Die Weiße Schlange von MorgainePendragon ================================================================================ Kapitel 30: Was getan werden muss... ------------------------------------ Madoka vermied mit aller Macht den Gedanken an die zurückliegenden Ereignisse, an das, was sie getan hatte. Sie hatte sich nach ihrer Tat völlig in sich selbst zurückgezogen, schrie und weinte innerlich und zeigte nach außen hin verbissene Entschlossenheit in der Art, wie sie versuchte sich reinzuwaschen. Dass sie dies in dem Schlamm und der Erde auf dem Hinterhof des „Chochin“ versuchte war ihr nicht bewusst gewesen. Sie war vollauf damit beschäftigt, ihre Hände reinzuwaschen – und machte sie nur noch schmutziger dadurch. Wieso ging der Dreck nicht weg? So viel Blut! Verdammt! Es ging nicht weg! Sie war Schuld. Sie allein war Schuld. An allem. Wäre sie nicht in diese Zeit gekommen, hätte sie Takeo und Shido-san nicht kennengelernt, dann wäre es niemals so weit gekommen und es hätte vielleicht auch nicht so viele unschuldige Opfer gegeben. Sie war Takeos Schwachpunkt und ihr wurde zum ersten Mal klar, warum er sie anfangs so gemieden hatte. Sie konnte es verstehen. Wäre er nur nie auf sie eingegangen… Aber was klagte sie andere an? Wäre SIE doch nie auf IHN eingegangen! Wäre sie stark gewesen und ihm fern geblieben… Sie war Schuld. Sie allein. So viele Menschen… So viele unschuldige Menschen waren ihretwegen getötet worden. Und sie selbst hatte auch getötet… Sie selbst hatte… Es war so grausam, so furchtbar, dass sie sich immer tiefer in sich selbst zurückzog. Ihr Äußeres wirkte in jenem Moment auf andere wie in Trance, wie in eine Art Wahn verfallen. Als sie wieder klar denken konnte, hatte sie sich in Shidos Armen wiedergefunden, verwirrt, verängstigt und unendlich traurig. Den klebrigen Fäden des Wahnsinns und der saugenden Schwärze der Verzweiflung war sie entkommen, dank der sanften, beruhigenden Worte Kanzakis, der sie in einer warmen Umarmung festhielt . Er sprach unablässig auf sie ein, sagte ihr, dass es nicht ihre Schuld gewesen sei, dass sie nicht anders hätte handeln können, dass es so oder so zu der Auseinandersetzung und zu diesem Bürgerkrieg gekommen wäre. Als könne er ihre Gedanken lesen fand er genau die richtigen Worte. Letzten Endes war ihr auch selbst durchaus klar, dass sie wohl kaum anders hätte reagieren können als Okita anzugreifen, wenn sie nicht in Kauf hätte nehmen wollen, dass dieser erst Shido-san und dann womöglich sie selbst tötete. Was sie getan hatte, war also nachvollziehbar. Vielleicht sogar gerechtfertigt. Aber in ihren Augen dennoch unentschuldbar. Sie hatte gar keine Wahl gehabt. Dennoch wusste sie, dass Okitas gebrochene Augen sie ihr Leben lang verfolgen, vielleicht nicht einen Alptraum mehr auslassen würden, in denen sie sie anklagend ansahen. Sie hatte jetzt Blut an ihren Händen, das sie niemals mehr würde abwaschen können. Wie sollte sie jemals damit fertig werden? Takeo tat es. Jeden Tag. Er versuchte zu verarbeiten, hinzunehmen, was er getan hatte. Ob nun einen Menschen oder viele: Sie hatten getötet. Das würde auch sie selbst von nun an ausmachen, ein Teil von ihr sein. Takeo lebte Tag für Tag um wieder gutzumachen, was er getan hatte, um zu sühnen und um zu schützen. Sie selbst musste ihren eigenen Weg finden, damit fertig zu werden. Sie musste sich von dem Gedanken lösen, dass das was sie getan hatte falsch gewesen war. Im Gegensatz zu