Eisblaue Augen von Chi_desu (Shounen-Ai) ================================================================================ Kapitel 10: Vernünftige Entscheidung ------------------------------------ Ein paar Tage später stand Kay frühmorgens vor meiner Tür, einfach so. Ich war sehr überrascht, als ich die Tür aufmachte und er so dastand, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben und mit einem fast schüchternen Lächeln. Was mich fast noch mehr überraschte war aber die unbändige Freude, die bei seinem Anblick in mir aufstieg. "Komm rein!", sagte ich und bat ihn in meine Wohnung. "Wie geht's dir? Ich kann..." "Mir geht's gut.", unterbrach er meinen Redeschwall. "Ich wollte dich nur kurz sprechen." Irgendwie wirkte er verändert, und obwohl ich nicht genau sagen konnte, wieso, war es trotzdem eine positive Veränderung, wie ich fand. Ich führte ihn nach oben in meine gemütliche Wohnung und er blieb unschlüssig an der Tür stehen. Er lächelte mich an. "Ich habe aufgehört zu trinken. Ich hab sämtliche Alkoholflaschen weggeworfen." "Ehrlich??", freute ich mich. "Du siehst sehr gut aus." Er senkte verlegen den Kopf und ich begriff wie das geklungen hatte. "Ich meine, du siehst verändert aus. Man merkt, dass etwas anders ist." Ein paar Tage ohne Alkohol konnten natürlich nicht die Spuren von Übermüdung und Überanstrengung aus seinem Gesicht tilgen, aber allein der Entschluss schien ihn irgendwie gestärkt zu haben. Endlich strahlte er wieder etwas von dem alten Selbstbewusstsein und der Fröhlichkeit aus, die ich damals so an ihm bewundert hatte. Um das Thema zu wechseln schaute er sich um. "Du hast echt eine klasse Wohnung!", staunte er. Klar, verglichen mit seiner Wohnung... Neugierig ging er ins Schlafzimmer. Sein Blick schweifte über den Fernseher, das Bett, und blieb dann am Regal neben dem Bett hängen. Ich wusste nicht, was dort sein Interesse erweckt hatte, bis er den Bilderrahmen in die Hand nahm. Es gab bloß zwei Bilder in meiner gesamten Wohnung, und die standen hier. Eins zeigte Anya. Und das zweite zeigte... uns. Kay und mich. Es war damals bei irgendeiner Party gemacht worden, es war das einzige das nur uns beide zeigte. Und das hielt er in der Hand. "Das Bild hatte ich ganz vergessen.", sagte er nachdenklich. "Damals war alles noch so einfach.", sagte ich. "Ich war so sauer als meine Eltern mich nach Grünstadt geschleppt haben. Ich hab wochenlang geschmollt und alles gehasst was mir dort begegnet ist. Bis auf dich. Du warst... meine Rettung, derjenige, der mich wieder hochgezogen hat. Es war so einfach, mich glücklich zu machen." "Du hast recht.", gab er zu. "Das letzte Schuljahr war klasse. Wir waren ein gutes Team. Aber die Zeiten sind vorbei." Er stellte das Bild weg. "Und es wird nie mehr so sein wie es war. Wir haben uns geküsst. Freunde können wir nicht mehr sein. Aber was sind wir dann?" Darauf fand ich keine Antwort. Er lächelte mich traurig an. "Sowas hab ich befürchtet. Weißt du, ich mag dich, aber so kann es nicht weitergehen. Es tut zu weh." Ich schnappte nach Luft. Es tat weh? Wieso? Was meinte er damit? "Ich werde versuchen, meine Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Das kann ich nicht, wenn du da bist und mich aus dem Gleichgewicht bringst. Ich möchte etwas Abstand zwischen uns bringen. Tut mir leid." Ich war seltsam ruhig. "Ist schon gut. Das ist vielleicht für uns beide das Beste. Weißt du, was Anya gesagt hat als sie am Sonntag abgeflogen ist? Sie sagte ,Wenn man euch zusammen sieht, könnte man fast eifersüchtig werden.' Das war sie wohl auch." "Ah.", machte er. "Deswegen. Ich hatte das Gefühl, sie kann mich nicht leiden." Obwohl mir nicht danach zumute war, lachte ich. "Stimmt. Aber es liegt nicht an dir, glaub mir." Er schob unschlüssig die Hände in die Hosentaschen. "Also dann... du... du kannst jederzeit im Club vorbeischauen, wahrscheinlich werde ich im Sommer jeden Samstag dort meinen Auftritt haben." "Und du kannst mich jederzeit anrufen, wenn du Schwierigkeiten hast oder einen Freund