Die Sünde in der Sünde von abgemeldet (Teufels Segen und Gottes Fluch) ================================================================================ Prolog: Die erste Begegnung --------------------------- *Flashback* Ein leiser Wind pfiff durch die hohen Laubbäume und wirbelte einige schon hinuntergefallene Blätter auf. Es war eine schöne klare Nacht und man hätte jeden Stern einzeln zählen können, wären nicht Millionen von ihnen am Firmament zu sehen. Ihre Schritte waren kaum auf dem feuchten Waldboden zu hören, so graziös bewegte sie sich auf ihm. Sie lief einige Meter weiter und verharrte schließlich vor einem großen, glitzernden See, auf dem sich die volle Pracht des wie silber leuchtenden Vollmondes wiederspiegelte. Als eine erneute Brise ihre Haut streifte, fröstelte sie ein wenig. Hatte man den Schutz der Bäume erst verlassem, wurde einem die Kälte des Windes erst richtig bewußt, obwohl der Winter noch einige Zeit auf sich warten ließ. Sie hatte sich aber absichtlich nur ihr leichtes, weißes Kleid angezogen, denn sie liebte es wenn die Kühle des Windes für einen Moment ihre Haut kitzelte und eine leichte Gänsehaut zurückließ. Sie fühlte sich dann immer so frei und lebendig. Gedankenverloren blickte sie auf die schimmernde Oberfläche des ruhig daliegenden Sees. Früher war sie oft mit ihrer Mutter hier gewesen, doch das waren längst nur noch verblasste Erinnerungen. Ihre Mutter weilte schon lange nicht mehr unter den Lebenden. Gestorben durch die Hand eines Engels. Doch sie war nicht wütend auf diesen Engel. Sie wusste, ihre Mutter hätte auch ihn getötet, wenn sie die Gelegenheit gehabt hätte. So war es nun mal. Engel töteten Dämonen und Dämonen töteten Engel. So war es schon immer und so würde es vermutlich bis in alle Ewigkeit bleiben. Dabei waren sie doch einst alle ein vereintes Volk gewesen. Sie selbst hatte es nicht mehr miterlebt, aber sie kannte die Geschichte aus den Erzählungen ihrer Mutter und diese wiederum von ihrer Mutter. Es wurde von Generation zu Generation weitergegeben, damit es niemals in Vergessenheit geriet.... Gott verbannte eines Tages die sündigen Engel aus seinem heiligen Reich. Sie waren seiner Ansicht nach beschmutzt und unrein. Sie wurden gebrandmarkt und gnadenlos aus Gottes Paradis verstossen. Die heiligen Himmelspforten blieben bis in alle Ewigkeit vor ihnen verschlossen. Aber Gott war dieses nicht genug. Sie sollten ewig an ihre Sünden erinnert werden und so färbte er ihre sonst so schneeweißen Flügel schwarz wie die Nacht. Schwärzer als die Sünde selbst. Für die Verstossenen gab es keinen Weg mehr zurück und so wanderten sie ziellos in der tristen Welt, außerhalb Gottes Reich, hoffnungslos umher. Doch dann geschah etwas, mit dem niemand gerechnet hatte. Luzifer, des Schöpfers Gegenstück, nahm sich derer an, die gebrandmarkt und verstossen worden waren. Gott wusste schon lange von seiner Existenz, denn ohne Dunkelheit konnte es auch kein Licht geben. Luzifer scharrte alle gebrandmarkten Engel um sich und es ward eine neue Rasse geboren...die Dämonen. Seit jeher hassten sich Engel und Dämonen. Der Wind wehte ihr spielerisch eine Strähne ihres dunklen langen Haares ins Gesicht, als ob er sie auf andere Gedanken bringen wollte. Lächelnd strich sie sie wieder nach hinten und flüsterte: "Wie Recht du doch hast. Es ist eine viel zu schöne Nacht, um Trübsal zu blasen." Sie breitete ihre pechschwarzen Schwingen aus und setzte einen Fuß auf die klare Wasseroberfläche ihres Lieblingssees. Behutsam strich er das Blätterwerk zur Seite, was ihm die restliche Sicht versperrte. Seine braunen Augen schweiften über ihre schwarzen Flügel. Also stimmte es tatsächlich. Sie war eine Dämonin, so wie er es von Anfang an vermutete. Gut, dass er seinem Instinkt vertraut und sich versteckt hatte. Ansonsten hätte sie womöglich noch die Flucht ergriffen und das war das Letzte was er wollte. Sie war so wunderschön. Er beobachtete, wie sie einen Fuß nach dem anderen auf den See setzte. Ihre im Mondlicht glänzenden Flügel verhinderten, dass sie in das kühle Nass eintauchte. Dann begann sie zu tanzen. Ihre anmutigen und fließenden Bewegungen zogen ihn sogleich in ihren Bann. Noch niemals zuvor in seinem Leben hatte er so etwas schönes zu Gesicht bekommen. Er versuchte sich jedes einzelne Detail an ihr genauestens einzuprägen. Wie der Wind ihre langen Haare auf und abwiegte, wie ihre schlanken Beine gekonnt über die Wasseroberfläche tänzelten, wie ihre ganze Gestalt in dem hellen Mondlicht ein fast schon heiliges Bild darstellte. Ein plötzliches Verlangen machte sich in ihm breit. Er wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als ihre zarte Haut zu berühren, ihr duch das volle seidige Haar zu fahren und ihre sinnlichen roten Lippen mit seinen verschmelzen zu lassen. Wie oft wurde ihm schon in seinem jungen Leben eingetrichtert, wie schlecht und grausam die Dämonen waren. Dass sie keinen Funken Mitleid in sich trugen und alleine aus Freude am Töten in den Krieg zogen. Doch konnte etwas so schönes gleichzeitig so grausam sein? War es möglich, dass sich hinter ihrer zerbrechlichen Fassade ein blutgieriges Monster versteckte? Je länger er ihr bei ihrem traurigem Tanz zusah, desto mehr stellte er das Bild, welches er schon lange von den Dämonen hatte, in Frage. Er wollte sich nicht länger vor ihr verstecken. Auch wenn sie womöglich vor ihm fliehen sollte, musste er es doch wenigstens versuchen. Sonst würde er sie womöglich niemals wieder sehen. Sie hielt inne, als sie plötzlich ein Geräusch hinter sich vernahm. Erschrocken drehte sie sich um und sah am Ufer einen jungen Mann stehen. Er hatte seine strahlenden weißen Flügel in ihrer vollen Pracht ausgebreitet und sah unentwegt zu ihr hinüber. Eine Gänsehaut kroch langsam an ihr hoch. "Er wird mich töten" schoss es ihr durch den Kopf und ihr Instinkt forderte sie auf so schnell es ging die Flucht zu ergreifen. Doch irgendetwas hinderte sie daran. Irgendetwas an diesem jungen Engel ließ sie erstarren und zog sie in einen Bann, der sie nicht gehen lassen wollte. Oder war es die Angst, die sie lähmte? Vor Spannung hielt sie den Atem an. Was würde als nächstes passieren? Minuten vergingen, ohne dass einer von Beiden sich rührte oder eineen Ton von sich gab. Doch dann schwebte er langsam zu ihr hinüber. Ihr Herz setzte für einen Moment aus und eine Stimme in ihrem Kopf schrie:"Mach, dass du hier wegkommst!" Aber ihre Glieder wollten sich einfach nicht bewegen. Nur noch wenige Meter trennten sie von dem blonden Engel. Sie konnte seine braunen Augen deutlich erkennen, wie sie sie neugierig und interessiert musterten. Sein Blick hatte so etwas warmes und freundliches, dass sie sich kurzzeitig in ihm verlor. Er war ihr inzwischenn noch näher gekommen und stand nun direkt vor ihr. Sie konnte deutlich die Körperwärme spüren, die von ihm ausging und ungewollt schlug ihr Herz plötzlich schneller und unkontrolliert. Sie spürte wie er ihr Kinn anhob und sein warmer Atem sie zart an der Wange streifte. Es war eine zaghafte Berührung. Sanft und weich fühlten sich seine Lippen auf ihren an. Im ersten Moment war sie total perplex, doch dann hatte sie ihre Sinne wieder alle beisammen und sie stieß sich von ihm. Immer noch etwas verwirrt fuhr sie sich mit den Fingern über ihre heißen Lippen. Noch nie hatte es jemand gewagt ihr so nahe zu kommen. Noch niemals zuvor in ihrem Leben war sie so erregt gewesen, wie in diesem Augenblick. Doch das jagte ihr auch ein wenig Angst ein. Sie war nun aus ihrer anfänglichen Trance erwacht und fasste wieder einen klaren Gedanken. Er war ein Engel, sie eine Dämonin. Was sie hier taten war falsch, ja es war sogar verboten. Kurzentschlossen spannte sie ihre schwarzen Flügel und erhob sich in die dunkle Nacht. "Warte!" drang seine tiefe Stimme an ihr Ohr, doch sie achtete nicht darauf. Immer weiter entfernte sie sich von dem See und dem blonden Engel. "Ich werde morgen hier auf dich warten! Um die gleiche Zeit!", hörte sie ihn noch ein letztes mal rufen, bevor sie endgültig in den Schatten der Nacht verschwand. Er wartete nun schon eine geschlagene Stunde auf sie. Nachdenklich lag er auf dem Rücken im weichen, hochgewachsenem Gras und betrachtete die funkelnden Sterne über ihm am Firmament. Es war so herlich ruhig hier. Er schloss die Augen und lauschte den Klängen des plätschernden Wassers und dem leisen Pfeifen des Windes. Hier war nun so lange schon sein Lieblingsplatz und noch niemals hatter er jemaand anderen hier gesehen. Ob es nun Zufall war, oder Bestimmung...SIE war auch hier gewesen und vermutlich auch nicht das erste mal. Ja...sie...Ob sie überhaupt noch kommen würde? Mit jeder Minute die verstrich, sank auch seine Zuversicht, die er anfangs noch gehabt hatte. Er seufzte leise und kaute gelangweilt weiter an einem Grashalm. Doch plötzlich vernahm er dumpfe Schritte auf dem Boden. Freudig richtete er sich auf und erkannte sofort seine Begegnung von leztzer Nacht wieder. Sie trug ein langes goldenes Kleid, was mit schwarzer Spitze verziert war und ihre dunklen Haare hatte sie hochgesteckt. Sie sah noch schöner als bei ihrer ersten Begegnung aus. Er lächelte erleichtert und erhob sich langsam. "Ich hatte schon Angst, du würdest nicht mehr kommen", seine Stimme war mehr ein Flüstern. "Naja", auch ihre Lippen umspielte ein Lächeln, "jetzt bin ich ja hier." Langsam ging er auf sie zu und blickte in ihre dunkelblauen Augen, die ihn schon beim ersten Anblick fasziniert hatten. Dieses mal war sie es, die Partei ergriff. Er spürte wie sie eine Hand in seinen Nacken legte und er ließ sich bereitwillig zu ihr hinunter ziehen. Ihr Lippen fühlten sich so wunderbar weich und zart an. Anfangs waren ihre Küsse noch etwsa zurückhaltend, doch mit der Zeit stieg auch die Erregung in ihnen und die Küsse wurden fordernder und intensiver. Seine Zunge verlangte Einlass in ihren Mund, den sie ihm auch ohne zögern gewährte. Seine Hände wanderten um ihren zierlichen, wohlgeformten Körper und er schloß sie fest in seine Arme. Nach einiger Zeit lösten sie sich schwer atmend wieder voneinander. In ihrem Gesicht hatte sich eine leichte Röte breit gemacht und auch ihm war die Hitze wohl zu Kopf gestiegen. "Ich weiss noch nicht einmal, wie du heisst.", brachte sie völlig außer Atem hervor. "Ich heisse Noel van Baldissin.", er sah sie fragend an. "Und erfahre ich jetzt auch deinen Namen?" Sie lächelte. "Kiara. Kiara van Dawen." *Flashback Ende* Kapitel 1: Der Anfang vom Ende ------------------------------ Hallo ihr Lieben! Da bin ich nun wieder mit dem zweiten Kapitel! Danke noch mal für eure Lieben Komis! Ich hab mich wirklich sehr darüber gefreut. Tut mir übrigens Leid, dass im ersten Kapitel alles so schnell gelaufen ist, aber es war ja nur ein flashback und ich wollte mich nicht allzulange damit aufhalten ^-^ Dachte nur, es würde euch vielleicht interessieren, wie die Beiden sich kennengelernt haben. War eigentlich für die Story gar nicht geplant, aber dann habe ich es doch eingebaut. Ich möchte an dieser Stelle noch mal meine Trischy-Maus grüßen, die das ganze hier ja wohl hoffentlich auch wieder lesen wird! ^-^ So, jetzt aber genug gelabert! Viel Spaß beim zweiten Kapitel "Der Anfang vom Ende"! Kiara hatte ihre Augen geschlossen und lauschte den gleichmäßigen Atemzügen, die nur ganz leise zu vernehmen waren. Ihr Kopf ruhte auf Noels Brustkorb und hob und senkte sich sanft mit ihm. Sie liebte Augenblicke wie diese, denn sie waren viel zu selten. Die beiden lagen friedlich auf der Wiese vor dem See. Ja, ihrem See. Er sah bei Tag ganz anders aus, als bei Nacht, wenn der Mond ihm dieses silbrige Glitzern schenkte. Jetzt zierte ihn eine Farbe von dunklem Türkis und die leuchtenden Seerosen auf ihm blühten in ihren prächtigsten Farben. Sie liebte diesen See. Nicht nur, weil er ihre schönste Erinnerung barg, sondern auch, weil er so friedlich und unvergänglich schien. Der See hatte sich, im Gegensatz zu ihnen, gar nicht verändert. "Woran denkst du gerade?" Noel hatte seine Augen aufgeschlagen und schaute sie mit seinen braunen, sanften Augen fragend an. Sie lächelte. "Weisst du was heute für ein Tag ist?", stellte sie ihm die Gegenfrage, ohne seine zu beantworten. Er verzog das Gesicht zu einer gekünstelt verwirrten Grimasse. "Mmmh...ma überlegen...dein Geburtstag? Nein, halt! Da war doch noch etwas...aber ich komm nicht drauf..." "Blödmann!", unterbrach sie ihn lachend und zwickte ihn leicht in die Seite. "Au! Du hast ja gewonnen!" Er schloss sie in die Arme und zog sie sanft zu sich heran. "Genau heute vor zwei Jahren habe ich die schönste Frau der Welt kennen gelernt und mich in sie verliebt." "Und zwar genau an diesem Ort.", fügte sie noch hinzu, bevor er ihre Lippen mit einem leidenschaftlichen Kuss versiegelte. "KIARA!!" Erschrocken fuhren sie auseinander. Ihre Blicke schweiften über die hohen Grashalme, jedoch konnten sie niemanden entdecken. "Kiara!" Sie spürten den plötzlich aufkommenden Wind über sich und schlossen schützend die Augen vor dem