Der helfende Engel von abgemeldet (In Zusammenarbeit mit: Mariko999, domo arigato goizamasu, o-nee-san *Knuddel*) ================================================================================ Kapitel 40: Let me go --------------------- Alle Worte mit 'klein', die sich auf Edo beziehen, wurden umschrieben oder ganz getilgt XD Neu: Charainfo über Jean Havoc ^^ Let me go Nach diesem Gespräch hatten sich ihre Wege getrennt, leider für immer. Hohenheim und er wurden verschiedenen Bataillons zugeteilt. Keiner wusste oder hörte etwas vom anderen. Erst einige Tage nach dem Krieg hatte sich Roy über den Verbleib seines Kampfgefährten bei seinem Hauptquartier erkundigt. Mit Schrecken hatte er von seinen Vorgesetzten erfahren, dass Hohenheim, der Deep Light Alchemist, nach einer verheerenden Explosion, bei der es viele Tote zu beklagen gab, spurlos verschwunden blieb. Unter den bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Leichen hatte man keinen gefunden, der nur im Entferntesten nach ihm aussah. Nur anhand ihrer Habseligkeiten, die nicht den Flammen anheim gefallen waren, hatte man die unglücklichen Seelen identifizieren können, die dem verheerenden Feuer nicht entkommen waren. Glücklicherweise war der blonde, langhaarige Mann nicht unter den Opfern gewesen, aber dennoch war und blieb sein Schicksal ungewiss, das Roy Mustang eine lange Zeit beschäftigte, gerade was seine letzten Worte, die nur für ihn bestimmt waren, anging. >Aber wen hat Nat gemeint mit ‚Sie’?< Und nun spukte in den zornigheißen aufwallenden Gedanken des metallenen Jungen, an dessen Arm er sich verzweifelt und mit aller Kraft festklammerte, eine vollkommen verdrehte Darstellung der Tatsachen, die Roy Mustang unbedingt richtig stellen musste. „Alphonse-kun…“, quetschte sich der Schwarzhaarige röchelnd aus seiner geschundenen Lunge, die von der Rüstung fast zerdrückt wurde, da der Angesprochene den Colonel unsanft an die Wand donnerte. Mit finsterglühenden roten Augen starrte Al ihn wütend an, da er keine Anstalten gemacht hatte, ihn ungehindert gehen zu lassen. Ein entsetzter Aufschrei erklang hinter dem stählernen Rücken des Kindes, die Hand mit den feingliedrigen Fingern lag bereits auf dem Revolver, der ruhig im Holster ruhte. Am ganzen Leib zitternd stierte Riza Hawkeye auf das Szenario, das sich ihren fassungslosen Blicken bot. Sie konnte nicht glauben, dass Al, der immer liebevoll und herzensgut war, solche Dinge tat. War das überhaupt noch der kleine Alphonse oder hatten ihn die jetzigen Umstände so verbittert? Eine kleine Stimme in ihrem aufgewühlten Inneren flüsterte ihr leise ein ‚Ja’ zu. >Alphonse…bitte hör auf< schrie sie lautlos. Der grauhaarige Doktor, der neben ihr stand, war vor Schreck einige Schritte zurückgegangen, als sich der stählerne Koloss gleich einer riesigen und tonnenschweren Lokomotive, die alles zermalmte, mit dem Colonel an ihm vorbeischob. Alphonse schien über sein Denken und Handeln keinerlei Kontrolle mehr zu haben, der Zorn und die Sorge um seinen geliebten Bruder beherrschte sein ganzes Sein. Schon wollten der alte Mediziner und die Blonde in das Geschehen eingreifen, um den Flame Alchemisten vor weiterem Schaden zu bewahren, als der Schwarzhaarige sie mit einer raschen Handbewegung zurückwies. Aus dicken Tropfen rann ihm der Schweiß über die Schläfen, als er versuchte, sich aus der festen Umklammerung der Rüstung zu befreien. Dieses Vorhaben gab er aber so schnell wieder auf, wie er es begonnen hatte, da er fühlte, wie sich das Metall tief in seinen Hals drückte und blutige Schrammen hinterließ. „Bleibt, wo ihr seid. Ich regele das selbst“, kam es röchelnd aus der schweratmenden Lunge des Colonels. Sein ganzer Körper verkrampfte sich vor