More than you can see von sterekura (wird gerade überarbeitet und ein neues Kapitel kommt demnächst auch) ================================================================================ Kapitel 6: Nightmare or Vision? ------------------------------- Nach langer Zeit melde ich mich mit dieser FF zurück *tadaa* Na ja, lest selbst. Wirklich viel passiert nicht, aber immerhin geht es nun endlich aufs Ende zu ^^ Viel Spaß beim Lesen Chapter VI: Nightmare or Vision? "Kannst du tanzen?" Eine helle Stimme drang an mein Ohr und nach einigem Überlegen fiel mir auf, dass es die Stimme meines Aibous war. Ich öffnete erfreut die Augen, um der Dunkelheit zu entkommen und blickte direkt in sein fröhliches Gesicht. Automatisch bildete sich ein kleiner Abstand zwischen meinen Lippen und ich hörte, wie ich die Worte aussprach, die mir so vertraut waren. "Warum willst du das wissen?" Mein Aibou drehte sich wieder zum Spiegel und durchsuchte verzweifelt seinen Schrank, um ein passendes Oberteil zu finden. Wofür wollte er sich noch mal so schick machen? Irgendetwas stand an diesem Abend an, aber mein Kopf fing an heftig zu pochen, wenn ich zu sehr über das Ereignis nachdenken wollte. Also ließ ich es bleiben und sah einfach nur weiterhin meinem Aibou zu, wie er glücklich lächelnd ein Oberteil nach dem anderen anprobierte, bis er sich wieder an mich wandte. "Kannst du tanzen?" Ich blinzelte einige Male irritiert. Wieso antwortete er mir nicht auf meine Frage? Aber er wartete auch gar nicht lange darauf, dass ich seine Frage beantwortete, sondern steifte sich Armreife und Ketten über, legte einen schwarzen Ledergürtel an und lächelte mich strahlend an - während sich in seinen Augen eine Spur von Ungeduld abzeichnete. Doch noch einmal wiederholte er die Frage nicht. Ich schüttelte benommen den Kopf und antwortete endlich. "Nein, tut mir leid." Seine Augen weiteten sich ein wenig vor Überraschung oder Verwunderung, aber schon nach wenigen Sekunden zuckte er gleichgültig mit den Schultern. "Das ist nun auch nicht mehr wichtig. Weißt du, namenloser Pharao, auch wenn du nicht tanzen kannst, mit der richtigen Musik kann eine Puppe alles." Sein Bild vor meinen Augen verschwamm und mein Kopf fing wieder an schmerzhaft zu pochen. Was hatte er da gesagt? Richtige Musik und Puppe? Auch diese Worte kamen mir so bekannt vor, aber was mich am meisten störte war die Tatsache, dass er mich namenloser Pharao genannt hatte. Das war nicht seine Art, so sprach er mich niemals an... Das verschwommene Abbild vor meinen Augen konnte nicht mein Aibou sein. Aber wenn er es nicht war, dann... Die großen unschuldigen Augen wurden schmäler, stechender und die schöne Farbe verwandelte sich in ein kaltes, dunkles Braun. Mit verwirrend hoher Geschwindigkeit rasten Satzfetzen in meinem Kopf umher und brachten ihn durch ihre Wucht beinahe zum Zerbersten. "Nicht am Leben... Nur eine seelenlose Puppe." Schon wieder Puppe? Puppe... Der Schatten vor mir nahm langsam Gestalt an und beugte sich zu mir herunter. "Du gehörst mir ganz alleine." Bakura. Wie auf Kommando verschwand die Benommenheit und Bakura stand grinsend vor mir. Ich hielt mir eine Hand vor die Augen, wohl in der Hoffnung, dass er irgendwann von selbst verschwinden würde. Aber er blieb... "Kannst du tanzen?", drang seine kalte Stimme durch die beklemmende Stille und ich bekam eine Gänsehaut. Was sollte das alles? War ich schon wieder in einer von Bakuras Fallen gefangen? Zeigte er mir nun erneut so viele schreckliche Dinge, genau wie beim letzten Mal? Noch zu gut hatte ich Ryous