Die Tochter eines Diebes von elina (die Vergangenheit kann man nicht ändern) ================================================================================ Kapitel 15: Maries Geheimnis ---------------------------- Ich glaubte meinen Ohren nicht! Marie sprach von Arituro so, als ob sie ihn mehr als nur gut gekannt hatte. Ich musste mich verhört haben oder es war ein weiterer böser Streich! Meine Gedanken rasten verwirrt in meinem Kopf. Mit jedem Tag, jeder Stunde, jedem Augenblick verstand ich immer weniger und weniger, was hier geschah. Doch langsam fasste ich mich wieder und konnte endlich meinen Atem wieder in den Griff bekommen. Es glich eigentlich einem Wunder, dass Soroke mich nicht bemerkt hatte, denn sie war so dicht an mir vorbei gegangen, dass ich die Wärme ihres Körpers spüren konnte. Ich trat aus den Schatten hervor und stellte mich direkt vor dem Eingang. Soroke hatte sich nicht die Mühe gemacht die Tür wieder zu schließen, und so konnte ich ungestört reinschauen. Marie hatte sich auf einen Stuhl niedergelassen und saß mit gesenktem Haupt. "Marie..." fang ich leise an. Sie hob ihren Kopf und schaute mich eine Weile niedergeschlagen und gleichzeitig auch verwirrt an. "Ich habe alles mitbekommen," gab ich zu. "Ach so," entgegnete sie missmutig. "Was verbindet dich mit meinem Vater?" Ich entschied mich sie direkt zu fragen, irgendwann musste diese ewige Geheimtuerei ein Ende nehmen! Doch zu meinem Enttäuschung stand Marie auf und begab sich zum Ausgang. "Nicht jetzt, Korin," sagte sie müde, aber sanft, "und nicht hier." Nachdem sie den Raum verlassen hatte, blieb ich noch eine Weile im Zimmer stehen. Im Sorokes Arbeitszimmer war ich schon zu oft gewesen, also kannte ich jedes Buch, das im Regal stand, und jedes Bild, das auf der Wand hing. Was hier womöglich versteckt gehalten wurde, wusste ich jedoch nicht – Soroke hielt das Zimmer stets geschlossen oder war selber dort. Man konnte meinen, ich hatte eine einmalige Chance bekommen, hierum zu stöbern, doch es wäre unendlich dumm so zu denken. Im ganzen Haus war Alarmsystem vorhanden, wieso dann ausgerechnet hier nicht? Doch es gab einen Ort hier im Zimmer, der mein Interesse besonders anregte, nämlich der Safe, wo Soroke alle mir gegebene und, vielleicht, sogar auch die zukünftige Aufträge bewahrte. All die Gefahr bewusst, trat ich an ein schön gemahltes Bild zu. Es war keinesfalls ein berühmtes Werk und stellte einen blühenden Apfelbaum dar. Warum Soroke sich genau für dieses Bild entschieden hatte, war mir nicht klar, doch was sich dahinter verbarg, wusste ich bereits: das Bild versteckte den Safe. "Seto! Bitte!" flehte Mokuba und hüpfte ungeduldig auf dem Sofa "Bitte! Bitte! Bitte! Bitte!" "Nein," entgegnete sein Bruder, der die Fernbedienung in der Hand hielt, unerbittlich, "der Film dauert zu lange, und du musst morgen fitt in der Schule sein." "Aber du bleibst doch oft auch fast bis Morgengraue wach!" rief Mokuba aus, hüpfte erneut im Versuch die Fernbedienung wieder zu bekommen und fiel rückwärts aufs Sofa. "Ich muss arbeiten," erklärte er geduldig und entwich einem weiteren Angriff, "das ist was anderes." "Doch du musst auch zur Schule!" ließ Mokuba nicht locker. Er war stur, und wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte gab er es nicht so leicht auf. Kaiba seufzte. Laut und übertrieben genervt. "Na gut, na gut," wechselte sein