Anspannung, als er bemerkte, wie sich First Lieutnant Hawkeye und Doktor Brown erneut näherten, um ihm zur Hilfe zu kommen. Mit äußerst besorgten Mienen verharrten die beiden Angesprochenen still auf der Stelle und wechselten gegenseitig nervöse Blicke. Aber was sollten sie tun, da Colonel Mustang es selber regeln wollte? Langsam kamen sogar dem grauhaarigen Arzt Zweifel, ob es gut gewesen war, die Rüstung gewähren zu lassen und ihren aufgestauten Kummer mitzuteilen. Er hatte wissen wollen, was den Stählernen tief in seiner verwundeten Seele bewegte. >Ich habe es für richtig gehalten, dass all das einmal an die Oberfläche kommt, damit er seinen zornigen Unmut gegenüber allen zeigen kann, aber dass nun alles außer Kontrolle gerät…< damit hatte der freundliche, alte Herr wirklich nicht gerechnet. Doch der schwarzhaarige Mann wollte nicht, dass sich er und die blonde Uniformierte in diese Sache einmischten. So konnten sie nur schweigend abwarten und hoffen, dass nicht noch viel Schlimmeres passierte. „Was wollen Sie regeln, taisa?“ Die verbitterte Stimme des metallenen Kindes zitterte vor Wut und Zorn, kalt drang sie aus dem stählernen Körper, klirrend wie das Eis im tiefsten Winter, das die Adern erfrieren ließ und den Leib zum Erstarren brachte. Mit festen, unnachgiebigen Augen fixierte der Flame Alchemist das Antlitz des stählernen Jungen. Im Gegensatz zu dem Koloss, der ihn noch immer an die Wand drückte, sah er klein, zierlich und sehr zerbrechlich aus, doch die Angst um seine sanfte Begleiterin und das anfängliche Bedenken, der Stählerne sei verrückt geworden, waren aus seinem Herzen geschmolzen. >Ich kann dem Jungen beim besten Willen keinerlei Vorwürfe machen, nicht einmal für die Verletzung von Riza.< Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit fühlte er, was in einem anderen Menschen vorging, welche qualvolle Pein dieser in seinem verletzten Herzen trug und das spürte er mehr als ihm lieb war. Der niemals endende Kummer, der das kindliche Gemüt von Alphonse belastete und die zerfressende Sorge um den älteren Bruder, dessen ungewisses Schicksal nun in den Händen der Ärzte lag, die schmerzvolle Enttäuschung über die wahrscheinlich zu späte Hilfe, die grenzenlose Wut über die Unfähigkeit anderer, all das ergoss sich wie eine verpestete Krankheit, die vielleicht niemals heilen würde, über die sorglose Seele des Flame Alchemisten, der wie eine übergroße Stoffpuppe in den stählernen Händen, die sich wie feingeschliffene Klingen in seine Haut drückten, des Jungen hing. Dieser hob leicht überrascht die breiten Schultern ein wenig an, die verblüfft wirkenden Pupillen weiteten sich, als er die veränderte Mimik im Gesicht des Älteren bemerkte. Sofort nutzte Roy Mustang die Aufmerksamkeit des Jüngeren der Brüder aus, um ihn sanft, aber bestimmt wieder auf seinen Platz zu führen. „Al, ich weiß, was in dir vorgeht“, seine Stimme war warm, fest und mit einer sanften Güte, mit der er auf den Jungen einredete, so dass Alphonse gar keine Gelegenheit hatte, dazwischen zu reden, da er sofort eine Erklärung nachschob. „Du bist enttäuscht, wütend auf alles und jeden, ganz besonders auf Lieutenant Hawkeye und mich, weil du uns dafür verantwortlich siehst, dass dein Bruder sogar sterben könnte.“ Er machte eine kurze, aber sehr wirkungsvolle Pause, die Worte, die Alphonse vernahm, verwunderte ihn über alle Maßen. „Und ich gebe dir recht mit dem, was du sagst und denkst.“ Langsam neigte er den Kopf auf und ab, um seine Aussage zu bekräftigen. Überraschung machte sich im Denken des Jungen breit, wie weißer, unschuldiger Schnee dämpfte er die anderen Gefühle. Vorsichtig lockerte er den Griff vom Hals des Colonels, der dankbar stöhnend aufatmete. Wenige Sekunden später erhitzte sich die Wut und, mehr noch, die Verzweiflung von Alphonse aufs Neue. „Wollen Sie damit sagen, Sie wüssten, wie ich mich nun fühle?