Bild vor Augen... aufgehängt an mindestens hundert kleinen Haken, blutleer und mit einem starren, leblosen Blick... seine bläuliche Haut, die teilweise grün untersetzt war... Fast zeitgleich setzte die verzerrte Musik eines Kinderkarussells ein und vervollständigte so meine Erinnerungen. Das Bild eines gefallenen Engels, dem man alle Federn einzeln ausgerissen hatte, um ein grausames Spiel mit seiner Seele zu veranstalten, erschien vor meinen Augen und ich schaffte es nur unter größter Mühe eben dieses Bild zu verdrängen - denn nicht nur Ryou hatte an solchen Haken gehangen... Ein grausames Lachen durchschnitt die Luft und Bakura streckte seine Hand nach mir aus, um mich schmerzhaft am Hals zu würgen. "Du bist so leicht in die Irre zu führen, das ist deine Schwäche." Ich versuchte verzweifelt Luft zu bekommen, aber Bakuras Druck auf meine Luftzufuhr war so groß, dass dieses Unterfangen nutzlos war. Außer hilflos röcheln konnte ich nichts mehr tun. Mein ganzer Körper fühlte sich unnatürlich taub an - beinahe so, als würde er gar nicht mehr existieren. "Wie gefällt dir die Reise in die Hölle? Das Ticket, dass du bei unserer letzten Begegnung gelöst hast gilt übrigens leider nur für die Hinreise", lachte er kalt und berechnend und drückte noch einmal so fest zu, wie er nur konnte. "Wir machen einen kleinen Zwischenstopp bei Ryou zu Hause. Du hast längst noch nicht alles gesehen, was sehenswert ist, namenloser Pharao." Ich wollte auch gar nichts mehr sehen, nie wieder... Am liebsten wäre ich auf der Stelle meines Augenlichts beraubt worden, um Bakura zu entgehen... um keine seiner schrecklichen Dinge mehr erblicken zu müssen... um meinen Aibou nicht mehr leiden zu sehen. "Mach die Augen auf, unser Spiel ist noch lange nicht beendet. Vergiss nicht, du spielst hier nach meinen Regeln." Wie könnte ich das jemals vergessen? Ein grausames Spiel, bei dem nur einer Spaß hatte konnte ausschließlich Bakuras Verstand entspringen. Regeln... Was bedeutete dieses Wort denn schon für ihn? Welche Regeln sollte das alles hier haben? Wozu war es gut? Aber vor allem fragte ich mich: Warum ich? Vielleicht gerade deswegen weigerte ich mich meine Augen zu öffnen, ich wollte ihm einfach keinen weiteren Gefallen mehr machen. Ein Lachen ertönte und es hörte sich mehr als nur zufrieden an. "Nun gut. Glaub nicht, dass ich dich nur mit Bildern quälen kann." Bevor ich den Sinn seiner Worte begreifen konnte hörte ich verzweifelte Hilferufe und diese Stimme kam mir seltsam vertraut vor. Dieser weiche unschuldige Klang einer normalerweise schüchternen Stimme brannte sich in meinen Kopf, während ich verzweifelt die Hände vor die Augen hielt, um ja nichts sehen zu können. Die Hilferufe auf diese Weise zu ignorieren versetzte mir mehrere Stiche in mein Herz, aber ich wollte auf keinen Fall sehen, warum Ryou so verzweifelt um Hilfe rief. Bakuras boshaftes Lachen ließ meiner Phantasie genug Freiraum mir vorzustellen, was dort vor sich ging. Die Schreie brannten sich in meinen Kopf, sie überfüllten ihn und ließen die stechenden Kopfschmerzen mit jeder Sekunde zunehmen. Es war grauenvoll... Diese kreischenden Hilferufe hallten durch die Luft, zerrissen die Spannung und knallten mit voller Wucht auf mein Herz. Die Augen geschlossen zu halten fiel mir dadurch zusehends schwerer. Ich wünschte nur, dass dieser Albtraum aufhörte, bevor noch etwas anderes passierte. Kaum war dieser Gedanke endlich zu Ende gesponnen mischte sich unter das kalte Lachen Bakuras und Ryous weinerliche Hilferufe die sanfte Stimme meines Aibous. Mein