umherfliegenden Dreck. Der Wind legte sich aber schnell und sie hörten etwas dumpfes auf der Erde aufschlagen. Verwirrt schlugen sie ihre Augen wieder auf und sahen vor sich eine hübsche Dämonin stehen. Ihre schulterlangen braunen Haare fielen ihr wirr ins Gesicht, als sie sich etwas außer Atem auf die Knie stüzte, um nach Luft zu schnappen. Ihre schwarzen Schwingen, auf denen das Sonnenlicht reflektiert wurde, waren noch immer ausgebreitet. "Selfie!" Kiara richtete sich beunruhigt auf. "Was ist denn passiert?" "Kiara...dein Vater will dich sehen...Sofort.", brachte sie atemlos hervor. Kiara legte die Stirn in Falten. Was könnte ihr Vater denn so wichtiges von ihr wollen? Es musste wirklich wichtig sein, denn nur selten ließ er Kiara so dringlich zu sich rufen. Sie erhob sich aus dem grünen, duftenden Gras und klopfte sich ihr purpurrotes, mit weißer Spitze versehenes Kleid zurecht. "Da muss was passiert sein. Beeilen wir uns, Selfie." Sie konnte deutlich Noels Enttäuschung spüren, als sie diese Worte aussprach. Liebevoll strich sie ihm durch sein in der Sonne goldglänzendes, vom Wind noch völlig zerzauste Haar, beugte sich noch einmal zu ihm hinunter und hauchte ihm einen letzten Abschiedskuss sanft auf seine weichen Lippen. "Wir sehen uns später.", flüsterte sie ihm noch liebevoll ins Ohr, "Ich liebe dich." Dann schossen ihre schwarzen Flügel aus ihrem zierlichen Rücken und sie erhob sich zusammmen mit Selfie in den wolkenlosen Himmel. Schon bald waren sie nur noch zwei kleine schwarze Punkte in der Ferne. Noel schritt gemütlich pfeifend durch die Gärten seines Palastes. Er betrachtete die endlos erscheinenden Blumenbeete, mit all ihrer bunten Pracht. Ein schmaler Kiesweg schlängelte sich wie ein ruhiger Fluss durch die verschidensten Beete, die sich wie riesige bunte Teppiche über die Landschaft erstreckten. Er hielt an und atmete die frische Luft tief ein. Wie gerne würde er diese schöne Landschaft mit Kiara an seiner Seite genießen. Er schloss die Augen und konnte ganz klar und deutlich ihr lachendes Gesicht vor sich erkennen. Die kleinen Grübchen in ihren geröteten Wangen, ihre ebenmäßigen weißen Zähne, ihre sinnlichen vollen roten Lippen und nicht zuletzt ihre schönen dunkelblauen Augen, die ihn anstrahlten. Er würde einfach alles für sie tun, da war er sich mittlerweile sicher. Er wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als er einen leichten Druck auf seiner rechten Schulter vernahm. Erschrocken fuhr er herum und blickte in das amüsierte Gesicht eines etwas größeren und älter wirkenden Engels. Seine langen silbernen Haare, die der Wind vergnügt auf und abtänzeln ließ, waren hinten zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und aus seinen klaren blauen Augen sprachen Weisheit und Lebenserfahrung. "Dobiel, du hast mich erschreckt." Etwas unsanft rüttelte er die Hand von seiner Schulter und blickte ihm mürrisch in die Augen. "Du solltest eben nicht immer deinen Gedanken nachhängen. Du musstest doch garantiert wieder an SIE denken..." "Ja, du hast ja Recht. Aber sie ist einfach...umwerfend. Sie ist hübsch, klug, freundlich, hilfsbereit,..." "...eine Dämonin..." führte Dobiel den Satz weiter und ließ ein leises Seufzen vernehmen. "Ach komm. Nun sei mal nicht so kleinlich. Niemand ist perfekt. Du würdest sie sicherlich auch mögen." Ein plötzlicher Windstoß fegte über die beiden hinweg, als ob er Noels Worte noch unterstreichen wollte. "Das bezweifel ich stark... Und jetzt komm. Ich möchte dir jemanden vorstellen." "Mein Name ist Kyriel. Ich wurde erst kürzlich zur Erzengeladeptin berufen und bin nun auf ausdrücklichen Wunsch Ihres Vaters hier, um auf Ihr persönliches Wohl zu achten." Das Mädchen warf schwungvoll ihr langes glattes Haar nach hinten und verneigte sich leicht. Sie war für eine Adeptin noch recht jung und von betörender Schönheit. Wahrscheinlich war das auch der Grund für ihre plötzliche Beförderung. "Dein alter Herr versucht auch immer wieder dich unter die Haube zukriegen, was?", schmunzelte Dobiel vor sich hin und schielte vergnügt zu dem mürrisch dreinblickenden Noel. Dieser hatte die Arme vor der Brust verschrenkt und beäugte das zierliche Mädchen skeptisch. "Wie könnt ihr es wagen?! Sein "alter Herr" ist immmerhin Euer König!" Entrüstet stemmte sie ihre Hände in die Hüften und blickte Dobiel aus ihren funkelnden Augen böse an. "Natürlich, verzeiht. Wie konnte ich das nur vergessen?" erwiderte dieser immer noch lachend. "Wie auch immer." Noel hatte seine Sprache wiedergefunden. "Ich brauche kein Kindermädchen, dass auf mich aufpasst. Und erst recht keins, was noch grün hinter den Ohren ist." Damit drehte er sich abruppt um und ließ die beiden verdutzt dreinschauenden Engel hinter sich. Kiara schritt schnellen Fußes durch die großen, prächtigen Hallen ihres Palastes. Jeder Schritt hallte in dem mit Marmor verzierten Gewölbe wieder, während ihre Augen über die vielen altertümlichen Säulen und Wandteppiche glitt. An der Decke prangte ein riesiger goldener Kronleuchter und flutete die gesamte Halle mit warmen hellen Licht. Sie beschleunigte ihre Schritte noch und stieß das schwere, aus Ebenholz gefertigte Tor zum Thronsaal ihres Vaters auf. Dieser saß, den Kopf in den Händen vergraben, auf seinem Thron und zeigte keinerlei Regung. Langsam jetzt, nährte sie sich ihm vorsichtig. "Vater?" Ihre Stimme klang sanft und einfühlsam und doch lag etwas Beunruhigendes in ihr. Bei ihm angekommen kniete sie sich vor ihn und legte ihre Hände behutsam auf seine breiten Schultern. "Vater, was ist denn nur geschehen? Was ist mit dir?" Nur langsam erhob er sein Haupt und als er sie erblickte traten ihm die Tränen in die Augen. "Kiara...", es war nur ein heiseres Flüstern. Er schien zu erschöpft und ausgelaugt, um zu sprechen. Sie sah ihn nur ratlos an und schüttelte ihn leicht. "Was ist denn bloß los? Rede mit mir, Vater!" Sie blickte in seine ausdruckslosen schwarzen Augen, aus denen jegliches Glänzen und Lachen, was sonst immer in seinem Blick mitspielte, verschwunden war. Langsam, nur schwerlich öffnete er seinen Mund: "Kiara...dein Bruder...er ist..." Doch seine Stimme brach erneut und so deutete er mit dem Finger nach rechts. Ohne es wirklich zu realisieren drehte sie ihren Kopf in die eben gezeigte Richtung. Dort, einige Meter entfernt, war ein Altar aufgebaut, auf dem etwas lag. Nein. Nicht etwas, jemand. "NEIN!!" Bei dem Klang ihrer entsetzten Stimme, traten dem König erneut Tränen in die Augen. "Nein!", schrie sie ein weiteres mal. Ihre Schritte trugen sie wie von selbst, als sie auf den weißen Altar zurannte, auf dem ein kleiner Junge scheinbar friedlich schlafend dalag. Vor ihm schmiss sie sich auf die Knie. Seine Haut und Lippen waren blass und auf seinem sonst nie stillstehendem Gesicht war keine Regung zu erkennen. Er war tot. "Karan! Karan mach die Augen auf!" Verzweifelt packte sie ihren Bruder an den Schultern und rüttelte ihn. "Karan..." Das nächste was sie spürte, waren ihre heißen Tränen auf ihren Wangen und sie schloss zitternd den toten Körper Karans in ihre Arme. Er fühlte sich so kalt an, jegliche Wärme war schon aus ihm heraus getreten. Sie presste ihn noch enger an sich, als ob sie ihm einen Teil ihrer Wärme zuflößen wollte, aber seine Gestalt blieb kalt und stumm. Ein unbeschreiblicher Schmerz stach Kiara plötzlich in ihr Herz und am liebsten hätte sie es sich eigenhändig herausgerissen, nur um diesen unsagbaren Schmerz nicht mehr spüren zu müssen. "Warum...? Du warst doch noch ein Kind..." Die Tränen wollten einach nicht aufhören zu fließen und eine Welle der Übelkeit fiel über sie her, während sie hilflos seinen zierlichen, schmalen Körper umklammerte. Nach einiger Zeit löste sie sich von ihm. Langsam bettete sie ihn wieder auf den Altar und nahm seine kalte, kleine Hand in die ihre. Sie war fest umschlossen und als Kiara sie vorsichtig öffnete, um seine Hände zu falten, löste sich etwas aus ihr... Langsam und sanft schwebte eine weiße Feder gen Boden. "Engel?" Soooooooooooo....na was glaubt ihr, wer der Mörder vom Kleinen Karan ist? Ich weiss es...aber ich sags euch natürlich nicht ^-^ Freue mich natürlich über jedes weitere Kommentar und wir sehen uns dann im dritten Kapitel wieder! mfg YamiSun Kapitel 2: Die Saat des Mißtrauens ---------------------------------- Hallo ihr Lieben! Hier ist also das dritte kapitel. Ich widme es einfach mal meiner lieben freundin ina (reisball), weil sie mich immer so schön anspornt! also...ich wünsche euch viel spaß bei DIE SAAT DES MIßTRAUENS! ^-^ "Das ist einfach unmöglich..." Kiara wusste nicht, wie oft sie diesen einen Satz schon in den Mund genommen hatte. Sie lag schon seit Sunden reglos auf ihrem weichen Bett und starrte gedankenverloren an die schneeweiße Decke in ihrem Zimmer, als ob sie die Antwort auf all ihre Fragen beinhalten würde. Es war alles noch so unwirklich. Ihr war, als würde Karan jeden Moment in ihre Tür platzen und sich ihr lachend um den Hals werfen. Aber das würde er nicht mehr tun...Nie wieder. Denn er ist "TOT!" Das lezte Wort ihrer Gedanken schrie sie förmlich aus sich heraus. "Er ist tot, Kiara. Tot. Er wird nie wieder zu dir zurückkommen...nie wieder..." Sie spürte erneut die Tränen in ihren ohnehin schon geröteten und brennenden Augen. Warum? Warum musste ausgerechnet ihr kleiner Bruder sterben? Was waren das bloß für Monster, die ein unschuldiges kleines Kind ermordeten?! RUMS! Kiara führ ruckartig hoch, als die Doppeltür zu ihrem Zimmer plötzlich aufflog. Erschrocken schaute sie in das blasse Gesicht Selfies. Ihre rotunterlaufenen Augen und die verräterischen nassen Spuren auf ihrem Gesicht bestätigten auch ihre Trauer. "Oh Kiara...", Selfies Stimme war nur noch ein merkwürdiges Schluchzen, "Ich habs gerade erfahren..." Mit grossen Schritten durchquerte sie das räumliche Zimmer und schlang die Arme um ihre beste Freundin. "Es tut mir so Leid...so Leid..." Im ersten Moment noch völlig perplex, klammerte sich Kiara im nächsten auch schon verzweifetlt an den zierlichen Körper. Hatte sie davor auch versucht stark zu bleiben, so brach die Mauer bei dieser liebevollen Geste jetzt vollends zusammen und sie schluchzte hemmungslos drauf los. Sie spürte zwar die Nähe und die Wärme, die ihr die andere Person entgeenbrachte, aber dennoch fühlte sie diese gähnende Leere in sich. Eine Leere, die sich wohl nie wiede gänzlich füllen würde. Eine ganze Weile saßen die beiden Freundinnen so da, ohne ein Wort zu sagen. Nur einige erstickte Laute waren manchmal zu hören, bis auch diese allmählich wieder abklangen. Zögerlich löste sich Kiara wieder von Selfie und ließ sich erschöpft zurück ins Bett sinken. Selbst die Augen offen zu halten war zu anstrengend. Eine Weile noch war es ruhig im Zimmer, bis Selfie das Schweigen brach. "Stimmt es? Ich meine, dass es Engel waren?" Kiara nickte kaum merklich. "Dann ist es also doch wahr...ich wollte den Gerüchten erst keinen Glauben schenken..." Kiara schnaubte verächtich. "Er ist kaum ein paar Stunden tot und schon zerreissen sich die Dämonen hier das Maul." Selfie schwieg daraufhin. Sie wusste, dass es Kiara aufregte, wenn getratscht wurde. Aber bei einem so wichtigem Ereignis war das ja auch kein Wunder. Es war eine persönliche Angelegenheit, das stimmte, aber ebenso war es eine politische. Da die Engel den Königssohn getötet hatten, war der bisher hinausgezögerte Krieg nun unvermeidbar. "...Kiara...ich will mich wirklich nicht aufdrängen....aber wie glaubst du haben es die Engel geschafft in den Palast einzudringen? Ich meine....es ist schier unmöglich. Überall stehen Wachen und unsere Gemäuer sind mit astraler Kraft geschützt...es müsste schon ein sehr mächtiger Engel geweswn sein..." Kiara nickte nur und ihre Augen hatten einen starren Blick angenommen. "Darüber habe ich mir auch schon den Kopf zerbrochen. Aber eine Antwort ist unwahrscheinlicher, als die andere..." Selfie holte noch einmal tief Luft, bevor sie ihren Gedanken laut aussprach. "Du ähm...glaubst aber nicht, dass es Noel war...?" "Nein!", Kiara sah ihre Freundin scharf an und diese senkte den Blick schnell wieder. "Nicht eine Sekunde habe ich daran gedacht, dass es Noel gewesen sein könnte." "...aber er ist ein sehr mächtiger Engel und dazu noch der Königssohn. Es kann doch sein...naja...dass er dir nur etwas vorgespielt hat..." Vorsichtig hob sie ihren Kopf, noch immer etwas eingeschüchtert, aber sie blickte Kiara jetzt direkt in die azurblauen Augen und hielt ihrem eisernen Blick stand. Nach kurzer Zeit wurde Kiaras Blick wieder etwas weicher und sogar ein zartes, kaum vernehmbares Lächeln zierte ihr hübsches Gesicht. "Selfie...ich mache dir keinen Vorwurf, dass du so denkst. Ich würde es wohl eher tun, wenn du es nicht tun würdest...Aber hast du jemals in deinem Leben jemanden schon mal aufrichtig, ohne Einschränkung geliebt? Und wurde dir diese Liebe auch auf gleiche Art und Weise wieder gegeben?" Sefie schüttelte, mit einer leichten Röte im Gesicht, den Kopf und verstand wohl was Kiara ihr damit sagen