“, die klare Stimme des stählernen Koloss war bitter, gebrochen wie feinstes Porzellan, eine nie gekannte Trauer schwang in ihr mit, die die Anwesenden zu Tränen rührte. „Wollen Sie mir das wirklich weismachen?“ Mit zutiefst entsetztem Blick starrte die blonde Frau auf die beiden unwillkürlichen Kontrahenten, ihre Augen schweiften nervös hin und her. >Taisa hat wirklich sein Bestes gegeben, um Alphonse wieder ein wenig milder zu stimmen, ihn von seiner Wut und seiner unendlichen Traurigkeit zu erlösen…< Doch die letzten Stunden waren zu viel für das liebevolle, gutherzige Herz des Jüngeren gewesen, die Angst und Pein, seinen geliebten Bruder zu verlieren, hatten ihn rasend und wild gemacht. Mehrmals, in sehr kurzen Abständen, war das Leben von Edward auf Messers Schneide gestanden, einmal war sein Herz-Kreislauf-System komplett ausgefallen, das andere Mal lag er fast verblutet in den Armen des Stählernen, der ihn leise weinend beschützend an sich gedrückt hatte. Wie lange würde das Gemüt eines Jungen von vierzehn Jahren diesen schrecklichen Dingen standhalten können, wenn gerade der eine Mensch, mit dem man sein ganzes Leben verbracht hatte, ihn verehrte, liebte und mehr als nur die Gene verband, unter den Händen wegstarb? Sie wusste sehr genau, dass der eine den anderen vor jeder Gefahr, sogar mit dem eigenen Leben, beschützen würde. Es war nicht vorauszusehen, ob er die Entschuldigungen, die ihr Vorgesetzter vorbrachte, akzeptieren würde, höchstwahrscheinlich nicht, denn Alphonses rote Augen funkelten noch immer mit einer Wut, die einen Menschen verzehren konnte. Aber Riza hütete sich davor, ihrem Colonel etwas davon zu sagen oder ihn zu belehren. Denn eines wusste sie genau, Männer hassten es bevormundet zu werden, am meisten von Frauen. Betrübnis erfüllte ihr Herz, wie dunkle Schleier vernebelten sie ihre Seele, als sie sah, dass sich Roy Mustang nur immer mehr in Schwierigkeiten brachte, in dem er auf den stählernen Jungen einredete. Tränen des Leids, der Hoffnungslosigkeit und der Trauer um die Bande ihrer Freundschaft schwammen in der schönen rotbraunen Iris, als sie über die rabenschwarze Atmosphäre schweiften. In dem viel zu großen Bett lag laut keuchend Edward, unruhig flackerte das Fieber in seinen Venen, tobte und wütete mit machtvoller, zerstörerischer Kraft, die den Blonden zerfraß. Ganz alleine musste er gegen die Heerscharen des schwarzen Todes kämpfen, nicht einmal die Liebe seines Bruders und seiner Cousine konnten ihm dabei helfen. Ihr Blick glitt zu Doktor Matthew Brown, der weiß gekleidete Stellvertreter Gottes, der über Tod und Leben entschied und ein junger Uniformierter, der von einem metallenen Koloss, der die Seele eines Vierzehnjährigen in sich trug, in Schach gehalten wurde. >Und ich mittendrin…Oh Gott, hilf!< Wie stumme Zeugen der Unterwelt klackerten die langen, feinen Zweige eines nahe stehenden Baumes an das Glas, quietschend kratzten sie darüber. Das Donnergrollen vertiefte sich, wie bei einer verhungerten Bestie, die nun endlich Fleisch witterte. Der Wind kreischte mit wehklagender Stimme, heulte mit einem weinerlichem Geräusch über die Straßen, knickte die mächtigsten Bäume um, die tödlich getroffen mit einem unbeschreiblichen Ton in die aufgewühlte Erde fielen. Der Sturm schlug wie wuterfüllte Wellen bis an den Rand der Stadt, um nur mit fast doppelter Stärke hämisch an den Ursprungsort zurückzukehren. „Sie werden niemals erfahren, was in mir vorgeht, Colonel, denn die Welt, in der mein Bruder und ich leben, bleibt einem Erwachsenen wie Ihnen für immer verschlossen.