Herz verkrampfte sich und die Tatsache, dass Bakura nun auch noch meinem Aibou Schaden zufügte veranlasste mich dazu nun doch meine Augen zu öffnen. Zuerst war noch alles dunkel... Dann drang helles Licht direkt in meine Augen und ich brauchte eine Weile, um mich an die ungewohnte Helligkeit zu gewöhnen. Ein schrilles Piepen durchbrach die Stille und ein erbostes Stöhnen ertönte sofort neben mir. "Schalt den verdammten Wecker aus", befahl mir die Stimme, der gerade noch das Stöhnen entwichen war und desillusioniert glitten meine Finger automatisch zu dem Wecker auf dem Nachttisch und schaltete ihn mit einem Handgriff aus. "Danke, ich hasse dieses Geräusch... Mou Hitori no Boku, machst du dich für uns fertig, ich will noch ein wenig schlafen." Meine Hand glitt über meine Stirn, wo sie kalten Angstschweiß verwischte und ich zwang meinen schmerzenden Körper dazu aufzustehen. Ein Traum... Alles nur ein Traum. Erleichtert hob ich den Kopf, um im Bad in mein Spiegelbild sehen zu können. Meine Haut war aschfahl und unter den Augen schimmerten tiefe Ringe hervor - ein eindeutiges Zeichen dafür, dass die letzte Nacht keineswegs ruhig verlaufen war. Bakura wurde langsam zu einem echten Problem für mich. Obwohl es keinen konkreten Anhaltspunkt dafür gab, dass er tatsächlich existierte, so war es doch ein Leichtes für ihn über mein Leben - meine Träume und Ängste - Kontrolle zu bekommen. Und das war definitiv schlecht. Wenn ich nicht mehr Herr über meine Gefühle sein konnte, war es wahrscheinlicher, dass mir Fehler unterlaufen konnten... Fehler, die ich später bereuen würde oder Fehler, die ich im schlimmsten Fall niemals bereuen könnte... Ich seufzte und versuchte wenigstens Herr über meine Haare zu werden, aber nicht einmal das gelang mir. Selbst, als ich es mit Wasser und Gel probierte machten diese widerspenstigen Dinger nur das, was sie wollten. Einen Moment lang starrte ich mir einfach nur in die immer noch seltsam aufgebrachten Augen und wandte dann den Blick ab. Er streifte zu meinen Handgelenken und vor Schreck hätte ich beinahe laut aufgeschrien. Feine Blutspuren liefen aus den Kratzwunden - die eigentlich schon längst wieder verheilt waren - und fielen mit einem leisen Geräusch in das Waschbecken. Diese Wunden... Wenn sie wieder erschienen waren und erneut bluteten... hieß das dann, dass sie niemals verheilen würden? Blieben diese Male von Bakuras Fesseln nun ewig bei mir - als wollten sie mir bestätigen, wie sehr er mein Leben und mein Leiden kontrollierte? Ganz in Gedanken versunken betrat ich die Küche, in der mein Aibou in der körperlosen Gestalt am Frühstückstisch saß und interessiert die Titelseite der heutigen Zeitung betrachtete. "Morgen", nuschelte ich und öffnete den Kühlschrank, um Milch heraus zu holen. Morgens trank mein Aibou immer eine heiße Schokolade und irgendwie hatte seine Angewohnheit auf mich abgefärbt. Während ich den Herd anschaltete, um die Milch zum Kochen zu bringen wandte mein Aibou - noch immer mit der Zeitung beschäftigt - das Wort an mich. "Hast du schlecht geschlafen heute Nacht?" Überrascht drehte ich mich zu ihm um, aber er hob den Kopf nicht, um mir bei dieser Unterhaltung in die Augen zu sehen. "Warum fragst du, Aibou?", entgegnete ich trocken und kümmerte mich wieder um die dampfende weiße Flüssigkeit in dem Topf vor mir. "Na ja, du hast im Schlaf gewimmert und warst so blass. Übrigens siehst du immer noch mitgenommen aus." Ich probierte ein heiteres Lachen - jedenfalls hoffte ich, dass es auch wirklich so klang. In meine Kopf dröhnte nur ein