kleiner Bruder plötzlich den Ton, blieb ruhig stehen und versuchte vergeblich schelmisches Lächeln in seinem Gesicht zu verbergen. Seto wurde hellhörig. Mokuba hatte eindeutig etwas vor. Gewöhnlich verhielt er sich nicht so sturköpfig und ging gehorsam ins Bett. "Dann versprich’ mir halt, dass du zu unserem Spiel kommst!" Da Mokuba auf dem Sofa stand, konnte er seinem Bruder beinahe in die Augen sehen. dachte der Firmenchef und kreuzte die Arme vor der Brust. "Das," sagte er gespielt verärgert, "ist eine Erpressung!" "Ist es nicht!" entgegnete Mokuba grinsend. "Ach ja?" erkundigte sich Seto. "Das," erklärte sein kleiner Bruder stolz und lächelte ihn an, "ist ein Tausch. Na, was ist?" Mokuba lachte auf, als Seto ihn, statt eine Antwort zu geben, leicht in die Seite kniff. "Du bist ein kleiner, frecher Erpresser!" meinte Seto scherzend und setzte die Kitzelfolter fort, bis Mokuba sich schließlich vor Lachen nicht mehr bewegen konnte und um Gnade jammerte. Ich trat näher an das Bild heran, fasste es vorsichtig mit beiden Händen und schob es vorsichtig beiseite. Wie groß war meine Überraschung, als mir die Tatsache bewusst wurde, dass das Bild direkt auf der Safetür befestigt war! Das, wiederum, hieß, dass der Safe gar nicht verschlossen gewesen war! Doch schon bald wurde mir klar, wieso es so war, und meine Freude sank – in dem Safe befanden sich zwar die Dokumente, die ich dort vermutet hatte, aber es waren allein Kopien. Nur ein Haufen nutzloses, schwarzweiß gedrucktes Papiers! Ich seufzte enttäuscht, auch wenn ich so was nicht ausgeschlossen hatte, blätterte den Haufen kurz durch, ohne etwas bestimmtes zu suchen, und wollte schon das Bild in seinen ursprünglichen Zustand wieder zurückbringen, als mir ein Umschlag unter die Augen kam. Ich nahm ihn vorsichtig raus und schob erst jetzt die kleine stählerne Tür mit dem Bild wieder zurück. Der weiße Umschlag verbarg - wenn auch auf den ersten Blick überraschende, aber letzthin trotzdem - eine weitere Enttäuschung. In dem Umschlag befand sich nur ein einziges Blatt Papier und auch das ergab sich bei näherer Betrachtung als eine Kopie. Doch das, was ich aus dem Text, den ich schnell, aber gleichzeitig aufmerksam mit den Augen überflogen hatte, erfahren hatte, beunruhigte mich zutiefst. "Meine Güte..." flüsterte ich, erst jetzt den Ernst meiner Lage erkennend. Wenn alles, was dort geschrieben stand, der Wahrheit entsprach, befand ich mich in einer wahrlich aussichtsloser Situation. "Ach, da bist du ja!" rief Soroke gespielt fröhlich, als ich mit düsterem Gesichtsausdruck das Esszimmer betrat, "Ich habe gar nicht gehört, wie du nach Hause gekommen bist!" Ich verdrehte genervt die Augen und atmete mehrmals tief durch, als die mir schon wohl bekannte Wut in mir außer Kontrolle zu geraten drohte. "Lass diese falsche Höflichkeit," entgegnete ich kalt und nahm Platz. Der Tisch war riesig – dort konnten sich mindestens zwölf Personen mühelos einrichten. Doch wir waren nur zwei. Soroke saß am Ende des Esstisches, so dass sie das ganze Zimmer bestens überblicken konnte und jeden sah, der rein oder raus kam. Mein Teller war so platziert, dass Soroke und ich diagonal saßen – nicht direkt neben ihr, aber immer noch nahe genug, um sie deutlich verstehen und sogar ihr Parfüm riechen zu können. "Erwartest du etwa Gäste?" fragte ich beiläufig. Nicht dass es mich wirklich