Die Tochter eines Diebes von elina (die Vergangenheit kann man nicht ändern) ================================================================================ Kapitel 16: Die Botschaft ------------------------- "Wie ist das möglich?" flüsterte ich fassungslos, als Marie das Zimmer verlassen hatte. Sie? Meine Tante? Das war doch absurd! Arituro hatte keine Geschwister, sonst wäre es mir bekannt gewesen. Ich hatte schon im ersten Augenblick, als ich Marie kennen gelernt hatte, bemerkt, dass sie von einem Geheimnis umhüllt war. Doch war das, was sie mir gerade offenbart hatte, wirklich alles oder verbarg Marie noch etwas? Natürlich war das nicht alles! Es konnte einfach nicht alles sein! Das ganze war viel zu kompliziert, um so eine simple Lösung zu haben! Doch – konnte ich Marie überhaupt vertrauen? Auch wenn ihre Geschichte komplett war, konnte ich mich tatsächlich auf die Wahrhaftigkeit dieser verlassen? Ich hatte sie nie als meine Verbündete oder ja Freundin betrachtet, doch im Laufe der Zeit wurde unser Verhältnis zueinander.. Ja, wie sollte ich es nun nennen? Vielleicht, ruhiges Nebeneinandersein? Maries Geständnis hatte mich aus dem Geleise gebracht, so dass ich das schwarzweißes, aber nichtsdestoweniger schreckliches Blatt Papier vollkommen vergessen hatte. Sogar der blaue Umschlag war für einen kurzen Augenblick nicht mehr wichtig. Doch dann nahm ich den Umschlag in eine Hand und die Kopie in die andere, und betrachtete beide eine Zeitlang nacheinander. Dass die Kopie aus Sorokes Safe mir nichts gutes versprach, hatte ich schon von Anfang an gewusst – der Dokument bewies nur noch mal, wie fest sie mich im Griff hatte. Verdammt noch mal! Warum hatte ich nicht genug aufgepasst, so dass Soroke mich finden konnte? Beinahe hatte ich das Blatt einfach zerknittert, doch dann besann ich mich wieder. Wut und Verzweiflung halfen mir nicht weiter, das hatte ich in der kurzen Zeit, die ich bei Soroke wohnte, schon gemerkt. Und so blieb mein Blick schließlich auf dem blauen Umschlag hängen. Es schien, als ob mein Herz erneut herausspringen wollte, so schnell und heftig es gegen meinen Brustkorb hämmerte. Auf dem Umschlag stand tatsächlich 'Ringo' geschrieben. In Arituros Schrift! Schwester hin oder her – Marie musste ein enges Verhältnis zu Arituro haben. Wie lange war es her, dass ich seine Schrift gelesen hatte? Wann hatte ich ihn das letzte Mal gesehen, mit ihm gesprochen? Den Mann, der mich liebevoll erzogen und professionell ausgebildet hatte? Komisch – ich hatte immer gewusst, dass er ein Dieb war und dass stehlen ein Verbrechen war, aber ich war stets stolz auf meinen Vater gewesen. Er war mein Beispiel, meine Festung. Ich wollte so sein, wie er – stark und unabhängig. Und nie von ihm getrennt sein! Ich lehnte mich zurück und schloss langsam die Augen. ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ "Korin, mein Mädchen!" Die fröhliche und starke Stimme eines Mannes rief nach seiner Tochter. "Es ist Zeit, nach Hause zu gehen!" Das achtjährige Mädchen sprang von der Schaukel herunter und verließ schnell den Spielplatz. Sie wollte ihren Vater nicht warten lassen. "Was bringst du mir heute bei, Papa?" fragte sie neugierig und nahm seine Hand. Er lächelte glücklich und stolz. "Heute – nichts," entgegnete er schließlich. "Heute werde ich dir die Schönheit des Frühlings zeigen." "Du sprichst in Rätseln.." schmollte das Kind. Darauf lachte er nur. "Irgendwann, mein Engel, wirst du das verstehen. Irgendwann, wenn die Zeit reif ist." Der Mann hob das Kind hoch und setzte es auf den Gepäckträger seines Fahrrads. "Halt dich fest, Korin!" hieß er ihr. "Schneller, schneller!" rief das kleine Mädchen, während sie den Berg herabfuhren. Und wieder lachte ihr Vater herzhaft, auch seine Tochter mit Lachen ansteckend. "Sind wir bald da?" fragte sie, nachdem sie aufgehört hatten zu lachen. "Wir sind schon