Papakind von abgemeldet ================================================================================ Teil 1 ------ Diese Geschichte entsteht beim HobbyAutorContest des HP-FC. Jeder Mitschreiber hat einen eigenen Charakter, über den er eine Geschichte schreibt, die Kapitelthemen sind jeweils vorgegeben. Disclaimer: Wem die Personen bekannt vorkommen, ich habe sie aus einer Bausparwerbung entwendet. Ihre Ursprüngliche Form gehört demnach nicht mir, aber ich denke, das, was ich auch ihnen gemacht habe, kann ich sehr wohl als meins betrachten. ^^ Thema diesmal: Neuanfang Horst saß am Tisch und wartete. Vor einer halben Stunde hatte er Svenja zur Schule gebracht. Zu ihrem ersten Schultag, um genau zu sein. Und schon wartete er auf den Mittag, darauf, dass sie wiederkommen würde. Es konnte doch nicht normal sein, dass er den ganzen Tag über an nichts anderes dachte als an seine Tochter. Und doch war es so. Bisher waren sie praktisch den ganzen Tag über zusammen gewesen, wenn die Kleine nicht gerade bei ihren Freunden zum Spielen war. Er konnte sich gar nicht vorstellen, wie es sein würde, wenn sie fünf Tage in der Woche den ganzen Vormittag über nicht da wäre. Es war so ein komisches Gefühl... Den ganzen Vormittag über saß er einfach nur auf den Stufen vor der Tür und wartete auf seine kleine Tochter. "Du, Horst?" Svenja saß mit ihrem Vater auf der alten Eisenbahnbrücke und ließ die Beine baumeln. Ihr Vater blickte sie von der Seite her an und lächelte ein wenig. "Ja?" "Du, in der Schule war es richtig toll!" Das Mädchen strahlte, während sein Vater ein wenig skeptisch eine Augenbraue hob. "Wirklich...?" "Ja! Wir haben unseren Stundenplan bekommen und uns vorgestellt und Papa, unsere Lehrerin ist total nett und superhübsch. Und die anderen aus meiner Klasse sind auch nett! Ich freu mich schon auf morgen, Papa!" Horst betrachtete seine Tochter, die offensichtlich zufrieden mit sich und der Welt war, und lächelte wieder. Vielleicht würde es ja doch nicht so schlimm für sie werden, wie er befürchtet hatte. "Komm, Kleines, lass uns nach Hause gehen." Fröhlich nickte das Mädchen. Sie stand auf, klopfte sich den Staub von der Hose und griff nach der Hand ihres Vaters. "Was gibt's denn zu Essen, Papa?" Doch schon eine Woche nach jenem ersten Schultag war Svenja nicht mehr so begeistert. Sie kam mit rotgeweinten Augen und einem blauen Fleck auf der Wange nach Hause und klammerte sich sofort an ihren Vater. "Papa! Die anderen, sie... sie haben gesagt, dass... dass wir asozial sind! Und ich hab gesagt, das sind wir nicht. Und dann... dann hat der eine Junge mich geschubst und ich hab ihn gehauen. Und dann hat er mich auch gehauen. Und dann hat die Lehrerin uns auseinandergezogen und uns ausgeschimpft und dann hat sie mich nach Hause geschickt und Papa... Papa, was heißt eigentlich asozial?" Horst sah auf seine Tochter hinunter und strich ihr durch die Haare. "Das musst du nicht wissen, Kleines." "Aber sie haben gesagt, wir sind das!" "Sie meinen damit Leute, die anders sind als die meisten, Svenja." "Und... sind wir denn anders?" Horst blickte sich um. Sie saßen inzwischen auf den Stufen vor ihrem kleinen Bauwagen, der inmitten von ähnlichen Behausungen stand und genug Platz für sie beide bot, wie Horst fand. "Ich fürchte ja, Kleines." "Und warum?" Große fragende Kinderaugen blickten zu dem noch recht jungen Mann auf und er runzelte die Stirn. Wie sollte er das seiner Tochter erklären? "Sie sind einfach Spießer. Wir wohnen nicht in einer Doppelhaushälfte, haben keinen Hund und ich habe keinen Beruf. Also sind wir anders." Sie zog die Stirn kraus und schien dann zu einem Entschluss zu kommen. "Ich mag unser Zuhause, Papa." Er stand auf und hob das Mädchen hoch, hielt es fest und drehte sich mit ihm einmal im Kreis. "Ich mag es auch, Kleines. Und jetzt sehen wir zu, dass