“ Langsam öffneten sich die Hände von Alphonse, so dass der Schwarzhaarige mit einem erleichterten Seufzen erschöpft an der Wand entlang nach unten rutschte. Ein leises Klicken ließ ihn sofort ruckartig aufspringen, als er mit Schrecken sah, wie der Stählerne nach der Türe griff und gerade dabei war, sie zu öffnen. „Al…bitte…“, versuchte er ihn aufzuhalten, ihn davon zu überzeugen, von was auch immer, aber dass er nicht davonging. Die rote Iris starrte ihn kurz an, die zerbrochen war, wie das Glas im Fenster. Nach wenigen Augenblicken schüttelte das metallene Kind bestimmend den Kopf, wandte sich seinem Bruder zu, der sich schwer atmend heftig gegen den kalten Tod wehrte. Ein Schluchzen rang sich aus der stählernen Kehle von Al. „Wenn er stirbt, dann ist mein Leben sinnlos. Auch wenn ich meine nee-san noch habe, ohne nii-san bin ich nur noch ein Schatten, der auf der Welt wandelt, weil mein Herz schlägt. Doch meine Seele ist dann bei meinem Bruder, denn ohne ihn ist mein Leben nicht mehr lebenswert, dann sind alle Hoffnungen, die ich in mir trage, zunichte gemacht. Ich kann nicht mit ansehen, wie er dort liegt. Es tut mir zu sehr weh. Deswegen lassen Sie mich bitte, wenn Sie mich verstehen. Denn dann sollten Sie auch das verstehen. Bitte…“, Alphonse brach ab, wimmernd ballte er die Hände zu Fäusten. Eine unheimliche Stille, die bedrückend und mit einer ängstlichen Trauer vermischt war, schwebte wie ein böswilliger Schatten über den Häuptern der Menschen, die, genauso wie der Sturm draußen, den Atem anhielten. Die junge Frau, deren goldenen Haare bei jedem giftig leckenden Blitz wie ein Sonnenstrahl auffunkelten, wischte sich mit einem Ärmel ihrer Uniform über die nassen Wangen, um die Tränen, die sich ungefragt über diese schlichen, abzutrocknen. Doch die Flut konnte nicht eingedämmt werden, immer mehr kam zum Vorschein. Leise weinend sah sie Alphonse an, dessen trauervoll verzogenes Gesicht immer noch auf dem Antlitz seines Bruders verweilte. Auch der Doktor war tief ergriffen über die ehrliche Aussage des Jungen, kurz drehte sich die Gestalt von Alphonse ihm zu. Ein verständnisvolles Lächeln lag auf den Zügen des alten Mannes, nickend gab er ihm zu verstehen, dass er ihn gehen ließ. Der Stählerne drückte flink die Klinke hinab und verließ eilig das Zimmer, in dem nun nur noch Krankheit und Trauer herrschte. „Aber…“, protestierte der Colonel und wollte dem Jungen hinterher, ihn aufhalten, als er eine warme Hand auf seinem Arm spürte, die ihn festhielt. Roys Kopf drehte sich fassungslos zu dem Mediziner hinab, warme, ruhige Augen trafen seinen Blick, bestimmend schüttelte der alte Mann sein graues Haupt, so dass sein schütter gewordenes Haar leicht durcheinander gewirbelt wurde. „Lassen Sie ihn gehen“, bat er mit leiser Stimme den jungen Colonel. „Ja, aber…“, begehrte dieser unwillkürlich. Leichte Unsicherheit flackerte in seinen Onyxaugen auf. „Sind Sie sich sicher? In seinem Zustand?“ Tiefe Besorgnis um die Rüstung machte sich in ihm breit. >Mir ist nicht wohl dabei, Alphonse alleine zu lassen…< „Es ist schon in Ordnung.“ Beruhigte ihn der Arzt, das sanfte Lächeln erhellte die Schatten in dem alten Gesicht. Väterlich klopfte er dem Jüngeren freundlich auf die Schulter, der ihn leicht verwundert musterte. „Er wird nichts Dummes anstellen, solange...“, er verstummte und eine gehaltvolle Pause entstand. Riza und Roy konnten sich augenblicklich denken, was der Mediziner zum Ausdruck bringen wollte, sie bemerkten, wie seine samtigbraunen Augen den Blonden im Bett unverwandt betrachteten. „... solange Edward noch am Leben ist.