Drachenseele von Hrafna (Das Herz einer Priesterin) ================================================================================ Kapitel 24: *~Renritsu~* ------------------------ "Wenn die wahre Vollkommenheit in der Vereinigung vermeintlicher Gegensätze besteht, dann sterben wir im Leben und leben im Tod." – Helga Schäferling Kapitel 24 - Renritsu -Zusammenschluss- *Müssen Gegensätze sich immer voneinander abstoßen, sich gegenseitig ausschließen? Neutralisieren sie sich in jedem Fall, sodass nichts Wahrnehmbares zurückbleibt? Ergibt jedoch Schwarz und Weiß nicht Grau? Wird aus Licht und Dunkelheit nicht dämmeriges Zwielicht? Und ist es nicht viel eher so, dass konträre Dinge einander anziehen, und essentiell für die Existenz des jeweiligen Gegenpols sind?* ּ›~ • ~‹ּ Wieder dieses Gefühl... Ich spürte wieder diese Anziehung, diese Kraft, die mir den unaufhaltsamen Trieb aufzwang, sich ihr zu nähern. Mir war, als würde jemand nach mir rufen, und er sprach mich unverkennbar mit meinem Namen an. Wer rief da nach mir? Und warum? Schwach hob ich die Augenlider, kam nur äußerst schwerfällig auf die Beine. Ich war vollkommen orientierungslos, wusste nicht, wo ich mich befand, oder wo genau ich hinging. Nur eins war mir bewusst, und das war wichtig; ich musste dort hin, um jeden Preis. Doch es währte nicht allzu lange und bald durchzuckte ein anderer Gedanke meinen im trüben Dunst liegenden Verstand. Flúgar... was hatte diese Aska mit ihm vor? Und vor allem, wo war er bloß? Ich musste ihn unbedingt finden, und zudem drängte sich mir die Frage nach Kanekos Verbleib auf. Ob Aska sie auch für die Opferung aufsparte? Unsicher taumelte ich weiter, einen beliebigen, dämmrigen Gang hinunter, weiterhin meinem eindringlichen Empfinden folgend. Ich hoffte inständig, dass mir mein Zustand keine Täuschung vorspielte und mich nicht geradewegs in die Hände von Askas Leuten schickte. Dann würden meine Bemühungen alle ins Leere laufen, der Feuerdämon würde mich als Opfer darbringen und Flúgar... mir fiel ein, dass ich nicht einmal wusste, was sie mit ihm vorhatte, aber wenn sie ihn so dermaßen hasste, dann würde sie ihn mindestens durch die Hölle jagen. Ich wollte mir nicht in meinen kühnsten Träumen ausmalen, was sie alles mit ihm anstellen könnte. Urplötzlich tat sich ein Widerstand vor meinem Fuß aus, und ich kippte nach vorne, prallte auf einen glatten Vorsprung, ehe ich ein ganzes Stück in die Tiefe fiel und wieder unsanft auf dem Boden aufschlug. "Shimatta..." Normalerweise war fluchen nicht meine Art, aber im Moment fühlte ich mich mies, und etwas Anderes, um meinen Frust abzubauen, mochte mir nicht in den Sinn kommen. Heute schien nicht ganz mein Tag zu sein. "Eine Menschenfrau?" Erschrocken fuhr ich hoch, riss die Augen auf, konnte aber niemanden entdecken. Doch ich konnte bei meinem Leben schwören, dass ich soeben die Stimme eines Mannes vernommen hatte, und das unheimlich nahe. Mühsam richtete ich mich wieder auf, versuchte in der vorherrschenden Finsternis etwas zu erkennen, tastete mich vorwärts. Ich vermeinte, in der Ferne etwas golden glimmen zu sehen. Vielleicht war es mir möglich von dort aus irgendetwas hier zu erspähen, denn dieser Ort war im wahrsten Sinne des Wortes zappenduster. "Entschuldige bitte, ich wollte dich nicht erschrecken. Darf man fragen, was du hier machst?" Ein Schauer lief meine Wirbelsäule hinab, mein Körper begann zu zittern. Jemand war hier, und nun spürte ich ihn auch. "Wer ist da?" Ängstlich drückte ich mich flach mit dem Rücken an die Wand hinter mir, versuchte krampfhaft blinzelnd meine Sicht zu