ganze Zeit gedacht hatte. Kouji stieß die Tür zum Natts House auf, komplett aus dem Atem. Ein warmer Schwall Luft empfing ihn, begleitet von einem süßlichen, fast frühlingshaften Duft. „Irgendwie war ich immer allein“, sang Urara leise. Kouji entdeckte sie auf der Treppe, auf der sie auch bei ihrer ersten Begegnung gesessen hatte. Bis eben hatte sie den Kopf in die Hände gestützt gehabt, doch nun sah sie auf. Einen Moment lang starrte sie ihn fassungslos an, dann zeichnete sich langsam ein Lächeln auf ihrem Gesicht ab, das langsam immer breiter wurde. Der Anblick, der sich Kouji schließlich bot, war nichtmal mehr mit der schönsten Blumenwiese zu vergleichen. Die Blonde stand auf und ging langsam auf Kouji zu, wobei sie wieder zu singen begann. „Doch nun kommst du herein durch die Türe, mit einer Kraft, die mich wieder aufbaut. Du schaust mich an und scheinst mich zu verstehen, ganz so wie beim ersten Mal.“ Auch er konnte nun nicht anders, als zu lächeln. „Mir geht es genauso“, murmelte er. Einen Moment verharrte Urara in ihrer Bewegung und die beiden sahen sich an. Doch nach ein paar Augenblicken der Stille sprang sie auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. „Ich bin so froh, dass du hier bist!“, rief sie mit sich überschlagender Stimme. Kouji erwiderte nichts; ihre plötzliche Nähe und der betörende Duft, der in sein Bewusstsein strömte, schienen seinen Verstand außer Gefecht gesetzt zu haben. 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