Chiisana LOVE-STORIES von Ditsch (Die ultimative Anime-Crossover-Dating-Fanfic) ================================================================================ Kapitel 34: Pisard und Isis - Um Leben und Tod ---------------------------------------------- Von TUT MIR LEID, dass das Kapitel jetzt erst kommt. Ende Mai hatte ich eine Menge Stress in der Schule und musste es daher immer wieder aufschieben. Mein kleines Krea-Tief war auch nicht gerade hilfreich... Aber jetzt bin ich endlich fertig und als Entschädigung ist die Geschichte fast doppelt so lang wie meine sonstigen Kapitel ;) Dies Mal gab es eine wirklich sinnvolle Bedingung für das Paar: beide sollten Single sein. So muss man wenigstens keine bereits vorhandenen Bindungen zerstören und die Beziehung hat die Chance auf ein Happy End. Aber diese beiden würden wahrscheinlich auch niemals die Beziehung von irgendwem zerstören, denn beide interessieren sich eigentlich nicht wirklich für Liebe... Ich hoffe, die Geschichte gefällt euch und ist nicht allzu unrealistisch =) Es war wirklich schwer, Pisard freundlich handeln zu lassen! Um Leben und Tod Isis atmete tief ein, während sie durch die geräumigen Hallen des ägyptischen Museums schlenderte, das sie vor wenigen Wochen hier in Domino eröffnet hatte. Trotz der noch recht frühen Tageszeit hatten sich schon einige Besucher eingefunden, die nun interessiert die Exponate der Ausstellung über altägyptische Spiele betrachteten. In diesem Abschnitt wurden die Funde ausgestellt, die auf den Beginn der ägyptischen Hochkultur datiert waren. Diese bestanden im Grunde nur aus Steinen und Knochen, dennoch schienen selbst sie die modernen Menschen auf irgendeine Weise zu faszinieren. Die Museumsdirektorin mit dem langen schwarzen Haar durchschritt eine breite Tür und betrat ihren persönlichen Lieblingsraum. Dieser behandelte ein magisches Spiel, das vor dreitausend Jahren für gewaltige Veränderungen in Ägypten gesorgt hatte: die Grundlage für das heutige Kartenspiel Duel Monsters. Damals waren viele Menschen gestorben, getötet durch die Angriffe der übermächtigen Monster, die schließlich von Priestern in Steintafeln gebannt worden waren, aus denen sie nur noch im Ernstfall befreit werden sollten. Gerade, als Isis eine dieser Tafeln genauer betrachten wollte, die sie mit ihrer Mannschaft in einem Tal nahe des Nils gefunden hatte, wurde eine Tür geöffnet und eine schwatzende Schülergruppe in rotbraunen Uniformen kam hereingeströmt. Isis trat an die Wand zurück, um den Mittelschülerinnen nicht den Blick auf die Ausstellung zu nehmen. Lächelnd betrachtete sie die Mädchen, die aufgeregt um die Glasvitrinen herumstanden. Als sich eine von ihnen nach vorne stellte und sich räusperte, waren sie mit einem Mal ruhig. Anscheinend waren sie alle wirklich am Thema dieser Ausstellung interessiert, denn jede einzelne hing an den Lippen ihrer schwarzhaarigen Mitschülerin, als diese ihr Wissen über das Ausstellungsstück kundtat. Isis war positiv überrascht, wie viel dies war. Zwar waren schon einige Schülergruppen hier gewesen, doch es hatte noch niemanden gegeben, der sich im voraus so detailliert informiert hatte. Nach einer Weile hatten die Mädchen sich alles angeschaut und strömten weiter in den nächsten Raum. Die Tür, die zu diesem führte, wurde von einem jungen Mann flankiert, der in seinem schwarzen Anzug so aussah, als gehöre er zum Personal. Doch Isis kannte jeden einzelnen der Mitarbeiter, und diesen hier hatte sie noch nie gesehen. Mit seinem zu allen Seiten abstehenden, grau-blauen Haar und den sichtbar geschminkten Augen hätte sie ihn wahrscheinlich sowieso nicht eingestellt. „Entschuldigen Sie“, sprach sie ihn daher mit strengem, aber höflichem Ton an. Der Mann, der immerhin fast einen Kopf größer war als sie, sah mit einem überfreundlichen Geschäftslächeln zu ihr herab. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte er und deutete eine Verbeugung an. Isis erwiderte sein Lächeln nicht, sondern sagte: „Das wollte ich Sie auch gerade fragen. Was tun Sie hier?“ Ihr strenger Tonfall tat seinem freundlichen Ausdruck keinen Abbruch. Er erwiderte: „Ich bin Mitarbeiter dieses Museums.“ „Sind Sie nicht.“ Isis sah ihn durchdringend an. „Pisard“, fügte sie noch hinzu, als er nach dem ersten Satz keinerlei Erstaunen zeigte. Dieses stellte sich aber ein, nachdem sie seinen Namen genannt hatte. Sie lächelte wissend und spürte das geheimnisvolle goldene Artefakt, das sie um den Hals trug, noch deutlicher auf ihrer Haut. „Haben sich meine großen Taten etwa schon so herumgesprochen, dass Sie meinen Namen kennen?“, fragte Pisard mit einem lauten, hochmütigen Lachen. „Von großen Taten dürfte in Ihrem Fall wohl kaum die Rede sein“, widersprach Isis mit seelenruhiger Stimme. Mithilfe ihrer Kette hatte sie gerade einen kurzen Einblick in das Leben des Mannes gewonnen. Er lebte in der Finsternis, von seinen Mitbewohnern entweder ignoriert oder gepiesackt, und dennoch hielt er sich für unbesiegbar, auch wenn er bisher keinem der Aufträge seines Herrn hatte gerecht werden können. Pisard verschränkte die Arme und sah sie verärgert an. Sie erwiderte seinen Blick abwartend, doch als er schwieg, begann sie wieder zu sprechen: „Ich würde dennoch gerne ein kleines Gespräch mit Ihnen führen.“ Er stieß ein kurzes, höhnisches Lachen aus. „Warum sollten Sie das wollen? Haben Sie sich etwa mit Pretty Cure verbündet? Sähe den Gören ähnlich, so jemanden für ihre Zwecke zu gewinnen.“ „So jemanden? Wie meinen Sie das?“, fragte Isis spitz. Sie konnte seine Absichten und Gedanken zwar leicht durchschauen, aber da sie begann, diesen Pisard interessant zu finden, verließ sie sich auf die herkömmliche Methode. Pisards Mundwinkel verzogen sich zu einem höhnischen Lachen. „Es kommt mir so vor, als wüssten Sie ganz genau, was ich meine.“ „Ist das so?“, fragte sie. „Allerdings“, bestätigte er. „Wenn Sie das schon bemerkt haben, kann ich Ihnen ja noch etwas sagen: Ich kann auch in die Zukunft sehen.“ Pisard hob die Augenbrauen. „Das wird wohl kaum funktionieren“, äußerte er Zweifel. „Das Gefühl hatte ich bisher nicht“, erklärte Isis mit ruhiger Stimme, die zu signalisieren schien, dass sie ihn nicht ernst nahm. Dies war aber durchaus nicht der Fall, denn sie war sehr interessiert an den mysteriösen Aussagen ihres Gegenübers. „Es gibt keine Vorherbestimmung, wie sollte man also etwas im Voraus sehen können?“, fragte er. Isis lächelte über diese simple Art der Argumentation. Das Gegenteil ließ sich so leicht beweisen. „Sie werden erneut gegen Pretty Cure verlieren“, war das einzige, was sie noch sagte, dann drehte sie sich auf dem Absatz herum und verließ den Saal, ohne auf die empörten Rufe Pisards zu reagieren. Empört war im Grunde viel zu wenig, um die Gefühle des Abkömmlings der Dotsuku-Zone zu beschreiben, als er von einem muskulösen Mann im schwarzen Anzug unsanft am Arm gepackt und aus dem Gebäude gezerrt wurde. Er war zum einen stinkwütend – immerhin hatte diese Frau sich schamlos über ihn lustig gemacht – und außerdem komplett verwirrt. Wie konnte sie – deren Namen er nicht einmal kannte – so viel über ihn wissen? „Von großen Taten dürfte in Ihrem Fall wohl kaum die Rede sein.