verbessern, aber es half alles nichts. Die Umgebung verblieb für mich uneinsichtlich, mir wurde mit einem Mal kälter, und mein Hirn riet mir dazu, so rasch wie möglich von hier zu verschwinden. "Wie unhöflich von mir, entschuldige bitte. Skuggi ist mein Name - auch wenn die, die hier ein und ausgehen mich Hikage nennen." Hikage? Hatte Aska diesen Namen vorhin nicht auch erwähnt? Für einen Moment in meine Gedanken versunken, hob ich den Kopf, schrak erneut zusammen, als ich hoch oben, unweit der Höhlendecke, das unverkennbare, amethystfarbene Auge eines Youkai erblickte. Durch meinen Kopf schallte ein missfälliges Schnauben. "Aska... was hast du mit der zu schaffen?" Die Verachtung, die in seiner Stimme lag, als er den Namen des Feuerdämons aussprach, ließ mich aufhorchen und meine Entdeckung in den Hintergrund schieben. Anscheinend mochte er sie mindestens so gerne wie ich. Moment... ich hatte doch eben gar nichts gesagt... "Ich kann deine Gedanken sehen, aber ohne Erlaubnis bleibe ich an der Oberfläche, sodass deine Erinnerungen und Gefühle nicht sichtbar für mich werden." Skuggi, hm? Also brauchte ich nicht laut zu reden? Und dieses schier körperlos existierende Auge gehörte zu ihm? "Absolut korrekt." Und was tat er hier? So alleine in dieser pechschwarzen Höhle, in der man nicht einmal die eigene Hand vor Augen sah...? "Aska hat mich hier versiegelt. Sie hat vor einiger Zeit eine Art eigenen Glauben gegründet, und benutzt mich quasi als den zugehörigen Gott und opfert unter diesem Vorwand sinnlos die Leute, die ihr in die Quere kommen." Er wurde also auch hier festgehalten, und mich hatte sie ihm in der morgigen Nacht opfern wollen... Ich seufzte. Wenn er hier nicht herauskam, dann würde ich es wohl auch nicht schaffen. Flúgar... wie sollte ich ihn nur finden und hier herausholen? "Ein Loftsdreki? Hier? Na das wird ja immer bunter... ja, du hast Recht, ich werde wohl niemals wieder hier herauskommen. Die Dunkelheit macht mir nichts aus, aber ich kann mich nicht ein Stück rühren. Das goldene Licht, das du gesehen hast, ist ein Sonnenstein. Er blockiert meine Kraft und hält mich hier fest." Womöglich hatte ich alleine keine Aussichten auf Erfolg, doch wenn Skuggi mir behilflich war, dann bestand noch Hoffnung. Damit fasste ich meinen Entschluss, straffte meine Haltung. Ungelenk stolperte ich über den unebenen Boden, als Ziel den Goldschimmer vor Augen, den ich selbst auf diese Distanz ganz eindeutig wahrnehmen konnte. "Sollte es dir tatsächlich gelingen, das Siegel zu brechen... nun, dann stehe ich in deiner Schuld, und ich werde dir helfen. Du hast mein Wort - und wie du weißt, hält ein Drache seine Versprechen!" Es war nicht die Feierlichkeit des Tones in dem er sprach, sondern eher ein einzelnes Wort zwischen den anderen, das fortwährend vor meinem inneren Auge stehen blieb und keine Anstalten machte wieder zu verschwinden... Drache? Abermals drehte ich den Kopf und schaute mich um, konnte aber immer noch nichts ausmachen. Verärgert verschränkte ich die Arme vor der Brust. "Was dachtest du denn, Miko? Ein Schattendrache, wenn du es genau wissen willst." Amüsement schwankte in seinen Worten, und der Laut, den ich zu hören glaubte, hatte etwas von einem menschlichen Lachen. Etwas, das ich von Flúgar noch niemals vernommen hatte, und irgendwie missfiel mir das... "Aber sag mal, weißt du wenigstens, wer Aska ist? Außerdem solltest du wissen, dass sie nicht allein agiert, jemand unterstützt sie, ein Vatnsdreki..." Was...?! Ungläubig starrte ich in die unendliche Schwärze. Vatnsdreki? Doch nicht etwa einer wie Shiosai? Natürlich... Aska