Nigredo von abgemeldet (Der Schatten des Lebens) ================================================================================ Kapitel 1: Auferstehung ----------------------- Dies ist mein erstes Fanfic, also habt Geduld mit mir und nehmt mich nicht so hart ins Gericht. ^_^ Wäre schön, wenn ihr zu diesem ersten Kapitel Kommentare schreiben würdet, damit ich weiß, ob Interesse besteht und wie ich mich überhaupt als Schreiberling mache. Schatten des Lebens - Der Tod ist ein Portal I. Kapitel Die Nacht war kalt. Wäre der Himmel nicht wolkenverhangen, der Vollmond hätte geschienen und sein kaltes Licht hätte sich in den Pfützen widergespiegelt. Doch so war es finster und still. Der Regen hatte die Kälte des Herbstes mitgebracht. Irgendwo winselte ein Hund, wehe jedem der draußen bleiben musste. Kyo gehörte zu den Glücklichen, denen es beschieden war, die Nacht in einem warmen Bett in einer eigenen Wohnung verbringen zu können. Doch glücklich war er nicht, er durchlebte seinen ganz persönlichen Horror. Ihn quälten Alpträume. Regelmäßig erwachte er schweißgebadet, von nächtlichen Heimsuchungen geplagt. Auch in dieser Nacht schreckte er wieder hoch, seine Decke hatte er schon längst vom Bett gestrampelt. Ohne dass er sich an Einzelheiten erinnern konnte, hielt eine unbestimmte Angst sein Herz umkrallt. Kyo hatte das Gefühl, auf der Flucht gewesen zu sein und gerade erst wieder in sein Schlafzimmer zurückgekehrt zu sein. Zittrig lies er sich auf das Kissen zurückfallen und atmete schwer. Normalerweise sollte er dankbar für diese Eingebungen sein, immerhin war es seiner ausgeprägten Fantasie und Paranoia zu verdanken, dass die düsteren Geschichten seiner Texte nur so aus ihm heraussprudelten. Schade, dass das nur so eine Redensart ist und nichts wirklich heraussprudelt, um fortan auf dem Papier gebannt zu sein, dachte er bitter. Wie schon so oft fühlte sich der Sänger ausgebrannt, am Ende seiner Kräfte. Und doch, irgendwie ging es immer noch weiter, als wäre das Leben ein Karussell und er eine Stoffpuppe, die willenlos mitgeschliffen wurde. Es war ihm, als bestünde eine Glaswand zwischen ihm und der realen Welt, er konnte nicht so leben wie andere. Seine eigene Welt, eine grauenvolle und finstere Seite, lauerte hinter seinen Augen wie hinter einem schwarzen Spiegel. Wartend. Lauernd. Siegesgewiß. Irgendwann würde sein Wahn ihn verschlingen, zu lange schon hatte er sich relativ stabil am Rande des Abgrunds halten können. Stück um Stück rückte die Schwärze auf ihn ein, flüsternd, lachend, summend. Durch seine Augen war das Leben bar jeglicher Schönheit, er sah Verfall überall, all dieser Tod um ihn herum, das Leid und der Schmerz so vieler ungezählter Wesenheiten und alles schien auf ihm zu lasten. Immer, wenn er allein war - und das war er oft - und meistens nachts, kamen die Schatten aus den Ecken und trieben ihn vor sich her. Aus diesen seinen dunkelsten Stunden entsprangen seine Texte und Millionen Hörer kannten sie und wussten trotzdem nichts - ahnten nichts von der Massivität der Attacken, denen Kyo zu widerstehen hatte. Das Leben könnte eigentlich fast schön sein..., dachte er. Er beneidete all die anderen Leute, die ihr kleines Leben lebten, wie Pantoffeltierchen in einem wunderbaren Nebel schwammen und sich niemals Gedanken machten über Sinn und Zweck des Ganzen. Und der Endlichkeit. Kyo war zu der Überzeugung gelangt, dass das Geheimnis des Lebens ausschließlich