wollte. "Wenn du ihm so sehr vertraust...obwohl er ein Engel ist....dann will auch ich das tun. Denn mein Vertrauen gilt dir." Kiara erwiederte das Lächeln, dass Selfie ihr daraufhin schenkte. "Danke. Das bedeutet mir sehr viel." "Was wollt ihr von mir?" Kyriel wich ängstlich einige Schritte von den Männern zurück, die sie mit gierigen Blicken zu verschlingen versuchten. "Jetzt zier dich doch nicht so, Püppchen. Mit diesem Spielchen willst du uns doch nur heiss machen...aber das ist dir gelungen..." Einer der Männer war vorgetreten und hatte ein schmieriges Grinsen aufgesetzt. Er war mindestens so um die 1,85m groß, hatte pechschwarze Haare und eiskalte blaue Augen. "Also halt am besten still, dann wird es auch nicht wehtun...versprochen." Sein Grinsen wurde noch breiter, während er noch etwas näher an Kyriel herantrat, sodass sie seinen wiederlichen Atem in ihrem Gesicht spüren konnte. Erschrocken riss sie die Augen auf. Es war eindeutig, was diese Männer nun mit ihr vorhatten. Widerstand zu leisten hatte genauso wenig Sinn, wie versuchen wegzulaufen. Diese Perversen waren zu fünft und allesamt groß und kräftig gebaut. "Was ist los? Du sagst ja gar nichts. Hast du etwa Angst?" Sie spürte wie seine groben Hände langsam ihren Oberschenkel langfuhren. Bei dieser Berührung versteifte sich ihr Körper augenblicklich und sie fing unwilkürlich an zu zittern. "Bitte... hören Sie auf..." Sie wusste, dass ihre Stimme ihre Angst wiederspiegelte, während sie ihn anflehte sein grausiges Spiel zu beenden. "Bitte...ich werde auch niemandem etwas sagen..." Der Mann lachte nur hohl auf. "Ja, das wirst du ganz sicher nicht...dafür werden wir schon sorgen." Seine Hand wanderte weiter in ihren Slip und Kyriel schrie entsetzt auf, doch dieser Schrei wurde unterbrochen, als er seinen Mund brutal auf ihren presste. Dabei hatter er seine Zunge tief in ihren Mund geschoben und stöhnte ekelerregend in sie herein. "AH!" Blitzschnell ließ er von ihr ab . Blut lief seinen rechten Mundwinkel hinunter, während er schmerzhaft das Gesicht verzerrte und sie wütend anstarrte. "Die kleine Hure hat mir in die Zunge gebissen!", zischte er und im nächsten Moment holte er auch schon aus und schlug ihr ungehalten ins Gesicht, sodass sie zu Boden stürzte. Kyriel war noch wie betäubt von diesem Schlag, da wurde sie auch schon wieder unsanft hochgezogen und brutal gegen die Wand gepresst. "Denkst wohl, du bist was Besseres, wie?!" Seine Augen funkelten gefährlich, als er sie grob am Kinn packte. "Du bist doch nur Adeptin, weil du dich hochgebumst hast! Und wir sind der kleinen Schlampe wohl nicht gut genug!!" Kyriel spürte wie ihr Zornestränen die Wangen runterliefen. DAS war es also. Diese miesen Arschlöcher fühlten sich erniedrigt, weil eine Frau den Posten bekommen hatte und wollten ihr nun auf schmerzhafte Art und Weise klar machen, dass sie sich von einer Frau, nämlich ihr, nichts sagen ließen. "Hör auf hier rumzuheulen! Die Masche kannst du vielleicht bei anderen abziehen, aber bei uns nicht!!" Er holte erneut aus und sie schloss reflexartig die Augen, darauf eingestellt im nächsten Augenblick erneut einen brennenden Schmerz zu fühlen. "Das würde ich lieber sein lassen." Verwirrt öffnete Kyriel die Augen und sah niemand geringeren als Dobiel neben dem Mann stehen. Er hatte den Schlag des Schwarzhaarigen abgefangen und unbändiger Zorn war seinem Gesicht zu entnehmen. "Ma...Master Dobiel..." Dem Mann entwich plötzlich jegliche Farbe aus dem Gesicht und er starrte immer noch erschrocken zu dem Älteren auf. "Seriel...ich fürchte das wird Konsequenzen haben." Ohne eine Reaktion abzuwarten, rammte Dobiel sein Knie in den Magen des Anderen, der daraufhin keuchend zu Boden sank. Als die anderen panisch die Flucht ergreifen wollten, sendete er eine kräftige Astralwelle aus und die vier wurden zu Boden gerissen. Im nächsten Augenblick stürmten auch schon einige Wachen in den Korridor, angelockt durch die starken Astralkräfte Dobiels. In ihren pechschwarzen Roben und den kaum zu vernehmenden Klang ihrer Schritte waren sie kaum in dem dunklen Gang zu bemerken. "Dobiel-sama. Was ist hier vorgefallen?" Einer der Wachmänner, wahrscheinlich der Kommandant, gab den Wachleuten ein Handzeichen, auf das diese sofort die auf dem Boden liegenden Männer in Handschellen legten. "Ein Angriff auf eine Erzengel Adeptin. Ich verlange, dass diese Männer eingesperrt werden, bis ihre Gerichtsverhandlung stattfinden kann." Man konnte Dobiels Stimme und seinen Augen, die einen gefährlichen Glanz angenommen hatten, deutlich entnehemen, dass er keinen Widerspruch zuließ. "Aye, Dobiel-sama." Mit einem kurzen Nicken drehte der Kommandant sich um und befahl seinen Männern die Gefangenen wegen Hochverrats in die Kerker zu bringen. Er und noch einige andere nahmen anschließend wieder ihre Posten zur Bewachung auf. Langsam ließ auch der Schockzustand bei Kyriel wieder nach. Noch immer zitternd und völlig aufgelöst lehnte sie an der kalten Steinwand und hatte ihr Gesicht in den Händen vergraben. "Alles in Ordnung mir Euch?" Dobiels Stimme hatte jetzt einen sanften, beruhigenden Ton angenommen und als sie die Hände wieder von ihrem Gesicht nahm und die Augen öffnete, registrierte sie erst wirklich, dass der ganze Spuk endlich vorbei war. Erneut sammelten sich die Tränen in ihren ozeanblauen Augen, doch sie wischte sie mit einer schnellen Handbewegung wieder fort. Sie wollte keinesfalls noch mehr Schwäche zeigen. Keine weiteren Demütigungen zulassen. Also atmete sie einmal kräftig durch, straffte ihre schmalen Schultern und hob anmutig ihren Kopf, um Dobiel in die Augen sehen zu können. "Denkt nicht, ich wäre auf Eure Hilfe angewiesen. Es ist schliesslich nicht das erste mal, dass soetwas vorkommt." "Da muss ich Euch zustimmen. Es kommt leider noch viel zu häufig vor und die meisten kommen auch noch ungeschoren davon. Es ist einfach so, dass die Mehrheit der hohen Engel männlicher Abstammung sind und sich so herzlich wenig für dieses Problem interessieren. Deswegen habe ich auch nicht auf versuchte Vergewaltigung plädiert, sondern auf den Angriff auf Euer Wohl als Adeptin." Er schwieg einen Moment. "Ich hoffe es ist Euch Recht so. Ihr könnt es selbstverständlich bei der Verhandlung ändern lassen. Diese Entscheidung überlasse ich voll und ganz Euch." "Nein...nein, schon gut... Ich denke ich werde es dabei belassen. Als Grund für diese...Demütigung... haben sie schließlich meinen Rang genannt." Man konnte deutlich ihre Bitterkeit heraushören, als sie diese Worte aussprach. "Ich sehe...Ihr seid nicht nur hübsch, sondern auch ausgesprochen klug." "Was soll das?", zischte sie wütend. "Wollt Ihr mir jetzt auch noch an die Wäsche?" "Nein.", Dobiel schüttelte bestimmt den Kopf. "Meine Bitte ist eine ganz andere." Etwas verwirrt sah sie ihn an. Eigentlich hätte sie es sich ja auch gleich denken können, dass diese Rettungsaktion für sie nicht ganz umsonst sein würde, doch trotzdem kam sie nicht drumherum ein wenig enttäuscht zu sein. Alle Männer waren doch irgendwie gleich, da war dieser Dobiel wohl auch keine Ausnahme. Kalt sah sie ihn aus ihren blauen Augen an. "Und...?Welche Annähmlichkeiten soll ich Euch denn bereiten?" Es dauerte eine Weile, bis er antwortete, doch diese Antwort riss sie vollkommen von den Socken. "Ich möchte, dass Ihr Noel dazu bringt, sich in Euch zu verlieben." Einige Minuten passierte gar nichts und sie ließ die eben von ihm ausgesprochenen Worte immer wieder Revue in ihrem Kopf durchlaufen. Sie sollte was? War das etwa sein Ernst? Als Dobiel ihren fassungslosen Blick bemerkte fügter er noch hinzu:" Ich habe gesehen, was für Blicke Ihr ihm immer zuwerft. Auch wenn es vielleicht den Anschein hat, ich bin kein Narr und weiss sehr wohl über Eure Gefühle Bescheid. Seit Ihr vor einigen Tage in den Dienst Noels getreten seid, sind Eure Blicke für mich wie ein offenes Buch." Er schmunzelte leicht, als Kyriel unter diesen Worten stark errötete. "Ich...also..." Kyriel wusste gar nicht mehr, was sie noch dazu sagen sollte. Waren ihre Gefühle für den Kronprinzen wirklich so offensichtlich?? "Ihr müsst nicht gleich antworten. Ich lasse Euch noch bis morgen Bedenkzeit. Wie auch immer Ihr Euch entscheiden werdet, ich werde Eure Antwort akzeptieren." Er wandte sich zum Gehen. "Wartet!" Fragend sah er sie an. "Soll das heissen Ihr habt Euch schon entschieden?" Etwas Überraschung schwang in seiner Stimme mit. "Nun...ähm...nein. Vorher möchte ich den Grund erfahren. Warum soll sich Noel-sama in mich verlieben? Was hättet Ihr davon?" "Ich wusste doch du bist ein schlaues Mädchen." Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. "Also gut. Ich werde dir den Grund nennen. Es ist nämlich so, dass Noel-sama sein Herz bereits an eine Frau verloren hat." Bevor sie irgendetwas erwidern konnte, fuhr er unbeirrt fort. "Unzwar an eine Frau, die ihn früher oder später ins Verderben stürzen wird. Das ist nur eine Frage der Zeit. Und um dies zu verhindern muss ich alles nur Erdenkliche tun und das werde ich auch." "Also heisst das...Noel-sama ist in Gefahr, wenn er weiterhin diese Frau liebt?" "Ja. So in etwa könnte man es ausdrücken." "Also schön. Ich werde es tun. Wenn es um das Wohl Noel-samas geht, dann werde ich Eurer Bitte nachkommen. Aber eines habe ich immer noch nicht verstanden... WARUM tut Ihr das für ihn?" "Nun, aus dem selben Grund, warum Ihr selbst das für ihn tut. Aus Liebe." Dobiel musste bei ihrem etwas geschockten Gesichtsausdruck lachen. "Nun, vielleicht nicht ganz der selbe Grund.... meine Liebe zu ihm ist eher die eines großen Bruders. Und um seinetwillen würde ich einfach alles tun... Einfach alles." So, hier hör ich jetzt mal wieder auf. ^-^ Ich weiss zwar nich wieso, aber dieses kapitel gefällt mir irgendwie sehr gut...war zuerst völlig anders geplant, aber ich hab halt keinen Einfluss auf meine Charaktere...machen einfach immer was sie wollen...-.- naja, man liest sich in kapitel vier! ach ja! über kommis würde ich mich wie immer sehr freuen! Kapitel 3: Pläne ---------------- Kiara schritt mit gesenktem Kopf ,zusammen mit ihrem Vater, direkt hinter dem schwarzen Sarg her, der mit goldenen, alten Schriften und Symbolen verziert war. Ihr Gesicht, von einem schwarzen Schleier vollends bedeckt, hatte einen ausdrucklosen Zug angenommen und auch ihr zierlicher Körper wurde von einer samtenen Dunkelheit umhüllt. In ihrem Kopf schien alles leer, sie vermochte nicht einmal zu denken. Ihre Augen gaben keine Tränen mehr her, schienen ausgetrocknet zu sein, während der lange Trauerzug auf das Familiengrab der Königsfamilie zuschritt. Kurz blickte sie auf und sah zum Himmel. Keine einzige Regenwolke war zu sehen, nur die Sonne schien in ihrer vollen Pracht, wie schon lange nicht mehr und sie verfluchte Gott dafür. Er schien sie alle zu verspotten, sie auszulachen, während ihrer Trauerzeremonie. Stille kehrte ein, als sie die Familiengruft erreichten. Nur die Stimme ihres Vaters hallte in ihrem Kopf wieder als er mit einer kurzen, aber dennoch sehr ergreifenden Rede, seine Trauer kundtat. Doch auch jetzt schlich sich nicht eine Träne aus Kiaras Augen. Selbst wenn sie weinen, schreien und verzweifeln wollte, so hatte sie nicht mehr die Kraft dazu. Die letzten Wochen waren eine Qual gewesen und sie hatte enorm an Gewicht verloren. Auch hatte sie seit dem Todestag ihres kleinen Bruders Noel nicht mehr gesehen und ihr Herz verzehrte sich so nach seinen schützenden, tröstenden Armen. Vielleicht war es egoistisch so zu denken, aber sie wollte das alles hier einfach nur vergessen. Sie wollte wieder glücklich sein, lachen können und sich in Noels Küssen vollends verlieren. Sie wollte wieder leben. Der Sarg wurde nun von den auserwählten Grabwächtern in die riesige Gruft getragen, während die Trauernden Unmengen von schwarzen Rosen vor diese niederlegten. Nur Kiara und andere enge Verwandte legten jeweils drei weiße Rosen vor das Grab. Die schwarzen sollten ihn sicher ins Totenreich geleiten, während die weißen Rosen seinen hohen Rang kennzeichneten, damit er auch in seinen nächsten Leben als Prinz wiedergeboren wurde. Ja, auch Dämonen wurden wiedergeboren. Auch wenn Gott ihnen alles genommen hatte, was ihnen einst lieb und teuer war, auch wenn er ihre lieblichen schneeweißen Schwingen durch Dunkelheit ersetzt hatte, eines vermochter er ihnen nicht zu nehmen....die Seele. Sie war unantastbar, selbst für Gott. Dunkelbraune Augen starrten missmutig an die prunkvolle Zimmerdecke, die mit den verschiedensten Malereien kleiner unschuldiger Engel verziert war, während Luft scharf eingeatmet und seufzend wieder ausgestoßen wurde. "Was ist los mit dir Noel? Seit Wochen schon schaue ich mir nun dein stummes Selbstmitleid an und auch dein Vater scheint etwas bemerkt zu haben." Noel hob spöttisch eine Augenbraue. "Muss ja wirklich schlimm sein, wenn sogar der das mitkriegt. Interessiert ihn doch auch sonst nicht, was ich mache." "Du tust ihm Unrecht. Er ist sehr um dein Wohl besorgt." "Jaaah... um das