war der Eldursdreki, von dem Flúgar gesprochen hatte, nun ergab alles einen Sinn. Wie hatte ich die ganze Zeit über nur so begriffsstutzig sein können? ... wie sollte ich gegen zwei Drachen ankommen? Und das, wenn das Youki des einen bereits so immens war, dass es mich fast in die Panik trieb? "Jetzt sieh mal nicht gleich schwarz. Mit deinem Freund sind wir schließlich zu dritt, und ich wage zu bezweifeln, dass auch nur einer von uns gegen dich ankommt. Dieser Schwall purer Energie... das warst du, nicht wahr?" Ich nickte stumm. Hatte er Recht? Ehrlich gesagt, hatte ich nicht den Hauch einer Ahnung... Mittlerweile stand ich vor dem leuchtenden Stein, genoss die leichte Wärme, die von ihm ausging. Da ich mein Schwert nicht bei mir hatte, musste ich hier wohl anders verfahren und auf eine primitivere Waffe zurückgreifen. Rasch hatte ich einen Felsbrocken in der angemessenen Größe gefunden, und holte damit so viel Schwung wie ich konnte, bevor ich ihn mit all meiner Kraft direkt auf den Sonnenstein niederfahren ließ. Die silberfarbene Fassung blitzte kurz unheilvoll auf, als das Siegel in tausende Stücke zersprang, doch dann verlosch ihr Glanz, und das Glimmen in den Bruchstücken erstarb. "Skuggi?" Die Erde unter meinen Füßen bebte leicht, und von den Wänden bröckelte der Fels ab, Staub und Gesteinssplitter rieselten in einem feinen Regen von der Decke. Dann gab sich es wieder, nun war es stockfinster, und ich fühlte mich wie ein blinder Maulwurf an der Oberfläche, hilflos. Umso mehr schreckte ich auf, als ich eine warme Hand auf meiner Schulter spürte, die angenehme Stimme des Drachen jetzt nahe bei meinem Ohr vernahm. "Ich danke dir, Miko, und wie versprochen, werde ich dir helfen, mit deinem Freund hier herauszukommen." Ein müdes Lächeln vernahm meine Lippen ein. "Nenn mich ruhig Midoriko." Wütend schritt der Eldursdreki auf und ab, und auf ihren Beobachter machte sie ebenfalls einen nervösen Eindruck. Aber es war kein schwieriges Unterfangen, Askas Gefühle aufzuwühlen und dermaßen durcheinander zu wirbeln, dass sie zuweilen selbst nicht mehr wusste, wie ihr nun zumute war oder wo ihr der Kopf stand. Doch er ertrug ihre Launen und ihre Sprunghaftigkeit ausdauernd, er konnte gar nicht anders, denn ohne ihre Unterstützung würde die Rache für seine Verlobte für ihn wohl ewig ein Wunschtraum bleiben. "Reg dich ab, Aska." Er hatte bereits aufgegeben zu zählen, wie oft sie an diesem Tag schon aus der Fassung geraten war und dementsprechend ebenfalls, wie viele ihrer Leibdiener sie bereits in die Flammenhölle geschickt hatte. Wenn sie so weitermachte, waren bald keine mehr von ihnen übrig. "Sag mir nicht was ich tun soll, Vatnsdreki!" Eine gewaltige Flammenwand tauchte das geräumige Zimmer für einen kurzen Augenblick in grelles Licht und beißende Hitze. Der Angesprochene winkte gelassen ab, legte den Kopf in den Nacken und betrachtete schweigsam die vom Ruß des Feuers geschwärzte Decke. Glücklicherweise würden sie dieses Loch bald zurücklassen, und in die wahre Offensive gehen. Das Gefühl der Vorfreude auf das Kommende füllte sein erkaltetes Herz mit Genugtuung. Jedoch nur kurzzeitig, und die Maske der Emotionslosigkeit streifte sich wieder über seine Züge. "Was geht nur in deinem Kopf vor, Rakuchou?" Aska stand direkt über ihn, blickte tief in seine kühlen Augen. Er war das absolute Gegenteil von ihr, etwa wie ein Antipol von unendlicher Gelassenheit und Kälte. Seine Geduld hingegen kannte auch Grenzen, doch er hatte sich im Griff, und ihn zur Weißglut zu reizen war wohl ein Ding der Unmöglichkeit. Bis jetzt hatte es