da," sagte ihr Vater und stoppte das Fahrrad. Das Mädchen sprang vom Fahrrad und schaute sich um. Sie befanden sich im Tal, an einem riesigen Feld. Um sie herum standen Apfelbäume. In voller Blüte. "Das.. das ist.. wunderschön.." meinte Korin, mit weiten Augen die Schönheit des Frühlings anschauend. "Das," sagte ihr Vater leise und berührte leicht ihre Schulter mit seiner Hand, "sind meine Lieblingsblumen." "Und nicht nur, weil unser Nachname 'Ringo' heißt." fügte er nach einer Weile lächelnd hinzu. "Und wieso noch?" fragte seine Tochter neugierig. "Schau!" sagte er und zeigte einen Apfelbaum, das in ihrer Nähe war. "Wie groß ist der Baum und wie klein sind seine Blüten! Und nichtsdestotrotz haben wir jeden Herbst viele große Äpfel. Ist das nicht erstaunlich?" ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ Arituro Ringo, der Meisterdieb... Wer konnte es nur denken, dass er soviel Leidenschaft für Apfelbäume hatte? rief ich verzweifelt in Gedanken An diesem Abend hatte Yugi sein Puzzle viel früher als sonst abgenommen und, trotz seiner Gewohnheit es stets auf den Nachttisch zu legen, auf den Arbeitstisch in seinem Zimmer gelegt. Irgendwie verspürte er einen leisen Zorn auf seinen Freund. Dafür, dass er sich über ihn lustig gemacht hatte. Dass er nun einen Geheimnis hatte. Dass er sich alleine mit Ringo unterhalten hatte. Und das letztere ärgerte ihn mehr als alles andere, auch wenn Yugi es ganz und gar nicht zugeben wollte. Warum musste so eine Korin überhaupt an der Schule erscheinen? Warum schien sie nur Yami zu bemerken und ihn sogar zu respektieren? Wie ungerecht! "Dieser Pharao!" zischte Yugi zornig. Er befand sich gerade im Badezimmer, und zog sein T-Shirt aus. Das arme Kleidungsstück landete zerknittert auf den Boden. "Immer bekommt er die Anerkennung, den Respekt, die Achtung!" Yugi drehte den Wasserhahn voll auf, und das heiße Wasser strömte ins Bad. Der Wasserstrahl prallte mit Wucht gegen den Wannenboden, Yugis halbnackten Körper mit kleinen Wassertröpfchen bespritzend. "Es geht immer nur darum, die verdammte Welt zu retten..! Pharao – der ewige Held!" ärgerte sich Yugi. Dampfwölkchen stiegen empor und beschwerten das Atmen. Yugis Kopf lief rot an und fühlte sich ungewöhnlich schwer und benebelt. "Wann hat er an mich gedacht? An meine Gefühle?" Er zog sich nun ganz aus und stieg in die Badewanne. Von erster Hitzewelle wurde im erstmal etwas unwohl, dann aber versank er noch tiefer im Wasser, die betäubende Wärme genießend. "Er braucht mich nur, um seine Ziele zu erreichen.. Nie hat er Zeit einfach zu Leben." stellte er für sich fest und tauchte ein. Yugi lag nun, vollkommen unter dem Wasser, und beobachtete wie die Luftblasen aus seiner Nase schnell nach oben flogen. fragte er sich in Gedanken. Blubb.. blubb.. blubb.. Weitere Bläschen bahnten ihren Weg nach oben durch die Wassermasse. Meine liebe Korin, stand es auf dem Zettel, den ich im Umschlag fand, geschrieben, nehm’s einem alten Mann nicht übel... Wir haben eine wunderbare Zeit miteinander gehabt, auch wenn ich viele Geheimnisse von dir hatte. Ich bereue es zutiefst, doch was getan wurde, kann nicht rückgängig gemacht werden. "Du sprichst in Rätseln..." flüsterte ich einen mir von Früher bekannten Satz, "..Vater." Die Zeit ist reif, mein Kind. Auch wenn ich’s mir unter anderen Bedingungen gewünscht hatte. Folge der Schönheit des Frühlings, folge den Apfelblüten! Nun verstand ich nichts mehr. Ich legte den Brief beiseite, doch nach kurzer Weile überflog ich ihn noch mal mit den Augen. Ich konnte mir vorstellen, von welchem Ort es in diesem Bericht ging, doch wie sollte es mir weiter helfen? Ganz abgesehen davon, dass jetzt Oktober war und bis die Apfelbäume wieder voll in der Blüte standen, war mindestens ein halbes Jahr zu warten! Ich seufzte merklich enttäuscht. "Die Zeit ist reif.." flüsterte ich "Wofür, Vater, wofür