Wohl meiner nicht stattfindenden Hochzeit wohl eher." Noel erhob sich von seinem Bett, schritt zum Fenster und lehnte seinen Kopf gegen die Fensterscheibe. "Ich vermisse sie, Dobiel." Seine dunkle Stimme hatte einen rauen Ton angenommen, so als ob er gerade erst aufgestanden wäre. Dobiel musterte ihn eine Weile stumm, bis er schließlich antwortete: "Es wäre wirklich besser für dich, wenn du sie vergessen würdest. Schau dich doch mal hier im Palast um. Es gibt so viele schöne junge Frauen, die so einiges darum geben würden, von dir geliebt zu werden." Noel schüttelte den Kopf. "Ich will aber keine andere. Solange es noch Hoffnung für uns gibt, will ich daran festhalten, auch wenn es aussichtslos erscheint." "Du bist viel zu romantisch, Noel." Dobiel wandte sich zum Gehen. " Du solltest zur Vernunft kommen, ehe alles zu spät ist. Weisst du es denn nicht? Solche Liebesgeschichten enden immer mit einem tragischen Tod." Noch ehe Noel etwas erwiedern konnte, war sein Freund auch schon zur Tür raus verschwunden. Nachdenklich starrte er die große Elfenbeintür an. Der Gedanke, dass Dobiel Recht haben könnte und diese Liebe nur eine Gefahr für sie darstellte, dass Kiara möglicherweise etwas passieren könnte, oder vielleicht schon passiert war, breitete sich in seinem Kopf aus wie ein Virus. Wie lange hatten sie sich jetzt schon nicht mehr gesehen? Es ist schon einige Wochen her. Noch immer wusste er nicht, warum Kiara zu ihrem Vater gerufen wurde oder ob es ihr überhaupt gut ging. Er musste sie einfach sehen. Diese Ungewissheit brachte ihn fast um den Verstand und alles war besser, als hier tatenlos rumzusitzen. Kurzentschlossen stand er auf und schritt zum Fenster. "Dobiel... du hast ja keine Ahnung.", flüsterte er noch, bevor sich seine weissen Flügel ausbreiteten und ihn sachte in die Lüfte trugen. Die trauernde Gemeinde hatte sich inzwichen wieder aufgelöst und langsam kehrte wieder Leere und Einsamkeit auf dem Friedhof ein. Nur das schwarze Meer von Rosen zeugte noch von dem Begräbnis und endlich fielen einzelne Regentropfen. "Du bist armselig, Gott... Bis eben hast du deine Tränen noch versteckt. Und...? Wie fühlt er sich an...? Dieser Schmerz? Ein Wesen zu verlieren, dass du verfluchst, aber doch nicht hassen kannst... Ein Wesen von dir erschaffen... sag mir... tut es weh, es zu verlieren,... dein Kind?" "Majestät... ein Krieg wird unvermeidbar sein und wenn wir ihn gewinnen wollen, müssen wir handeln. Je eher wir angreifen, desto besser." Achat, der kühne Heerführer der höllichen Armeen, schritt mitten im Thronsaal auf und ab. Ein gefährliches Glitzern lag in seinen Augen. "Nein!". Kiara stand in der Tür zum Thronsaal und blickte die beiden Männer verzweifelt an. "Vater du kannst keinen Krieg führen. Unser Volk leidet schon jetzt unter den gegebenen Maßnahmen. Sie würden keinen weiteren Krieg überstehen!" "Kiara..." in der Stimme des Königs schwang eine tiefe Traurigkeit mit. "Was die Engel getan haben... ist unverzeihlich. Ich werde alles daran setzten, diese blutrünstigen Bestien für das bezahlen zu lassen, was sie uns angetan haben." "Aber... aber denk doch an unser Volk! Das kannst du nicht machen. Dieser Krieg führt doch zu nichts! Wir sind nicht stark genug, die Engel zu bezwingen und am Ende wird sich nichts geändert haben! Es wird eher noch schlimme werden..." "Prinzessin... wir haben keine Wahl. Meine Männer haben täglich mit aufständischen Dämonen im Volk zu tun. Wir müssen endlich handeln und zeigen, dass wir uns nicht alles gefallen lassen! Verdammt, was ist mit dem Stolz unserer Rasse?? Diese Bastarde haben sich schon lange genug über uns lustig gemacht!" Achat knallte mit der rechten Faust auf den Tisch, um seine Aussage noch zu unterstreichen. "Es geht hier um weit mehr, als Euren Stolz! Wir urteilen hier gerade über den Tod vieler Männer und Frauen! Unschuldige Kinder nicht zu vergessen!" Kiara baute sich aufgebracht vor dem 1,90m großen Dämon auf und funkelte ihn aus eiskalten Augen an. "Genug jetzt!" Der König erhob sich würdevoll aus seinem Thron, als er ein endgültiges Machtwort sprach. "Achat... bereitet Eure Männer gut vor. In zwei Tagen werden wir angreifen." "Vater!!" Kiara glaubte sich verhört zu haben. Unfähig einen klaren Gedanken fassen zu können, rannte sie aus dem Thronsaal. Weg. Einfach nur weg von diesem Alptraum. Was war nur geschehen? Vor einigen Wochen schien ihr Leben noch in Ordnung. Und jetzt? Alles woran sie festgehalten hatte, löste sich plötzlich in Luft auf. "Was soll nur aus unserer Welt werden...?" Aufgebracht riss sie die Türen zu ihrem Zimmer auf und knallte sie lautstark wieder zu. "Diese IDIOTEN!!!" Plötzlich schnellten zwei Hände aus dem Nichts hervor und hielten ihr den Mund zu. Erschrocken riss Kiara ihre Augen auf und wollte sich schon heftigst zur Wehr setzen, als eine vertraute Stimme ihr ins Ohr flüsterte: "Pssch... ich bin's." Sekundenbruchteile geschah gar nichts. Kiara glaubte nur ihr Herz bliebe gleich stehen. Sie spürte starke Arme, die sich liebevoll um ihre Taille schlangen und den prickelnden warmen Atem auf ihrer Haut, der eine leichte Gänsehaut auf ihren Körper zauberte. Seufzend lehnte sie ihren Kopf an die breiten Schultern und neigte diesen etwas zur Seite, um den weichen Lippen einen zärtlichen Kuss zu stehlen. Überglücklich drehte sie sich schließlich um und blickte in die so vertrauten braunen Augen, die immer noch dieses angenehme Kribbeln in ihr auslösten. "Noel... Ich kann nicht glauben, dass du wirklich hier bist..." "Naja... ich musste dich halt sehen..." Er drückte sie fest an sich und am liebsten hätter er sie nie wieder losgelassen. Nach einer Weile lockerte er seine Umarmung dann doch, um ihren Blick aufzufangen. "Aber jetzt erzähl mir erst mal, was so wichtiges vorgefallen ist, dass es so leicht war hier einzudringen..." Kiaras Blick wurde augenblicklich trüber, als sie die Gegenwart wieder einholte. "Es ist schrecklich..." Sie löste sich aus seiner Umarmung und ließ sich kraftlos aufs Bett fallen. "Weisst du... mein kleiner Bruder ist tot" Ein langes Schweigen war die Folge. Bis Noel seine Sprache wiedergefunden hatte und mit rauer Stimme fragte: "Wie...?" "Er wurde ermordet...." Eine leise Vorahnung machte sich in Noel breit und er schloss die Augen, als er die nächste Frage stellte. "Von wem?" Kiara schluckte. "Engel." Noel ließ sich auf das Bett sinken, als seine Beine nachgaben. "Das kann doch nicht sein..." "Ich wünschte es wäre so... aber es kann. " Sie sah ihn durchdringlich an. "Du bist schließlich auch hier hineingekommen..." Stille. "Kiara... du glaubst doch nicht..." Noel stand langsam wieder auf. "Ich wollte dich unbedingt sehen... deswegen habe ich es geschafft." "Ich weiss langsam nicht mehr, was ich glauben kann und was nicht, Noel. Ich weiss es einfach nicht..." "Du glaubst doch nicht... dass ich... dass ich deinen Bruder...?" "Nein!" Kiara sprang von ihrem Bett auf und sah ihn verzweifelt an. "Nein, das glaube ich nicht... aber... kannst du mir versprechen, dass du damit nichts zu tun hattest? Dass du davon nichts wusstest?" Ihr Augen sahen ihn flehend an. "Ja." Er erwiederte ihren Blick fest. "Wenn ich dir auch nicht viel versprechen kann, das aber verspreche ich dir." Spürbar erleichtert atmete Kiara die angehaltene Luft wieder aus. "Es tut mir Leid... ich wollte nicht an dir zweifeln, aber... es ist nicht nur das. Mein Vater hat sich für einen Krieg entschieden... Es werden also noch mehr Unschuldige grundlos sterben." "Krieg... jetzt tritt also wirklich das Unvermeidbare ein..." Kiara nickte nur stumm, als Noel sie plötzlich gradewegs ansah. "Kiara... lass uns fortgehen." Verwirrt blinzelte sie ihn an. "Was? Wie fortgehen? Wohin denn?" "Also weisst du... ich habe mir in letzter Zeit viele Gedanken gemacht. Und ich sehe nur einen Ausweg, wenn wir zusammen bleiben möchten... ein Leben auf der Erde." "Noel... weisst du was das bedeutet? Wir würden nie wieder zurückkehren können. Nach einem Jahr werden wir unsere Kräfte verloren haben und ganz normale Menschen sein. Wir könnten nie wieder unsere Familie sehen... oder unser Land. Nie wieder..." "Ich gehe dieses Risiko ein. Ich möchte nichts lieber, als mit dir zusammen zu sein. Lieber ein kurzes Leben mit dir, als tausende Jahre ohne dich..." Noel ergriff zärtlich Kiaras Hand und verschränkte seine Finger mit ihren. "Und ich möchte, dass du wieder glücklich bist und lachen kannst. Also... würdest du mit mir kommen?" "Ja", hauchte Kiara und drückte zärtlich seine Hand zur Bestätigung. "Ich werde mit dir kommen." Lächelnd zog Noel eine kleine Schachtel aus seinem Hemd und hielt es Kiara unter die Nase. "Damit du dein Versprechen auch niemals vergisst..." Er öffnete sie und zum Vorschein kamen zwei silberne Ringe, die sich allein nur durch die Größe unterschieden. Die Ringe wurden von schwarzen Runen geziert, die von Mond- oder Sternenlicht reflektiert wurden und dann in einem gleißenden weiss wie Diamanten funkelten. "Die sind wunderschön." Kiara war nahezu sprachlos. "Es sind Familienerbstücke aus einer ewig wärenden Tradition. Sie symbolisieren das unzertrennliche Band zweier liebender Personen. Bis dass der Tod sie scheidet..." Kiara lächelte ihn glücklich an und umarmte ihn dann fest, als wolle sie ihn nie wieder loslassen. "Ich bin so froh, dass ich dich habe, Noel.... so froh." BAM BAM. "Kiara?" "Oh nein!" Kiaras Blick fiel auf die Tür. "Das ist Achat. Du musst sofort verschwinden. Wenn er dich hier sieht..." In Windeseile sprang Noel auf und spannte seine riesigen Engelsflügel. "Wenn der Krieg erst begonnen hat, werden die Unruhen dafür sorgen, dass uns niemand bei unserem Plan aufhält. Wir treffen uns dann an unserem See." Kiara hauchte ihm noch einen Kuss auf die Lippen. "Ja. Alles wird gut gehen." Sie sagte es beinahe wie eine Beschwörungsformel. Worte, von denen sie sich wünschte, sie würden wahr werden. Worte von denen sie wusste, sie würden nie wahr werden.... Sie löste sich von ihm und schob ihn mit sanfter Gewalt zum Fenster. "Geh jetzt." Noel stieß sich sachte vom Boden ab und flog mit gemischten Gefühlen dem sich verdunkelnden Horizont entgegen. Keine Sekunde zu früh, denn plötzlich flog die Tür auf und ein ziemlich besorgt aussehender Achat stand in der Tür. "Kiara?... Ist alles in Ordnung?" Schnell drehte sich Kiara vom Fenster weg und sah ihn mit nervösem Blick an. "Natürlich. Warum sollte es nicht?" Achat sah sich misstrauisch im Zimmer um. "Mir war nur so, als hätte ich dich mit jemandem reden gehört." "Ich hab wohl nur laut gedacht. Ich... mache mir ziemliche Sorgen um den Krieg." Damit war für Achat wohl das Thema erledigt und Kiara atmete erleichtert aus, als er den Blick nicht aufs Fenster richtete. "Ich weiss, dass du den Krieg verabscheust. Aber wie weit sollen wir die Engel noch gehen lassen? Sollen wir warten, bis sie auch dich umbringen?" Kiara senkte ihre Augen unter seinem stechenden Blick, als hätte sie Angst, er könne bis auf den Grund ihrer Seele schauen und ihren geheimen Plan erraten. "Du brauchst keine Angst zu haben." Langsam trat er immer näher an sie heran, bis sie sich direkt gegenüber standen und er ihr Kinn anhob, um ihr in die Augen zu schauen. "Du wirst hier im Palast sicher sein." Einen Moment sah sie ihn erschreckt an. "Das ist nicht dein Ernst. Ich werde doch nicht hier im Palast bleiben!" Achat seufzte laut und schüttelte sein schwarzes Haupt. "Ich habe mir gedacht, dass du das sagen würdest und mich innerlich schon mal auf diese Diskussion vorbereitet... Kiara, du kannst ncht mit uns aufs Schlachtfeld. Du bist eine Frau und ausserdem die Kronprinzessin." "Ich bin eine Dämonin und ich kann kämpfen, wie jeder andere in deiner Armee auch." "Das werde ich nicht zulassen. Ich werde dich beschützen Kiara, ob du willst oder nicht, und wenn nötig auch vor dir selbtst." Kiara biss sich auf die Lippen. Wenn sie etwas nicht ausstehen konnte, dann war es wenn ihr irgendjemand Vorschriften machen wollte. Aber sie musste sich jetzt zusammenreißen. Wenn er sie tatsächlich hier einsperren würde, und das würde er ohne zögern tun, dann wäre ihr Plan zunichte gemacht. "Schick bitte Selfie zu mir." Sie drehte sich abrupt von ihm weg. Achat, bestürzt von der unüberhörbaren Kälte in ihrer sonst so weichen Stimme, streckte im Reflex eine Hand nach ihr aus, doch ballte sie kurz vor der Berührung zu einer Faust und ließ sie langsam wieder sinken. Er konnte ihr keinen Trost schenken. Er musste diesen Kreig führen, aber konnte auch nicht zulassen, dass ihr etwas gesaschah. Sie war eine stolze Dämonin, das wusste er, und sie ließ sich nicht gerne etwas sagen. Deswegen murmelte er nur ein leises, aber deutliches "Jawohl" und schritt zur Tür. Davor blieb er noch mal stehen und betrachtete sie, wie sie am Fenster stand und scheinbar nach etwas Ausschau hielt. Ihr seidiges Haar fiel in sanften Locken über ihren Rücken und ihr langes Kleid schmiegte sich eng an ihren Körper. Nein, er würde es sich niemals verzeihen, wenn ihr etwas geschehen