kaum jemand mit ihr so lange auf so engem Raum ausgehalten - selbst ihre Brüder zogen es vor, ihr etappenweise aus dem Weg zu gehen und sich von ihr fernzuhalten. Ihre Eigenschaft, wie ein brodelnder Vulkan zu sein, der jeden Augenblick ausbrechen konnte, wenn sich nur die geringste Erschütterung ergab, hatte sie früh zur Vorsicht ermahnt. Mit einem Seufzen verlagerte Rakuchou das stützende Gewicht aus seinen Unterarmen weiter nach oben, mit dem Ergebnis, dass er nun gänzlich rücklings auf seinem Lager ruhte, und Aska noch immer halbwegs über ihm kniete. Es war eine unhöfliche Angewohnheit des Vatnsdreki sich auf ähnliche Art und Weise Fragen zu entziehen, die ihm unangenehm oder einfach lästig waren. Und der weibliche Eldursdreki stellte viele Fragen, oftmals vollkommen ohne Kontext warf sie sie ihm an den Kopf und bestand auf eine Antwort, die ihr passend erschien. So würde sie auch diesmal nicht locker lassen, bis sie irgendetwas Vernünftiges aus ihm heraus bekam, das war ihm durchaus bewusst. Doch er hatte Gefallen daran gefunden, ihre Neugier ins Unermessliche zu steigern und zu sehen, was ihr als Nächstes einfiel, um ihn endlich zum Reden zu bringen. Da er ihre Stimmung aufgrund ihrer Wechselhaftigkeit heute kaum zu deuten vermochte, hatte dieses Spiel einen besonderen Reiz. Ja, er spielte mir ihr - nur war das etwas, das sie nicht verstand und Rakuchou war insgeheim heilfroh darüber, dass sie so etwas nie ahnen würde. Unvermittelt spürte er einen Teil ihres Gewichtes auf dem Bauch, ihre Hände auf seiner Brust. Zwar kam ihm Aska ab und an etwas dümmlich vor, aber sie war ausgenommen kreativ und einfallsreich, wenn sie nach etwas sinnte. Ein Charakterzug, der ihm gefiel, und es geschah selten, dass sie ihn mit ihrer teilweise sehr kindlichen Art nervte. "Was soll das werden?" Sein abweisendes Verhalten fand bei ihr keine Annahme, sie ignorierte es geflissentlich, wenn er ihr aufs Deutlichste klar machte, dass sie unerwünscht war oder dass er nicht mit ihr sprechen wollte. Daher geriet ihr derzeitiges Tun auch nicht einmal ansatzweise ins Wanken, und sie fuhr unbesonnen mit dem fort, was sie sich heute ausgedacht hatte. Immerhin war Rakuchou auch nur ein Mann, und an erst mal an einem gewissen Punkt angekommen, würde er ihr alles erzählen, was sie wissen wollte. Diese Grenze gab es bei jedem einzelnen, und man musste ihr zugestehen, dass sie ziemlich talentiert darin war, sie zu finden. Es war nicht zu leugnen, dass sie hübsch war und einen sehr femininen Körper besaß; zumeist dauerte es nicht sehr lange, bis ihr die Männer buchstäblich verfielen. Das Problem mit ihnen war bloß, dass sie sich immer rasch mit ihnen langweilte, und ein Streit mit anschließender Eskalation vorauszusehen war. Wer den Kürzeren zog, war in Askas Fall klar, gegen die sengende Hitze ihrer Flammen war kein Kraut gewachsen... Aber Rakuchou war anders. Er überraschte sie im Grunde ständig, und sein kaltschnäuziges Verhalten trieb sie nur noch mehr dazu an, ihn erobern und für sich haben zu wollen. Für sie spielte die Barriere, die wegen ihrer Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Clans, zwischen ihnen stand, keine Rolle. Sie empfand es nicht als falsch, sich vorsätzlich keinen anderen Eldursdreki als Gefährten zu suchen. Ein neckisches Lächeln zog schattenhaft über ihre lockeren Züge. "Das verrate ich dir, wenn du die Augen schließt." Genau genommen mochte er es nicht, wenn man ihm Befehle erteilte oder ihm Vorschriften machte, wie er sich verhalten sollte, bei Aska jedoch konnte die Sache interessante Ausmaße annehmen. Und nur deshalb