“ Mit wutverzerrtem Gesicht erinnerte Pisard sich an das, was sie gesagt hatte. Sie hatte ihn so beleidigend und herablassend behandelt, obwohl sie ihm zum ersten Mal begegnet war. Doch hätte sie so etwas überhaupt zu einem Unbekannten sagen können? Und als er Pretty Cure erwähnt hatte, hatte sie nicht das geringste Anzeichen von Erstaunen gezeigt und war auf einen völlig anderen Teil seiner Aussage eingegangen. Woher kannte sie Pretty Cure? War sie tatsächlich mit ihnen verbündet, wie er es während des Gespräches schon vermutet hatte? Egal, wie oft er den Wortwechsel in seinem Kopf Revue passieren ließ, fand er keinen Anhaltspunkt, der ihm irgendeine Verbindung zu Pretty Cure signalisierte. Auch hatte sie ihm nicht so feindlich entgegengestanden wie die beiden Mädchen, mit denen er es seit einiger Zeit zu tun hatte. Was sie tat, war noch schlimmer, auch wenn Pisard noch vor einer Stunde nicht geglaubt hätte, dass es etwas Schlimmeres und Demütigenderes gäbe als von zwei kleinen, dummen Mädchen besiegt zu werden. Doch diese Kettenfrau – wie er sie spontan in Erinnerung an ihr glänzendes Schmuckstück und ihren fesselnden Auftritt nannte – hatte ihn behandelt, als sei er nichts als ein völlig unintelligenter, planloser und fanatischer Bösewicht. „Ich werde Pretty Cure schon noch besiegen, lass dir das gesagt sein!!!“, schrie er in Richtung des Museums und erhob drohend seine Faust. Zu einer Faust verkrampft waren Pisards Finger auch drei Stunden später, als er im Schatten der am Bahnsteig versammelten Menschenmenge die zwei Mädchen beobachtete, die er heute endlich besiegen würde. Sie waren unbeschwert und unachtsam. Es würde ein Leichtes sein, ihnen die Prismasteine abzunehmen, die der Herr der Dotsuku-Zone so dringend benötigte. Pisard lachte leise in sich hinein. Heute würde er endlich die Belohnung für all seine Anstrengung erhalten. Schon bald würde er nicht mehr nur Pisard, sondern die Rechte Hand des großen Jaaku King sein! Die anderen würden ihn nicht mehr verhöhnen, sie würden mit neidischen Blicken zu ihm aufsehen... Mit dieser Vorstellung fest im Kopf verankert, schlüpfte der Weißhaarige gerade noch in die ohnehin überfüllte Bahn, die die Mädchen ebenfalls gerade bestiegen hatten, um nach Hause zu fahren. Sie würden niemals dort ankommen, dessen war Pisard sich gewiss. Mit einem lauten Lachen, das die Umstehenden erschrocken zusammenfahren ließ, verwandelte er sich in seine wahre Form, die ihm tausendmal lieber war als der schwache Menschenkörper. Seine ohnehin unbändigen Haare wuchsen in rasender Geschwindigkeit, bis sie ihm fast bis zu den Knien reichten; seine gewöhnliche Geschäftskleidung verwandelte sich in einen hautengen roten Lederanzug, der seinen gestählten Körperbau betonte, und ein langer Umhang, der in der Enge des Zuges seine wallende Pracht nicht entfalten konnte, schoss aus den mächtigen Armklappen hervor, die sich soeben über seinen Schultern gebildet hatten. „Zakenna!“, rief er so laut, dass selbst die müdesten Geschäftsmänner aus ihrem Schlaf erwachten, und riss bedeutungsvoll den Arm in die Höhe. „Zeig ihnen die alles vernichtende Macht der Dunkelheit und des Bösen!“ Wäre nicht ein Dach über ihm gewesen, hätte er die schwarzen Wolken sehen können, die sich nun am Himmel zusammenzogen. Die Leute, die bis eben noch direkt neben Pisard gestanden hatten, hielten nun einen ehrfurchtsvollen Abstand von ihm, indem sie sich noch enger an die anderen Fahrgäste drängten. Die Pretty Cure-Mädchen am anderen Ende des Waggons sahen sich fragend an. Pisard lachte, als er ihre scheinbar ausweglose Situation analysiert hatte: Sie konnten sich nicht vor all diesen Menschen verwandeln und damit ihre geheime Identität preisgeben. Andererseits mussten sie aber auch die armen, unschuldigen Menschlein retten, die nun Pisards Kraft und der des gerade auftauchenden Monsters unter seiner Kontrolle ungeschützt ausgesetzt waren. „Zakennaaaa!“, dröhnte die tiefe Stimme des Wesens aus allen Richtungen. Die unwissenden Menschen blickten ängstlich umher, konnten jedoch den Ursprung des Lautes nicht ausmachen. Auf einmal erbebte der ganze Zug und alle seine Wände verfärbten sich in ein düsteres lila-schwarz. An der Wand hinter den beiden Pretty Cures öffneten sich gelbe, scheinwerfergroße Augen und die dort befindliche Tür sprang mit einem lauten Knall auf und sog Luft und lose Gegenstände in sein undurchdringlich finsteres Inneres. Sofort drängten die Menschen in die entgegengesetzte Richtung, wobei ein kleiner Junge gegen Pisard geschubst wurde. Dieser stieß ihn brutal zurück und rief: „Berühr’ mich nicht, du niederes Wesen!“ Als er ihm gerade noch einen Tritt verpassen wollte, sprangen Pretty Cure dazwischen und fingen seinen Fuß ab, den er ihrem festen Griff sofort entzog. Anscheinend hatten sie in dem ganzen Durcheinander doch eine Gelegenheit gefunden, sich zu verwandeln. „Ihr besiegt mich nicht!!!“, brüllte Pisard, wobei er an die Kettenfrau denken musste, die ihm das genaue Gegenteil prophezeit hatte. Der Gedanke an sie steigerte seine Wut ins Unermessliche und er befahl Zakenna, die Mädchen ein für alle Mal auszuschalten. Sein Schützling schlug sich gut, er schien trotz seiner Dummheit endlich begriffen zu haben, um was es ging. Ja, worum eigentlich? Worum ging es Pisard bei diesem Kampf? Es war nicht mehr nur der Kampf um die Prismasteine, sondern viel eher der Kampf um sein Selbstbewusstsein und darum, zu beweisen, dass diese Frau Unrecht gehabt hatte. Er würde es beweisen und dann würde er über sie lachen können und ihr damit dieses selbstsichere Lächeln aus dem Gesicht wischen. Das war es, was er wollte, genau das. Und dafür leistete sich auch Zakenna nun einen erbitterten Kampf gegen die Mädchen, gegen die bisher kein Kraut gewachsen gewesen war. Doch – man konnte schon fast „wie immer“ sagen – schließlich gewannen sie neue Kraft, woher auch immer, und besiegten Pisards Monster mit ihrem Marmorstrahl, dessen Helligkeit seine Augen so sehr strapazierte, dass er sie mit dem Arm bedecken musste, während er mit einer schnellen Teleportation den Schauplatz verließ. Es gab nur eine Erklärung für seine erneute Niederlage... „Du hast mich verflucht, du verdammte Hexe!!!“ Isis ließ sich in Seelenruhe auf ihrem Bürostuhl nieder und forderte den erzürnten Mann mit einer Geste auf, ihr gegenüber Platz zu nehmen, was er aber schlichtweg ignorierte. Seine Fäuste zitterten vor Wut, als er in das ausgeglichen lächelnde Gesicht der Kettenfrau blickte. „Wie wäre es mit etwas mehr Höflichkeit?