Takeos früheren Taten konnte man dies wirklich als Notwehr ansehen, da hatte Shido schon Recht. Doch BESSER machte es das trotzdem nicht. Mit Abscheu schaute sie auf sich sebst herab. War das noch die Madoka, die sie immer gekannt hatte? Sie hatte sich so verändert. Es hätte doch bestimmt auch einen anderen Weg gegeben… Sie konnte es drehen und wenden wie sie wollte: Getan war getan. Sie konnte nicht rückgängig machen, was pasiert war. Sie musste nun lernen damit zu leben, genau wie Takeo es tat, nur auf ihre Art. Doch sie wusste, dass es noch eine sehr lange Weile dauern würde, bis sie das verarbeitet hatte. Vielleicht nie. Shido und Madoka stützten sich gegenseitig, als sie langsam Seite an Seite die Straße entlangschritten. Nach wie vor strömte der Regen in wahren Sturzbächen vom Himmel. Jedoch blitzte und donnerte es nun nicht mehr so häufig wie noch vor kurzem. Madoka war ein wenig verwundert, dass Shido sich noch so gut bewegen konnte. Er stützte sich zwar schwer auf die Schultern der jungen Frau, aber er ging dennoch aus eigener Kraft voran. Sie hatte gehofft, dass wenigstens Kanoe noch lebte. Aber als sie auf die Straße hinausgetreten waren brannte das Haus bereits wie ein gigantischer Scheiterhaufen, aus dem es kein Entrinnen mehr geben konnte. Shido stöhnte leise an ihrer Seite. Was sie in Kanzakis Augen gelesen hatte, nachdem er sie in die Realität und aus dem Wahn, in den sie verfallen war, zurückholte, hatte sie über die Maßen irritiert. Und loslassen wollte er sie in diesem Leben anscheinend auch nicht mehr, denn sie musste schon beinahe mehr als sanfte Gewalt anwenden, um sich aus seiner Umarmung zu lösen. Danach hatte er recht verlegen ausgesehen - und sie hatte sich bemüht die Situation zu überspielen. Irgendwie. Gemeinsam hatten sie das ohnehin bereits an vielen Stellen brennende "Aka-Chochin" verlassen. Sie hatten die grobe Richtung Hafen eingeschlagen, ohne indes wirklich zu wissen, wohin sie fliehen sollten. Die Fehde, der Streit zwischen den beiden politischen Gegnern, war in einen Bürgerkrieg ausgeartet, in den auch unbescholtene Einheimische mit hineingezogen wurden. Die halbe Stadt brannte. Und trotz des zu dieser Jahreszeit ohnehin bereits früher dämmernden Tages und der dunklen Wolkendecke am Himmel, herrschten beinahe grelle Lichtverhältnisse aufgrund der helllodernden Flammen, die sie umgaben. Es musste fast unmöglich sein jetzt noch zum Hafen durchzukommen. Gerade als Madoka das Gefühl hatte nicht einen Schritt mehr weiterzukönnen und die Last von Shidos Gewicht sie niederzuringen drohte tauchten am anderen Ende der breiten und jetzt menschenleeren Straße einige Gestalten auf. Eine von ihnen zog einen Karren hinter sich her, jagte nichtsdestotrotz mit Riesensätzen dahin. Eine andere saß auf einem großen, nachtschwarzen Pferd. Sie kamen schnell näher - und mit einem überraschten Ausruf erkannte Madoka den Halbdämon Yasha und ihre Freundin Aurinia. Shido-san hob langsam den Kopf. Seine Augen schienen aufzuleuchten, als die Gruppe näher kam. Madoka ließ ihn los, überzeugte sich jedoch davon, dass er aus eigener Kraft stehen konnte. Aurinia sprang von Akumas Rücken und lief auf Madoka zu. Die beiden Frauen umarmten sich kurz, aber sehr fest. "Mein Gott, ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist!", sagte Madoka atemlos - und umarmte die Yosei gleich noch einmal. Aurinia lächelte. "Dasselbe wollte ich auch gerade sagen. Yasha hat eure Herberge