ließ er sich ohne Murren darauf ein und kam dem, was sie von ihm verlangte, nach. Der Vatnsdreki spürte, dass sie ihren Schwerpunkt verschob, sich etwas nach hinten, mehr auf sein Becken setzte, und ihre Finger sich behände einen Weg durch den Stoff seines Haoris bahnten. Anscheinend machte es ihr nichts aus, dass er - im Vergleich zu ihr - keine Körperwärme ausstrahlte, seine Haut aus diesem Grund kalt blieb. Ihre zärtlichen Berührungen erzeugten in ihm nicht direkt das Gefühl von Hitze, eher ein gegensätzliches Prickeln, das er nicht unbedingt unangenehm nennen konnte. Schon sehr lange war ihm auf diese Weise niemand mehr nahe gekommen, und der für ihn fast unbegreifliche Fakt, dass Aska die zahlreichen weißen Narben, die seinen gesamten Leib brandmarkten, nicht einmal zu merken schien, irritierte ihn. Oder aber sie tat es - und es störte sie nicht. Ihr hitziger Atem streifte seine Wange, während ihre warmen Handflächen nun unter seiner Kleidung weiter über seinen Oberkörper wanderten. Ein wollüstiger Laut drang aus ihrer Kehle, und hätte Rakuchou sie sehen können, wäre ihm ihr lasziver Blick unter den vollen Wimpern ihrer halb geschlossenen Augen nicht entgangen. Weiche Lippen berührten sein Kinn, bedeckten schließlich die seinen und baten fast scheu um einen Kuss. Er hätte seufzen mögen, aber somit hätte er nur das getan, worauf sie hinauswollte. Es erschien wie eine beiläufige Geste, als er sich ihr entzog, indem er den Kopf leicht zur Seite drehte. Aska konnte sich einem Grinsen nicht erwehren. Genau damit hatte sie von Anfang an gerechnet. Sie ließ von seinem Hals ab, rutschte noch ein ganzes Stück weiter nach hinten und strich mit den Fingern betont langsam über seinen Bauchnabel und die Partie darunter, ehe sie sich an dem seidenen Knoten seines Obi zu schaffen machte... ּ›~ • ~‹ּ Skuggi horchte angespannt, witterte mit geschlossenen Augen in der dumpfen, abgestandenen Höhlenluft. Eine Weile würden sie in dieser abgelegenen Grotte sicher vor Aska und ihren Dienern sein, doch sobald die Vorbereitungen für die herannahende Opferung ihrem Höhepunkt entgegenliefen, würden sie sich ein anderes Versteck suchen müssen. Sein Blick streifte den entspannten Leib der Priesterin. Während einer kurzen Rast war sie sogleich in einen tiefen Schlaf gefallen, und er hielt es im Moment für unnötig, sie wieder zu wecken. Wenn sie sich ausruhte und ihre Kräfte regenerierte, hätten sie wahrhaft eine Möglichkeit, dem Ganzen hier lebend zu entrinnen. Er seufzte leise, legte den Kopf gegen die Wand. Wie lange war er hier unten gefangen gewesen? Wie viele Jahrhunderte hatte er seinen durch das Sonnensiegel versteinerten Körper nicht bewegen können? Das Gefühl von Freiheit, das ihn nun durchströmte, hatte er so sehr vermisst, dass er es um ein Haar vergessen hätte. Ob das nicht alles doch nur ein Traum war? Wie aus dem Nichts war die Menschenfrau in die riesige Kammer gestolpert - oder besser gefallen - in der Aska ihn eingesperrt hatte, und ohne große Umschweife oder Überlegungen hatte sie den Sonnenstein zertrümmert und ihn befreit. Wie hatte sie das angestellt? Und was hatte sie sich davon versprochen? Wusste dieser Mensch etwa wirklich, was es bedeutete, einen Drachen zu retten? Ewige Schuld... Aber, etwas an ihr war anders. Er hatte es in ihren Gedanken gespürt, an ihren Worten gehört, und er hatte es gesehen. Im Herzen dieser Miko fanden sich keine schwarzen Makel, sie war tatsächlich eine reine Jungfrau... hatte sie womöglich gar nicht an sich gedacht, als sie das Siegel zerschmetterte? "Flúgar..." Ihr wisperndes Flüstern ließ ihn