“, fragte sie und lehnte sich entspannt zurück. Obwohl sie damit noch weiter unter seine Augenhöhe sank, tat diese Bewegung ihrem selbstsicheren Auftritt keinen Abbruch. „Sie haben mir noch nicht einmal gesagt, weshalb sie mich ein erneutes Mal aufgesucht haben“, brachte sie zum Ausdruck und sah ihn auffordernd an, auch wenn sie die Antwort schon in dem Moment gesehen hatte, als er mit lautem Gebrüll in ihr Büro gestürmt war. „DU HAST MICH VERFLUCHT!!!“, wiederholte Pisard in so einer enormen Lautstärke, dass der schwere Schreibtisch, der sie voneinander trennte, leicht zu zittern begann. „Das habe ich nicht“, bestritt Isis ruhig. „Wie kommen Sie auf diese Idee?“ „Wenn du nicht gesagt hättest, dass ich verlieren würde, hätte ich GEWONNEN!!!“, schrie er und schlug beim letzten Wort zur Bekräftigung auf den Tisch, der leise knackte. „Hätten Sie nicht. Ich bin keine Hexe, sondern eine Frau, der von einem magischen Gegenstand die Gabe zur Zukunftsvision geschenkt wird. Ich kann sehen, was in der Zukunft passiert, aber beeinflussen kann ich es nicht. Niemand kann das Schicksal verändern.“ „Es gibt kein Schicksal!“, verkündete Pisard erbost seine Meinung. Isis lächelte. „Es gibt Dinge, von denen Sie nicht wissen können oder vielleicht auch nicht wissen müssen, aber dies ist gewiss: das Schicksal existiert und es war das Ihre, an diesem Tag gegen Pretty Cure zu verlieren. Und so wird es auch beim nächsten Mal sein.“ Für einen Moment trafen sich ihre Blicke, doch Pisard konnte es nicht ertragen, in diese tiefblauen Augen zu sehen, die versuchen zu schienen, ihn von dem gerade Gesagten zu überzeugen. Er blickte in eine andere Richtung. „Sie werden sterben, Pisard. Der nächste Kampf wird Ihr letzter sein.“ Diese Aussage brachte den Weißhaarigen aus der Fassung. Für einen Moment starrte er Isis mit offenem Mund an. Doch dann verzogen sich seine Mundwinkel zu einem höhnischen Lachen. „Es wird dir nicht noch einmal gelingen, mich zu manipulieren.“ „Ich manipuliere Sie nicht.“ „Selbst wenn nicht, dieses Mal wird ihre Vorhersage falsch sein.“ „Woher wollen Sie das wissen? Sie kennen das Schicksal nicht so gut, wie ich es tue.“ „Ich brauche nichts so Sinnloses zu kennen. Es genügt mir, meine Kampftaktiken zu kennen. Ich werde nicht sterben.“ „Doch, das werden Sie.“ Pisards Lächeln wurde breiter. „Wetten wir?“ Isis gelang es besser, ihre Überraschung zu verbergen als zuvor Pisard. Langsam erhob sie sich und wandte sich einem Gemälde an der Wand zu, da sie es nun für ungefährlich hielt, dem anderen den Rücken zuzukehren. „Worum wollen Sie wetten?“ Mit einem langen Schritt war er hinter ihr und legte seine Hand seitlich auf ihren Hals und ihre Millenniumskette. Seine kalten, weißen Finger an ihrer Haut ließen Isis leicht zusammenzucken, was er glücklicherweise nicht bemerkte. „Diese Kette ist interessant“, sagte er und Isis spürte einen Hauch seines ungewöhnlich kalten Atems an ihrem Ohr. Die Situation wurde ihr allmählich unangenehm, daher drehte sie sich herum und ließ seine Hand von ihrer unbedeckten Schulter gleiten. „Welch eine Ironie“, stellte sie fest und lachte. „Sie wollen beweisen, dass es kein Schicksal gibt und als Belohnung wünschen Sie sich die Kette, die genau dieses vorhersieht?“ Auch Pisard lachte. „Ich habe ganz einfach eine Vorliebe für alles, was glänzt.“ Isis' Blick fiel auf den länglichen, grünen Kristall, der an einem Lederband baumelnd auf seiner Brust lag. „Das ist offensichtlich.“ „Und? Was hättest du gerne?“, fragte er keck. Sie streckte ihre Hand nach dem magischen Stein aus, um ihn zu berühren, streckte dann aber doch nur den Zeigefinger aus. Bloß keine unnötigen Berührungen. Dieser Mann war ihr nicht geheuer. „Wie willst du ihn dir holen? Pretty Cure sind nicht der richtige Gegner für solch eine zierliche Frau“, äußerte Pisard Zweifel, seinen Mund immer noch zu einem Lächeln verzogen. Isis verschränkte die Arme und sagte geheimnisvoll: „Machen Sie sich keine Sorgen. Ich habe meine Methoden.“ Pisard war von Finsternis umgeben. Normalerweise störte ihn dieses tiefe Schwarz nicht, das seine Heimat ausmachte, doch an diesem Tag schien es ihn förmlich zu erdrücken. Er hatte sich in der Dotsuku-Zone doch immer so wohl gefühlt. Was war geschehen, dass seine Empfindungen sich so plötzlich ins Gegenteil verkehrt hatten? Er wollte es nicht wahrhaben, aber ein Teil von ihm war sich sicher, dass es mit dieser Kettenfrau zu tun hatte, deren Namen er noch immer nicht kannte. Sie hatte etwas in seinem Inneren in Bewegung gebracht, einen Schwall von Gefühlen heraufbeschworen, den er absolut nicht deuten konnte. Sie war geheimnisvoll, daran bestand kein Zweifel, doch seit wann kannte er sich selbst nicht mehr? Wer war diese Frau, dass sie seine makellose Fassade mit ein paar Worten hatte zerstören können? Die Vorhersage seines Todes lastete jetzt noch schwerer auf Pisards Schultern als nach dem Gespräch mit ihr. Sein Herr, Jaaku King, hatte ihm gerade angekündigt, dass sein nächster Angriff auf Pretty Cure seine letzte Chance sei. Pisard hatte sich ihm gegenüber selbstsicher gegeben, wie immer, doch das war nur gespielt gewesen. Was konnte er tun, um Pretty Cure zu besiegen? Sie waren außerordentlich stark und hatten ihn bisher viermal besiegt. Wenn er sich nicht schleunigst etwas überlegte, würde er eine fünfte und endgültige Niederlage einstecken müssen. Und diese würde seinen sofortigen Tod bewirken. Pisard seufzte. Vielleicht hatte die Kettenfrau doch recht gehabt und er würde untergehen. Keine der Ideen, die ihm kamen, schienen gut genug, um endlich einen Sieg verbuchen zu können. „Er wird niemals gewinnen“, hörte er da auf einmal die höhnische Stimme seiner Kollegin durch die dunkle Höhle tönen. Anscheinend lästerte sie mit den anderen über ihn, was nichts Neues war. Niemand hier konnte ihn leiden. Er ging hinter einem aus dem Boden ragenden Fels in Deckung, um weiter zuzuhören. „Natürlich wird er das nicht. Er denkt, mit Kraft allein ließen sich alle Probleme lösen“, äußerte der in einen weißen Überwurf gehüllte Ilkubo seine Meinung. Mit vor Wut zusammengeballten Fäusten blickte Pisard zu den vieren hinüber, die in einiger Entfernung versammelt waren. Jetzt meldete sich auch der schmächtige Junge Kiriya zu Wort: „Wenn er sich vorher eine Strategie überlegen würde, hätte er eventuell sogar eine Chance. Das sind zwar nur zwei Mädchen, aber Pisard reicht ja kräftemäßig nicht mal ansatzweise an uns andere heran.