würde. "Du hast mich rufen lassen?" Selfie steckte neugierig den Kopf durch die Tür. "Ja, allerdings. Komm rein und schließ die Tür hinter dir." Selfie tat, wie ihr geheißen und ließ sich anschließend auf den großen Sessel am Kamin plumpsen. "Was gibt es denn so wichtiges?" "Um es kurz zu sagen...ich werde fortgehen. Mit Noel." Sie hob ihren Kopf und sah in die Augen von Selfie, die sie irgendwie seltsam anblickten. Dann schien die Botschaft wohl endlich angekommen zu sein und die dunkelbraunen Augen wurden erschrocken aufgerissen. "Wie... du meinst doch nicht..." "Doch. Ich werde nicht mehr zurückkehren.... Es tut mir Leid." Uns sie meinte es auch so. Es fiel ihr natürlich nicht leicht das alles hier hinter sich zu lassen. Doch sie hatte ihr Wahl getroffen. "Wo willst du denn hingehen? Für Euch ist es nirgends sicher." Kiara schwieg. Sie hielt es für besser niemandem von ihrem "Reiseziel" zu erzählen. Selfie schien zu verstehen und senkte betrübt den Kopf. Es war ihr also wirklich ernst. "Und ... wann willst du...?" "In zwei Tagen." Kiara sah, wie sich Selfie auf die Lippen biss und ging zu ihr hinüber. Vor dem Sessel ließ sie sich in die Hocke sinken und legte behutsam ihr Hand auf die von Selfie. "Ich werde dich niemals vergessen. Du hast mir schon so oft geholfen und ich bin dir für alles dankbar, was du für mich getan hast. Du warst...bist... meine beste Freundin auf dieser gottverdammten Welt. Und daran wird sich niemals etwas ändern." Plötzlich spürte sie wie sich zwei Arme um sie schlangen und wie etwas feuchtes sich den Weg über ihre Wangen bahnte. Sie wusste nicht mehr genau, wie lange sie hier auf dem Boden saßen und sich in den Armen hielten, aber als sie sich wieder voneinander lösten, hatte sich der Himmel bereits tiefschwarz gefärbt. Kapitel 4: Verrat verjährt nicht -------------------------------- "Jahre lang war ich nur Ahnung in dir. Jetzt suchst du mich und hast Sehnsucht nach mir. Nun freu dich. Uns beide trennt nur noch ein winziges Stück Wenn ich dich rufe...hält dich nichts mehr zurück." "Ich hör eine Stimme, die mich ruft..." Ein eisiger Wind fegte über die karge Landschaft und wirbelte einige liegengebliebene Blätter auf. Es war die einzige Bewegung, die auf dem riesigen Feld stattfand, wo kein Grün mehr spross, kein Tier mehr äste. Die Ebene war ihrer Fruchtbarkeit beraubt, tot und weit erstreckte sie sich über das dämonische Land. Zu oft wurde sie mit Blut getränkt, zu oft für die Schlacht geopfert. Im Süden sah man einen schwarzen Teppich, der, wenn man ihn genauer betrachtete, aus Helmen, Rüstungen und Speeren bestand. Die Dämonen hatten sich versammelt und kämpften nun gegen den übernatürlich starken Wind an, der über das Schlachtfeld wie eine Peitsche fegte und mit Leibeskräften an den dämonischen Soldaten zerrte, während der Regen die Männer bis auf die Knochen durchnässte. Die Schlacht hatte noch nicht einaml begonnen und manche drohten jetzt schon in die Knie zu gehen. Eine riesige schwarze Wolkenmasse breitete sich langsam über das ganze Land aus, aus der Ferne konnte man schon den Donner grollen hören und die grellen Blitze zucken sehen. Es war, als hätte der Himmel selbst sich gegen sie verschworen... was eigentlich nicht weiter verwunderlich war. Dies waren ganz eindeutig keine guten Voraussetzungen für eine Schlacht. "Wie oft soll ich es Euch noch sagen? Ich weiche nicht von Eurer Seite. Der König hat mir ausdrücklich befohlen, Euch nicht eine Sekunde aus den Augen zu lassen!" Kyriel verschränkte ihre Arme vor der Brust und sah Noel herausfordernd an. "Ich möchte doch nur ein paar Minuten alleine sein! Herr Gott nochmal, das kann doch nicht so schwer sein!" Langsam begann es in Noel zu kochen. Was war dieses Weib auch so unglaublich stur?! Er hatte nun schon seit einer geschlagenen halben Stunde versucht, sie zu überreden ihm den Schlüssel für das Zimmer zu geben. Aber bei der konnte man sich ja den Mund fusselig quatschen... Ja! Man hatte ihn tatsächlich eingesperrt. >Zu deiner eigenen Sicherheit, Noel.< Ja Klar! Zu seinem eigenen Verderben wohl eher. "Dobiel, wenn ich dich in die Finger kriege, dann kannst du was erleben!", dachte er zornig und ballte seine Fäuste. Der Arsch hatte doch tatsächlich seinen gesamten Plan zunichte gemacht, indem er dem König hinterhältigerweise zugeflüstert hatte, er, Noel, wolle seinem Volk in dem bevorstehenden Krieg beistehen und höchstpersönlich gegen die Dämonen kämpfen. Und Dobiels Plan war aufgegangen. Der König würde niemals zulassen, dass ihm oder einem seiner Sprösslinge, ganz besonders nicht seinem späteren Erben, etwas zustoßen würde. Er ließ lieber andere für sich kämpfen, statt seine Hände selber in Blut zu tränken. Aber wie hätte er auch ahnen sollen, dass Noel sich in Wirklichkeit gar nicht in Gefahr begab? Zumindestens nicht in derartige. Noel seufzte laut auf und verfluchte Dobiel weiter in seinen Gedanken. Hätte er ihm doch bloß nichts von seinem Plan erzählt. Er hätte wissen müssen, dass dieser Bastard mit allen Mitteln versuchen würde, ihn aufzuhalten. Aber eines hatte selbst er nicht bedacht. Statt selber in diesem Zimmer mit ihm zu sitzen und höchstpersönlich aufzupassen, wurde er in die Armee einberufen und Kyriel hatte seinen Platz auf Wunsch des Königs eingenommen. Dobiel hatte getobt, als er das erfahren hatte und es hätte wohl nicht viel gefehlt und er hätte die ganze Wahrheit ausgeplaudert. Aber er wusste natürlich auch, dass das Noel mehr geschadet, als geholfen hätte. Sich mit einem Dämon zu verbünden war Hochverrat und wurde mit dem Tode bestraft. Da war es dann plötzlich egal, ob verwandt, verschwägert oder versonstwast. Und doch war sein Wutausbruch etwas übertrieben gewesen, fand zumindestens Noel. Schließlich war Kyriel Adeptin, war damit sehr stark und hatte eine exzellente Ausbildung hinter sich. Doch das spielte momentan keine Rolle. Er musste hier raus, kostete es, was es wolle. "Ich verstehe es nicht." Noel schrak aus seinen Gedanken hoch und sah Kyriel irritiert an. "Was verstehst du nicht?", fragte er gereizt und ließ sich auf einen großen, breiten Sessel fallen, das eine Bein über der Lehne baumelnd. Kyriel drehte ihm den Rücken zu, bemüht ihm nicht in die Augen zu sehen. "Ihr wollt Euch in solche Gefahr begeben... und das alles für nichts!" "Nein, nicht für nichts. Du kennst meine Beweggründe nicht und ich denke, dann kannst du dir auch kein Urteil darüber erlauben, Kyriel." "Denkt Ihr denn nur an Euch selbst? Was ist mit Eurem Vater, Euren Brüdern und Schwestern, Dobiel und..." "Und?" Noel sah sie erwartungsvoll an. "... Vergesst es. Nicht so wichtig." Sie atmete einmal tief durch und drehte sich dann wieder um, den Blick fest in seine blauen Augen gerichtet. "Es gibt Engel, denen seid Ihr das wichtigste auf der Welt, Noel. Ich verstehe EUCH nicht. Ihr habt hier alles wovon andere Engel nur träumen können, Ihr braucht nur einmal mit dem Finger zu schnippen und jeder Wunsch wird Euch von den Augen abgelesen... Doch scheinbar seid Ihr selbst damit nicht zufrieden und müsst unnötigerweise Euer Leben aufs Spiel setzten!" "Mit einem hast Du Recht, Kyreil." Noels Blick wurde trübe und seine Stimme hatte einen Hauch Melancholie angenommen. "Du verstehst nicht das Geringste." Kyriel sah ihn wie vom Donner gerührt an und spürte wie die Zornesröte ihr ins Gesicht stieg. Sie verstand also gar nichts, ja?! Sie war ja nur ein dummer, kleiner, blonder Engel Ja, sie war ja zu dumm, um es zu verstehen, zu dumm um Kadettin sein zu können, zu dumm, um zu wissen, wie sich Liebe anfühlt!! "ICH VERSTEHE SEHR GUT!!", schrie sie mit vor Wut zitternder Stimme. "D U MIT DEINEN ANGEBLICH SO EDLEN MOTIVEN GEGEN DIE DÄMONEN IN DIE SCHLACHT ZU ZIEHEN!! DABEI WILLST DU NUR AUS PUREM EGOISMUS MIT EINER FRAU ZUSAMMEN SEIN, DIE DIR NICHT MEHR ZU BIETEN HAT, ALS DEN SICHEREN TOD!!" Es dauerte nur ein Bruchteil einer Sekunde und Kyriel hatte realisiert, was sie Noel da gerade an den Kopf geworfen hatte. Geschockt riss sie die Augen auf und schlug sich entsetzt die Hand vor den Mund, doch es war schon zu spät. Noel war aus seinem Sessel aufgesprungen und blickte sie aus eisigen Augen an. "Was hast du da gerade gesagt!?" Nur zwei Schritte und er stand direkt vor ihr. "Von wem hast du das?!" "Ich... ich.... ", stotterte sie ohne einen klaren Gedanken fassen zu können. Noel packte sie an den Schultern und schüttelte sie leicht. "Du, du was?!" Seine Hände zitterten vor Anspannung. Sie konnte es nicht wissen! Aber sie wusste es... woher?! Und wenn sie es wusste... wer dann noch? "Ich habe gelauscht... " Ihr Stimme zitterte hörbar, als sie die Worte aussprach. Aber sie konnte ihm nicht die Wahrheit sagen. Sie durfte ihm nicht die Wahrheit sagen. Sie hatte es Dobiel versprochen und Ihren Stolz wollte sie nicht auch noch verlieren. "Ich habe Euch und Master Dobiel bei einem Gespräch belauscht." Eine Träne fiel auf den Boden. Noel ließ Kyriel abrupt los. "WAS? Wie konntest du mein Vertrauen zu dir so mißbrauchen!?" Noel griff außer sich vor Wut nach einer Vase und schmetterte sie mit aller Kraft gegen die Wand. Sie zersprang mit einem ohrenbetäubenden Knall in lauter kleine Scherben, die sich in sein Fleisch bohrten. Blut lief ihm aus den kleinen Wunden den Arm hinunter und Kyriel schlug entsetzt die Hände vors Gesicht. Sie konnte nicht mehr. Sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten, auch wenn sie es sich so geschworen hatte. "Es tut mir leid...", schluchzte sie kaum hörbar in ihre Hände hinein. "...." Noel blickte nur auf seinen Arm und beobachtete stumm, wie das rote Blut langsam auf die schneeweißen Fliesen tropfte und sich dort sammelte. Kyriel nahm die Hände aus dem Gesicht und sah in aus geröteten Augen an. "Jetzt sagt doch etwas, Noel...." Immer noch weinend sank sie auf den kalten Boden. "Bitte sag doch was... ich liebe dich doch..." Noel fuhr zu ihr herum. "Was... hast du da gesagt?" "ICH LIEBE DICH, VERDAMMT NOCH MAL!!" Einige Sekunden war es muksmäuschen still in dem Zimmer. Nur Kyriels Schluchzen war ab und zu zu vernehmen. Noel spürte, wie sein Zorn verebbte. Die Glassplitter knirschten unter seinen Sohlen, als er langsam auf sie zutrat, sich zu ihr auf den Boden hockte und sie fest in die Arme schloss. "Schhhh... ist ja gut. Hör auf zu weinen. Ich ertrage sowas nicht." Doch Kyriel schluchzte nur noch lauter und presste ihr Gesicht ganz fest an seine Brust. Noel spürte die feuchte Wärme, die durch sein Hemd sickerte und für einen Moment spürte er einen Stich im Herzen. "Es tut mir Leid, Kyriel...", er nahm sie noch fester in den Arm und strich ihr mit der rechten Hand durch ihr langes, goldenes Haar, runter bis zu ihrem Nacken, "...aber ich liebe eine andere." Dann drückte er einmal kurz und fest zu. Er spürte, wie ihr Körper einmal kurz zuckte, bevor sie in seinen Armen zusammensackte. Kiara stand an der Brüstung ihres Balkons und schaute in den trüben Himmel. Der Tag war also gekommen. Der Tag, der sowohl in die Geschichte der Dämonen, als auch in die der Engel eingehen würde. Auf Kiaras Gesicht bildete sich ein sarkastisches Lächeln. Na bitte. Noch eine Gemeinsamkeit mehr. Sie zog ihren schwarzen Mantel noch enger um sich und stülpte die Kapuze über ihren Kopf. Es müsste bald soweit sein. Nach der Kriegserklärung würden die Engel keine Sekunde zu lange zögern und angreifen. Achat hatte es für besser gehalten die Schlacht in ihrem Land auszuführen, dort wo sie sich auskannten. "Bei dem Wetter gar keine schlechte Idee", murmelte sie in Gedanken. Dann hörte sie es. Zuerst nur ganz leise, wie ein entferntes Donnergrollen. Doch schon bald dröhnte es regelrecht in ihren Ohren und plötzlich fing die Erde an zu beben. Kiara konnte nicht verhindern, dass sie einen erstickten Laut ausstieß, als sie den Horizont beobachtete. Vor ihren Augen tauchte eine riesige Armee auf, die sich mit rasender Geschwindigkeit nährte. Erst bei genauerem Betrachten konnte man die weissen Federn erkennen, deren gleißender Schimmer sich in den Regentropfen brach und das gesamte Schlachtfeld in ein unheimliches Licht tauchte. Unwillkürlich kroch eine leichte Gänsehaut ihren Rücken hinunter und ein unangenehmes Gefühl ergriff immer mehr von ihr Besitz. Angst. "Oh mein Gott!" Dobiel hatte Kyriels leblosen Körper am Boden entdeckt, ließ erschrocken Schild und Schwert fallen und kniete sich neben sie. Ihr Kopf lag auf der Seite und er konnte an ihrem Hals eine rote Druckstelle ausmachen. "Noel", schoss es ihm wie ein geölter Blitz durch den Kopf und er sprang sofort wieder auf. Panisch lief er die dunklen Gänge im Palast entlang. Er hatte schon so ein komisches Gefühl gehabt und einfach nur nach dem rechten sehen wollen, aber sein Gefühl hatte sich wie schon so oft bestätigt. Wo konnte er jetzt bloß stecken?? Ab und zu sah er sich gehetzt um und lief dann wie besenkt weiter. Von draußen konnte er das Donnern der Soldaten hören und seine Angst wuchs mit jedem Schritt. Er konnte ihn einfach nicht finden. Dobiel bog scharf um eine Ecke und wäre