auf einen anderen Gedanken zurückkommen, den er bereits zuvor gehabt hatte. Was hatte sie mit diesem Loftsdreki namens Flúgar zu schaffen? Waren die beiden Gefährten? Zweifelnd betrachtete er ihr Gesicht, die langen pechschwarzen Haare, rief sich die Gestalt der wahren Form eines Loftsdreki in den Sinn. Ein Drache und eine Priesterin? Er lächelte ungläubig, schüttelte den Kopf. Undenkbar... Schon seit geraumer Zeit saß Aska in Flúgars Gefängnis, unmittelbar neben ihm, und musterte die vom schwachen Feuerschein erhellten, neutral erscheinenden Züge in seinem Gesicht, die ihm der tiefe Schlaf auferlegte. Sie hatte nie bestritten, dass sie den Loftsdreki in seiner eigentümlichen Art anziehend fand. Andererseits hatte sie auch noch nie jemandem erzählt, was sie eigentlich an seinem hübschen Antlitz fand. Aber aus diesem Grund war sie nicht hier, und leider bestanden für sie keine Aussichten mehr darauf, dass sie ihm verzeihen oder gar in die Augen blicken könnte ohne dabei nichts als puren Hass zu empfinden. Er würde für das, was er ihr angetan hatte, büßen, und dabei würde er letztendlich nicht mit dem Leben davon kommen. Behutsam zog sie Flúgars Haupt auf ihre Knie, sodass seine langen Haare wie ein klarer Gebirgsstrom über ihre Oberschenkel fielen, berührte mit den Fingerspitzen zaghaft seine blassen Lippen. Ausgeträumt... Dann holte sie das hervor, was Rakuchou ihr in einem gut verschnürten Leinenbündel mitgegeben hatte, beäugte skeptisch den kleinen Tonkrug, dessen Inhalt wie gewöhnliches Wasser aussah, die drei kreidefarbenen Kugeln, die kaum die doppelte Größe einer Haselnuss aufwiesen. Nach seiner Aussage waren diese Dinge in unvermittelter Verbindung recht gefährlich, aber keinesfalls tödlich; ein Gift, das schleichend durch den Körper kroch und die inneren Organe befiel, ohne jedoch den Betroffenen dabei zu töten. Zudem würde es ihn bei der Opferzeremonie so lange wie nötig wach halten; was hatte es für einen Sinn, seine Freundin Hikage vorzuwerfen, wenn er selbst davon gar nichts registrierte? Aska kicherte leise, als sie ein scharf nach Kräutern riechendes Tüchlein aus ihrem Gewand hervorbrachte, und Flúgar unter die Nase hielt. "Na komm schon, Flúgar... hörst du mich?" Eine lahme Regung ging durch seinen Körper, und nur langsam öffnete er die Augen, begegnete Askas loderndem Blick. Er konnte ihren Gesichtsausdruck nur beschwerlich einordnen, denn sein Verstand war unbrauchbar, und es war sein bloßer Instinkt, der ihm erlaubte, etwas wahrzunehmen und in der Lage zu sein, mit diesen Eindrücken etwas in Verbindung setzen zu können. Flúgar war sich noch immer ungewiss, wo er sich befand, und was hier überhaupt vor sich ging. Viel ging ihm nicht durch den Sinn, und seine Gedanken irrten schier verloren durch seinen Kopf. Er war wehrlos, sein tauber Leib gehorchte ihm noch immer nicht, und somit war er Aska hilflos ausgesetzt, ganz gleich dem, was sie mit ihm vorhatte. Ihr hintergründiges, durchtriebenes Lächeln sprach derweil Bände... Der Eldursdreki entkorkte die Tonflasche, zwang ihm die Kiefer auseinander, und setzte ihm das Gefäß an die Lippen. Bei ihrem beherzten Griff um seinen Hals konnte er sich nicht einmal mehr weigern zu schlucken, geschweige dessen die geschmacklose Flüssigkeit absichtlich in seine Lunge ablaufen lassen. Niemals würde er sich ihr unterordnen - selbst, wenn das bedeutete, dass er seinem Leben eigenhändig ein Ende setzen müsste. Hartnäckig presste er die Zähne aufeinander, als Aska ihn mit der linken Hand am Kinn packte, mit der rechten nach der ersten der drei murmelgroßen Kugeln griff. Doch