darin bestand, dass es endete. Ich möchte auch so sein, unwissend und blind. Warum ist ihn mir nur Dunkelheit und diese entsetzliche Leere? Bitteres Flüstern. Niemand ahnte, wie müde er war, wie ausgebrannt. Die Unfähigkeit, Freude zu empfinden, Zufriedenheit oder Glück zehrte an seiner Seele, jeden Tag ein wenig mehr. Der zierliche Japaner grübelte mit offenen Augen und starrte in der Dunkelheit an die Decke. An Schlaf war jetzt ohnehin nicht mehr zu denken, also schwang er die Beine über den Bettrand und schlurfte ins Bad, um sich kaltes Wasser ins Gesicht zu schöpfen. Über dem Waschbecken hing ein Spiegel. Wie ein Fremder sah er aus. Mit Augen wie zwei schwarze Löcher und Haare, die wie bei einer billigen Scheuerbürste wild vom Kopf abstanden. Schwarze Haare, ach ja. Manchmal wusste er schon gar nicht mehr, wie er gerade auf dem Kopf aussah, so schnell änderte sich die Farbe und Frisur in letzter Zeit, als gelte es, einen Rekord auszustellen. Doch keine äußerliche Veränderung schien ihm gerecht zu werden, keine Verstümmelung, die Kyo sich zufügte in der Vergangenheit, reichte aus, um das Maß seiner Erschütterung auszudrücken oder ein Gefühl der Lebendigkeit zu wecken. Nun hatte er auch das aufgegeben. Tätowierungen zierten seinen schmächtigen Leib und da, wo Piercings seine Züge schmückten, waren jetzt noch kleine Löcher in der Haut zu sehen. Die nasse Hand versuchte vergeblich, sein struppiges Haar zu bändigen. Lieber Augenringe als gar kein Schmuck, dachte er grimmig und wankte zurück zum Bett. Gerade noch rechtzeitig, um den Schatten wahrzunehmen, der sich vor seinem Fenster erhob und das Kratzen am Fenster, wie von einem kleinen Zweig. Und fort war es. Kyos Herz machte einen Satz. Was war das, konnte jemand vor seinem Fenster lauern? Unsinn, schalt er sich, er wohnte immerhin im 13. Stock, direkt unter dem Dach, da konnte nichts sein. Man konnte nur jedem raten, die Feuerleiter nicht zu benutzen, wenn derjenige am Leben hing. Rasch schritt er ans Fenster und spähte in die finstere Nacht. Der einsame Schein einer Laterne erleuchtete das Pflaster untern und der Mond blitzte manchmal durch dichte Wolkenbänke. Nichts. Der Sänger drehte sich wieder zum Bett um und wollte unter die Decke kriechen, aber ein jäher Blitz durchfuhr seinen Geist wie eine glühende Nadel. KYO! hallte es in seinem Kopf. Der Schreck ließ ihn senkrecht auffahren. Jetzt war es also endlich passiert, er war nun wirklich durchgeknallt. Die Stimme in seinem Kopf war laut und zugleich tonlos gewesen, weder männlich noch weiblich noch Sprache an sich. Kyo presste seine Hände auf seine Ohren, als könne er damit die Stimme in seinem Kopf aussperren. Seine Fantasie hatte ihm schon einige Streiche gespielt, ganz besonders wenn Alkohol im Spiel war, aber das hier war anders. In seinen Gedanken formte sich ein Impuls, ein Bild in seinem Kopf suggerierte ihm, die Antwort fände er auf der Dachterrasse dieses Hauses. Gedanken, die nicht die seinen waren, drängten ihn, das Dach zu betreten. Begleitet wurden diese Bilder von einem warmen Gefühl, etwas Vertrautes, das ihm sagte, er müsse keine Angst haben. Und auch wenn er es selbst nicht für möglich gehalten hätte, beruhigten sich seine Nerven und er merkte wie er sich entspannte. Keine Gefahr, das hatte die Stimme ihm versprochen. Mechanisch bewegte er sich zur Tür und trat in den dunklen Korridor. Ohne Licht erklomm er die Stufen zum Dach. Die Tür zur