von weitem brennen sehen. Wir befürchteten schon das Schlimmste. Aber wie ich sehe bist du unverletzt." "Was nicht unbedingt mir zu verdanken ist...", murmelte Madoka und schaute kurz zu Shido-san zurück. Aber sie hatte nicht vor, Aurinia von Okitas Tod zu berichten. Nicht jetzt - und vielleicht überhaupt niemals. Manche Dinge blieben besser ungesagt. Dies war eine Sache, die sie mit sich selbst und allerhöchstens noch gemeinsam mit Kanzaki-san auszumachen hatte. So straffte sie sichtlich die Schultern und fuhr auf den fragenden Blick der Yosei hin nur fort: "Ein Trupp der Shinsengumi hat uns angegriffen. Shido hat mich gerettet, bevor das Feuer das Haus vollkommen eingenommen hatte. Soweit ich das beurteilen kann, sind wir leider auch die einzigen, die entkommen konnten." Aurinias Blick wurde schmerzlich. Sie sagte jedoch nichts. Madoka argwöhnte, dass die Yosei sehr wohl wusste, dass dies nicht alles war, was sie ihr erzählt hatte. Aber sie rechnete es ihrer außergewöhnlichen Freundin hoch an, dass sie nicht weiter in sie drang. Yasha hatte den Karren abgestellt und kam zu ihnen herüber. Einen Augenblick lang sah es so aus, als würde er das Mädchen ebenfalls umarmen wollen - doch er hielt sich zurück, nickte ihr nur zu. Beide, sowohl Aurinia als auch der Halbdämon, sahen schrecklich aus: Verdreckt, blutbesudelt und rußgeschwärzt. Sie selbst dürfte hier jedoch keine Ausnahme machen. Schuldbewusst fuhr sie zusammen und trat wieder an Shidos Seite, als sie bemerkte, dass er leicht schwankte. "Shido-san ist schwer verletzt, wir sollten..." "Ich sehe mir das mal an. Allerdings sollten wir zunächst aus der Stadt verschwinden. Legen wir ihn zu den anderen auf den Wagen und dann nichts wie raus hier!" Aurinia trat ohne weitere Erklärungen an Shidos andere Seite. Yasha bedeutete Madoka, dass er sie ablösen wolle und half der Yosei dabei, den jungen Mann zum Wagen hinüberzuführen. "Yasha, Aurinia, habt ihr Takeo gesehen? Wie ist es euch am Hafen ergangen?" Madoka lief neben ihnen her und versuchte einen Blick in ihre Gesichter zu erhaschen - doch zumindest der Halbdämon wich ihr aus. Und Aurinia sah auch nicht gerade glücklich aus, als sie Madokas Blick erwiderte. "Wieso... sagt ihr nichts? Was ist..." Sie hatten den Karren erreicht und umrundet - und jetzt sog die junge Frau scharf die Luft ein. Mit einem einzigen Satz war sie auf dem Wagen. "Takeo! Um Himmels Willen! Takeo, was ist passiert!" Sie hatte sich über ihn gebeugt, barg sein Gesicht in ihren Händen. Aurinia und Yasha halfen Shido dabei, sich auf den Karren zu setzen. Auch Shido-san hatte sich besorgt zu seinem Freund herumgedreht - wobei sein Blick auch auf den bewusstlosen oder schlafenden Shigeru fiel. "Was ist mit...?" "Sie leben. Beide.", unterbrach ihn Yasha. "Aber auch sie sind ziemlich schwer verletzt." Er drehte sich herum, um erneut nach der Deichsel des Wagens zu greifen. Während er den Karren in Bewegung setzte murmelte er etwas, das sich anhörte wie: "Verletzt wie beinahe jeder hier von uns..." Rumpelnd setzte sich der Wagen in Bewegung. Aurinia lief neben dem Karren her, Akuma am Zügel. Madoka, die ob des beengten Raumes auf dem Wagen beinahe über Takeo hockte, permanent bemüht ihn ihr Gewicht nicht zu sehr spüren zu lassen, hatte keine Augen mehr für das, was um sie her geschah. "Takeo...", flüsterte sie. Shido sah zu ihr hinüber - und verspürte einen tiefen Schmerz irgendwo in seiner Brust, der nicht mehr