“ Wie auf Stichwort, fuhr eine gleißendhelle Zunge gen Boden. Ein heftiger darauf folgender Donner zürnte mit einer unglaublichen Kraft, die den Boden unter ihren Füßen erzittern ließ. Die Flasche im Halter klirrte leise an den metallenen Ständer und eine schwache Stimme, die sich im Grollen der Naturgewalten verlor, wisperte leise einen Namen. „Al…ototo…“ Ein gequälter Schrei, der mir sämtliche Nackenhaare auf meiner kalten, fröstelnden Haut aufstellte, hallte an meine feinen Ohren. Dadurch aufgeschreckt flogen einige laut krächzende, nachtschwarze Krähen in den wuterfüllten Himmel, die vor einigen Augenblicken noch Schutz in den Bäumen gesucht hatten. Erschrocken wandte ich mich ruckartig vom Fenster ab, an dem ich schon seit geraumer Zeit stand, meine Ellenbogen auf dem Sims abgestützt, hoffend darauf, dass alles gut ausging. Die Dunkelheit dort draußen, sowie in meinem Inneren beherrschte mein ganzes Sein, verschlang mich unbarmherzig. Zitternd und angsterfüllt knetete ich nun meine Finger, die eiskalt wie der klirrende Tod waren. Mein gepeinigter Blick glitt über die kleine Nachttischlampe, die neben dem Bett stand und unruhig flackerte, als wäre sie in den letzten Zügen ihres Lebens angekommen. >Wer hat da wohl geschrieen? Es hat nach einer Frau geklungen, ganz in der Nähe…< „Was ist da geschehen?“, wisperte ich nervös und knabberte total unruhig an meinen Fingernägel, die sonst sehr gepflegt waren, herum. Das war eigentlich gar nicht meine Art, aber es waren zu viele schlimme Dinge in den letzten Stunden geschehen, die mein seltsames Verhalten wohl mehr als alles andere rechtfertigten. Lauschend horchte ich auf, unwillkürlich näherte ich mich der Türe, mein Schatten begleitete mich wie eine unheilvolle Kreatur, hoffend mich gänzlich mit seinen gefährlichen Klauen zu zerreißen. Ich schüttelte diese schwarzen Gedanken von mir ab. Wichtiger war nun, von wo der Schrei hergekommen war. Mit einer Beklemmung, die mein Herz vollständig erschütterte, starrte ich auf die Wand, die in die Richtung von Edos Zimmer wies. Der Ruf war erschreckend nah erklungen, viel zu nah, genauer gesagt aus diesem Stockwerk. Nein, sogar aus diesem Flur… >Kann es sein? Ed?< Meine Pupillen schrumpften vor lauter Pein auf Stecknadelkopfgröße. Hatte Jemand im Zimmer meines temperamentvollen Cousins geschrieen, der schon seit Stunden mit dem grausamen Tod kämpfte und vielleicht gerade jetzt verlor? „Nein, nein, das darf nicht geschehen, nicht jetzt, nicht hier…ich will dich nicht verlieren…“, weinte ich leise, aber Momente später hämmerte ich mir vor lauter Wut die Fäuste auf die Schädeldecke. >Nein! Er lebt, er lebt!!< Ich schüttelte entrüstet über mich und meine grausamen Gedankenspiele den Kopf, versuchte diese Erinnerungen so tief wie es nur ging in meinen Sinnen zu vergraben. „Er darf nicht sterben…nicht so…ich werde das zu verhindern wissen, auch wenn ich meine letzte Kraft verbrauche, aber ich lasse Ed und Al nie im Stich!“ Verbissen versuchte ich mir einzubilden, dass der gequälte Ruf nichts zu bedeuten hatte, dass Jemand nur eine kleine Maus gesehen und sich erschreckt hatte. Aber ich wusste mit einer großen Beunruhigung in meiner Seele, dass dies der äußerst bitteren Wahrheit entsprach, dass mein blonder Bruder vielleicht doch die letzten Atemzüge seines kurzen Lebens schmeckte. Die schwarzen, hässlich kichernden Schatten kehrten zurück, lachten und freuten sich über meine wachsende Angst, die tiefe Wunden in meinem Inneren riss. Besorgt sprang ich auf die Beine, die sich wie Wackelpudding anfühlten. Mit einem wütenden Krächzen, dass sich nach einer zornigen Katze anhörte, schüttelte ich meinen gesamten Körper, um die kichernden Stimmen loszuwerden. Verstört wanderte ich in dem kleinen Raum auf und ab, mein hektischer Gang warf zerstückelt aussehende, geisterhafte Schatten an die Wand, die mir wieder gehässig