verzerrtes Lachen, das überhaupt nicht die Wirkung hatte, die es auf meinen Aibou haben sollte. Aber er kümmerte sich nicht weiter um meinen halbherzigen Versuch ihm etwas vorzuspielen, sondern fragte mich weiterhin über die letzte Nacht aus. "Wenn dich etwas bedrückt kannst du es mir ruhig sagen. Lass nicht wieder so eine Barriere zwischen uns entstehen, die vollkommen unnötig zu Leid geführt hat", mahnte er mich und deutete mit einem Nicken an, dass die Milch fertig war. Ich füllte sie in eine Tasse und gab das feine braune Pulver hinzu, bevor ich mich zu meinem Aibou an den Tisch setzte. "Keine Sorge, ich bin bloß übermüdet und habe irgendeinen Albtraum gehabt, an den ich mich schon gar nicht mehr genau erinnern kann." Er gab sich nickend mit meiner Erklärung zufrieden und prüfte mit einem Seitenblick nach, ob ich auch wirklich den Herd ausgestellt hatte. Ich folgte seinem Blick, aber beim Herd kam ich nie an. Meine Gedanken kreisten um die Lüge, die ich meinem Aibou gerade eben aufgetischt hatte. Und ob ich mich an meinen Traum erinnern konnte. Schließlich hatte ich einiges davon ja selbst erlebt. Aber trotzdem war ich nicht länger gewillt mich diesen sonderbaren Vorkommnissen zu beugen. Das von letzter Nacht war ein einfacher Traum, egal, was ich mir sonst einbildete. Ich sollte mich nicht zu sehr auf solche Träume konzentrieren - es gab immer noch eine Realität in der ich leben musste. Und in dieser Realität gab es meinen Aibou, den ich zu beschützen hatte. Egal, was es mit Bakura und diesen Vorfällen auf sich hatte, ich musste sicher gehen, dass er meinem Aibou niemals Schaden zufügen konnte. Seine Sicherheit ging voran und selbst, wenn das hieß, dass ich ihn dafür leider anlügen musste. Schweigend trank ich meine warme Schokolade, während mein kleineres Abbild interessiert die Zeitung studierte. Als ich seinen Gesichtsausdruck genauer betrachtete fiel mir auf, wie angespannt er auf seinem Stuhl saß und außerdem waren seine Augen nur auf eine einzige Zeile der ganzen Titelseite gerichtet. "Aibou, steht da etwas Wichtiges?" Er schien mich gar nicht wahr zu nehmen - sein Blick war unverändert eingefroren auf die Zeitung gerichtet. "Aibou?" Interessiert streckte ich meine Hand nach der Zeitung aus und schob sie langsam zu mir. Doch schon bevor ich lesen konnte, was ihn so fesselte richtete er das Wort an mich. "Kennst du das kleine Mädchen aus dem Nachbarhaus?" Ohne ihm zu antworten las ich den Zeitungsartikel durch und verstand, was er mit dieser Frage bezwecken wollte. "Was willst du nun tun?", war alles, was ich wissen wollte. Er stand auf und lief unruhig durch die kleine Küche. "Wir beide kannten Aiko... Wenn das wirklich Bakura war, dann sollten wir sie vor ihm beschützen, bevor er mit ihr noch etwas anstellt. Wir sollten ihn nicht mehr aus den Augen lassen - vielleicht können wir so ein weiteres Kind retten." Ich nickte zustimmend, aber die ungewohnte Härte seiner Stimme ließ in mir Zweifel aufkommen. Ich kannte die kleine Aiko von nebenan kaum, aber für meinen Aibou war sie wohl mehr als nur die Tochter unserer Nachbarn. Sein Gerechtigkeitssinn war außerdem beinahe genauso gut ausgeprägt wie mein Beschützerinstinkt. "Wir werden schon dafür sorgen, dass er niemandem mehr Schaden zufügen kann. Mach dir keine Sorgen Aibou, Aiko wird schon nichts passiert sein." Ein harmloser Versuch ihn ein wenig zu beruhigen, aber etwas anderes blieb mir ja auch nicht übrig. Leider gab es überhaupt keinen Beweis, dass Bakura hinter all dem steckte - auch, wenn wir beide das gerne glauben. Um da