Pamphlet auf die Gesellschaft von Manitu (was mache ich in 15 Jahren?) ================================================================================ Prolog: -------- Ich wache auf und nehme meinen erbsengroßen Mp5-Player, den ich nach der durchgezechten Nacht in meinem Ohr vergessen habe, heraus. Er liegt knapp unter den von der EU vorgeschriebenen Strahlungswerten, die nachweislich Hirntumor verursachen. Es ist 8Uhr; vor 5 min hätte ich im Büro sein müssen; der Wecker hat nicht getan und schon wieder ist ein Stromausfall daran schuld. Vielleicht waren der Ausstieg aus der Atomkraft und die Einführung von flächendeckenden Solarkraftwerken unserer Schwarz-Grün Regierung doch ein Sprung ins kalte Wasser. Ich öffne die Vorhänge; natürlich regnet es. Der Himmel ist schwarz wie die Regierung, die mit ihren neuen 50ct-Jobs die 12Mio Arbeitslosen, mich eingeschlossen, zu Kloputzen und Türaufhalten verdammen will. Aber nicht mit mir; schwarz sind zwar die Regierung und der Himmel; schwarz ist aber auch meine Arbeit, in einer zwielichtigen Werbeagentur mit gut aussehender, doch korrupter und in höchstem Maße sadistisch veranlagter Chefin, bei der ich mich mit meinen 5 €/ Std. zum Wohlhabenden Drittel der Gesellschaft zählen kann. Meine vertragslose Arbeit ist jetzt wohl fristlos vorüber. Aber so kann ich zumindest meinen Termin bei "Tofu", einer fragwürdigen radikal links-liberalen Jugendzeitschrift wahrnehmen, die einen neuen Cartoonist sucht. Einer der neuesten Artikel war ein Pamphlet über das Verbot von Alcopops, die von der Regierung per Gesetz zu Rauschmitteln und harten Drogen erklärt wurden, wodurch das durchschnittliche Einstiegsalter von 9 auf 8 Jahre nach unten korrigiert werden musste. Die passende Schlagzeile dazu war: "9-Jähriger Junge beim Dealen erwischt." Ich verstehe die heutige Jugend nicht... An den sinnlosen Trend seine Hose im Schritt zu tragen, konnte ich mich ja noch gewöhnen. Dies artete aber mit der Zeit soweit aus, dass gar keine Hose mehr getragen wurde, was mit meinen postmaterialistischen Werten leider nicht zu vereinbaren war und außerdem in der kalten Jahreszeit zu verhäuften Grippalen Infekten führen würde... Ganz meinen Erwartungen entsprechend folgt jedoch jeder der Herren Anfang 20, die mir bei dem Vertragsgespräch bei "Tofu" gegenüber sitzen, mit Feuereifer diesem Trend. Der Einfachheit halber benutze ich im folgenden Abschnitt anstatt ihrer Namen, die Muster auf ihren Boxershorts: "Schottenmuster-mit-aufgedrucktem-Donald-Duck" fängt an: "So, Herr Sonntag, Sie haben zwar eine Hose an, was Sie verdammt untrendy wirken lässt, aber zeigen Sie mal, was Sie in der "Tofu" veröffentlichen wollen." Und ich komme nicht umhin ein Husten vorzutäuschen, weil der Gedanke an den süßlichen Klang des Namens dieser Jugendzeitschrift seine Lächerlichkeit bei mir in Form eines Lachanfalls deutlich machen will. "Sehr gerne zeige ich Ihnen meine Werke", erwidere ich, als ich mich erholt habe und gebe "Rosa-Blümchen-auf-Himmelblau" meine Mappe. Der Eindruck ist, wie zu erwarten, schlecht. Wie den anderen Verlagen gefällt ihnen meine Entwicklung von Situationskomik über Gesellschaftskritik hin zu politischer Satire überhaupt nicht, weshalb ich Plan B anwende und ihnen zum Vergleich Cartoons, die ich vor 15 Jahren gezeichnet habe, vorlege; zeichnerisch miserable, wie der francophone Teil meiner Seele zu schreien scheint und gleichzeitig voll von billiger Situationskomik. "Das ist ja balabanga", stößt "Hässliches-Entlein-auf-Schachbrettmuster" verzückt aus. "Balabanga", das muss der uneingeweihte wissen, ist ein Wort aus Maikololotanga, der Sprache eines afrikanischen Volksstammes namens Ma'ara-Urululu, das seinen Weg mittels Globalisierung in unsere Gefilde geschafft hat und bei uns fälschlicherweise als Ersatz für unmodern gewordene Begriffe wie "cool" dient. Aber nichtsdestotrotz komme ich nicht umhin einen weiteren Hustenanfall vorzutäuschen, denn die kaum zu unterdrückenden Lachkrämpfe, die das Wort "balabanga" in mir verursacht hätten, würden wohl mein Zwerchfell binnen Sekunden zum Bersten bringen. Angesichts dieser misslichen Lage, habe ich ganz vergessen, was dieses widersinnige Modewort für eine Bedeutung in diesem Augenblick hat: Meine uralten miserablen Zeichnungen waren gerade angenommen worden. Über die Tatsache, dass sie in der "Tofu" veröffentlicht werden sollen, mache ich mir keine Gedanken; ich habe es nur satt mich weiterhin von genmanipulierten Salzkartoffeln zu ernähren... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)