interessierte, aber ich hatte es noch nie erlebt, dass Soroke mit mir Abendessen gegessen hatte. Außerdem, soweit ich wusste, wurde das Esszimmer fast nie benutzt. Doch ich hatte keine Antwort bekommen. "Wo warst du so lange?" fragte Soroke stattdessen lächelnd und gab Marie den Zeichen, endlich das Essen zu bringen. Sie beide verhielten sich so, als ob rein gar nichts passiert war. "Das interessiert dich doch gar nicht," meinte ich mürrisch und knabberte an einer Scheibe Brot, die ich aus dem Brotkorb neben mir genommen hatte. Mein Appetit war schon längst vergangen. "Oh, doch, meine Liebe!" sagte sie heiter. Es war mir nicht entgangen, dass sie mal wieder eins ihrer Spiele trieb. "Ich habe auf dich gewartet," setzte sie dann nicht mehr so fröhlich fort. Ich beschloss darauf nicht einzugehen, wenn sie etwas von mir wollte, erfuhr ich es auch ohne unnötigen Wortwechsel. So kaute ich schweigend am Brot weiter. Bald erschien Marie mit unserem Abendessen. Es gab Reis mit Gemüse und Hähnchenbrustfilets in wundervoll duftender Soße. Und es schmeckte einfach göttlich, so dass ich mit dem ersten Biss meinen verschwundenen Appetit doppelt zurück gekriegt hatte. In der Küche war Marie eine echte Künstlerin! Ich warf ihr einen verstohlenen Blick in einer unerklärbaren Hoffnung eine Erklärung zu bekommen. Mein Vater war längst verschwunden, ich hatte es gelernt ohne seine Hilfe zurecht zu kommen, und sogar geglaubt mich damit abgefunden zu haben, ihn nie wieder zu sehen. fragte ich mich in Gedanken und erinnerte mich an den Umschlag, den ich in Sorokes Arbeitszimmer entdeckt hatte. Mit diesem Gedanke tauchten viele Fragen in meinem Kopf auf, vor allem – was hatte Marie, die scheinbar einfache Köchin, mit alledem zu tun? Wer war sie in Wirklichkeit? "Und jetzt – ab ins Bett!" meinte Kaiba, nachdem sein kleiner Bruder sich beruhigt hatte. "Aber Seto! Es ist doch gar nicht so spät!" Doch auch die flehendste Stimme der Welt konnte den jungen Firmenchef nicht davon abbringen seinen kleinen Bruder rechtzeitig ins Bett zu schicken. "Kein aber!" sagte er streng und jene fröhliche Stimmung verschwand im Nu. "Na gut..." Und Mokuba, wenn auch schmollend, machte Anstalten vom Sofa aufzustehen. Auf Setos Gesicht erschien ein zufriedenes Lächeln, das jedoch schnell wieder verschwand. "Aber du kommst doch zu der Vorstellung?" fragte Mokuba hoffnungsvoll, bevor er sich endgültig auf den Weg in sein Zimmer machte. "Mal sehen," entgegnete Seto, der in Gedanken schon wieder bei der Arbeit und damit zusammengebundenen Problemen war. "Ich habe einen weiteren Auftrag für dich," sagte Soroke ruhig, nachdem ich meinen Hunger scheinbar gestillt hatte. Ihr Teller war noch immer voll, sie aß langsam und verbrachte ihre Zeit mehr damit, indem sie mich beobachtete. "Diesen Freitag," fügte sie hinzu. "Nein," entgegnete ich gelassen, den letzten Bissen herunterschluckend. "Du wagst es, mir zu widersprechen?" fragte Soroke leise, doch ihre Stimme klang merklich verärgert. "Nein," sagte ich entschlossen und schob meinen leeren Teller etwas von mir weg, "ich widerspreche dir nicht. Nur ist das, was du verlangst, nicht möglich. In meinem jetzigen physischen Zustand kann ich keinen Auftrag ausfüllen." "Deine albernen Ausreden interessieren mich nicht!" Sie winkte herrscherisch mit der Hand. "Du wirst das erledigen und damit ist dieser Gespräch beendet!" "Wie du