ganz sicher zu gehen war es nötig, dass wir hinter Bakuras Geheimnis kamen. "Wir lassen ihn nicht mehr aus den Augen, ich will mit eigenen Augen sehen, was er macht und was nicht", verkündete er mit düsterem Ausdruck in den Augen und ballte seine schlanken Finger zu Fäusten zusammen. "Heute nach der Schule wird er keinen Augenblick alleine sein, das verspreche ich dir Aibou." Gesagt, getan. Nach der Schule heftete ich mich an Ryous Fersen - der sich den ganzen Schultag über ziemlich normal benommen hatte - während mein Aibou ständig neben mir herging. Stundenlang folgten wir ihm unauffällig, aber es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass Ryou nicht auch wirklich Ryou war. Auch von einem möglichen Auftauchen des Sennen Rings war nichts zu merken. Eigentlich war der ganze Tag relativ unspektakulär - irgendwie so, wie man sich das Leben von Ryou vorstellte, so hart es auch klang. Die Sonne war gerade dabei endlich unter zu gehen, als Ryou sich auf den Weg nach Hause machte. Den ganzen Tag hatte er entweder in der Stadtbibliothek oder beim Einkaufen verbracht. Nun schleppte er unzählige Bücher und eine vollbepackte Einkaufstüte glücklich summend nach Hause, während ich in einem guten Sicherheitsabstand hinter ihm herlief. "Er ist bald bei sich daheim. Was machen wir dann?" Mein Aibou seufzte sichtlich geschafft und zuckte gefrustet mit den Schultern. Aber was hatte er denn heute auch erwartet? Etwa, dass Bakura mit einem Messer voll Blut auf uns zugerannt käme und zugeben würde, dass er all diese Kinder - inklusive dieser kleinen Aiko - entführt hatte, um seine geisteskranken Pläne in die Tat umzusetzen? Das wäre dann doch etwas zu naiv gewesen... Aber anscheinend besaß mein Aibou genau diese kindliche Naivität, was ihn aber höchstens liebenswerter machte - obwohl sich solch eine Eigenschaft auch negativ auswirken konnte. "Yugi, was machst du denn hier?", brüllte es plötzlich aus einer Seitenstraße und diese schrille Stimme - besonders aber das unerwartete Auftauchen - ließen mich zusammenzucken. Mein Blick glitt für einen Moment in diese Seitengasse und ich erkannte Anzu, die glücklich winkend auf uns zugerannt kam. Es waren nur wenige Sekunden gewesen, in denen ich durch Anzu abgelenkt war, aber sie reichten aus, um Ryou aus den Augen zu verlieren. Die Straße lang einsam und verlassen vor uns. "Aibou, übernimm du. Ich..." Ich will nicht mit ihr reden, weil sie stört... Ich habe besseres zu tun, als auf ihr Gerede zu hören... "Ich bin müde vom vielen Laufen", hörte ich mich selbst zu ihm sagen und mit einem Nicken tauschten wir den Körper. Was hätte ich ihm auch schon sagen sollen? Die Wahrheit war in diesem Moment bestimmt nicht angebracht. In der Ferne hörte ich, wie mein Aibou versuchte Anzu in einer freundlichen Weise schnell loszuwerden, aber die ließ nicht locker. Zwei Tage lang verfolgten wir Ryou, aber es geschah überhaupt nichts. Langsam beschlich mich das Gefühl, dass ich mir alles doch nur eingebildet hatte... Aber irgendwie bekam ich immer ein Stechen in der Magengegend, wenn Ryou mich in der Schule ansah. Es wirkte beinahe so, als würde er Bescheid wissen. Konnte das sein? Oder bekam ich nun auch schon Wahnvorstellungen? Jedenfalls hörte ich bei jedem seiner Blicke den Satz Kannst du tanzen? in meinem Kopf und die Tatsache, dass Anzu plötzlich an mir zu kleben schien hob meine Stimmung nicht gerade. Wenn ich es nicht besser wüsste hätte ich behauptet, dass sie mit Bakura gemeinsame Sache machte. Und dieser Gedanke war glücklicherweise so bescheuert, dass