brauchst.", murmelte ich. "Danke..." Er wollte sich umdrehen, aber ich konnte mich nicht beherrschen, ich kam auf ihn zu und umarmte ihn fest. Mir war zum heulen zumute. Alles in mir schrie danach, ihn aufzuhalten, damit er mich nicht noch mal verließe, aber.... es war wohl tatsächlich das Beste so. Ich war überrascht, dass ich mich so erwachsen verhalten konnte. Ich hatte wohl doch dazugelernt. Ich drückte ihn fest an mich und spürte, wie sich seine Arme um mich legten. Ich hatte Tränen in den Augen. "Ich werde dich vermissen. Du hast mir gefehlt, die letzten fünf Jahre...", flüsterte ich, und ich wusste nicht, ob er es hörte. Irgendwann ließen wir einander los und er lächelte mir zu. "Mach's gut." "Du auch." Und dann war er plötzlich aus der Tür verschwunden und ich blieb allein zurück. "Geh nicht.", murmelte ich und wischte mir übers Gesicht. "Geh nicht schon wieder weg." Es waren die Worte, die ich ihm gern gesagt hätte. Ich wusste, er wäre bei mir geblieben wenn ich sie laut ausgesprochen hätte. Aber ich wusste nicht einmal, ob ich das wirklich gewollt hätte. Alles in mir war zerrissen, als wollten mein Herz und mein Verstand in zwei verschiedene Richtungen. Aber alles grübeln nützte nichts mehr. Kay war fort. Und obwohl ich wusste, wo er wohnte und arbeitete, schien er mir unerreichbarer als je zuvor. Ich telefonierte noch am selben Tag mit Anya und erklärte ihr, dass ich Kay nicht mehr sehen würde. Sie wirkte sehr erleichtert und machte auch keinen Hehl daraus, dass sie Kay fast schon als Rivalen angesehen hatte. Sofort verbesserte sich die Stimmung zwischen uns und ich lud sie ein, mich schon bald wieder zu besuchen, diesmal ohne Störung. Alles schien in Ordnung zu sein. Aber in mir drin war nur Chaos. Kay hatte beschlossen mich nicht mehr zu sehen und ich hatte ihn nicht aufgehalten. Diesmal wollte ich ihm nicht mehr nachtrauern. Ich würde nicht in den Club gehen, auch nicht zu seiner Wohnung, um nach ihm zu sehen. Kay war ein Geist aus der Vergangenheit, den ich eigentlich gar nicht hätte wiedertreffen sollen. Dies war meine Chance, endgültig von ihm loszukommen. Die Gefühle würden verschwinden, so wie sie es schon einmal getan hatten. Um den wieder frischen Schmerz zu überdecken, stürzte ich mich in die Arbeit. Die Firma hatte viele Aufträge und ich halste mir absichtlich jede Menge Arbeit auf. Selbst am Wochenende kam ich nicht zur Ruhe. Die ersten paar Tage verstrichen und ich haderte mit meiner Entscheidung. Immer wieder war ich versucht, zu ihm zu gehen und mit ihm zu sprechen. Es quälten mich Alpträume, in denen ich seine blauen Augen sah, und wenn ich morgens aufwachte, war ich mir sicher, dass ich mich irgendwann vor seiner Tür wieder finden würde. Aber irgendwie fand ich mich damit ab. Ich akzeptierte seine Entscheidung, und zu meinem Glück rief er mich nicht mehr an. Der Kontakt brach völlig ab und als Anya mich das nächste Mal besuchen kam, konnte ich meine Gefühle wieder auf sie konzentrieren. Ich liebte sie noch immer. Der Winter zog an mir vorbei, ohne dass ich es merkte, wurde es Frühling. Es wurde April, dann Mai, und Kay wurde wieder zu einem Stück aus meiner Vergangenheit, einer Erinnerung die immer weh tun würde, aber mit der ich leben konnte. Ich war wieder glücklich mit Anya. Und irgendwann im Mai, kurz nach ihrem Geburtstag, da fragte ich sie. Ich nahm einfach ihre Hand und fragte sie: "Anya, willst du mich heiraten?" Und es war mein Ernst. Nur flüchtig tauchten seine blauen Augen in meinem Kopf auf, und ich vergaß sie ohne Bedauern wieder, als meine Freundin mich anlächelte und ganz leise "Ja." sagte. So kam es, dass ich plötzlich verlobt war. Wir hatten noch keinen Termin für eine Heirat, aber inoffiziell war sie für den Sommer im nächsten Jahr geplant. Wir wollten in Köln heiraten, erst wenn ich wieder fest dort wohnte. Und wir hatten einstimmig beschlossen, Kay nicht einzuladen. Ich wollte ja nicht riskieren, im falschen Augenblick doch noch schwach zu werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)