“ Ein leises Knurren entwich der Kehle des Besprochenen, doch er zwang sich, seine Wut zurückzuhalten. Eine Strategie also. Die sollten sie haben. Pisard hatte sich wieder in seine verhasste Menschenform verwandelt, um in der Stadt nicht so sehr aufzufallen. Eine dunkle Sonnenbrille auf der Nase, stützte er sich nun auf das Geländer einer Fußgängerbrücke und beobachtete, wie die beiden Mädchen von Pretty Cure sich voneinander verabschiedeten. Es juckte ihn in den Fingern, sie sofort anzugreifen, doch er hielt sich zurück. Er musste an seinem Plan festhalten. Er scannte die beiden mit einem kurzen Blick. Eine war sportlich gekleidet und hatte eine praktische Kurzhaarfrisur. Die andere hingegen trug ihr langes Haar offen und ein luftiger Rock wehte um ihre dünnen Beine. Selbst wenn es ihm in den letzten Kämpfen nicht aufgefallen war, war er sich plötzlich sicher, dass sie der Schwachpunkt des Duos war. Es würde keine Herausforderung sein, aber immerhin würde er gewinnen. Als das Mädchen sich zu weit von ihrer Freundin entfernt hatte, als dass diese sie noch sehen oder hören könnte, sah Pisard seine Chance. Er sprang von dem Straßenschild, von dem aus er sie beobachtet hatte, direkt in ihren Weg. Sie machte einen erschrockenen Schritt zurück. „Hast du auf einmal Angst vor mir?“, fragte er hämisch. Sie antwortete nicht, sondern drehte sich um und lief in die entgegengesetzte Richtung. Dieser Versuch, ihm zu entfliehen, gelang nicht. Schon nach wenigen Metern stand er wieder vor mir. „Es ist sinnlos“, stellte er lachend fest. Sie bog, erneut ohne eine Erwiderung, in eine Seitenstraße ein und rannte so schnell sie konnte. Doch egal, wo sie auch hinlief, es gelang ihr nicht, Pisards wachsamem Auge auch nur für eine Sekunde zu entfliehen. Diese Verfolgungsjagd endete schließlich auf einer Baustelle, deren einzigen Ausgang Pisard versperrte. Das Mädchen versuchte, über eine der Absperrungen zu klettern, doch es gelang ihr nicht. Er hatte mal wieder Recht gehabt: Gegen sie würde er nicht verlieren können. Der Kampf dauerte tatsächlich nicht lange, denn ohne ihre Partnerin konnte das Mädchen sich nicht verwandeln. Bald hatte Pisard ihr wertvolles Handy in der Hand, ohne das sie machtlos war. Doch als er ihr gerade den Gnadenstoß verpassen wollte, tauchte die andere auf. Pisard sah die beiden an, die ihn wütend aufforderten, ihnen das Handy wiederzugeben. Er war kurz davor, die beiden anzugreifen, als er sich an die Worte der Kettenfrau zurückerinnerte: „Sie werden sterben, Pisard. Der nächste Kampf wird Ihr letzter sein.“ Sie hatte von einem Kampf gesprochen. Wenn er die beiden jetzt einfach vernichtete, würde sie seinen Sieg anerkennen? Als Kampf konnte man das nun kaum bezeichnen. „Ich werde gewinnen!“, rief er und warf dem Mädchen das Handy zu. „Kämpft mit ganzer Kraft, ich werde euch trotzdem besiegen!“ Die beiden ergriffen ihre Chance und verwandelten sich in Pretty Cure. Es sah gut aus für Pisard: jeden ihrer Angriffe konnte er mit Leichtigkeit abwehren und schon bald lagen die beiden am Boden. Bei diesem Anblick brach ein lautes, befreites Lachen aus seiner Kehle hervor. Er würde nicht sterben, die Kettenfrau hatte Unrecht gehabt! Wie lächerlich, dass er so schnell auf sie hereingefallen war. Niemand konnte ihn töten, Pisard, den Gesandten der Finsternis! „Schwarzer Donner!“, ertönte da plötzlich die Stimme eines der Mädchens. Pisard starrte sie an. Pretty Cure waren wieder aufgestanden und hatten nun die Arme erhoben, um ihren stärksten Angriff zu starten. „Weißer Donner!“, rief die Andere, kein Zeichen von Erschöpfung in der Stimme. Pisard sammelte Energie in seinen Händen, um die Attacke abzuwehren. Er schwitzte. Mit dieser Attacke hatten die beiden ihn bisher immer besiegen können. Würde sie dieses Mal sein endgültiges Ende bedeuten...? „Pretty Cure Marmorstrahl!!!“, donnerten die Mädchen einstimmig und eine Spirale aus schwarzer und weißer Energie schoss auf Pisard zu. Er erhob die Hände und schickte ihr einen Energiestrahl entgegen, der sie für einen Moment aufzuhalten schien. Doch er konnte nicht mehr Kraft aufbringen, seine Gegenwehr wurde schwächer, das Licht kam immer näher. Wieder sah er das Gesicht der Kettenfrau vor sich, ein Lächeln des Triumphes auf den Lippen. „Sie werden sterben.“ Nein, ich bin stark genug! „Sie werden sterben.“ Niemals! Das sind nur zwei Rotzgören! „Sie werden sterben.“ Nicht jetzt, bitte! „Sie werden sterben.“ „Sie werden sterben.“ „Sie werden sterben.“ „NEEEEIN!!!“, brüllte er, ihre Worte in seinem Kopf widerhallend, und riss sich im selben Moment die Kette mit dem grünen Stein vom Hals. Er schleuderte sie auf den Boden zu Füßen der Mädchen. „Tötet mich nicht! Lasst mich am Leben, ihr habt doch was ihr wollt!“, flehte er. Sofort verschwand der Strahl, der sich ihm auf weniger Zentimeter genähert hatte und Pisard sackte auf die Erde, seine zitternden Beine nicht mehr stark genug, um sein Gewicht zu tragen. „Wehe, du lässt dich nochmal blicken!“, drohte eine seiner Gegnerinnen und hob den Stein auf. Pisard zwang sich, aufzustehen. Seine Beine gehorchten ihm noch immer nicht wirklich, doch es gelang ihm, sich umzudrehen und langsam davonzuwanken. Als er endlich den scharfen Blicken der Mädchen entkommen war, stützte er sich mit dem Arm an einer Straßenlaterne ab. Mit der anderen Hand wischte er sich über die schweißbedeckte Stirn. So viel Furcht hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht verspürt. Er war dem Tod aber auch noch nie so nahe gewesen. Ein merkwürdiger Gedanke schoss ihm durch den Kopf: Hätte er auch einfach aufgegeben, wenn diese Kettenfrau und ihre Wette nicht gewesen wären? Niemals, sagte er sich und lachte harsch auf. Er hätte bis zum bitteren Ende gekämpft, alles gegeben und wäre schließlich bei dem Versuch gestorben, seinem Herrn die Prismasteine zu bringen. Diese mysteriöse Frau hatte ihm mit ihrer Todesprophezeiung das Leben gerettet. Welch eine Ironie des Schicksals. Dieser Gedanke brachte Pisard erneut zum Lachen. Schicksal!, dachte er. So etwas gibt es nicht, habe ich das nicht gerade bewiesen? Noch immer in sich hineinkichernd machte er sich langsam auf den Weg zum Ägyptischen Museum. Sein Körper schien dem Tod näher gewesen zu sein als sein Verstand, der schon wieder einige klare Gedanken fassen konnte. Oder war es andersherum und er war gerade dabei, verrückt zu werden? Doch bevor er komplett durchdrehte, musste er erst einmal seinen Wettgewinn abholen. Er freute sich schon auf die Fassungslosigkeit im bisher immer ausgesprochen ruhigen Gesicht der Kettenfrau. Als es an Isis' Tür klopfte, war ihr gleich klar, wer ihr einen Besuch abstattete. Dennoch gelang es ihr nicht, ihrem Gesicht einen freundlichen Ausdruck zu geben, als er eintrat. „Klarer Sieg für mich“, verkündete er mit einem süffisanten Lächeln. Isis blickte ihn mit ausdruckslosen Augen an. Sie war sich sicher, dass er nicht so fröhlich war, wie er vorgab. „Die Kette gehört dir“, sagte sie und merkte, wie brüchig ihre Stimme auf einmal klang. Als sie keine Anstalten machte sie ihm zu geben, umrundete er den Schreibtisch und hob ihr langes Haar über ihre Schulter, um sich dann mit kalten Fingern daran zu machen, den Verschluss des goldenen Schmuckstücks zu öffnen. Wie schon bei ihrer letzten Begegnung lief ihr ein Schauer über den Rücken, als er sie berührte. Doch diesmal bemerkte er es. „Magst du es nicht, von jemandem wie mir berührt zu werden?