fast mit einem Kadett zusammengestoßen. Unsanft stieß er ihn aus dem Weg, ließ noch ein "Pass doch besser auf!" vernehmen und rannte schon wieder weiter. Der Kadett sah ihm etwas verschreckt hinterher und zog die weisse Kapuze wieder über seinen Kopf. Fast hätte er ihn erkannt. Er musste vorsichtiger sein. Schnell lief er weiter in die Dunkelheit, bis ein schwaches Licht am Ende des Korridors wie aus dem Nichts erschien. Er verlangsamte seinen Schritt und spähte vorsichtig um die Ecke. Dort waren sie. Er hatte die Truppe mit den Kadetten wiedergefunden. Einen Augenblick lang hatte er schon befürchtet sie aus den Augen verloren zu haben. Dabei waren sie sein Ticket nach draußen. Noel wartete in der dunklen Ecke bis das Licht, welches von ihren strahlenden Umhängen und goldenen Haaren herrrührte, an ihm vorübergezogen war und folgte dann der Truppe. Auf Grund seiner Verkleidung hatte er keine Probleme sich unerkannt unter die restlichen Engel zu mischen und so könnte er auch ohne weiteres einfach das große silberne Tor durchqueren. Mit klopfendem Herzen schritt er weiter neben den Kadetten her. Nur noch ein kleines Stückchen. Bald hatte er es geschafft. Er konnte schon förmlich nach der Freiheit greifen und beschleunigte seinen Schritt noch etwas. Doch plötzlich stolperte sein Hintermann über seine eigenen Füße und sie beide fielen der Länge nach hin. Noel wurde grob am Arm gepackt und auf die Füße gezogen und dann passierte es. Die Kapuze wurde ihm vom Kopf gerissen. Einen Augenblick war es totenstill um ihn herum, er konnte nur sein Blut in den Ohren rauschen hören. Er starrte sein Gegenüber geschockt an und dieser starrte mindestens genauso geschockt wieder zurück. Doch Noel gewann seine Fassung einen Bruchteil einer Sekunde schneller wieder und stieß den Engel in die riesige Masse, was eine regelrechte Kettenreaktion auslöste. Plötzlich herrschte um ihn herum ein heilloses Durcheinander. Der Weg zum Tor wurde ihm von wild durcheinanderlaufenden und neugierigen Engeln versperrt, die sehen wollten, was der Grund für diese Unruhen war. "Tore schließen!", konnte er die Stimme des Hauptmanns vernehmen, als die Tore sich auch schon in Bewegung setzten. Er würde es nicht mehr schaffen. Die Menge trieb ihn eher immer weiter nach hinten. Ohne lange zu fackeln schloss er seine Augen. Wenn es nicht so funktionierte, musste er es eben auf die harte Methode versuchen. Ein gleißendes Licht sammtelte sich um seinen Körper und plötzlich riss eine mächtige Druckwelle auch noch die restlichen stehenden Engel um. Seine Flügel schossen aus seinem Rücken und er stürzte los. Sein Adrenalin verlieh ihm eine zusätzliche Stärke und endlich hatte er es geschafft! Er war draußen, frei! Polternd schloss das Tor hinter ihm und ein zufriedenes Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. Das würde ihm einen guten Vorsprung verpassen. Alles lief ja wie am Schnürchen. Zufrieden erhob er sich weiter gen Himmel und ließ den Palast schon nach wenigen Minuten weit hinter sich. Hoffentlich hatte Kiara ihren Fluchtplan auch so gut in die Tat umsetzen können. Es war für sie weitaus gefährlicher, da die Schlacht in ihrer unmitttelbaren Nähe ausgeführt wurde und das hatte ihm von Anfang an misfallen. Aber jetzt gab es kein zurück mehr. Für keinen von ihnen. Nicht jetzt, wo sie ihrem Ziel so nahe gekommen waren. Kiara sah sich hektisch um. Überall um sie herum wurde geschrien, zerstümmelte Körper lagen in einem roten Meer von Blut, Engel oder Dämon, man konnte es nicht mehr erkennen. Ihr Blick fiel auf einen schwer verletzten Engel, nur wenige Schritte entfernt von ihr. Sein rechter Arm wurde ihm abgehackt und ein Schwert steckte in seinem Unterleib. Sie wandte den Blick schnell ab, als er ein ersticktes Röcheln von sich gab und ihm das Blut aus dem Mund quoll. Sie wollte diese Bilder nicht sehen, aber irgendetwas in ihr zwang sie förmlich dazu, wieder hinzusehen. Ihre Blicke trafen sich für einen Moment und sie konnte das Leid und den Schmerz in seinen Augen erkennen, bevor das Licht darin erlosch und sich ein Schleier über seine Augen legte. Kiara traten die Tränen in die Augen. Ihr schossen plötzlich unzählige Fragen durch den Kopf. Sie fragte sich, wie wohl sein Name war, ob er zu Hause Frau und Kinder hatte, die jede Sekunde für ihn beteten und nun vergebens auf ihn warten würden. Sie frage sich, was ihn dazu verleitet hatte, in den Krieg zu ziehen. Ehre? Pflichtgefühl? Was nützte die ihm jetzt noch? Jetzt, wo er einsam und qualvoll dahingeschieden war und niemanden an seiner Seite hatte, der ihm beigestanden hatte. Kiara wischte sich entschlossen die Tränen weg. Weinen half jetzt niemandem mehr. Aber feige weglaufen? Hatte sie nicht geschworen, alles für ihr Volk zu tun? Rannte sie wirklich nur weg, um bei Noel zu sein, oder rannte sie vielmehr davon, weil sie Angst hatte? Angst vor dem Krieg und Angst was danach sein würde. Nein. Sie konnte doch jetzt nicht einfach abhauen und alle ihrem Schicksal überlassen, während sie ein ruhiges Leben auf der Erde führte... Wie könnte sie jemals wieder in einen Spiegel sehen, ohne Verachtung zu empfinden? Ohne zu wissen, ob ihre Familie noch am Leben ist... ihr Vater... oder auch Achat und Selfie. Selfie...! Es war nur ein kurzer Augenblick. Ein flüchtiges Bild aus dem Augenwinkel heraus, vielmehr eine Illusion, als die Realität. Und doch kroch eine Gänsehaut ihr den Rücken hinauf. "NEEIN!" Sie rannte los. Ihr Atem ging stoßweise und ihr Herz schlug laut und unnachgiebig gegen ihren Brustkorb. Sie konnte das Blut in ihren Ohren rauschen hören, während sie noch schneller rannte. Und plötzlich blieb sie stehen. Da lag sie. Blut klebte an ihrem Körper und ihre Augen waren geschlossen. Vielleicht war sie ja nur ohnmächtig? "Selfie..." Kiara erkannte ihre eigene Stimme nicht wieder. Sie kniete sich neben den leblosen Körper und griff mit zittrigen Fingern nach ihm. "Selfie... komm schon, steh auf..." Eine Träne fiel auf den Boden, doch ging sie in dem vielen roten Blut vollends unter. "Mach keinen Scheiss... " Verzweifelt und hilflos schüttelte Kiara den zierlichen Körper, bis sie keine Kraft mehr in den Armen verspürte und ihn langsam sinken ließ. "Warum stehst du denn nicht auf...? WARUM!? STEH AUF! VERDAMMT DU SOLLST AUFSTEHEN!" Ein gewaltiger Zorn machte sich in ihrm Inneren breit. Wie in Trance stand sie auf und zog ein Schwert aus dem Körper eines Engels. Sie hatte ihn gesehen. Selfies Mörder. Sie hatte ihn nur kurz gesehn, aber sie würde ihn unter tausenden wiedererkennen. Ihr Blick wanderte über das Schlachtfeld und dann entdeckte sie ihn. Er hatte gerade einem noch ziemlich jungen Dämon die Kehle durchgeschnitten und schmiss ihn nun unachtsam auf den Boden. "Hey!" Kiara schritt geradewegs auf ihn zu. "Such dir gefälligst einen Gegner, der dir ebenbürtig ist!" Sie sah das Grinsen, auf seinem Gesicht und eine neue Welle von Wut und Hass überfiel sie. Der Geruch von Blut lag überall in der Luft und brachte ihres in Wallung. Sie war nun einmal eine Dämonin und wenn man erst einmal den Zorn eines Dämonen geweckt hatte, war jede Art von Mitleid und Güte wie weggeblasen. Der Engel kam nun ebenfalls auf sie zu und schwang gekonnt sein Schwert hin und her. "Tut mir wirklich Leid für dich, wenn ich dir deinen hübschen Schädel spalten muss. Für dich hätte ich auch noch eine ganz andere Verwertung." Kiara antwortete nicht. Ihre Augen blitzten gefährlich auf, als sie sich ihm weiter nährte. Sie konnte spüren wie ihre Sinne schärfer wurden, hörte wie sein Herz durch das Adrenalin schneller zu schlagen begann. Ohne zu zögern ließ sie ihr Schwert auf ihn niedersausen. Metall krachte auf Metall und einige Funken sprühten durch die Wucht des Aufpralls. Sichtlich überrascht von der Stärke ihres Angriffs, stolperte der Engel zurück. Da wurde er auch schon von Kiara an der Kehle gepackt. Panisch krallte er sich an ihren Arm, doch ihre Hand drückte fest und unnachgiebig zu. Sein Röcheln hallte ihr in den Ohren wieder und sie sah wie seine Augen aus den Höhlen traten, als sie noch fester zupackte. Plötzlich durchzuckte ein stechender Schmerz ihren Körper. Sie spürte, wie kaltes Metall ihren Körper durchbohrte und sah an sich hinunter. Sie sog scharf die Luft ein, als sie den silbernen Dolch entdeckte, der in ihrem Unterleib steckte. Mit der freien Hand glitt sie hinunter und zog ihn unter einem schmerzhaften Schrei heraus. Sie ließ den Engel los, ließ ihm aber keine Zeit zum aufatmen, packte ihr Schwert mit beiden Händen und schlug ihm mit einem Streich den Kopf ab. Der rollte noch einige Meter weiter, bis er schließlich mit weit aufgerissenen Augen zum Stehen kam. Der Körper vor ihr fiel gradewegs nach hinten weg, zuckte noch einige letzte male bis er dann vollends verstummmte. Kirara sah ihre blutigen Hände an. Es war ihr eigenes Blut, was daran klebte und sie musste sich beherrschen, nicht in Panik zu verfallen. Sie blickte an sich hinunter und musterte ihre Wunde. Sie schien nicht schlimm zu sein. Zumindestens nicht tötlich und das war erst mal die Hauptsache. "KIARA!" Sie hörte Achats Stimme scheinbar aus weiter Ferne, als sie einen weiteren schmerzhaften Stich spürte. Ein stummer Schrei entwich ihr, plötzlich drehte sich alles um sie herum und die Bilder verschwammen vor ihren Augen. Sie hörte ihren flachen Atem und ihr Herz, was immer langsamer schlug. Sie sah Achat wie in Zeitlupe auf sie zustürmen, doch plötzlich waren da Engel, so viele Engel, die ihm den Weg versperrten. Sie drehte sich langsam um und blickte in ein höhnisch grinsendes Gesicht. "...Du...?" flüsterte sie und eine Träne lief ihr die Wange hinunter. Sie spürte wie sie nach vorne fiel, spürte ihren Körper hart auf dem Boden aufschlagen, bevor nur noch die Dunkelheit sie umfing. Kapitel 5: Nemesis ------------------ Noel atmete erleichtert auf. Er hatte es geschafft... er hatte es tatsächlich geschafft. Müde ließ er sich in das weiche Gras sinken und ließ es sanft durch seine Finger gleiten. Wie friedlich es hier war. Keine donnernden Schritte einer Armee, kein metallisches Klingen von Schwertern oder Lanzen. Nur diese Stille. Sein Blick richtete sich auf den klaren See vor ihm und er versank für einen kurzen Moment in dem süßen Traum der Erinnerung. Diese Erinnerung galt Kiara. Wie er sie hier das erste Mal gesehen hatte. Er konnte sich an jedes kleinste Detail erinnern: Ihr wehendes pechschwarzes Haar, die schmale zierliche Gestalt, eingehüllt in weicher Seide und die zwei Saphire, die in zuerst ängstlich, dann neugierig angeschaut hatten. Ja, seit diesem Augenblick hatte er sie geliebt. Und er würde sie immer lieben, da war er sich sicher. Niemand, weder Engel noch Dämon, würde sie jemals so sehr lieben, wie er es tat. Seufzend ließ er sich auf den Rücken fallen und schloss die Augen. Es war noch reichlich früh. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er so schnell hier sein würde und sicherlich würde es auch noch eine Weile dauern, bis Kiara hier ankam. Durch die Stille konnte er seinen eigenen Herzschlag hören. Das regelmäßige Pochen beruhigte ihn ein wenig und ließ ihn zur Ruhe kommen. Es würde sicherlich nicht mehr lange dauern, bis Kiara hier war... Als Noel das nächste mal die Augen aufschlug war es bereits tiefschwarze Nacht. Nur der Mond über ihm und die Sterne spendeten noch Licht. Verwirrt rieb er sich die Augen. War er etwa eingeschlafen? Wo war er überhaupt? Noch etwas dösig setzte er sich auf und plötzlich fiel es ihm wieder ein. Er war am See. Am Ort ihrer Verabredung. Aber wo in Teufelsnamen war Kiara? Er ließ seinen Blick über das hohe Gras wandern, doch außer der Finsternis konnte er nichts entdecken. War sie schon hier gewesen? Oder war sie erst gar nicht gekommen? Schnell verwarf er den letzten Gedanken wieder. Natürlich war sie gekommen. Sie hatte ihn nur nicht wecken wollen und jetzt... ja wo war sie jetzt? "Scheisse!" krächzte er mit verschlafener Stimme. Warum war er auch eingepennt?? Vielleicht hatte sie ihn ja auch gar nicht gesehen, nach ihm gerufen und als er nicht geantwortet hatte... Vielleicht dachte sie, ER wäre nicht gekommen. Seine Sinne waren wieder völlig beisammen und er konnte aufstehen. Er ließ noch einmal seinen Blick schweifen, doch auch dieses mal erregte nichts seine Aufmerksamkeit. "Kiara?" Die stille Atmosphäre und die Dunkelheit ließen ihn nur flüstern. "Kiara?!", schon etwas lauter... "KIARA?!" Ein verzweifelter Schrei hallte über den See, aber nur das Echo antwortete. Noel spürte, wie all seine Hoffnungen in sich zusammenfielen. Irgendetwas war schief gegangen. Und zwar gründlich. Was sollte er jetzt bloß tun? Einen Plan B gab es nicht. "Scheisse noch mal, Noel... Man macht immer einen Plan B", schalte er sich in Gedanken, gab sich einen leichten Klaps auf den Hinterkopf und murmelte: "Das fördert das Denkvermögen." Unruhig durchkemmte er das hohe Gras, rief dabei immer wieder lauthals ihren Namen, doch alles um ihn herum blieb stumm. Noel fühlte, wie eine eisige Hand nach seinem