aufhören wollte. Er ballte die Hände zu Fäusten. Er durfte nicht darüber nachdenken. Takeo war sein bester Freund. Er sollte sich lieber Gedanken über dessen Gesundheitszustand machen, als ihn um Madoka zu beneiden. Doch erst als sie die Stadt hinter sich gelassen hatten, den dunklen Rand des nahen Waldes bereits vor sich, erlangte der junge Samurai scheinbar sein Bewusstsein wieder zurück. Takeo zuckte zusammen, als hätte er einen bösen Traum, und öffnete mit einem Ruck seine dunkelblauen Augen. Madoka saß einfach da und starrte ihn an - unfähig sich zu rühren, so erleichtert war sie. Takeo richtete sich mühsam auf seine Ellenbogen auf, schloss jedoch erneut gequält die Augen, als Kopfschmerzen ihn aus heiterem Himmel zu überfallen schienen. Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und seufzte abgrundtief. Erst dann öffnete er erneut die Augen, sah sich aufmerksam um - bis sein Blick auf Madoka fiel. Sie sahen sich an. Es waren keine Worte nötig um das zu beschreiben, was sie nun empfanden oder um das auszudrücken, was sie sich nun sagen wollten. Takeo setzte sich vollends auf, ohne jedoch den Blickkontakt zu ihr abzubrechen. Er griff nach ihr und zog sie an sich. Ihre Schultern zuckten, als sie stumm an seiner Brust weinte, zu erleichtert, um irgendetwas sagen zu können. Er vergrub sein Gesicht in ihrem Haar, flüsterte leise beruhigende Worte. Dann küssten sie sich. Sie küssten sich so heftig, als würde die Welt vor ihrem Untergang stehen und als gelte es, dem anderen noch ein allerletztes Mal zu zeigen, wie nahe man ihm sein wollte. Mit säuerlicher Miene wandte Shido den Blick ab, sah nach vorn. Als sie den Waldrand erreichten sprach Takeo Yasha an: "Warte bitte, halt an!" Ohne auf die Proteste seitens Madoka und auch Aurinia zu achten kletterte er vom Wagen und kam auf den Halbdämon zu, der tatsächlich stehen geblieben war. "Wo ist Mamoru?" Yasha sah ihn verständnislos an. "Was?" "Mamoru! Wo ist er? Du hast ihn doch wohl nicht am Hafen..." "Jetzt hör mir mal sehr gut zu, Kleiner!", knurrte der Halbdämon äußerst ungehalten. "Es galt dein Leben zu retten, falls du das verdrängt haben solltest. Denn Saito schien die unheimliche Version eines Steh-Auf-Männchens verschluckt zu haben und wollte dich just in dem Moment köpfen, als ich dich fand! Ich habe dich da rausgeholt, verdammt nochmal! Da konnte ich doch nicht noch eine Leiche..." Takeo trat vor und schlug ihm jäh die Faust ins Gesicht. Doch Yasha wirkte nicht im Mindesten überrascht. Er wich nicht zurück. Im Gegenteil: Er hob die Hand und verpasste dem jungen Mann eine schallende Ohrfeige, dass sein Kopf herumgerissen wurde und das lange Haar nur so flog. Takeo taumelte und keuchte, jedoch eher vor Überraschung, als vor Schmerz. Yasha folgte ihm, riss ihn am Kragen zu sich heran, bis sich ihre Nasen beinahe berührten. "Du bist so ein Vollidiot! Jetzt komm mal wieder runter! Was hätt ich denn machen sollen? Ich hatte die Wahl - du oder dein toter Bruder! Ich habe mich für dich entschieden! Und Saito..." "Zum Teufel mit Saito! Ich werde meinen Bruder NICHT DORT UNTEN LIEGEN LASSEN, verstanden?", schrie Takeo zurück. Mit einem Ruck löste er sich von Yasha. Madoka schaute entsetzt auf die Szene. Sie warf Aurinia einen fragenden Blick zu. Diese schüttelte nur leicht den Kopf. Später. Sie würde ihr später berichten, was sich am Hafen zugetragen hatte. Madoka konnte es nicht fassen. Mamoru war tatsächlich tot? Hatte