Dachterrasse war nicht verschlossen, da öfter jemand an der Antenne zu schaffen hatte, besonders während der Nistzeit im Frühjahr oder während der heftigen Herbststürme. Kälte empfing ihn und seine nackten Füße trafen auf Wasserlachen. Kyo hatte sich weder einen Mantel über den Pyjama gezogen noch zeit für Schuhe gehabt, aber er gewahrte von alledem nichts. Der kalte Wind zerrte an seinen dünnen Kleidern wie an einer Fahne und seine Füße begannen schon zu schmerzen, aber er spürte es nicht. Seine gnaze Aufmerksamkeit wurde von einer Gestalt gefangengehalten. Eine dunkle Silhouette stand an der niedrigen Mauer, die die Dachterrasse umfing. Kyo fühlte die Anwesenheit aus seinem Kopf jetzt als Kribbeln im Bauch und der Schock des Erkennens traf ihn wie ein Keulenschlag, als sich die einsame Gestalt langsam zu dem Neuankömmling umdrehte. "h-hide!" hauchte Kyo fassungslos. "Ich habe auf dich gewartet. Ich bin zurückgekommen." Ein kleines Lächeln umspielten hides Lippen, aber seine Augen blieben ernst. Der Mann, der sich nie für "keine große Sache" hielt und deshalb stets Wert darauf legte, dass sein Name klein geschrieben wurde, gab Kyo Zeit, sich von seinem Schock zu erholen. Sein Haar, obgleich so strahlend rosarot wie eh, war nicht kunstvoll frisiert, es hing ihm in losen Strähnen ins Gesicht, der Wind spielte damit. Seine Haut war sehr bleich: Er war so fahl, dass er aussah wie ein Geist, aber seine Augen waren umschattet wie bei einem Waschbären. Hides Lippen zeigten die Farbe eines Blutergusses, bläulich violett und irgendwie blutleer. Seine Kleidung war enganliegend und pechschwarz und dort, wo die Schlinge um seinen Hals gelegen hatte, war ein dunkel angelaufener Abdruck erkennbar. Kyo überwand seine Überraschung erstaunlich schnell und sein gesicht verzerrte sich vor Wut, als er hide anfauchte: "Du! Wie konntest du uns das antun - wie konntest du mir das antun! Hast mich im Stich gelassen als ich so sehr einen Mentor gebraucht hätte! Du hast deinen Tod also nur gespielt, um dich aus dem Staub zu machen. Was willst du von mir?" hide blickte ihn gerade in die Augen. "Nein, Kyo. Ich starb damals in diesem Bad. Und nun habe ich die Schwelle des Todes erneut überschritten, um zurückzukehren." "Du lügst! Ich hasse dich, du verdammter Bastard!" Und ehe hide etwas erwidern konnte stürzte sich Kyo wie rasend auf ihn und begann, hide mit ungezielten Schlägen und Tritten zu traktieren, doch dieser blieb ungerührt. In einer fließenden Bewegung packte er den Kleineren und schlang seine Arme von hinten um dessen Brustkorb, um ihn an weiteren Aktionen zu hindern. Hides Kraft war schier unglaublich, mühelos hielten seine Arme Kyo wie eine Stahlklammer umfangen. Kyo stammelte und in seinem Erinnerungsschmerz glitt er schnell in die Hysterie. Er versuchte, um sich zu schlagen, aber seine Aggression richtete sich gegen niemand bestimmten mehr. Schließlich verebbte sein Protest und sein hagerer Körper erschlaffte in hides Umarmung. Kyo spürte die Eiseskälte des an ihn gepressten Körpers durch den dünnen Stoff seines Pyjamahemdes. Kein Herzschlag pochte in der Brust, des Mannes, die sich weder hob noch senkte, dessen Gesicht keine Regung verriet. Wie konnte Kyo nur für eine Sekunde geglaubt haben, dieser Körper sei lebendig? hide war tot und doch war er hier, so nah, so wirklich. Als Kyo sich beruhigt hatte, ließ hide ihn los. Kyo machte sich gar nicht erst die Mühe, die Nässe