Aska war unbarmherzig, drehte ihm mit roher Gewalt den Kopf in ihre Richtung. "Man könnte meinen, ich würde dir bei vollem Bewusstsein die Haut abziehen. Warum stellst du dich so an, hm? Sei ein braver Junge, dann werde ich dich bis zur Opferung in Ruhe schlafen lassen." Flúgars Genick versteifte sich unter der Anspannung, die er darauf auswirkte. Dieses hinterhältige Miststück konnte ihm viel erzählen... außerdem bemerkte er allmählich den verdächtigen Geruch, der von ihr ausging. Mittlerweile mochte er nicht mehr sehr intensiv sein, aber dennoch stark genug, um Flúgars unsensibel gewordene, strapazierte Nerven davon in Kenntnis zu setzen, mit wem sie die letzten Stunden verbracht haben musste. Allein die Vorstellung, die sich bei ihm darauf ergab, trieb eine heftige Übelkeit in ihm hoch. Jegliche erbitterte Gegenwehr, die Flúgar in seinem Zustand noch aufzubringen wusste, scheiterte kläglich, und der weibliche Eldursdreki hatte letztendlich doch erreicht, was er sich vorgenommen hatte. Dennoch ging sie nicht, verweilte in ihrer eingenommenen Position und stützte ihm beinahe behutsam den Kopf, damit er wenigstens etwas besser atmen konnte. Aber warum? Was bezweckte sie damit? Er spürte ihren Blick nur allzu deutlich, hielt aber selbst die Augen geschlossen. Ihm verlangte es nicht danach, sie anzusehen, denn dadurch würde ihm bloß noch stärker bewusst werden, wie demütigend seine Situation doch war. Mit einer sanften Berührung strich sie ihm durch den Schopf, über die Stirn und an den Schläfen entlang bis zu seiner Wange. Im Augenblick konnte sie sich dem nicht erwehren, bei dem Anblick, den er bot, konnte sie ihn nicht hassen. So sehr sie sich auch danach verzehrte es zu können. Er gab ihr momentan einfach keinen Anlass dazu. Aska seufzte niedergeschlagen, langsam geriet das, was sie sich als Weg für ihr Ziel gesetzt hatte, ins Schwanken. Im Grunde wollte sie ihn nicht tot sehen, ihm nur eine dauerhafte Strafe für sein Tun auferlegen - und ein lebenslanger Freiheitsentzug hätte es für sie getan. Doch da war die Abmachung mit Rakuchou... Bereute sie es, eingewilligt zu haben? Aska biss sich auf die Unterlippe, senkte ihren Blick wieder auf das emotionsleere Gesicht des Loftsdreki. Nun war es bereits zu spät... Flúgar schlug verwirrt die Augen auf, als er dem Verbleib von Askas rechter Hand gewahr wurde, starrte sie finster aus seinen weißen Augen an. Was zum Teufel sollte das? "Das hätte ich wissen müssen... in diesem Zustand ist mit dir wirklich gar nicht mehr anzufangen..." Sie klang enttäuscht, zog ihre Hand von der Innenseite seines Oberschenkels zurück. Es wäre wohl sinnvoller gewesen, wenn sie sich im Vorhinein mit diesem Gedanken beschäftigt und dementsprechend vorgesorgt hätte. Nun ging ihr auch die letzte Chance auf ein richtiges Zusammenkommen mit Flúgar verloren. Dieses verflixte eine Mal... Aska fluchte lautstark. Sie hatte in diesem Bezug andere Pläne gehabt, und nun bewiesen sich diese als nichtig. Was hatte sie getan, das so etwas wieder ihr passierte? Warum ausgerechnet sie? Scheinbar sollte das nicht ihr Tag sein. Ihrer Meinung nach bestand nicht mehr die Möglichkeit, dass noch etwas eintreten konnte, das sie mitunter noch mehr verdross. "Midoriko..." ּ›~ • ~‹ּ ***>>>Kapitel 25: >"Extreme Situationen verleiten zu extremen Taten, und diese verbleiben natürlich nicht ohne Konsequenzen. Aufgabe ist das letzte, verzweifelte Mittel, auf das man zurückzugreifen vermag. Die Zustehenden können bloß hilflos zuschauen, wie die Entscheidung ausfällt..." *» Uppsögn Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)