Takeo... Nein. Sie warf nur einen einzigen Blick in sein von Trauer gezeichnetes, verzweifeltes Gesicht und wusste, er konnte es nicht gewesen sein der Mamoru getötet hatte. Nicht Takeo. "Tu jetzt nichts Unüberlegtes, Takeo.", sagte Yasha nun etwas ruhiger. "Lass es gut sein. Wir können es nicht mehr ändern. Komm schon, wir werden im Wald Gelegenheit dazu haben eure Wunden zu versorgen und über alles zu reden..." "Ich fürchte, du hast mich nicht verstanden.", unterbrach ihn Takeo, nun auch sehr viel ruhiger und mit einer Endgültigkeit in der Stimme, die scheinbar nicht nur Madoka Angst einjagte. Aurina trat vor. "Takeo, bitte, lass es sein. Der Hafen... Es brennt buchstäblich überall dort unten! Selbst wenn du es schaffst dorthin zurückzukehren, so glaube ich kaum, dass dein Bruder nicht schon selbst ein Opfer der Flammen geworden ist." Takeo sah sie mit einem traurigen Lächeln an. Und nicht nur sie. Einen nach dem anderen sah er an mit einem Blick, der an Inbrunst und Trauer alles übertraf, was Madoka je gesehen hatte. "Ich habe gar keine andere Wahl als zurückzukehren. Ich... habe es ihm versprochen. Ich bin es ihm schuldig. Ich darf ihn nicht schon wieder im Stich lassen..." "Ich glaube, DU hast immer noch nicht verstanden, dass Mamoru tot ist! TOT!", sagte der Halbdämon nun heftig. "Es ist ihm wahrscheinlich völlig egal, was..." "Seine Seele wird mich von diesem Tag an bis in alle Ewigkeit verfolgen wenn ich es nicht tue, Yasha!", unterbrach ihn Takeo mit grimmiger Entschlossenheit. "Ich schwöre, noch einmal werde ich ihn NICHT im Stich lassen!" Yasha schwieg. Er schüttelte den Kopf. "Du musst wissen, was du tust.", sagte er dann nur. "Aber komm nicht hinterher angelaufen und beschwer dich bei mir. Noch einmal werde ich dir den Arsch nicht retten." Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah weg. Takeo ging zurück zum Wagen, wo auch Akuma wartete. Da er sein Schwert am Hafen zurückgelassen hatte, richtete er seine beiden kürzeren Kodachi im Gürtel zurecht, machte sich bereit aufzubrechen. Shido erhob sich. Mit schweren Schritten trat er neben das Pferd und legte eine Hand auf dessen bebende Flanke. "Ich komme mit dir." Nicht nur Takeo blickte vollkommen verständnislos drein. "Shido, du..." "ICH KOMME MIT!", wiederholte er, diesmal noch nachdrücklicher, und als Madoka etwas sagen wollte fiel er ihr ins Wort: "Und ich werde KEINEN WIDERSPRUCH AKZEPTIEREN!" Takeo schüttelte den Kopf. "Du wirst es wahrscheinlich nicht überleben, mein Freund.", sagte er leise, jedoch äußerst pragmatisch. Er sah es so, wie es nun einmal war - nicht anders. "Das ist mir klar.", antwortete Shido-san und sein grimmiger Blick war direkt auf Madoka gerichtet. Diese stand stocksteif da, starrte ungläubig zurück. Takeo war einen Moment lang irritiert. Er sah zu Madoka und wieder zurück zu seinem Freund. Was ging hier vor? Madoka schüttelte in schwachem Protest den Kopf. Aber Shido kletterte bereits umständlich auf Akumas Rücken. Es bereitete ihm eindeutig Schmerzen - und ihm musste klar sein, dass er Takeo eher behindern würde, als dass er ihm half. Aber er schien beinahe fliehen zu wollen von diesem Ort - oder vor den Personen, mit denen er hier zusammen war... Takeo runzelte die Stirn. Es hatte wohl keinen Sinn mehr ihm das ausreden zu wollen. "Wie in alten Zeiten, Ta-chan. Komm schon.", meinte Shido durch zusammengebissene Zähne. Er reichte die Hand zu ihm hinunter, die Takeo wohlweislich