seiner Tränen von den geröteten Wangen zu wischen. "Du kannst nicht hide sein! Das ist unmöglich." "Wenn ich nicht er bin, wer bin ich dann?" "Dein Körper existiert nicht mehr. Sie haben dich verbrannt - vor 6 Jahren!" hide runzelte die Stirn. Ein schiefes Lächeln erschien auf seinen Lippen. "Verbrannt? Ich kann mich gar nicht erinnern, so einen Wunsch in meinem Testament geäußert zu haben..." Unwillkürlich musste Kyo grinsen. In diesem winzigen Moment erinnerte der Mann, der vor ihm stand, ihn so sehr an hide, daß es ihm einen Stich versetzte. Er hatte hides Humor immer sehr gemocht. Der Moment ging vorüber und hides Züge wurden wieder ernst. Er umrundete Kyo, doch dessen Gedanken rasten noch immer, um das Unfassbare zu begreifen. Kyo schlotterte vor Kälte und Aufregung, seine bloßen Füße waren bereits taub durch den eisigen Boden und seine Zähne schlugen hörbar aufeinander. "Aber wie..." hob Kyo an, doch weiter kam er nicht. Hide legte ihm von hinten die Hand über die Augen, sie fühlte sich kühl und leicht wie frisch gefallener Schnee an. "Sssscchht," hauchte er in Kyos Ohr. Kyo verlor augenblicklich die Besinnung und klappte zusammen. Er wäre gestürzt, wären da nicht hides Arme gewesen, die ihn auffingen. Hide hob ihn auf und trug ihn hinunter in die Wärme seines Apartments zurück. Er wollte jetzt keine Fragen und Vorwürfe hören, es gab so Vieles, worüber er nachzudenken hatte. Sechs Jahre, dachte er, für mich schienen es nur wenige tTge gewesen zu sein, die ich fort war. Aber es spielte im Grunde keine Rolle, diese Welt war nicht mehr die seine und es würde kein Wiedersehen mit alten Freunden geben. Er hatte nur wenig Zeit für die Erfüllung seiner Aufgabe und er durfte nicht versagen. Er legte Kyo aufs Bett und beobachtete den schlafenden Körper gedankenversunken. Es schien ihm nicht gelingen zu wollen, eine Beziehung zu den Erinnerungen und Emotionen seines Lebens zu knüpfen. Es war, als gehörten sie einer anderen Person, total von seinem Ich abgekoppelt. Er spürte einen Nachhall in sich, eine Erinnerung an die Wärme, die er seinen Freunden entgegengebracht hatte, doch konnte er sie nicht mehr nachfühlen. Es herrschte nur Dunkelheit in seiner Seele. Keine Liebe, kein Hass und kein Schmerz schienen ihn je wieder erreichen zu können, doch waren gerade diese Empfindungen die treibende Kraft, die er brauchte. Hide war sich nicht einmal genau über die Chance im Klaren, die er erhalten hatte im Großen Spiel. Er wusste lediglich, dass er hier und jetzt die Möglichkeit hatte, sich den Eintritt in das Himmelreich doch noch zu verdienen, trotz des Lebens, das er genommen hatte - sein eigenes. Und er hätte wirklich alles versprochen und geopfert, nur um dem Limbus zu entkommen. Der Ort namens Nigredo blieb den gefallenen Seelen vorbehalten und war ganz anders, als sich die Menschen im Allgemeinen die Hölle vorstellen. Aber nicht minder schlimm. Hide wünschte, er könnte die Zusammenhänge verstehen, welche die Puzzleteile in seinem Kopf zu einem Ganzen fügten. Kyo begann, sich zu regen. Es war noch immer Nacht. Hide war eine verwaschene Silhouette vor dem helleren Rechteck des Fensters. Es war kein Traum, dachte er. "Wie - hast du das mit mir gemacht?" er blinzelte nach der Digitalanzeige seines Radioweckers. Knapp zwei Stunden war er außer Gefecht gewesen. "Ein Trick, nichts weiter." Hide machte eine wegwerfende Geste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)