meinst," antwortete ich und stand langsam auf, "doch bedenke, wie viel dir an dem Erfolg liegt." Dann kehrte ich mich um und ging weg. "Warte!" rief Soroke, als ich mich schon im Eingangsbereich befand. Ich hielt an und drehte meinen Kopf zu ihr. "Was?" fragte ich harsch. "Ich bin noch nicht fertig." "Ich höre," entgegnete ich ohne jegliche Anstalten zu machen, wieder zurück zum Tisch zu gehen. "Morgen wirst du mich zu einer Veranstaltung begleiten müssen," meinte Soroke gelassen, doch ihr ruhiger, sachlicher Ton verbarg Gefahr, "also sei so nett, und komm rechtzeitig nach Hause." Ich schaute sie eine Weile länger an, als es, vielleicht, nötig gewesen wäre, indem ich heimlich gehofft hatte, dass sie mir noch etwas sagte. Veranstaltung? Was plante diese Frau schon wieder? Dann aber, als Soroke geheimnisvoll lächelnd ihre Aufmerksamkeit erneut ihrem Teller wand, verließ ich endgültig das Esszimmer und begab mich nach oben, in mein Zimmer. Es war noch nicht sehr spät, aber meine Kräfte für heute waren, wie schon oft in letzter Zeit, mehr als verbraucht. Als Marie leise an die Korins Schlafzimmertür klopfte und dann eintrat, war das Mädchen schon im Bett. Sie saß halb unter der Decke, mit dem Rücken an das Kissen gelehnt und hielt einen Blatt Papier vor den Augen. "Darf ich?" erkündigte sich die Köchin. Korin senkte die Hand, in der sie das Papier hielt und schaute Marie mit einer Mischung aus Entsetzen und Zorn an. Doch das erschreckte Marie nicht. Sie näherte sich langsam dem Bett an und ließ sich schließlich am Rand nieder. Dabei betrachtete sie abwechselnd Korin und den Blatt, den sie nicht los ließ. "Keine Sorge, Korin," fing sie aufmunternd an und nickte in Richtung des Blattes, "Soroke ist gar nicht so mächtig, wie es vielleicht aussieht." "Aber auch nicht harmlos," entgegnete Korin spöttisch. "Trotzdem," setzte Marie fort, "mit diesem Dokument kann sie nichts anfangen." fügte sie in Gedanken hinzu. "Ich auch nicht," meinte das Mädchen neben ihr und richtete ihr Blick auf sie. Korin erwartete eine Erklärung. Mindestens eine. "Es ist zwar ein Beweis für deine direkte Verwandtschaft mit Familie Kaiba und somit auch für berechtigten Anspruch auf den Konzern," erklärte Marie, "aber es fehlt ein entscheidend wichtiger Teil." "Was weißt du denn davon?" gab Korin skeptisch zurück. "Oh, viel mehr, als du glaubst," meinte sie, "viel mehr." Ihre Stimme klang auf einmal traurig und die Wörter wurden von mehreren Seufzer gefolgt. Doch Korin schien dadurch nicht besonders beeinflusst zu sein – sie schaute die Köchin mit immer wachsendem Misstrauen an. Aber dann holte Marie einen blauen Briefumschlag aus ihrer Schürztasche heraus und reichte ihn Korin. Es vergingen einige Augenblicke, bis Korin den ihr gereichten Brief angenommen hatte. Ihre Augen weiteten sich, als sie die Schrift erkannte. "Wie..? Wo..?" stockte sie. Korins Stimme versagte. "Vergleiche diesen Brief mit deinem," sagte Marie ruhig, doch irgendetwas in ihrer Stimme verriet, dass es allein die äußere Ruhe war. "Hoffentlich hast du ihn noch. Beide hat Arituro geschrieben." "Woher..?" Doch auch diesmal konnte sie keinen sinnvollen Satz bilden. "Ich bin seine Schwester." "Schwester?!" flüsterte Korin unglaublich und starrte die Köchin aus weit aufgerissenen Augen an. "Ja," bestätigte Marie, "und deine Tante." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)