“, fragte er höhnisch, doch Isis war sich sicher, dass diese Tatsache ihn verletzte. „Ihre Finger sind sehr kalt“, stellte sie nüchtern fest. „Wirklich?“, fragte er und strich mit dem Zeigefinger den Ansatz ihrer Wirbelsäule herab. „Lassen Sie das!“, fuhr sie ihn an und drehte sich auf ihrem Stuhl herum. Er grinste, die Millenniumskette in der Hand. „Ich sagte doch, du kannst es nicht ab.“ „Es ist nicht wie Sie denken“, bemerkte sie kurz, doch sie spürte, wie die Hitze ihr ins Gesicht schoss. Pisard lachte, trat aber von ihr zurück. „Was wollen Sie noch hier?“, fragte Isis mit vor der Brust verschränkten Armen. Es war ihr unangenehm, ihn noch länger in ihrer Nähe zu haben. „Ein Platz zum Schlafen wäre nicht schlecht“, sagte er mit trockener Stimme und sah auf sie herab. Sie erhob sich, um sich nicht ganz so unterlegen zu fühlen, doch er war noch immer größer als sie. „Wie kommen Sie dazu, solche Forderungen zu stellen?“, fragte sie, erzürnt über seine Dreistigkeit. „Das fragst du noch? Wenn du nicht gewesen wärst, wäre ich jetzt tot!“ „Seien Sie doch froh!“, erwiderte sie verständnislos. „Bin ich aber nicht! Wo soll ich denn jetzt hin? Für die Dotsuku-Zone bin ich ein Hochverräter!“, erklärte er, nun auch wütend. „Ist das mein Problem?“ „Oh ja, das ist es. Das ist alles deine Schuld!“ „Konnte ich wissen, dass du überlebst?“ Isis war nun so zornig, dass sie über alle Formen der Höflichkeit hinwegsah, so wie er es schon die ganze Zeit tat. „Ich dachte, du weißt alles?!“ „Was meinst du, warum nicht ich diese Wette gewonnen habe?“ „Ach, sei doch still!“ „Ich bin sofort still, wenn du aus meinem Büro verschwindest! Einen Moment starrten sie sich an, die Augen zu Schlitzen verengt. Bevor einer von ihnen den Streit erneut anfachen konnte, klopfte es an der Tür. „Jetzt nicht!“, bellte Isis. Pisard lachte. „Verschreck doch deine Mitarbeiter nicht so.“ Isis starrte ihn immer noch böse an und sagte leise: „Lass das mal meine Sorge sein.“ Er sah sie fragend an. „Und? Was ist nun?“ Sie seufzte. „Ich nehme an, du wirst nicht gehen, bis ich dir irgendeinen Schlafplatz angeboten habe?“ Pisard sah sie leicht überrascht an. „So ist es“, bestätigte er. Sie betrachtete ihn einen Moment und seufzte dann erneut. „In Ordnung. Du kannst in meinem Haus übernachten, wenn du versprichst, dich sofort auf die Suche nach einer eigenen Wohnung zu machen.“ „Und womit sollte ich die bezahlen?“ Isis blickte ihn genervt an. „Meine Ausstellung bleibt noch für eine Weile hier in Domino. Eine Sicherheitskraft mehr kann nicht schaden. Aber an deinem Aussehen musst du auch noch was tun!“ Pisard sah an sich herab. „Sehe ich so ungewöhnlich aus?“ Sie musste lachen, auch wenn es ihr widerstrebte. „Ja, das tust du.“ Den Rest des Tages verbrachte Pisard damit, sich in der Ausstellung umzuschauen und sich ein wenig Wissen anzueignen, während Isis ihrer Arbeit als Direktorin nachging. Am Abend, als das Museum geschlossen wurde, kehrte er dann schließlich in ihr Büro zurück, wie sie es ihm zuvor gesagt hatte. „Musst du noch viel erledigen?“, fragte er, als er sie über einen Stapel von Blättern gebeugt an ihrem Schreibtisch sitzen sah. „Nein, nur noch ein wenig“, erwiderte sie ohne aufzusehen. Pisard seufzte und ließ sich auf dem Stuhl ihr gegenüber nieder. Sie blickte kurz zu ihm auf, bemerkte, dass seine Augen auf sie gerichtet waren und wandte sich schnell wieder ihrer Arbeit zu, das errötende Gesicht hinter einem Vorhang von Haaren versteckt. Nachdem sie zum dritten Mal die Stelle auf ihrem Zettel verloren hatte, die sie gerade lesen wollte, blickte sie Pisard erneut an. „Könntest du bitte aufhören, mich die ganze Zeit anzustarren?“, verlangte sie genervt. Sein übliches süffisantes Lächeln kam zum Vorschein. „Mache ich dich nervös?“, fragte er. „Ich kann es einfach nicht ab, wenn man mir beim Arbeiten zusieht“, murmelte sie, nicht in der Lage dazu, ihn anzusehen. Er stand auf und ging zu dem Gemälde an der Wand, das Isis bei ihrer zweiten Begegnung gemustert hatte. Erleichtert, dass er nicht weiter auf ihrer Verlegenheit herumritt, fuhr sie mit der Lektüre fort. Doch bald merkte sie, dass seine Gegenwart sie noch immer ablenkte, selbst wenn er drei Meter von ihr entfernt stand. Mit einem tiefen Seufzer öffnete sie die Schublade ihres Schreibtisches und ließ die Papiere darin verschwinden. „Gehen wir.“ Es sollte beiläufig klingen, doch an Pisards schelmischem Lächeln sah sie, dass ihm die Aufregung in ihrer Stimme nicht verborgen geblieben war. „Natürlich“, war das einzige, was er sagte. Auf dem Nachhauseweg in ihrem Wagen hingen beide ihren eigenen Gedanken nach. Zuerst gelang es Isis, sich von dem heute Geschehenen durch alles Mögliche abzulenken, doch als Pisard die Kette aus seinem Mantel hervorzog und begann, gedankenverloren damit herumzuspielen, konnte sie an nichts Anderes mehr denken. Es gab also kein Schicksal. Nichts war vorherbestimmt, man war selbst für Erfolg und Misserfolg verantwortlich. Eigentlich war es einfach, dies zu verstehen, doch Isis konnte sich nicht an den Gedanken gewöhnen. Die letzten zwanzig Jahre hatte sie keinen einzigen Tag daran gezweifelt, dass es so etwas wie Schicksal gab. Alles, was die Kette ihr gezeigt hatte, war Wirklichkeit geworden. Wie hatte das geschehen können? Wie war es Pisard gelungen, sein Schicksal zu umgehen und einen Weg zu wählen, der ihm nicht vorherbestimmt war? Natürlich könnte sie jetzt einfach darüber hinwegsehen, sich sagen, dass all dies nur Einbildung gewesen war und ihr Leben so weiterführen, wie sie es gewohnt war. Doch erstens war die Millenniumskette nun nicht mehr in ihrem Besitz und zweitens war sie kein Mensch, der über solche offensichtlichen Beweise einfach hinwegsah. Außerdem hatte sie nicht das Gefühl, dass Pisard sie bald in Ruhe lassen würde. Und da war sie auch schon gleich beim nächsten Thema: Pisard. Er hatte sie dazu gebracht, ihn bei sich wohnen zu lassen. Was würde nun geschehen? Immerhin sah er sie als Verantwortliche für sein Schlamassel. Was war, wenn er es ihr übler nahm, als er zeigte? Wenn er nur freundlich tat, aber – sobald er in ihrem Haus war – über sie herfiel und sich an ihr rächte? Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken herunter und sie warf ihm einen unauffälligen Seitenblick zu. Sein abwesender Blick beruhigte sie ein wenig. Er machte nicht den Eindruck, als plane er irgendeine Art von Gewalttaten. Als Isis kurz darauf das Auto in der Garage ihres Hauses parkte, machte sich eine gewisse Nervosität allerdings doch wieder bemerkbar. Fast wäre sie über einen dort stehenden Karton gestolpert und das Öffnen der Haustür gelang ihr auch nicht, weil ihre Finger so zitterten. Pisard machte keine Anstalten, ihr zu helfen, sondern stand nur mit verschränkten Armen neben ihr und beobachtete sie. Ein wenig wütend über seine nicht vorhandene Hilfsbereitschaft gelang es ihr schließlich doch, den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Nachdem beide eingetreten waren, war es für einen Moment dunkel, da Pisard die Tür gleich hinter sich geschlossen hatte und die Lampe im fensterlosen Flur eine Weile brauchte, um hell zu werden. Die unheimliche Dunkelheit ließ Isis einen verängstigten Schrei ausstoßen. Das Licht ging an und Pisard blickte sie überrascht an. „Was ist los?“, fragte er. Sie errötete, als sie bemerkte, dass sie die Arme schützend vor sich hielt und bis zur Wand zurückgewichen war. „Nichts“, krächzte sie. Pisard hob verwundert die Augenbrauen, kommentierte ihr Verhalten aber mit keinem Wort. „Wo darf ich schlafen?“, fragte er stattdessen. Sie zwang sich, ihn anzusehen. Sein fast schon unterwürfiger Ausdruck versetzte ihr einen Stich. Sie war sich auf einmal sicher, dass sie ihm Unrecht tat, wenn sie ihn für einen Gewalttäter hielt. Dennoch gab sie nicht der Versuchung nach, ihn zu einem Abend in ihrem Wohnzimmer einzuladen, sondern zeigte ihm wortlos den Weg zu ihrem kleinen Gästezimmer im ersten Stock. Zu sprechen fühlte sie sich nicht in der Lage. Ansonsten kam sie sich auch ziemlich ausgelaugt vor und wollte eigentlich nur noch ins Bett, aber ein bisschen von der Angst war doch noch geblieben, daher zog sie sich mit einer Flasche Whisky ins Wohnzimmer zurück und schaltete den Fernseher an. Dort lief gerade eine Reportage über die schönsten Monumente Ägyptens. Es erfüllte Isis mit Schmerz, ihre Heimat, die sie schon länger nicht zu Gesicht bekommen hatte, so direkt vor sich zu sehen. Sie nahm einen großen Schluck aus der Flasche und blickte wehmütig auf die auf dem Bildschirm gezeigten Denkmäler, die sie schon so oft besucht hatte. Auf einmal flammte in ihr der Wunsch auf, ihren Schmerz und ihre Gefühle über all das, was sich ereignet hatte und die Enttäuschung über den Zusammenbruch ihrer Welt mit jemandem zu teilen. Sie nahm einen erneuten Schluck. Pisard saß bestimmt ruhig in seinem Zimmer, möglicherweise schlief er auch schon. Bei dem Gedanken daran, dass sie ihn einfach dorthin geschickt hatte, fühlte Isis ein schlechtes Gewissen in sich aufsteigen. Er hatte es sicherlich nicht verdient, dass sie ihn für einen Verbrecher hielt. Nach einem weiteren Schluck stand Isis daher auf und ging hinauf in den ersten Stock. Vor der Tür zum Gästezimmer zögerte sie einen Moment. Doch sie konnte die erneut aufkommenden Zweifel unterdrücken und klopfte an. „Herein“, ertönte sofort Pisards Stimme. Er hatte anscheinend noch nicht geschlafen. Hatte er sie etwa erwartet? Zögerlich öffnete Isis die Tür und spähte hinein. Ihr Gast saß auf dem Bett, den Rücken gegen die Wand gelehnt und ein Bein angewinkelt. Seinen langen Mantel hatte er abgelegt, er trug jetzt nur noch den weinroten Ganzkörperanzug. „Möchtest du dich noch ein bisschen ... mit mir ins Wohnzimmer setzen?“, fragte Isis und spürte, wie sie unter seinem forschen Blick errötete. „Meinetwegen“, sagte er und erhob sich. Isis hatte ein wenig mehr Begeisterung erwartet, doch sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen und führte ihn die Treppe herab. Unten im Wohnzimmer ließen die beiden sich auf dem Sofa nieder. Es war so klein, dass ihre Schultern nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Doch diesmal fühlte sich Isis nicht bedrängt von seiner Nähe, sie fing sogar an, sich wohlzufühlen. Auch der Regen, der gegen die Fensterscheiben prasselte und der sie bisher dazu veranlasst hatte, diese Zeit des Jahres zu verabscheuen, störte sie nicht im Geringsten. Durch ihn erschien es ihr im Haus sogar noch gemütlicher, da es hier wunderbar trocken und angenehm kühl war. Pisard nahm die Flasche, die auf dem Tisch stand, hoch und besah mit hochgezogenen Augenbrauen das Etikett. „Du trinkst?“, fragte er erstaunt. „Manchmal“, gab Isis schulterzuckend zu. Pisard nahm probeweise einen kleinen Schluck, kostete einen Moment und nahm dann einen größeren. Isis sah ihm interessiert zu. Sie fragte sich, wie gut sein außerirdischer Körper Alkohol wohl verarbeiten konnte. „Sieh mal“, sagte sie beiläufig und machte mit dem Kopf eine Geste in Richtung des noch immer laufenden Fernsehers. Über den Bildschirm flimmerte gerade ein Bild der Cheops-Pyramide. Pisard warf kurz einen Blick darauf und sah dann wieder Isis an. „Was ist damit?“, fragte er. „Ich komme aus Ägypten“, begann sie im Plauderton. „Wusstest du, dass die Cheops-Pyramide die größte Pyramide der Welt ist?“ „Nein. Ich weiß ohnehin nicht viel über die Welt der Menschen“, sagte Pisard mit leicht beleidigt klingender Stimme. „Ich kenne auch Ägypten nur aus deiner Ausstellung.“ „Entschuldigung“, rief Isis sofort und schaltete den Fernseher aus. „Ich wollte mich nicht über dein Unwissen lustig machen.“ Er brummelte leise etwas in sich hinein, das Isis trotz ihrer Nähe zu ihm nicht verstehen konnte. Sie legte die Fernbedienung auf den Tisch zurück. „Mich macht es glaube ich ebenso traurig wie dich, es anzuschauen“, stellte sie leise fest. „Ich bekomme Heimweh davon.“ Pisard hob den Arm, anscheinend in der Absicht, ihn tröstend auf ihre Schulter zu legen, doch etwas schien ihn zurückzuhalten und er ließ ihn in seinen Schoß zurücksinken. „Tut mir leid“, flüsterte Isis und blickte ihn entschuldigend an. „Was?“, fragte er verwirrt. „Ich habe dich verletzt. Immer wenn du mich berührt hast ...“ Sie ließ den Satz unvollendet, doch er schien zu wissen, was sie meinte. „Nun ...“, sagte er. Widersprechen konnte er nicht. „Wenn du willst, darfst du ...“ Erneut ließ sie den Satz unvollendet und warf nur einen kurzen Blick auf seine Hand, den er sofort richtig deutete und ihr den Arm um die Schulter legte. Er war ebenso kalt wie zuvor seine Finger, doch auf einmal störte es Isis nicht mehr. Sie schmiegte sich enger an ihn und legte ihm den Kopf auf die Schulter. „Ist es eigentlich ... sehr schlimm für dich ... deine Welt niemals wiedersehen zu können?“, fragte sie nach einer Weile. Pisard schwieg einen Moment, doch Isis spürte, wie sich seine Muskeln verkrampften. Er nahm noch einen Schluck aus der Whiskyflasche, bevor er antwortete. „Ich habe immer dort gelebt, es war ... mein Zuhause“, begann er langsam. Als er nicht weitersprach, fragte Isis: „Hast du dich dort wohlgefühlt?“ Er lachte harsch auf. „Dort würde sich niemand wohlfühlen. Man stellt diesen Anspruch gar nicht erst.