Mit dem Herzen sehen! von abgemeldet (Es ist nicht wichtig zu sehen, sondern zu fühlen) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- > Mit dem Herzen sehen! 'Wie konnten sie das machen?! Es war ihr Leben und es ging sie nichts an!' Innerlich tobte Angie vor Wut. Was um sie herum passierte, nahm sie überhaupt nicht mehr war. Erst der Zusammenstoß mit einer anderen Person riss sie aus ihrer Gedankenwelt, in der sie etliche Verfluchungen durchgegangen war. Die Wucht des Aufpralls war so heftig, dass sie sich auf dem Boden wiederfand. Da sie ohnehin nicht grade gut drauf war, hatte sie nun wohl jemanden gefunden, an dem sie sich etwas abreagieren konnte. Ohne aufzusehen, schimpfte sie los, "Kannst du nicht aufpassen wo du hinläufst?! Mach gefälligst die Augen auf!" Sie stand auf und brachte ihre Kleidung in Ordnung, die bei dem Sturz etwas gelitten hatte. Wieder würdigte Angie ihr Gegenüber keines Blickes. "Es tut mir Leid!" Ein leises Kichern war zu hören, "Ich denke aber nicht, dass es helfen würde, wenn ich meine Augen öffne!" Wie um die Aussage noch zu unterstreichen, folgte ein kurzes Bellen. Verwirrt über die Äußerung und das Gebell, blickte Angie nun doch zu ihrem Gegenüber. Es war ein Mädchen etwa in ihrem Alter. Sie stand tatsächlich mit geschlossenen Augen vor ihr. Angies Blick wanderte etwas tiefer, um auch die Quelle des Bellens ausfindig zu machen. Ein großer, weißer Schäferhund stand neben dem Mädchen. Dies war ja nicht weiter ungewöhnlich, wenn ihr nicht im selben Augenblick das Geschirr aufgefallen wäre, das der Hund trug. Es hatte einen Haltegriff, an dem sich das Mädchen festhielt. Blitzartig wurde Angie kreidebleich im Gesicht und wäre am liebsten einfach weggerannt. Erst jetzt hatte sie die Ironie in der Äußerung des Mädchens verstanden - sie war blind! Diverse Gedanken schossen ihr nun durch den Kopf, 'Wie konnte ich das nur zu ihr sagen? ... Was soll ich jetzt machen? .. Heute ist echt nicht mein Tag!' Wieder riss die Fremde sie aus ihren Gedanken, diesmal aber sanfter, "Ich hoffe du hast dir nichts getan?!" Angie brauchte einen Moment um wieder klar denken zu können... "Nicht passiert,... mir tut es Leid, ich... ich meine, ich hab nicht gesehen, dass du..." "Dass ich blind bin? Schon gut, ich weiß, was du meinst. Mach dir keine Gedanken. Ich bin Kiara und das ist Guardian." Sie deutete auf ihren vierbeinigen Begleiter. "Mein Name ist Angie." Sie streckte ihr die Hand entgegen, zog sie dann aber etwas verlegen zurück. Das Mädchen konnte ihre Geste ja gar nicht sehen. Unsicher blickte sie wieder zu dem Hund, dies war aber scheinbar keine gute Idee, denn der Vierbeiner schien sie nicht zu mögen. Als sich ihre Blicke trafen, fing er an zu knurren. "Tja, ich glaube dein Freund nimmt mir meine Unhöflichkeit doch übel!" "Kann gut sein! Guardian glaubt mich immer beschützen zu müssen und du scheinst ihm wohl gefährlich." Das Mädchen fing an zu kichern. Etwas verwirrt fragte Angie, die sich nicht sicher war, was denn so lustig war, "Warum lachst du? Glaubst du nicht, dass ich gefährlich bin? Ich meine, du kannst... also, du siehst mich ja nicht." " Es braucht dir nicht unangenehm zu sein, über meine Behinderung zu sprechen. Mich stört sie nicht und ich finde es viel schlimmer, von allen mit Samthandschuhen angepackt zu werden! Viele behandeln mich, als sei ich aus Glas." Mann konnte etwas Empörung aus ihrer Stimme hören, aber auch großes Selbstbewusstsein. Irgendwie faszinierte Angie dieses Selbstverständlichkeit der Fremden mit ihrer Behinderung umzugehen und ihr ganzes Auftreten. Sie wollte sie näher kennen lernen. "Sag mal. Darf ich dich vielleicht auf einen