Herzen griff und es fest umklammerte. Sein Puls raste, seine Atmung war flach und der Schweiss stand ihm auf der Stirn. Nichts. Nicht der kleinste Hinweis deutete darauf hin, dass Kiara hier gewesen war. Zum allerersten Mal in seinem Leben verspürte er so etwas wie Angst. Was war, wenn sie es tatsächlich nicht geschafft hatte? Ihr Körper irgendwo zerstümmelt zwischen den vielen Leichenbergen lag, die sich sicherlich bereits auf dem Schlachtfeld stapelten? Im Traum war ihm kurz so gewesen, als hätte Kiara ihn zu sich gerufen. Sie hatte geschrien. War das nur ein Traum oder hatte er in dem Moment ihre Seele gespürt? Noel ließ sich verzweifelt auf die Knie fallen. So hilflos hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt. "Verdammt...." Seine Faust schlug auf den Boden auf. "VERDAMMT! WO BIST DU?? KIARA!" Kracks. Ein Ast brach. Noel fuhr herum. "Kiara?" "Nein. Ich bin es." Noels Hoffnung sank. "Was willst du hier... Dobiel?" "Dich zurückholen. Wenn nötig mit Gewalt." Er sah sich um. "Ist sie nicht gekommen? Hat sie dich versetzt?" "Halt´s Maul!" Noel sprang auf, packte Dobiel am Kragen und stieß ihn unsanft gegen einen Baum. "Was weisst du schon?? Kiara würde mich niemals sitzen lassen!" Dobiel sah ihn kalt und ausdruckslos an. Die Augen seines Herrn sprühten vor Zorn und Temparament. Es war dieses Feuer, dass alle in seinen Bann zog und nie wieder los ließ. Auch ihm war es so ergangen. Damals, vor so vielen Jahren, als ein kleiner Junge ihn zurück ins Leben geholt hatte. Er konnte nicht zulassen, dass Noel etwas zustieße. Er wollte ihn nicht vor seinen Augen zerbrechen sehen, so wie er einst zerbrochen war. Es gab Wunden, die selbst die Zeit nicht wieder heilen konnte. Doch solange nur Noel ihm sein ungezwungenes und ehrliches Lachen schenkte... solange konnte er damit leben. "Noel... lass uns nach Hause gehen." Sanft strich er seinem Schützling durch das blonde Haar. Noel zitterte. Seine Kraft hatte ihn nun endgültig verlassen. Heisse Tränen strömten über seine Wangen. Die Zärtlichkeit des anderen ließ ihn seinen Schmerz nur noch deutlicher spüren und er presste sein Gesicht schutzsuchend an die Brust seines Mentors. Sie war nicht gekommen... Aus welchem Grund auch immer... Sie war nicht hier. "Komm." Dobiels Umarmung lockerte sich. "Dein Vater macht sich Sorgen." Noel schüttelte leicht den Kopf. "Ich kann nicht." "Sie wird nicht mehr kommen. Du wirst vergeblich warten." "Ich werde sie suchen. Und ich werde sie finden." "Das...." Dobiel rammte seine Faust ihn Noels Magen, "...kann ich leider nicht zulassen." Noel riss die Augen weit auf und sah den Älteren ungläubig an, bevor seine Sicht verschwamm und es dunkel um ihn wurde. "VERDAMMT!" Ein donnernder Schlag hallte durch das tiefe Gewölbe des dämonischen Palastes, dass jeden in der Nähe zusammenzucken ließ. Achat ließ seine Fäuste immer wieder gegen die grobe Mauerwand krachen, an der bereits das Blut hinunterlief. Doch scheinbar schien der stolze Heerführer dies gar nicht zu bemerken und hämmerte immer weiter auf die Mauer ein. "Achat. Lass gut sein. Es ist nicht deine Schuld." Der König saß zusammengesunken in seinem Thron und starrte mit trüben Augen auf den jungen Krieger. "Ich hätte besser auf sie aufpassen müssen...", brachte dieser gepresst hervor und ließ erschöpft von der Mauer ab. "Ich hätte an ihrer Stelle sterben müssen!" "Für Selbstvorwürfe ist jetzt nicht die Zeit. Es war Kiaras eigene Entscheidung in diese Schlacht zu ziehen... Ich als ihr Vater hätte wissen müssen, dass sie nicht untätig rumsitzen würde. Dafür war sie schon immer zu stolz." Ein trauriger, aber doch stolzer Glanz lag in seinen Augen. "Doch auch das ändert nichts daran, dass nun auch mein zweites Kind den Tod gefunden hat. Ich möchte nur noch eines wissen: Durch wessen Hand ist sie gestorben?" In den Augen des Königs lag nun ein gefährliches Blitzen und es war glasklar, was dieses ausdrückte: Rache. "Verzeiht mein König", Achat schüttelte betreten den Kopf, "doch ich konnte den Mörder nicht erkennen. Er stand mit dem Rücken zu mir und trug einen schwarzen Mantel samt Kapuze. Als ich mich endlich durch die fielen Engel durchgeschlagen hatte, war er verschwunden. Nur Kiara selbst hat ihm noch in die Augen geblickt, bevor sie..." Der König legte den Kopf in die Hände. "Ich verstehe... Nicht einmal Rache wird mir vergönnt sein. Im Moment sehe ich nichts lebenswertes mehr, dass meine müden Glieder wieder zum Leben erwecken könnte." Achat betrachtete seinen Herren mit abschätzendem Blick. Er hatte dem einst stolzen und kühnen, aber auch liebevollen Herrscher stets seinen Respekt entgegengebracht und jeden seiner Befehle mit größter Loyiallität ausgeführt. Doch wieviel konnte er ihm jetzt noch sagen? Würde ihm die letzte Nachricht, die er zu übermitteln hatte, auch noch den kleinsten Funken Lebenswillen rauben? Doch seine Loyiallität war ungebrochen und Achat wusste über seine Pflicht, dieses wichtige Detail seinem Herrn nicht zu verschweigen. Er räusperte sich kurz und seine Stimme klang fest als er sprach: "Es gibt noch etwas, was ich Euch sagen muss." Eine kurze Pause entstand, in der der König den Blick hob, um seinen Gefolgsmann anzusehen. "Der unbekannte Mörder ist nicht der Einzige, der spurlos verschwunden ist. Wir... wir konnten auch Kiaras Leichnam nirgendwo entdecken." Die letzten Worte wurden nur unter größter Anstrengung hervorgebracht. Achat musste all seine Kraft zusammennehmen, um die Wut zu unterdrücken, die in ihm brodelte. Der König starrte ihn fassungslos an. Seine Hände hatten sich krampfhaft an die Lehne gekrallt. "Was sagst du?" Als Achat sprach, klang seine Stimme beherrscht und ruhig, doch die Gefühle, die in seinem Inneren tobten, drohten jeden Moment zum Ausbruch zu kommen. "Diese Bastarde werden ihr den Kopf abschlagen, ihn auf einen Speer spießen und ihn als Symbol des Triumphes mißbrauchen. Es tut mir Leid. Ich habe versagt." Der König war erblasst. Ohne den Körper der Toten konnten sie die Beerdigungszeremonie nicht durchführen und das hieße, dass Kiaras Seele auf immer verloren war. Sie konnte nie wiedergeboren werden. Ein letzter Hoffnungsschimmer erhellte plötzlich das Gesicht des Königs: "Wenn ihr Körper verschwunden ist, dann... dann ist es doch möglich, dass Kiara noch lebt!" In Achats Gesichtszügen spiegelten sich Trauer und Verzweiflung. "Ich wusste, Ihr würdet diese Möglichkeit in Betracht ziehen. Auch ich habe mich diesem Gedanken für einen kurzen Moment hingegeben. Aber... ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie sie von hinten erstochen wurde. Es gibt keine Hoffnung mehr. Die ist verloren in diesem Land." "...Bringt sie mir. Bringt mir den Leichnam meiner geliebten Tochter wieder." Dem König lief eine Träne über die Wange. "Ich kann es nicht ertragen zu wissen, dass mein Kind ewige Qualen erleidet." Achat zögerte keinen Augenblick mit seinem Entschluss, als er vor dem König niederkniete. Er würde Kiaras Leichnam holen... und er würde den Mörder finden ... und ihn dann zur Rechenschaft ziehen. Achat trat hinaus aus der großen Halle und schloss das riesige Tor hinter sich. Der Saal, der sich nun vor ihm erstreckte, war übersät mit verletzten Männern und Frauen. Auch Kinder waren dabei. Manche weinten und wurden von ihren Eltern fast schon heldenhaft getröstet, obwohl sie sich selbst kaum wach halten konnten. Sein Blick fiel auf einen kleinen Dämonenjungen, der auf den ersten Blick neben einer schwer verletzten Frau, vermutlich seiner Mutter, saß. Auf den zweiten Blick erkannte man, dass die Frau tot war. Achat pfiff eine der vielen Schwestern herbei und deutete zu der Frau. Sie musste hier weggeschafft werden, ehe Seuche und Krankheit sie befallen konnten. Achat legte die Hand auf die Schulter des Jungen, der unter der Berührung erschrocken zusammenzuckte und mit großen Augen zu dem Mann hinaufstarrte. "Nimm Abschied von deiner Mutter. Sie ist zu einem anderen Ort gegangen, zu dem du ihr noch nicht folgen solltest." Die Augen des Jungen füllten sich mit Tränen. "Ma....ma...." Er umklammerte die Hand seiner Mutter noch fester und als die Schwester kam, um den Leichnam fortzuschaffen, da weigerte er sich immer noch sie loszulassen. Achat kniete sich zu ihm nieder und strich ihm über den Kopf. "Du musst sie jetzt gehen lassen. Sonst wird sie den Frieden nicht finden können, der ihr zusteht. Deine Mama hat dich sicher sehr lieb gehabt und du liebst sie doch auch oder?" Der Junge nickte und ein paar Tränen kullerten ihm über die schmutzigen Wangen. Dann ließ er die kalte Hand der Frau los. "Gut so... Weisst du, auch ich habe jemanden verloren, den ich sehr geliebt habe. Ich verstehe deinen Schmerz. Die Zeit für deine Rache wird bald gekommen sein..." Achat wollte sich gerade umdrehen, als er einen Ruck am Umhang spürte. Er drehte sich um und sah, dass der Junge ihn festhielt. Seine Augen waren getrocknet und schwarz wie die Nacht, ebenso wie sein Haar. Sein Blick glitt zu der Frau hinüber und das erste mal konnte er ihr Gesicht richtig sehen. Es vergingen einige Sekunden der Stille, bis Achat wieder seinen Blick auf den Jungen richtete. "Komm." Er hielt ihm seine ausgestreckte Hand hin. "Der Schmerz über den Verlust wird dich stark machen. Und die Starken werden überleben, um dieses Land in eine bessere Zukunft zu führen." Ohne zu zögern ergriff der Junge die Hand und stand auf. "POLIZEI! STEHEN BLEIBEN ODER ICH SCHIESSE!" "Scheisse...", war das einzige, was der blonde junge Mann noch rausbrachte, bevor er unter dem Kugelhagel des uniformierten Mannes in das dichte Buschwerk am Wegrand sprang. Er spürte, wie ihm die Dornenzweige die Haut aufschnitten und seine Kleidung in Fetzen rissen, doch er kümmerte sich nicht darum und stürzte weiter. Von seinem Adrenalin gepackt, setzte er mit einem riesen Satz über den hinterliegenden tiefen Graben, sprang im Nu wieder auf die Beine und rannte weiter. Er hörte das böse Fluchen des Polizisten auf der anderen Seite der Hecke und preiste sein Glück, von einem alten, eingerosteten, scheinbar fast blinden Bullen verfolgt zu werden. Sein Blick fiel auf die vielen Steine, die weit aus dem Boden ragten und sich scheinbar in endlosen Reihen dahinstreckten. Er war also auf dem Freidhof gelandet. Kein gutes Omen, wenn er es sich Recht überlegte. Aber es hätte schlimmer kommen können. Und so langsam ging ihm die Puste aus. Hey, das kommt ganz sicher nicht vom vielen Rauchen... schliesslich war er ja nicht irgendsoein schwuler Spitzensportler in engem Höschen. Plötzlich kam ihm der rettende Einfall. Er schlug einen kleinen Haken um die Gräber, lief auf die rechts liegende Seitenstrasse zu und schlüpfte dort durch das künstlich getretene Loch in der Hecke. Jetzt befand er sich in einer schmutzigen Hinterhofgasse, die ihm nur all zu vertraut war. Er konnte nur hoffen, dass sein alter Freund sich gnädig erweisen und ihm aus der Patsche helfen würde. Mit schnellen Schritten, bloß nicht zu auffällig, ging er auf die graue Metalltür zu und klopfte zögernd einmal kurz, dreimal lang und einmal wieder kurz. Ihr Zeichen. Er musste einige Minuten warten und wäre fast schon wieder umgedreht, als sich die Tür öffnete und er in ein süffisant grinsendes Gesicht blickte. Sofort wünschte er sich, nie hierher gekommen zu sein. "Yue..." Die Stimme klang fast ein weng belustigt. "Was in Teufels Namen treibt dich in meine bescheidenen vier Wände?" "Ach, weisst du... das Übliche halt." Er warf einen nervösen Blick nach hinten. "Soso... das Übliche. Das hat nicht zufällig etwas mit der Handtasche zu tun, die du da mit dir rumschleppst? Oder stehst du neuerdings auf son Zeug?" "Lass die dummen Scherze. Dafür is keine Zeit." "Weisst du... das war schon immer ein Schwachpunkt von dir. Nie hast du Zeit. Machst dich immer schnell aus dem Staub... Yue." Yue schluckte. "Hey, komm schon Koji. Wie lange ist das jetzt her? Zwei, drei Jahre?" "Zwei. Du hast Recht. Eine lange Zeit für Spinner wie uns." Der Braunhaarige trat zur Seite. "Also... komm rein." Yue stieß einen leisen Seufzer aus und schloss die schwere Eisentür mit einem leisen Quitschen hinter sich. "Danke, man." Bevor sie das Wohnzimmer betraten, drehte Koji sich mit einem flüchtigen Lächeln auf den Lippen noch einmal um. "Du hast doch sicher nichts dagegen,..." "Yue?!" Ein junges Mädchen, ihre nackte Blöße nur mit einem schmutzigen Laken bedeckend, erschien im Flur und starrte den blonden Jungen fassungslos an. "... dass ich mich solange um deine Schwester gekümmert habe?", schloss Koji den Satz und legte den Arm um die nackten Schultern des Mädchens, deren blondes volles Haar sich in sanften Locken über ihren Rücken ergoss. Klonk. Die Handtasche war Yues Händen entglitten. Er stolperte, wie unter einem festen Kinnhieb, ein paar Schritte zurück und starrte seine 14-jährige Schwester wie gefesselt an. Das Bild brannte sich in Sekundenschnelle in sein Hirn. Wie sie da stand. Mit ihrem vollen, zerzausten Haar, ihren leicht geschwollenen Lippen, den geschminkten Augen