“ Sie drehte den Kopf, um in seine starren grünen Augen zu sehen. „Es muss hart sein“, kommentierte sie voller Mitleid. „Man gewöhnt sich daran“, sagte er nur und trank einen Schluck, um nicht noch mehr dazu sagen zu müssen. Isis richtete sich auf, um mit ihm auf einer Augenhöhe zu sein. „Du Armer“, murmelte sie und legte die Hand an seine eiskalte Wange. Bei dem Gedanken an sein hartes Schicksal – oder wie auch immer man es nennen sollte – traten ihr Tränen in die Augen. Das war eine Situation, mit der Pisard absolut nicht gerechnet hatte. Wie hypnotisiert starrte er sie an. „Was – warum weinst du?“ Sein erschrockener Blick ließ sie ihre letzten Hemmungen verlieren und sie begann zu schluchzen. Pisard hingegen bewegte sich nicht mehr und sah nur hilflos auf sie hinab. Das realisierte sie kaum, als sie sich mit den Händen an seine breiten Schultern klammerte und das feuchte Gesicht an seine muskulöse Brust lehnte. Langsam kam auch wieder Bewegung in ihn und er legte seine Arme um ihren vor Schluchzen zitternden Körper. Sie kam ihm vor wie ein kleines Kind, dennoch empfand er nicht dieselbe Abscheu, die er zum Beispiel Pretty Cure entgegengebracht hatte, sondern eher einen Drang, sie vor allem Bösen in der Welt zu beschützen. Isis fühlte sich sehr sicher in seinen Armen und die Verzweiflung in ihrem Inneren flaute schon bald ab, die Tränen hörten auf zu fließen und sie schniefte nur noch ein wenig. Pisard strich über ihr dichtes Haar und fragte leise: „Geht es wieder?“ Sie entfernte ihr Gesicht ein wenig von seiner Brust, um zu ihm aufsehen zu können. Seine grünen Augen sahen voller Sorge auf sie herab. „Pisard“, hauchte sie mit schwacher Stimme. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, überlegte es sich dann aber anders und schloss ihn wieder. „Pisard“, wiederholte sie. „Ich ...“, begann er, brach aber ab, als er sah, wie ihre Augen sich erneut mit Tränen füllten. „Küss mich, Pisard“, bat sie und blickte verzweifelt zu ihm auf. Er zögerte einen Moment und sah sie an, völlig perplex von der überraschenden Bitte. „Willst du mich nicht?“, fragte sie schniefend und drohte, erneut von einem Tränenschwall überwältigt zu werden. „Doch!“, versicherte er schnell, ohne weiter darüber nachzudenken. Bevor er fortfahren konnte, hatte sie schon die Initiative ergriffen und ihm einen schnellen Kuss auf die Lippen gedrückt. Doch der erschrockene Ausdruck Pisards ließ sie sofort zurückfahren. „Tut mir leid“, rief sie aus und schlug sich die Hände vor's Gesicht. Sie handelte doch sonst nicht so unüberlegt, was war nur mit ihr geschehen? Dieselbe Frage stellte Pisard sich auch, als er auf die schluchzende Frau herabsah. Ein Blick auf die inzwischen schon fast komplett geleerte Flasche sagte ihm, dass nicht nur Verzweiflung – worüber auch immer – der Grund für ihre Emotionalität war. Es versetzte ihm einen Stich, sie so weinen zu sehen. „Hey“, sagte er sanft, fasste mit seiner Hand an ihr Kinn und drehte ihr Gesicht zu ihm. Beim Anblick der großen, feuchten, blauen Augen konnte er nicht anders, als sie zu sich heranzuziehen und sie zu küssen, wenn auch zögerlich. Durch Isis' Kopf rauschte eine Welle von Gefühlen, die alle bösen Gedanken davonspülte, die dort eben noch fest verankert gewesen waren. „Es braucht dir nicht leidzutun“, murmelte Pisard verlegen, während er sich einige Zentimeter von ihr entfernte. Ihre Lippen formten das Wort „danke“, ihre Stimme schien vom Glück ebenso überwältigt worden zu sein wie der Rest ihres Körpers. Pisard lächelte und küsste sie erneut, diesmal ein wenig mutiger, leidenschaftlicher. Seine Hand strich über ihre Wange und fuhr durch ihr Haar; die andere fuhr unablässig auf ihrem Rücken auf und ab. Isis hingegen hatte ihre Arme fest um seinen Nacken geschlungen und machte den Eindruck, als wollte sie ihn nie wieder freigeben. Er drückte sie auf das Sofa herab und beugte sich über sie, die Hände auf der Polsterung abgestützt, um Isis nicht mit seinem ganzen Gewicht zu belasten. Sie fuhr fasziniert mit den Fingern über seinen kräftigen Körper, dessen Konturen sich unter seiner Kleidung deutlich abzeichneten. Er ließ sie eine Weile gewähren, dann beugte er sich so weit zu ihr herunter, dass ihre Körper eng aneinander lagen. Mit der Nase fuhr er über ihre Wange, ihren Hals herab und strich schließlich über ihre entblößten Schlüsselbeine, betört von ihrem süßlichen Duft, während Isis von seiner Haarpracht in ihrem Gesicht zum Kichern gebracht wurde. Er sah auf und versiegelte ihren Mund mit einem Kuss, um sie vom Lachen abzuhalten. Seine Hand bahnte sich währenddessen ihren Weg zum oberen Ansatz von Isis' Kleid und begann, langsam den Reißverschluss zu öffnen. „Warte“, bat Isis, als sie seine Absicht erkannte. Pisard hielt mitten in der Bewegung inne und sah sie mit einem Blick an, der zu sagen schien: „Das werde ich nicht.“ Sie versuchte, unter seinem Körper hervorzuschlüpfen, doch er drückte ihn noch enger an ihren, um sie festzunageln und fragte, die Lippen nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt: „Was ist los?“ Mit seinem kalten Atem an ihrer Haut und der engen Berührung fiel es ihr schwer, einen vollständigen Satz zu formulieren. „Lass uns – hochgehen“, flüsterte sie so leise, dass er es trotz ihrer Nähe kaum verstand. Pisard gab ihr einen Kuss auf die Stirn und lachte erleichtert. Dann stand er schließlich auf und hob sie in seine starken Arme. „Hey“, protestierte sie lachend. Ein schneller Kuss auf seinen Nacken verriet ihm aber, wie wohl sie sich fühlte. Im Schlafzimmer angekommen, warf Pisard Isis aufs Bett und ließ die Tür ins Schloss fallen. Ein fast schon wahnsinnig anmutendes Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Dafür, dass du mich unterbrochen hast, lasse ich dich nie wieder gehen“, war das letzte, was er sagte, bevor er sich zu ihr gesellte und dort fortfuhr, wo er eben aufgehört hatte. Pisard wurde vom Prasseln des Regens an der Fensterscheibe geweckt. Dieses Geräusch, das er nur selten zu hören bekam, veranlasste ihn dazu, die Augen zu öffnen. Er lag auf einem großen, gemütlichen Bett in einem Zimmer voller Bücherschränke und Souvenirs. Langsam kam die Erinnerung an den gestrigen Tag zurück. Doch vor allem der Gedanke an den Abend und die darauffolgende Nacht stimmte Pisard nachdenklich. Was hatte ihn dazu verleitet, sich mit dieser Menschenfrau einzulassen? Er dachte an die Wette und an die Verzweiflung, die sie nachher beide befallen hatte. Das musste der Grund gewesen sein: der Schmerz, den sie in diesem Moment geteilt hatten. Ächzend richtete Pisard sich auf und blickte neben sich. Die andere war anscheinend schon aufgestanden, ohne dass er es bemerkt hatte. Daher schwang auch er die Beine aus dem Bett. Sein Blick fiel sofort auf einen hellblauen Morgenmantel, der über der Lehne eines im Raum stehenden Stuhls hing und ganz offensichtlich für ihn gedacht war. Einen Moment wog er ab, dann entschied er sich aber doch dazu, wieder in seinen roten Anzug zu schlüpfen. Sich die müden Augen reibend ging er die Treppe herunter und spähte ins Wohnzimmer, das jedoch leer war. Da er keine Lust hatte, jeden Raum nach der Frau zu durchsuchen, rief er laut: „Hey!