ihre Gegenwart wieder ein wenig ertragbarer wurde. Dennoch richtete sich an diesem Abend ein Teil meiner Abscheu gegen sie. Wir saßen vor dem Fernseher und sahen uns wie immer die Abendnachrichten an, als wieder eine Meldung kam. Ein Junge war verschwunden und zwar genau in der Straße, in der mein Aibou und ich vor zwei Tagen von Anzu entdeckt worden waren. "Ähm Aibou, was machst du da?" Ich sah ihm interessiert zu, wie er mit seinem Körper durch das Wohnzimmer rannte und irgendetwas suchte. "Glaubst du etwa auch, dass deine Freundin Anzu mit Bakura unter einer Decke steckt?" Er drehte sich ungläubig zu mir um und fing an zu lachen. "Anzu und Bakura? Um Himmels Willen, nein. Du hast aber verrückte Ideen mittlerweile." Ich winkte unwirsch ab. "Drastische Situationen verlangen seltsame Theorien. Was machst du denn da jetzt eigentlich?" Er riss seinen Blick von mir und ging aus dem Zimmer ohne mir eine Antwort zu geben. Als er wieder zurück kam winkte er mich zu sich in die Küche, um auf dem Tisch einen Stadtplan auszubreiten. "Na ja, wie wäre es, wenn wir die Sache mit ein wenig Logik angehen, anstatt haarsträubende Theorien aufzustellen." Ein Lächeln zierte sein Gesicht, während ich spürte, wie ich ein wenig rot wurde. "Kein Grund sich beschämt abzuwenden. Ich denke ich habe eine Idee, vielleicht funktioniert sie - wenn wir Glück haben jedenfalls." Unter meinen neugierigen Blicken zog er Stecknadeln hervor und fing an diese wahllos auf die Karte zu pinnen. Nach einer kurzen Erklärung wusste ich, dass er die Nadeln doch nicht kreuz und quer auf die Karte stach. Er markierte damit die Orte, an denen die Kinder verschwunden waren und wenn man sich diese Karte betrachtet, dann nahmen die Nadeln darauf langsam eine Form an. "So, das war es glaube ich. An mehr kann ich mich nicht mehr erinnern." Er schaltete das Licht an und besah sich mit mir zusammen die Karte. Ich beschloss der Herr über seinen Körper zu werden und fuhr vorsichtig über die Nadeln. Irgendwie... Wenn man genau hinsah, dann... "Aibou, sieh doch. Wenn jetzt noch hier ein Kind verschwindet und hier eines, dann..." Mit meinem Finger deutete ich auf die Stellen, an denen noch ein freier Platz dazwischen war und mein Aibou folgte meiner Hand mit fasziniertem, aber auch verängstigten Gesichtsausdruck. Als er erkannte, was ich meinte stockte ihm augenblicklich der Atem. Mit seiner durchsichtigen Hand fuhr er selbst noch einmal die Linien nach, die die Nadeln auf der Karte bildeten und stoppte, als er an einer leeren Stelle angekommen war. "Wenn hier noch Nadeln wären, dann... Mou Hitori no Boku, das ist ja... aber was hat das zu bedeuten?" Nun ja, wenn ich mir das so ansah, dann konnte es im Grunde nur eines bedeuten. Meine Augen wandten sich dem Zeichen zu, das sich von der Karte durch die Nadeln abzeichnete. Kein Zweifel, was Bakura damit ausdrücken wollte... Mein Aibou schnappte hörbar nach Luft, als meine Gedanken langsam zu ihm durchsickerten. "Aber... Mou Hitori no Boku... Was wird passieren, wenn dieses..." Er suchte nach dem richtigen Worten für das, was auf dem Tisch vor uns lag, aber anscheinend fand er keines und so sprach er stockend weiter. "Dieses... Ding komplett ist?" Ich öffnete den Mund, musste ihn aber wieder schließen, denn ich konnte ihm keine Antwort auf diese - doch wichtige - Frage geben. Gemeinsam studierten wir sprachlos die Karte, jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend. ________________________________________________________________ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)