Kaffee einladen, quasi als Wiedergutmachung für meine Unhöflichkeit?" Kaum hatte sie das gesagt, machte Guardian energisch auf sich aufmerksam, in dem er einmal kurz bellte. "Natürlich nur, wenn Guardian es erlaubt!", fügte Angie schnell hinzu und schaute bestätigend zu dem Hund hinunter. Dieser machte ein zufriedenes Geräusch. Es schien also nicht ausgeschlossen, dass Guardian und sie sich doch noch anfreunden könnten. "Ich nehme sehr gerne an." Kiara schenkte ihr ein bezauberndes Lächeln, hackte sich dann bei ihr ein und meinte, "Du sagst wo lang!" Mit dem Lächeln würde sie überall mit ihr hingehen, schoss es Angie im selben Moment durch den Kopf. - Was war das, sie würde sich doch nicht etwa verlieben?... Warum eigentlich nicht? Das Mädchen war witzig, selbstbewusst und ausgesprochen hübsch! Sie musste etwas über ihre eigenen Gedanken schmunzeln und hatte plötzlich das Gefühl beobachtet zu werden. Sie sah zu Guardian hinüber, der rechts von seinem Frauchen ging, und richtig, auch er blickte sie an. Er schien sie vorwurfsvoll anzusehen, beinahe so, als hätte er ihre Gedanken gehört. Angie versuchte seinen Blick so unschuldig wie möglich zu erwidern und es sah so aus, als gäbe er sich damit zufrieden. Irgendwie war der Hund ihr unheimlich! Nach kurzer Zeit hatten sie ein kleines, gemütliches Café erreicht und nahmen an einem der Tische draußen platz. Nachdem sie sich beide einen Eiscafé und für Guardian eine Schüssel Wasser gestellt hatten, griff Angie ihre anfängliche Frage noch einmal auf, "Du hast meine Frage noch nicht beantwortet, warum glaubst du, dass ich für dich nicht gefährlich bin?" Diesmal war es Kiara, die ein wenig schmunzeln musste, "Das klingt ja fast beleidigt! Aber deine Stimme hat dich verraten!" "Meine Stimme?" "Ja, deine Stimme. Jemand mit einer so weichen, ruhigen Stimme kann nicht gefährlich sein... zumindest nicht in dem Sinne!" Sie musst ein wenig lachen und Angie verstand nur 'Bahnhof', ... zumindest nicht in dem Sinne?" "Ja, denn ich sagte nicht, dass du mir nicht gefährlich werden könntest!" Wieder hatte sie dieses bezaubernde Lächeln aufgesetzt, aber diesmal lag auch etwas anderes darin, das Angie nicht ganz deuten konnte. "Ich sagte nur, dass Guardian denkt, du seist gefährlich... und zwar für ihn." "Wie meinst du das? Hat er Angst vor mir?" "In gewisser Weise schon. Er hat Angst, dass du ihm den Platz streitig machst! Du musst nämlich wissen, er ist sehr eifersüchtig!" In dem Moment kam der Kellner und brachte den Eiscafé. Grade wollte Guardian protestieren, als ein zweiter Kellner mit seinem Wasser kam. Zufrieden schleckte er seine Schüssel leer. "Ich kann ihn verstehen!" Angie blickte grinsend auf den Vierbeiner, der sich wieder hingelegt hatte und nun döste. "Wen meinst du?" Nun war es Kiara, die ihr Gegenüber nicht verstand. "Guardian. Ich glaube, ich wäre auch eifersüchtig!" Das blinde Mädchen wurde etwas verlegen, ihre Wangen färbten sich leicht rot und sie senkte den Kopf etwas. Angie wusste nicht, wie sie diese Reaktion deuten sollte, "Es tut mir Leid, ich wollte dich nicht verunsichern!" "Das hast du nicht! Ganz im Gegenteil, ich fühle mich geschmeichelt. Das war echt süß!" Sie hatte ihren Kopf wieder gehoben und auch die Röte war etwas verblasst. Einen Moment später fing sie an verschwörerisch zu grinsen, "Guardian hat dir allerdings etwas voraus, bei ihm weiß ich, wie er aussieht, von dir kenne ich bis jetzt nur die Stimme." "Ich kann dir ja beschreiben, wie ich aussehe..." Weiter kam sie nicht, denn Kiara hatte ihr mit unglaublicher Genauigkeit ihren Finger auf die Lippen gelegt und sie so unterbrochen. "Nein, das meine ich nicht. Ich