nur..?" Ich verstand einfach nicht den Sinn, den Arituro mir zu vermitteln versuchte. Wie konnte ich es auch? Er hatte selber zugegeben, dass er viele Geheimnisse von mir hatte. Was wurde getan? Wieso wollte er, dass ich den Apfelblüten folge? Wie ging das überhaupt? Fragen über Fragen. Es stimmte mich sehr traurig, und ich fühlte mich einsamer denn je. Ich hatte die Schrift meines Vaters gelesen, auch wenn ich von dem Inhalt nicht gerade schlauer geworden war, und besaß nun einen Zettel mehr als vorher. Marie hatte vollkommen Recht – mir gehörte schon ein blauer Umschlag, auf dem 'Ringo' in Arituros Schrift geschrieben war. In diesem Brief hatte er mich gebeten, vier Tage auf ihn im Waisenhaus zu warten und mich in Acht vor Soroke Yuka zu nehmen. Und trotzdem hatte das Schicksal, das uns so grausam getrennt hatte, es anders entschieden, sodass ich nun für meine leibliche Mutter arbeiten musste. Er spannte jeder Muskel seines Körpers bis auf die Grenze an. Das heißt, das Körper dieses Jungen, Ryou. Sein Geist war nicht besonders stark, auf jeden Fall leistete er ihm keinerlei Widerstand, wann immer Bakura sich die Kontrolle über sein Körper wünschte. Trotzdem blieb Ryou für ihn in gewisser Maße doch ein Rätsel. Vielleicht lag es an der sanften und freundschaftlichen Art, wie Ryou die Welt stets anschaute, dass seine Präsenz in diesem Körper sich gar nicht auf den Geist des Jungen auswirkte.. Doch was kümmerte es ihn schon! Er hatte eigene Pläne, und dass Ryou ihm so bereitwillig sein Körper zur Verfügung stellte, passte bestens. Bakura grinste teuflisch, sein Millenniumsring leuchtete auf und er bog um die Ecke. Die Villa war genau so, wie er sie sich vorgestellt hatte: groß, hell und einfach. Einfach, um in sie einzubrechen. Das versprach nichts spannendes. Doch die Belohnung erwartete ihn ein bisschen später. Er musste sich gedulden, sonst hatte diese Aktion gar keinen Sinn. Und er tat nie etwas unsinniges. Yugi fühlte wie seine Lungen zu brennen anfingen – ein eindeutiges Zeichen, dass er langsam nach Luft schnappen sollte. Er stützte sich mit Ellbogen an den Wannenboden ab, gab seinem Oberkörper einen Ruck, dann fasste er die Rande mit den Händen um und tauchte schließlich aus dem Wasser. Die Luft und ein paar Tropfen gelangen in seinen Körper, so dass er kurz husten musste. Die Haaren klebten auf seinem Gesicht – wohl das einzigste Mal, wann sie ihre Form verloren hatten, - und er wischte sie mit langsamer Bewegung beiseite. Baden tat ihm tatsächlich gut – ihm war zwar unerträglich heiß, so dass er es schon mehrmals bereut hatte, so heißes Wasser eingelassen zu haben, doch sein Zorn hatte sich verflogen oder, in diesem Fall, eher im Wasser aufgelöst. Und er fühlte sich unendlich müde. Seine Glieder schienen tonnenschwer zu sein, als er das Wasser aus der Badewanne rausgelassen hatte und sich in ein großes Handtuch einwickelte. Die Wärme, die sein Körper während des Badens aufgenommen hatte, stieg nun als kleine Dampfwölkchen aus ihn heraus. Yugi hatte eindeutig ein wenig zu heiß gebadet. Sogar sein Gehirn schien zu dampfen: ihm fiel plötzlich etwas unglaubliches ein. Er wusste nun, wie er Korin dazu überreden konnte, auf seine Party zu kommen. Yugi lächelte müde. Da wird Yami nicht schlecht staunen, als er mit seinem Vorhaben fertig ist! dachte er den letzten Gedanke, bevor er schwer in sein Bett fiel und ins Land der Träume segelte. Er war am Ziel. Einbrechen in eine Wohnung, ohne Spuren zu hinterlassen, bereitete ihm mittlerweile keine Schwierigkeiten. Das war sogar langweilig. dachte er bei sich, weil diese Art Verbrechens für ihn schon längst zum Spiel wurde. So nahm er - beziehungsweise stahl – das kleine Stückchen Papier, das er problemlos auf dem Tisch entdeckte, und verschwand, teuflisch grinsend, in die Dunkelheit der Nacht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)