lachend folgten, sie liebten es anscheinend mich immer grausamer zu quälen. Das Schließen einer Türe unweit meines Zimmers ließ mich ruckartig innehalten von dem ewigen und nutzlosen Hin- und Her. Ich hielt meinen Atem an, mein Blut raste in hohem Tempo durch meine Adern, kochend heiß vor Angst durchspülte es mein Gehirn, denn die darauf folgenden Schritte auf dem Flurboden erkannte ich. Metallisch klackten sie im Rhythmus meines tobenden Herzens, das fast zu Platzen schien. Eine riesige Welle voll Besorgnis und Kummer überspülte meinen Geist, der sich unweigerlich verkrampfte. >War das wirklich gerade Al? Warum hat er seinen Bruder allein gelassen?< Immer mehr kam mir der schrecklichste Verdacht auf, den ich seit langem tief in mir verbarg. >Ist es etwas Schlimmes geschehen, das, was ich nie wollte…Ist Ed tot?< „Alles deine Schuld…alles ist deine Schuld, du hast ihn auf dem Gewissen…“, lachten die schwarzen Stimmen und streichelten mich sanft. „Du hast deinen lieben Bruder auf dem Gewissen, auch damals schon hättest du ihn…“ >NEIN!< voller Wut zerraufte ich meine Haare, schüttelte wild meinen Kopf. Schon rannte ich an die Türe, um sie aufzureißen, nach meinem kranken Cousin zu sehen und ihm nötigenfalls zu helfen, sein Leben zu retten und ihn zu schützen. Aber ich wusste, die Aktion würde mir nichts bringen, der Colonel, First Lieutnant Hawkeye und auch Doktor Brown würden mich davon abhalten. Der alte Mann mit den gutmütigen braunen Augen wusste als einziger der Erwachsenen über mein Geheimnis Bescheid, er würde mit allen Mitteln zu verhindern wissen, dass ich Edward helfen konnte. „Was soll ich nur tun?“, meine Finger kratzten über das Holz, das leise wimmernd aufheulte. >Soll ich alles ignorieren und so tun, als wäre nichts geschehen? Däumchen drehen und warten, bis Ed vielleicht von selbst gesund wird? NEIN, das KANN ich NICHT! Und ich WERDE es auch NICHT!< „Ich werde alles für euch Beide tun, einfach alles!“ wisperte ich lautlos, meine Augen leuchteten mit einer Entschlossenheit auf, die alle anderen Gefühle auslöschte. „Ich hätte dich schon einmal fast verloren, ein zweites Mal passiert mir das nicht!“ Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als die Brüder zusammen lachen zu sehen, wie sie sich zusammen über den neuen Sonnenaufgang freuten, auch über die Tollpatschigkeit des anderen lächelten und ihn unterstützten. Es tat mir sehr weh, Edo und Al-chan so zu sehen. Al war am Boden zerstört, dass fühlte ich tief in meiner Seele. Und Ed…nie hatte ich eine Person kennen gelernt, die binnen so wenigen Stunden dem Tod so oft in die Augen gesehen hatte. Ich mochte mir nicht einmal in meinen schlimmsten Alpträumen ausdenken, wie lange es dauern würde, bis mein blonder Cousin wieder soweit genesen war, dass er wenigstens einige Schritte laufen konnte. Auch unter Einsatz der Schulmedizin würde es Wochen, wenn nicht sogar Monate dauern, bis er ganz gesund war. Ein lebenslustiger Mensch wie Ed, der gerne seine Zeit draußen verbrachte unter freiem Himmel, würde daran zerbrechen. Verwelken wie eine zarte Blume, der die Luft zum Atmen fehlte, das Licht um zu wachsen und das erfrischende Nass um den Durst zu stillen. Bis nur noch eine leere Hülle blieb, ohne Seele und ohne Leben. >Das kann ich einfach nicht zulassen!< Zu allem entschlossen packte ich die kühle Klinke und drückte sie mit Inbrunst nach unten. Seltsamerweise tat dies gleichzeitig Jemand auf der anderen Seite. Wer Lina da wohl besucht? Wird Ed es schaffen, sich endlich aus den Klauen der sadistischen Autorinnen zu befreien? XD Wird Al bald von seiner Pein erlöst? Tja, warten wir es mal ab...bis bald eure Lina und auch Mariko999 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)