ignorierte. Er würde seinen Freund eher vom Pferd herunterziehen als sich zum ihm hinauf. Und dann kam natürlich was kommen musste. Takeo hatte nicht geglaubt, dass eine Stimme solchen Schmerz in ihm verursachen konnte. "Geh nicht hin, Takeo... Bitte..." Ganz, ganz langsam drehte er sich zu der jungen Frau herum - und sie war ihm noch nie so entrückt, so schön vorgekommen wie jetzt, wo sie in das ferne Licht des Feuers getaucht zitternd vor ihm stand. Über und über mit Dreck und Blut bedeckt, das dunkle Haar fiel ihr lang und feucht über die großen, angstvollen Augen. Dennoch - er konnte nicht anders als sie schön zu finden. Auch in diesem einen, zeitlosen Augenblick. Er liebte sie. Und dennoch würde er ihr noch einmal wehtun müssen... Ohne Worte trat er auf sie zu und umarmte sie innig. "Madoka, geh und suche die Lichtung, den Weg zurück nach Hause. Kehr zurück. Dies ist keine Welt in der du leben möchtest.", flüsterte er leise. Madoka zuckte zurück. "Hör auf dich zu verabschieden, Takeo!", erwiderte sie heftig. "Ich werde auf dich warten! VERSPRICH mir, dass du zurückkehrst!" Takeo strich zärtlich eine Haarsträhne aus ihren Augen. "Ich tue mein Bestes. Aber jetzt musst du mir auch etwas versprechen." Er sah ihr tief in die Augen. "Sollte ich dennoch nicht zurückkehren..." "Hör auf! Hör auf so etwas zu..." Doch Takeo ließ sich nicht beirren: "SOLLTE ich nicht zurückkommen, versprich mir, dass du in deine Welt, in deine Zeit zurückkehrst. Geh zurück nach Hause, Madoka-chan. Du hast schon zu viel Leid erfahren müssen." Er hob den Kopf und begegnete dem ernsten Blick Aurinias, eine stumme Frage in den Augen. Aurinia nickte leicht. Sie würde Madoka helfen, den Rückweg zu finden. Madoka weinte schon wieder. Ach, diese ganze, verdammte Geschichte war ein wahrer Alptraum! Sie war eine erbärmliche Heulsuse! Aber dieses ganze Chaos hier raubte ihr wahrhaftig noch den letzten Nerv. Nicht zum ersten Mal wünschte sie sich voller Inbrunst jetzt in ihrem Bett zu Hause aufzuwachen und festzustellen, dass es wirklich nicht mehr gewesen war als ein Alptraum... Wieder in ihrer Zeit - sollte sie je zurückkehren - würde sie NICHTS mehr wirklich erschüttern können. Sie hatte in dieser Welt die Tränen eines ganzen Lebens vergossen. Aber hier hatte sie auch erfahren, was es hieß wirklich zu lieben. Takeo zog sie an sich und küsste sie sanft. Sie erwiderte die Berührung liebevoll, schmeckte Salz auf ihren Lippen, von dem sie sich nicht sicher war, ob es wirklich nur von ihren eigenen Tränen stammte. "Takeo... Ich liebe dich. Ich werde so lange warten, bis ich weiß ob du zurückkommst oder... Ich... Ich würde bis zum letzten Tag auf dich warten." Er strich ihr noch einmal zärtlich durchs Haar. Sie fasste nach oben, ihre Finger verflochten sich ineinander und er drückte ihre Hand. Dann drehte er sich mit sichtlicher Überwindung herum. Ihre Hände glitten auseinander, verloren einander, und sie sah ihm hilflos dabei zu, wie er sich in den Sattel Akumas schwang. "Shido-san!", rief sie leise. Der junge Mann wandte ihr sein regennasses Gesicht zu. Er glaubte zu wissen, was nun kam - und er wappnete sich. "Bitte hilf ihm! Schütze ihn! Und seid vorsichtig..." Ihre Stimme versagte. Doch Shido antwortet nicht. Er sah Madoka nur stumm an. Dann nicke er knapp. Als Takeo dem Pferd die Zügel gab und sie in Richtung Stadt verschwanden warfen beide nicht einen Blick zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)