wir uns um dein Gesicht kümmern, ja?" "Warum?" "Weil du da immer noch einen großen, dicken blauen Fleck hast." "Oh. Ach so." "Du, Horst?" Jetzt, am Wochenende, saß Svenja wie so oft mit ihrem Vater auf der Brücke und beobachtete die Menschen, die in der kleinen Bauwagensiedlung herumliefen und alle mehr oder weniger beschäftigt waren. "Hm?" "Horst, warum sind wir anders?" "Wie, warum?" "Naja, warum wohnen wir nicht in so einem halben Haus und warum hast du keinen Beruf und warum...?" "Kleines..." Der Mann zog das Kind zu sich herüber und auf seinen Schoß. Ihre braunen Haare kitzelten seine Wange und ihre blauen Augen blickten ihn vertrauensvoll an. Sie glaubte, dass er alles wusste, dass er zu jeder Frage, die sie stellte, eine Antwort parat hatte. Wie lange war es her, dass er solches Vertrauen in seinen Vater gehabt hatte? Und warum hatte er es verloren...? Langsam wanderten seine Gedanken zurück in seine eigene Kindheit, er sah sich selbst, zusammen mit seinem Vater, während ihre allabendlichen Gute-Nacht-Geschichten-Zeit. ~*~ "Vater, wo ist Mama denn hin?" Der Mann, der eben noch seinem Sohn eine Gute-Nacht-Geschichte hatte vorlesen wollen, blickte von dem dicken Märchenbuch auf. "Sie ist... weit fort, Horst. Sie kommt nicht mehr zurück." "Mag sie mich denn nicht mehr?" Der sechsjährige Junge sah seinen Vater mit großen Augen an, in denen bereits Tränen schimmerten. "Doch, Horst, sie mag dich bestimmt noch. Ganz sicher." "Aber warum... warum ist sie dann weggegangen?" "Sie ist gestorben, Horst. Sie ist tot!" Und sein Vater drehte sich um und verließ das Kinderzimmer. Dem Jungen waren die Tränen jedoch nicht entgangen, die seinem Vater über die Wangen gelaufen waren. Sein Vater weinte? Er drehte sich um und umklammerte das Kissen mit seinen dünnen Armen. Mama war gestorben. Das hieß, sie kam nie wieder. Nie nie niemals wieder. Horst krallte die Finger in den weichen Stoff und schluchzte. Seine Mama konnte ihn doch nicht einfach so allein lassen. Es war in den Wochen, Monaten, Jahren gewesen, die diesem Abend folgten, dass Horst das Vertrauen in seinen Vater verloren hatte. Vater hatte sich immer mehr verschlossen, hatte nichts mehr zu sich durchgelassen. Erst hatte sich Horst gut angestellt in der Schule, hatte sich bemüht. Sein Vater hatte es kaum zur Kenntnis genommen. Dann hatte er es erst einfach nur schleifen lassen. Hatte aufgehört, seine Hausaufgaben zu machen. Hatte sich herumgetrieben. Die Aktionen waren immer wilder geworden. Er hatte angefangen zu rauchen, zu trinken, zu kiffen, manchmal auch härtere Drogen zu nehmen. Seinen Vater hatte es kaum interessiert. Mit siebzehn hatte er Mara kennen gelernt. Mara, deren blonde Haare ihn an ein Weizenfeld im Spätsommer erinnerten, und deren Augen so blau waren wie Kornblumen. Mara, mit der er abgehauen war, einfach weg, weil es seinem Vater ja ohnehin egal war. Mara, mit der er zusammengezogen war, in den Bauwagen, in dem er immer noch mit Svenja wohnte. Mara, die die Mutter seiner Tochter war. Die er über alles geliebt hatte. Und die eines Morgens einfach weg gewesen war. Einfach verschwunden. Ohne eine Nachricht, ohne etwas zurückzulassen. Nur Horst blieb zurück, mit einer zweijährigen Tochter, einem Bauwagen und gerade genug Sozialhilfe zum Leben. ~*~ "Jetzt sag schon, Papa! Warum sind wir anders??" Er strich der Kleinen, die ihn manchmal so furchtbar an ihre Mutter erinnerte und dann doch wieder völlig anders war, durch die vom Wind zerstrubbelten Haare. "Weil wir anders sein wollten, Kleines." "Oh." Sie überlegte einen Moment und kniff dabei die Augenbrauen zusammen, wie sie es immer tat. "Ok", erklärte sie schließlich und lächelte. "Papa, was machen wir jetzt?" "Was du möchtest", erwiderte er und sie strahlte. "Dann will ich schwimmen gehen!" 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