Kreaturen der Nacht von Hoellenhund (Kurzgeschichten) ================================================================================ Leben beglichen mit Leben ------------------------- Kalte Hände packten sie bei den Armen und zogen sie durch die Stadt. Die Sonne hatte ihr Antlitz längst hinter dem Horizont verborgen und nur die altmodischen Straßenlaternen versprühten vereinzelte Lichtfunken in der vollendeten Dunkelheit. Mond und Sterne lagen unter dicken Wolken vergraben, als hätten sie Angst auf die Erde hinabzublicken. "Nicht so grob", fuhr sie den Mann zu ihrer Rechten an. Augenblicklich lockerte er seinen Griff, bugsierte sie jedoch nicht minder ruppig weiter. Auf ihrem Weg begegnete dem Gespann aus einem halben Duzend Männern und einer Frau niemand nennenswertes. Nur ein Mal kreuzten Sie den Weg zweier Polizisten. Sie konnte beobachten, wie der eine dem anderen mit dem Ellenbogen in die Rippen stieß und auf sie deutete. "Wieder eine Blutmaid", sagte er. Das Wort "Blutmaid" verriet ihr, dass die beiden Polizisten ganz genau über das Geschehen informiert waren und doch schritt niemand ein. ,Fein', dachte sie und biss sich verärgert auf die Unterlippe, ,Nun lassen wir uns schon von Vampiren herumschubsen. Arme Menschheit.' Sie gab eine Sekunde nicht Acht und stolperte über ihr langes, dunkelrotes Kleid. Beinahe wäre sie gestürzt, doch die Männer, die sie führen, hatten sie gehalten. "Pass gefälligst ein bisschen auf", knurrte der eine. Sie schnaufte zur Antwort nur abschätzend und ließ sich weiter durch die Gassen führen. Nach kurzer Zeit konnte sie einen Mann an einer entfernten Steinmauer lehnen sehen. Er war bleich und trug einen schwarzen Mantel, was ihm das Aussehen eines Sektenmitgliedes verlieh. Doch sie wusste genau, wer er war. Und zwar der Vampir, dem sie geopfert werden sollte. Während sie ihm immer näher kam, blickte sie ihm provokativ in die Augen. Der Vampir hielt dem Blick jedoch Stand und erwartete sie geduldig. Als sie nun vor ihm stand, gab er den Vampiren um sie her ein Zeichen und sie entfernten sich rasch einige Meter. Sie stand dem fremden Wesen nun so nah gegenüber, dass sie es hätte berühren können, hätte sie ihren Arm ausgestreckt. Noch immer starrte sie dem Vampir in die dunklen Perlaugen. Er weckte eine tiefe und jähe Abscheu in ihr. Er verengte die Augen zu Schlitzen. Ihm gefiel ihr arroganter Blick ganz und gar nicht. Dieses Menschenkind war unbestreitbar hübsch. Genau das, wonach er geschickt hatte. Sie hatte langes Blondhaar, das ihr glatt über die Schultern fiel und zu seiner Enttäuschung ihren Hals verdeckte. Zudem war sie gartenschlank, jedoch nicht so schlank, dass er befürchten musste, sie zu zerbrechen. Nur dieser Blick passte nicht in das vollkommen korrekte Bild der perfekten Blutmaid. Schnell vertrieb er diesen Gedanken. Sein Hunger nagte an ihm und so wollte er keine Zeit vergeuden. Langsam streckte er den Arm nach dem Mädchen aus, doch sie schlug ihn weg. "Fass mich nicht an", fauchte sie. Welch eine wiederborstige Blutmaid! So etwas hatte er in seinem ganzen Leben nicht erlebt und er wandelte schon sehr lange auf Erden. Sie war weder ehrfürchtig noch eingeschüchtert und das bereitete ihm Sorge. Er hatte das Gefühl, etwas stimmte nicht mit diesem Menschenkind. Und selbst wenn er sich irrte - würde ihm das Blut einer solchen Persönlichkeit wirklich munden? Seine Zweifel verdarben ihm allmählich den Appetit. Doch es half nichts. Er musste nehmen, was es gab oder er war zum Tode verurteilt. Erneut streckte er die Arme nach dem Mädchen aus, um sie an sich zu ziehen, doch wieder schlug sie nach ihm. Rasch bückte sie sich und schien an ihrer Strumpfhose zu nesteln. Schon nach einer guten Sekunde richtete sich wieder auf und zielte mit einem Revolver auf seine Brust. "So etwas wie du hast nicht das Recht zu leben!", schrie sie. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Er wusste nicht, mit was sie auf ihn zielte und ob es ihm wirklich gefährlich werden konnte. So versäumte er es den Vampiren im Umkreis das Zeichen einzuschreiten, zu geben. Schon einen Liedschlag später durchbohrte eine Silberkugel sein Herz. Er schrie kurz und schmerzerfüllt auf, dann erlosch das Leben in seinen Augen und er sank zu Boden. Das geschah im so Recht! Sie zitterte am ganzen Leib und ballte die Fäuste. Es war gut ihn zu töten, es war Recht. Langsam löste sich ihr Griff und der Revolver fiel klappernd zu Boden. War es wirklich Recht ein Lebewesen zu töten? Nein, das war es nicht und hierbei zählte nicht, wie böse diese Kreatur auch immer sein mochte. Die Wolkendecke zerriss und gab den Blick auf eine schmale Mondsichel frei. Von ihr aus fiel ein sanfter Lichtschimmer auf die Leiche des Vampirs hinab. War dies ein Zeichen Gottes? War es der Seele dieses Vampir gewährt in den Himmel aufzufahren? Vielleicht waren Vampire keine bösen Kreaturen, vielleicht waren sie nur anders. Anders als der Mensch. Langsam bückte sie sich und las ihre Waffe auf. Eine einzelne Träne floss ihr über die Wange. Dann zielte sie mit dem Revolver auf sich und drückte ab. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)