“ Eine Tür am Ende des Flures öffnete sich und sie trat mit missbilligendem Blick heraus „Wenigstens mit Namen könntest du mich ansprechen, findest du nicht?“, fragte sie. „Ich kenne deinen Namen nicht“, gab Pisard offen zu. Sie sah ihn überrascht an, sagte dann aber: „Ich heiße Isis.“ „Okay“, murmelte er. „Isis...“ Sie errötete und blickte verlegen zu Boden, als er ihren Namen zum ersten Mal aussprach. Doch sie fing sich schnell wieder und fragte mit Blick auf seine Kleidung: „Ich habe dir extra einen Morgenmantel rausgesucht, damit du nicht wieder in diesem Ding herumlaufen musst.“ Ihm fiel erst jetzt auf, dass sie dasselbe Modell in Hellrosa trug und war froh, dass er sich dagegen entschieden hatte. „Ich wusste nicht, dass er für mich war“, log er, da er seine wahren Beweggründe nicht in Worte fassen konnte. Sie sah ihn zweifelnd an, sagte aber nichts. Stattdessen kehrte sie in die Küche zurück und fragte: „Möchtest du auch Frühstück?“ „Nein“, lehnte er sofort ab, folgte ihr aber trotzdem und ließ sich auf einem Stuhl ihr gegenüber nieder. Den Blick auf eine Teekanne auf dem Tisch gerichtet, fragte sie: „Hast du überhaupt Bedarf, Nahrung aufzunehmen?“ „Nein“, antwortete er. „Du bist heute so kurz angebunden“, stellte sie fest, sah einmal kurz zu ihm auf und wandte sich dann schnell wieder der Kanne zu, unter dem Vorwand, sich Tee eingießen zu müssen. „So bin ich eben“, sagte er achselzuckend und beobachtete, wie Isis' Hand ein wenig zu zittern begann, als sie den Mund öffnete, um etwas zu erwidern. „Gestern Abend warst du gesprächiger ...“ Pisard versteifte sich. Musste sie denn gleich auf dieses Thema zu sprechen kommen? „Das war was Anderes“, widersprach er. Isis schwieg einen Moment. Anscheinend war es ihr auch ein wenig peinlich, darüber zu sprechen. Dennoch fuhr sie fort, diesmal mit einer sehr direkten Frage. Endlich sah sie ihm in die Augen. „Bereust du, was gestern Abend geschehen ist?“ Er blickte sie verblüfft an, diese Frage hatte ihn völlig unvorbereitet getroffen. Doch die Zweifel in ihrem Gesicht halfen ihm, schnell eine Antwort zu finden. „Nein. Ich bereue gar nichts.“ Isis beugte sich ein Stück weiter über den Tisch und sah ihn eindringlich an. „Und du bist mir auch nicht böse, weil ich dich dazu angestachelt habe?“ Pisard musste lachen, als er sie das mit einem völlig ernsten Gesicht sagen hörte. „Du hast mich angestachelt?“ Isis blickte ihn ein wenig verstimmt an. „Natürlich. Ich habe dich gedrängt, mich zu küssen. Das hätte ich nicht tun dürfen.“ Pisard schüttelte den Kopf. „Vergiss es. Ich habe mich nicht im Geringsten von dir gedrängt gefühlt. Außerdem hast du mich dann doch trotzdem zuerst geküsst und ich habe es wiederholt, weil es ...“ Er zögerte. Über die generellen Ereignisse zu sprechen, bereitete ihm keinerlei Probleme, doch wenn es um seine eigene Gefühle ging, fühlte er sich unbehaglich. „Weil was?“, hakte Isis nach. „Weil es mir gefallen hat“, gab er schließlich seufzend zu und blickte verlegen zur Seite. Seine Verlegenheit brachte Isis einen Moment zum Schweigen, doch sie fuhr schon bald mit einer weiteren Frage fort, sodass Pisard anfing sich zu fühlen wie bei einem Verhör „Sprichst du nur von meinem Kuss, oder ...?“ Pisard seufzte genervt auf. „Nein“, sagte er. „Habe ich auf dich den Eindruck gemacht, als hätte ich keinen Spaß daran gehabt?“ Jetzt war es an Isis zu erröten. „Natürlich nicht aber ... ich habe keine Vergleichsmöglichkeit.“ Es schien, als wolle sie auf der Stelle im Boden versinken. Ihre Augen waren längst wieder auf ihre Teetasse gerichtet, in der sie langsam mit einem Löffel herumrührte „Ich auch nicht“, sagte Pisard, dem das Ganze nicht halb so peinlich war. „Und nachdem ich dir das jetzt alles offenbart habe ... Wie sieht es überhaupt mit dir aus?“ Sie verschluckte sich an dem Tee, den sie gerade zu trinken begonnen hatte, und begann zu husten. „Wie meinst du das?“, fragte sie und sah ihn mit tränenden Augen an. „Bereust du es? Bist du mir wegen irgendwas böse?“ Pisard stützte den Kopf mit der Hand und blickte sie halb interessiert, halb amüsiert an. „Nein“, sagte sie nur, fügte dann aber nach kurzer Pause hinzu: „Diese Nacht werde ich nie vergessen. Im positiven Sinne.“ Pisard hob erstaunt die Augenbrauen bei dieser ehrlichen Antwort. Eine weitere Frage schoss ihm durch den Kopf und er stellte sie gleich, damit er keine Zweifel bekam, ob es richtig war. „Hast du es nicht nur getan, weil du so verzweifelt warst und niemand Anderes in der Nähe war?“ „Nein!“, widersprach sie sofort. Nach kurzem Nachdenken korrigierte sie sich ein wenig: „Na gut, vielleicht ein bisschen. Aber denk nicht, dass ich jeden genommen hätte! Deine ... Ausstrahlung hat mich beruhigt.“ Pisard wollte etwas sagen, doch sie unterbrach ihn gleich: „Und bevor du das auch noch fragst: der Alkohol hat nur als eine Art Katalysator fungiert. Möglicherweise ... wäre es auch so geschehen.“ „In Ordnung, in Ordnung“, sagte Pisard schnell, um sie am Weiterreden zu hindern. „Ich hab’s verstanden.“ „Okay“, murmelte sie. Ein peinliches Schweigen entstand. Isis nippte an ihrem Tee und Pisard blickte um sich, ohne wirklich auf das zu achten, was er sah. Als er an den Abend zurückdachte, kam ihm plötzlich eine spontane Idee, die er sogleich zur Sprache brachte: „Wollen wir nicht mal zusammen nach Ägypten fliegen?“ Isis schrak zusammen, als er so plötzlich zu sprechen begann. „Warum?“, fragte sie verwirrt. „Du hast mir gestern noch erzählt, du hättest solch ein Heimweh! Und jetzt fragst du, warum ich dieses Angebot mache?“ Pisard wurde wütend bei dem Gedanken, dass sie es vielleicht nur gesagt hatte, um sein Mitleid zu erregen. „Ich dachte nicht ... dass du dich daran erinnerst“, gab sie zu. Pisard stieß verächtlich Luft durch die Nase aus. „So ein schlechtes Gedächtnis habe ich nun auch nicht!“ Isis lächelte. „Ich weiß, ich weiß. Tut mir leid.“ Pisard überging ihre Entschuldigung und fragte: „Und wie sieht es nun damit aus?“ Sie streckte ihre Hand aus und legte sie auf seine, die locker auf dem Tisch lag. „Gut. Ich komme gerne mit, Pisard“, erklärte sie mit einem breiten Lächeln. „Wann soll es losgehen?“ „So bald wie möglich“, antwortete Pisard, hob ihre warme Hand an seinen Mund und drückte seine kalten Lippen darauf. Auch noch Tage später, als sie nebeneinander im Flieger saßen, spürte sie seine sanfte Berührung auf ihrer Haut. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)