will dich sehen!" Angie wollte grade widersprechen, als das blinde Mädchen den Kopf schüttelte, "Ich sehe mit meinen Händen." Nun verstand die andere. Sie nahm ihren Stuhl und rückte etwas dichter an sie heran. Vorsichtig führte sie Kiaras Hand zu ihrem Gesicht. Die bloße Berührung ihrer Hand auf ihrer Haut jagte Angie einen wohligen Schauer über den Rücken. Langsam tastete sie jeden Zentimeter, jede Linie und jede Kontur im Gesicht ihres Gegenüber ab. Allmählich formte sich ein Bild in ihrem Kopf und sie konnte sich Angie immer besser vorstellen. Plötzlich fing sie an zu grinsen und konnte sich die Frage nicht verkneifen, "Kann es sein, dass du einwenig aufgeregt bist?" "Wie kommst du darauf?" "Ich kann spüren, wie sich deine Härchen aufstellen, wenn ich dein Gesicht berühre und deine Wangen sind ganz heiß!" "Das ist ja wohl auch kein Wunder, du würdest genauso reagieren!" Angie klang fast etwas beleidigt, denn sie fühlte sich ein wenig ertappt. Kiara hatte inzwischen ihr Gesicht losgelassen und musste einfach lachen. Es klang einfach zu niedlich, wie sie das gesagt hatte. Angie spielte die Beleidigte und meinte, "Wir können ja mal testen, ob du so cool bleiben kannst!" Der herausfordernde Unterton war nicht zu überhören und so überlegte Kiara nicht lange, "Meinet wegen, versuch dein Glück!" Sie hatte ein hämisches Grinsen aufgesetzt und war sich ihrer Sache sicher. Aber auch Angie schien überzeugt, dass sie ihr Gegenüber umstimmen würde. Vorsichtig streichelte sie Kiara über die Wange, ihre Haut war ganz weich und es fühlte sich einfach gut an. Sie fuhr mit zwei Fingern die Konturen in ihrem Gesicht nach und ließ ihren Blick nicht eine Sekunde davon weichen. Für sie stand fest, sie hatte noch nie jemanden schöneres gesehen. Ihre Wette hatte sie schon gewonnen, denn auch das blinde Mädchen reagierte deutlich auf ihre Berührungen. Doch sie wollte sie noch nicht gehen lassen. Angie legte ihre rechte Hand auf Kiaras Wange und diese schmiegte sich sanft daran an. Ihre Gesichter waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt. Beide spürten den Atem der anderen auf ihrer Haut. Es war ein unglaublich schönes Gefühl, diesen warmen Hauch wahrzunehmen und selbst nur zu erahnen, wie die andere ihn empfand. Fast unmerklich kamen sie sich immer näher, ihre Atmung beschleunigte sich und auch Angie schloss langsam ihre Augen. Ihre Lippen trennte nur noch ein Lufthauch, als plötzlich Guardian beschloss, die zwei zu unterbrechen und lautstark bellend auf sich aufmerksam zu machen. Die beiden Mädchen schreckten auseinander und Angie hätte diesen besitzergreifenden Hund am liebsten erwürgt! Kiara wirkte etwas verwirrt und stand von ihrem Platz auf, "Ich glaube, es wird Zeit das ich gehe." In ihrer Stimme lag leichte Verlegenheit. "Nein, bitte bleib doch noch etwas!" Wohingegen Angies Stimme fast ängstlich klang. Sie warf Guardian einen verächtlichen Blick zu, doch dieser hatte eine Unschuldsmine aufgesetzt. Vielleicht schien es ihr auch nur so. "Tut mir Leid, aber ich muss wirklich los." Alle Verlegenheit in ihrem Tonfall war verschwunden, sie wich einer unterschwelligen Traurigkeit. "Ich würde dich gerne wiedersehen!" " Ich dich auch!" da war es wieder, dieses wundervolle Lächeln auf Kiaras Lippen, "Komm morgen in den Park, zur großen Eiche am See. Sagen wir so gegen drei?" Angies Augen strahlten vor Glück und ihre Stimme hätte sich bei ihrer Antwort beinahe überschlagen, "Gerne, ich werde auf jeden Fall da sein!" "Also bis morgen!" Mit diesen Worten wandte sie sich zum Gehen und Angie blieb alleine im Café zurück... To be continued... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)