und leicht geröteten Wangen. Wie sie mit dem zerschlissenen Laken krampfhaft versuchte, so wenig wie möglich von ihrem Körper preiszugeben. Doch daran scheiterte sie kläglich. Durch den dünnen Stoff zeichneten sich deutlich ihre kleinen runden Brüste ab, ihre schmalen Hüften und die schlanken Beine. Yue glaubte sich gleich übergeben zu müssen. "Du...DU ARSCHLOCH!" Im nächsten Moment sprang er einen Satz nach vorn und einen Atemzug später hatte er Koji mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Das Mädchen kreischte auf, Koji handelte blitzschnell, packte Yues Arm und drehte ihn ihm auf den Rücken. "Was denn, alter Freund? Bekomm ich kein Dankeschön, dass ich mich zwei Jahre um sie gekümmert habe, während du unauffindbar warst?!" "Du Bastard...", Yue stöhnte vor Schmerz auf, als Koji seinen Arm weiter drehte. "Du wusstest ganz genau, dass ich untertauchen musste.", presste er mühsam hervor. Dann richtete er seinen Blick auf seine Schwester, die völlig geschockt und unfähig sich zu bewegen da stand und die Szenerie mit ansehen musste. "Miori... ich konnte dich damals nicht mitnehmen. Verstehst du? Es war zu gefährlich. Aber... ich bin nur wegen dir... Nur wegen dir bin ich zurück gekommen!" "Und glaubst du, du kannst ihr jetzt etwas bieten? Glaubst du, du kannst sie jetzt vor deiner eigenen Dummheit beschützen und für sie sorgen?!" Koji ließ seinen Ellenbogen auf Yues Nacken krachen und dieser stürzte zu Boden. "YUE!" Miori war aus ihrer Starre erwacht. Sie stürzte zu ihrem Bruder und warf sich schützend über ihn. "Bitte! Tu ihm nichts, Koji... Bitte... Ich tue alles... aber bitte tu meinem Bruder nicht mehr weh!" "...Verpisst euch. Alle beide." Koji spuckte noch einmal auf den Boden, bevor er sich umdrehte. "Mit Verrätern will ich nichts zu tun haben." Miori traten die Tränen in den Augen. "Koji..." "VERPISS DICH, HAB ICH GESAGT!" Er schmetterte ihre Klamotten vor sie auf den Boden. "Aber zieh dir vorher etwas an. Du siehst aus wie ne Straßennutte." RUMS. Die Tür knallte unsanft hinter ihm ins Schloss. Miori zog sich an. "Es tut mir Leid, Yue... Es ist meine Schuld." "Was redest du da?" Yue setzte sich unter Schmerzen auf. "Dieser Arsch hat deine Lage eiskalt ausgenutz..." Yue ballte die Hände zu Fäusten. "Das wird er mir büßen." Noel wusste nicht genau, was ihn aufgeweckt hatte, aber er verfluchte es bereits jetzt. Widerspenstig öffnete er langsam seine Augen, während ihn das unangenehme Gefühl überkam, sich gleich übergeben zu müssen. Die Ereignisse des heutigen Tages hatten Spuren hinterlassen und am liebsten hätte er sich wieder umgedreht und weitergeschlafen. Mühsam setzte er sich auf. Um ihn herum war es stockdunkel. Orientierungslos tastete er den Untergrund ab, auf dem er geruht hatte und fühlte etwas weiches, federndes. Ein Bett, schlussfolgerte er und tastete weiter. Dabei versuchte er seine Gedanken zu ordnen, was in diesem Moment aber kläglich scheiterte. Seine Finger erforschten seine Umgebung weiter und bald erfühlte er eine glatte Oberfläche, vermutlich ein Tisch. Seine Finger glitten weiter, bis er gefunden hatte, was er suchte. Er knipste den Schalter um und sofort wurde der Raum von einem sanften Licht erhellt. Jetzt erkannte er auch, wo er war: In seinem Zimmer. Sein Blick fiel auf die Splitter der zerbrochenen Vase, die immernoch unverändert auf dem Marmorboden lagen. Irgendetwas wichtiges hatt er vergessen. Aber was? Noel schüttelte benommen seinen Kopf, was wieder eine Welle der Übelkeit auslöste. Warum war er denn hier? Hatte er geträumt? Erneut versuchte er, einen klaren Gedanken zu fassen und schloss für einen Moment die Augen. Die Erinnerungen trafen ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Alles war schief gelaufen. Kiara war nicht gekommen und Dobiel hatte ihn wieder nach Hause geschafft. Eine hoffnungslose Leere ergriff Besitz von ihm. So viele Fragen spukten in seinem Kopf herum. Warum war sie nicht gekommen? Wo war sie jetzt? War sie verletzt? Was zum Henker war schief gelaufen? "AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHHHH!! Das glaub ich alles nicht! Scheisse, scheisse SCHEISSEEEEE!" Krach. Eine weitere Vase landete an der Wand, Stühle wurden umgekippt, Gemälde wurden von den Wänden und die Bettdecke in Fetzen gerissen, bis Noel sich schließlich erschöpft und keuchend auf den Rücken fallen ließ. Die schneeweiße Decke löste in ihm aber nur noch weitere Aggressionen aus, also drehte er sich kurzerhand auf den Bauch und schloss die Augen. Er fühlte sich nicht viel besser, aber er musste zugeben, dass der Wutausbruch eine gewisse Befriedigung nach sich zog. "Ganz ruhig, Noel," flüsterte er mit beherrschter Stimme. "Denk nach. Denk einfach nach, was du jetzt als nächstes tun musst." Stille. "VERDAMMT, ICH HAB DOCH KEINE AHNUNG!!" Wütend biss er in sein Bettlaken, bis der Kiefer schmerzte. Er war es einfach nicht gewohnt so hilflos und untätig herumzusitzen. Seufzend setzte er sich wieder auf, legte den Kopf in die Hände und massierte sich die Schläfen. Wo steckte überhaupt Dobiel? Es war überhaupt nicht seine Art, Noel mit einer Moralpredigt zu verschonen, wenn sich die Gelegenheit dazu ergab. Vielleicht hatte er sich aber einfach nur dem Wutausbruch Noels entziehen wollen und würde ihn später mit einem langen Vortrag zutexten. Noel konnte das momentan nur Recht sein. Resigniert stand er auf und schritt zu der geschlossenen Tür, in der Erwartung sie verrammelt und verriegelt vorzufinden. Doch als er seine Hand auf dem Türgriff plazierte und ihn hinunterdrückte, ließ sich die Tür zu seiner großen Überraschung ohne Probleme öffnen. Manchmal verstand er Dobiel wirklich nicht. Erst schleppte der Depp ihn mit Gewalt hierher und dann ließ er ihm wieder ohne jegliche Überwachung die Gelegenheit zur Flucht. Andererseits kannte er Dobiel mittlerweile so gut, dass er wusste, dass dieser meistens nichts dem Zufall überließ. Also, was will er von dir? Noel schloss die Tür grübelnd hinter sich und ging den leeren Korridor entlang. Plötzlich hielt er inne und lauschte. Da waren doch Schreie zu hören. Irritiert versuchte er die Quelle dieser Schreie auszumachen und folgte den Tönen, so gut es ging. Als er schließlich in einen gänzlich dunklen Korridor einbog, wusste er sofort, woher die Schreie stammten. Am Ende dieses Korridors lagen die Kerker und Folterkammern. Aber wer sollte dort gefoltert werden? Es waren in den letzten Tagen keine Gerichtsverhandlungen anberaumt worden und auch wenn sie sich im Krieg befanden... für gewöhnlich wurden keine Dämonen gefangen genommen, sondern auf der Stelle getötet. Plötzlich erschrak er. Dobiel. Hatte vielleicht Kyriel ihn und Dobiel aufgrund seiner Abweisung verraten? Noel rannte los. Am Ende des Korridors angekommen, riss er die schwere Eisentür auf und stürzte die lange steinerne Wendeltreppe hinunter. Es war eiskalt in diesen Gemäuern und die einzigen Lichtquellen waren die an den Wänden angebrachten Fackeln. Es gab keine Fenster und die Luft roch muffig und verbraucht. Am Ende der Treppe lauschte er erneut auf die Schreie, wandte sich nach links und rannte weiter. Hinter den Gitterstäben konnte er verwahrloste Engel erkennen, die man nicht mehr von Toten unterscheiden konnte. Sie hätten nicht mehr die Kraft gehabt zu schreien. Er hatte sich noch keine Gedanken darüber gemacht, was er unternehmen wollte, falls sie wirklich verraten worden waren, aber er würde Dobiel sicher nicht sich selbst überlassen. Dieser Trottel würde doch lieber sterben, als irgendetwas zu tun, was ihm, Noel, schaden würde. Die Schreie wurden mit jedem Schritt zunehmend lauter und wieder ergriff Irritation von ihm Besitz. Das waren doch eindeutig die Schreie einer Frau. Oder täuschte er sich? Als er um die nächste Ecke bog, blieb er abrupt stehen. "Dobiel...?" Noel riss die Augen auf. Dobiel war zwar hier unten im Kerker, jedoch wurde er nicht gefoltert, sondern stand mit dem Rücken zu ihm einer Zelle zugewandt und schaute mit betrübtem Gesicht in eben diese. Noels Blick riss sich von Dobiel los, als der nächste Schrei ertönte und wäre vor Schreck fast hintenüber gefallen, wäre die Wand nicht hinter ihm gewesen. Hinter den Gitterstäben war ein weiblicher Engel an eine von den an der Decke hängenden Ketten gefesselt. Er hatte sofort das lange blonde Haar und die zierliche Gestalt der Frau erkannt. "Kyriel..." Seine Stimme klang auf einmal so fremd und seine Beine fühlten sich taub an, als er näher an das Gitter herantrat. Sie sah grauenvoll aus. Eine Blutlache hatte sich um sie herum und zahllose Blessuren sich an ihrem Körper gebildet. Ihre Augen starrten ausdruckslos zu Boden. "Nein...". Noel schüttelte fassungslos den Kopf. "Dobiel, was ...?" Dobiel wandte seinen Blick nicht einen Moment von der gefolterten Kyriel ab, als er anwortete: "Kannst du dir das denn nicht denken?" Noel beschlich ein ungutes Gefühl. "Doch nicht etwa, weil...." "Doch, genau deshalb. Nachdem du verschwunden warst, fand man sie scheinbar schlafend in deinem Zimmer vor." Dobiel sah Noel jetzt direkt in die Augen. "Was hast du geglaubt, was mit ihr passiert, wenn man sie schlafend vorfindet und du spurlos verschwunden bist?" "Ich...ich weiß nicht..." "Sie hat ihren Auftrag nicht ausgeführt. Als der König von deinem Verschwinden erfahren hat, war er nicht mehr zu halten. Ich habe versucht ihm die Situation zu erklären, aber..." Dobiel deutete mit einem Nicken Richtung Kyriel. "... Es war nicht ihre Schuld..." Noel lehnte verzweifelt den Kopf an die Gitterstäbe. "Sie kann überhaupt nichts dafür." Er schrak hoch, als Kyriel erneut einen Schrei ausstieß. Der Folterknecht war zurückgekehrt und presste ihr ein glühendes Eisen auf die Brust. Dampf stieg hoch und der Geruch von verbranntem Fleisch stieg Noel in die Nase. "STOP!" Noel stieß sich von dem Gitter ab. "AUFHÖREN!" Er wollte gerade die Kerkertür aufreißen, als ihn Dobiel am Arm festhielt. "Noel, nein!" Fassungslos starrte Noel seinen Mentor an. "Was... was ist los mit dir?? Siehst du nicht, wie sie leidet?! Sie wird sterben, wenn wir nichts unternehmen!" "Darüber hättest du lieber vorher nachdenken sollen." In Dobiels Stimme schwang Wut mit. "Wenn wir jetzt nichts unternehmen, überlebt sie vielleicht. Aber wenn du da jetzt reingehst, um sie zu retten, werden sie euch beide töten." "Aber..." "Ich werde nicht zulassen, dass du ihr Leben erneut aufs Spiel setzt, nur um dein Gewissen zu reinigen, Noel." Dobiel wandte seinen Blick wieder Kyriel zu. "Du musst endlich begreifen, dass deine Handlungen Konsequenzen haben." Noel taumelte zurück. Tief in seinem Inneren spürte er, dass in diesem Augenblick etwas in ihm gestorben war. Er war nicht nur Schuld, dass Kyriel diese Qualen erleiden musste, es wäre ebenfalls seine Schuld, falls Kiara etwas zugestoßen sein sollte. Alles nur wegen seiner verdammten Selbstsucht. Er hatte nicht mit dem Gedanken leben können, Kiara zu verlieren und hatte mit seinem Verhalten auch noch andere in Gefahr gebracht. Dobiel. Kyriel. Personen, die ihm wichtig waren und die ihn nur beschützen wollten. Sein Blick ruhte auf Kyriel, die jetzt von ihren Ketten befreit wurde und zu Boden sank. Der Folterknecht ließ sie dort achtlos liegen und verschwand wieder in seiner Kammer. "Noel, ich möchte, dass du wieder auf dein Zimmer gehst." Dobiels Ton verriet, dass er keinen Widerspruch duldete. Noel sah ihn skeptisch an. "Was hast du vor?" "Ich werde mit einer Heilung versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Falls sie dahinterkommen, möchte ich dich in Sicherheit wissen." Noel schüttelte den Kopf. "Ich kann auf mich selbst..." "Geh jetzt!", unterbrach ihn der Ältere unsanft. "Du bist unsere einzige Hoffnung, den Himmel zurück ins Licht zu führen. Dir darf nichts geschehen." Noel sah ihn verblüfft an, was Dobiel ein wenig schmunzeln ließ. "Du brauchst gar nicht so zu gucken. Was glaubst du, warum ich dich immerzu beschütze?" Noel ließ ein leichtes Grinsen über sein Gesicht huschen. "Gib doch einfach zu, dass du mich liebst." Auch Dobiel konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Sieh zu, dass du Land gewinnst." Noel drehte sich um und machte sich auf den Rückweg, den langen Gang entlang. Er hatte keine Zweifel mehr, dass Kyriel überleben würde. Trotzdem war es unverzeihlich, was er ihr angetan hatte und es konnte durch nichts in der Welt wieder gut gemacht werden. Er hatte die lange Wedeltreppe gerade erreicht, als ihm zwei bewaffnete Soldaten entgegenkamen, die sich scheinbar über etwas sehr amüsierten. Noel beschloss die beiden einfach zu ignorieren und setzte den Fuß auf die erste Stufe. Als sie an ihm vorübergingen, konnte er die tiefe dröhnende Stimme des einen vorfreudig rufen hören: "Sie ist ein richtiges Prachtstück! Ich wette, sie bettelt geradezu darum, dass mans ihr besorgt." "Sind doch alles Flittchen diese Dämonenweiber. Aber die Prinzessin ist schon was Besonderes." Noel wirbelte herum. "Was habt ihr gerade gesagt?" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)