Dark pieces of my mind von LadyButterfly (Dürstere und sonderbare Kurzgeschichten) ================================================================================ Kapitel 3: Der Weg in die Finsternis ------------------------------------ Er ging den Weg, den Weg der Schatten. Die Dunkelheit hatte ihn hergerufen, hier an diesen finstersten Ort, wo es nur noch den Tod gab. Still lag der Friedhof und weiße Nebelschwaden lagen zwischen den zahllosen, grauen Grabsteinen, die sich überall auftaten. Er ging den Weg, seinen Weg, der ihn hinab führte ins Reich des Vergessens. Hinab, dorthin wo der Hauch des Todes allgegenwärtig war. Er schritt die steinernen, von Moos überzogenen Stufen hinunter und stand schließlich vor dem gusseisernen Tor, das ihn von der Gruft noch trennte. Mit zitternder Hand, aber entschlossen, drückte er die Klinke herab und quietschend, aus einem langen Schlaf erweckt, schwang das Portal zu der befremdlichen Welt auf. Über ihm hörte er, wie Raben aufgeschreckt flatterten und mit ihren krächzenden Stimmen seinen Namen riefen: "Aucun!! Aucun!!" Schaudernd betrat er den Vorraum, der zu der eigentlichen Stätte des Todes führte. Schreckliche Schwärze umfing ihn, doch er fühlte sich dadurch beruhigt, denn auch er war die Schwärze, auch in seiner Seele wohnte sie. Er ging in der völligen Dunkelheit, von einer geheimnisvollen Kraft geleitet, zielsicher zu der weiteren Treppe, die in das endlose Labyrinth des Grabmahles überging, dessen Ende Aucun erstrebte. Denn dort wohnte sie. Ganze Teppiche von Spinnweben streiften sein Gesicht, als er die Treppe hinunter ging und auch im feuchten Gang, der darauf folgte, musste er sich seinen Weg mühsam bahnen. Mit jedem Meter, den er weiter fortkam, wurde die Dunkelheit um ihn größer und die Anwesenheit des Unerklärlichen wurde immer deutlicher zu spüren. Dieses Unbegreifliche leitete ihn. Wegen diesem wusste er, wann er rechts und wann er links abbiegen musste. Modriger Geruch war nun zu vernehmen und feucht war es, sodass sich Aucun sicher sein konnte, dass Salpeter ihn von den Wänden her vergiftete. Doch wollte er dennoch nicht umkehren. Er wurde zunehmend benommener und sein Körper war von einer eisigen Kälte befallen, doch sehnte er sich trotzdem nach dem finstersten Ort am Ende, denn er erhoffte sich Frieden für seine Seele. Heilung für sein gebrochenes Herz. Tausend und Abertausend Biegungen musste er machen, bis endlich ein Raume sich ihm auftat. Mit Tücher verhängt war dieser und von einem geheimnisvollen Lichte erleuchtet, für das es keinen Quell zu geben schien und das auch von einer unglaublichen Kälte erfüllt war, welche es unmöglich von dieser Welt kommen lies. Seiner unbefriedigten Sehnsucht weiter folgend, wehrte er mit den Händen die Tücher, die wie Geisterleiber, von der plötzlichen Bewegung erfasst, hin und her waberten, ab. Dies tat Aucun, bis er zum Zentrum des seltsamen Raumes kam. Dort blieb sein Atem ihm aus, denn unter der gigantischen, mit gotischen Bögen verzierten Kuppel saß auf einem riesigen, uralten steinernen Sarg sie. Sie, die er gehofft hatte zu finden. Mit einem blütenweißen, schleierhaften Gewand bekleidet und von unzähligen nebulösen Schmetterlingen umflattert, saß sie da. Die Ruhe selbst. Er ging auf sie zu. Sie war die Finsternis, in der er völlig versinken wollte, sie war die Schwärze, die seine Seele zu heilen vermochte, und sie war das Nichts, in dem er auf ewig schlafen wollte. "Aucun, ich habe dich erwartet.", erklang ihre Stimme tausendfach. "Aucun, dein Weg soll nicht vergebens sein." Ihr langes Haar fiel ihr pechschwarz auf die schmalen Schultern und die silbriggrauen Augen funkelten ihm wie zwei ewige Sterne entgegen. Er sagte kein Wort. Er vermochte es nicht. Nur seine Füße gingen vorwärts, Schritt für Schritt, immer ihr entgegen. Als er nahe genug gekommen war, stand sie auf und hob ihre kleinen, zarten Hände, die so weiß wie Papier waren. Mit den schlanken Fingern der rechten Hand strich sie ihm sanft über die Wange und sprach dann traurig lächelnd, während sie sein Gesicht mit beiden Händen umfasste: "Aucun, es ist bedauerlich, dass du meinem Ruf in so jungen Jahren Folge leisten musstest. Schade ist es um dein schönes Gesicht und deinen klugen Geist, doch deine schändliche Welt hat dich in so frühen Jahren verstoßen. Sie hat dein Wissen nicht anerkannt und deine zerbrechliche Seele mit Steinen beworfen. Abermillionen Tränen habe ich schon vergossen um diese unwürdige Schöpfung, doch zu ändern vermag ich nichts. Es ist mir nicht gegeben einzugreifen. Das Rad der Zeit drehet sich fort und ich warte auf die, die zu mir eilen, um Erlösung zu erlangen. Denn nur dies kann ich verschenken, den ewiglichen Schlafe aus dem es kein Erwachen gibt. Aucun, mein Kuss nimmt dir die Erinnerung an alles was war und schenkt dir die Ewigkeit." Er blickte in ihre Augen, die trotz aller Trauer darin von unglaublicher Schönheit waren, dann antwortete er ihr mit ausdrucksloser Stimme: "Herrin, ich weiß wohin ihr mich führet. Doch das ewige Vergessen ist, was ich ersehne. Das einzige ist es, was vermag mich zu erlösen von meiner unendlichen Qual. Ihr seid die einzige, an der es ist, mein Verlangen zu stillen. Deshalb kam ich, ungeachtet jedes Hindernisses, zu euch herab gestiegen. Euren Kuss erwarte ich, auf dass er mein zerbrochenes Herze heile." Sie nickte leicht mit dem Kopf, wobei Strähnen schwarzen Haares auf ihre Stirn fielen. Dann küsste sie ihn sanft und mit offenen Augen. Auch die seinen waren weit aufgerissen und schauten in die ihren. Seine gesamte Seele schien in diesen silbernen Seen zu versinken. Es war ihm, als würde sie aus ihrem sterblichen Leibe gerissen und in den Ewigen seines Gegenübers gesogen. Aucun spürte wie er schwächer und schwächer wurde und das Leben allmählich seinen Körper verlies. Als der letzte Funke seines irdischen Daseins erloschen war, wurden seine Augen ausdruckslos und die Frau strich mit ihren Händen darüber, um sie zu schließen. Nachdem dies geschehen war, lies sie den nun leblosen Körper Aucuns sachte zu Boden gleiten und als er auf dem schneeweißen Marmorboden lag, faltete sie ihm die Hände. Mit unendlich süßer, jedoch von Trauer bewegter Stimmer sagte sie: "In Pace requiescat." Dann wandte sie sich um und stieg von den Schmetterlingen geleitet zurück auf den steinernen Sarg. Dort verwischten ihre Konturen im Flattern der hauchdünnen Insektenflügel und ihr Körper entschwand dieser Welt. Zurück blieb nur Schwärze, denn das geisterhafte Licht nahm sie mit sich. Aucun lies sie im ewigen Schlafe zurück. IN PACE REQUIESCAT... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)