Jenseits der Träume von abgemeldet ================================================================================ Prolog: -------- Manchmal. Manchmal fällt es mir schwer mich zu erinnern. Manchmal frage ich mich, ob alles vielleicht nur ein Traum war. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht war es auch etwas vollkommen anderes. Möglicherweise werde ich das nie genau erfahren. Möglicherweise. Andererseits: Worin besteht der Unterschied zwischen Traum und Realität? Existiert er überhaupt? Außerdem sagte Louis Pasteur: Die größte Sinnestäuschung besteht darin, an etwas zu glauben, weil man wünscht, es sei so. Wenn ich danach ginge wäre alles nur eine Sinnestäuschung gewesen. Ich hatte am Anfang selbst an etwas derartiges geglaubt... ...Aber alles war so real...und ich muß eingestehen, dass ich mich in diese Zeit zurück sehne. Wahrscheinlich bin ich verrückt. Zumindest wäre ich das in den Augen anderer. Doch das ist mir egal. Es besteht immerhin die Möglichkeit, dass sie diejenigen sind, die sich irren. Denn ich glaube nicht, dass sie diejenigen sind, die verrückt sind. Sie sind nur blind. - Und langsam glaube ich, dass ist das Geheimnis, die einzige Wahrheit: Sie verschließen die Augen vor dem, was sie nicht verstehen, nicht begreifen können. Auch ich verstehe nicht wirklich, was passiert ist. Wahrscheinlich läßt es sich nicht logisch erklären. Aber im Gegensatz zu den anderen akzeptiere ich diese Tatsache. Vielleicht habe ich deshalb bisher noch niemandem erzählt, was damals geschehen ist. Doch vielleicht konnte es nur geschehen, weil ich mir insgeheim seit langem gewünscht hatte, dass etwas geschieht. Etwas Besonderes. Etwas, dass mich von anderen unterscheidet. Etwas, dass mich selbst zu etwas Besonderem macht. Davon träumt schließlich jeder. Oder nicht? Vielleicht ist das, woran ich mich erinnere, mein eigener Weg gewesen, dieses Ziel zu erreichen. Denn obwohl ich in den Augen anderer genauso bin wie früher weiß ich, dass das nicht stimmt. In meinem Innern weiß ich, dass ich etwas Besonderes bin ( auch wenn das kitschig klingt). Allein das zählt. Möglicherweise macht diese Tatsache mich ebenfalls zu etwas Einzigartigem. Möglicherweise... ...Vielleicht... ...Manchmal... "Zoe...Zoe... Kleines! Du mußt aufstehen! Du bist spät dran." Schritte näherten sich meinen Bett. Meine einzige Reaktion darauf bestand darin, dass ich mich, etwas unverständliches murmelnd, umdrehte und meine Bettdecke fester um meinen Körper zog. Daraufhin hörte ich ein leises Seufzen und dann entfernten sich die Schritte glücklicherweise wieder ein Stück. Aber Augenblic ke später wurden zu meinem Entsetzen lautstark die Rolläden hochgezogen. Helles Licht flutete in den Raum und ich kniff hastig die Augenlider fester zusammen. "Zoe!" Dieses Mal schwang in der Stimme ein Hauch von Ärger. Ich stöhnte innerlich auf. Mir blieb wohl nichts anderes übrig... Abermals kam das Geräusch der Schritte näher und kurz darauf rüttelte mich jemand an der Schulter. "Zoe...Du mußt aufstehen...Wir wollen doch nicht, dass du zu spät kommst..." "Ich weiß zwar nicht was du willst, aber ich fürchte in diesem Punkt sind wir nicht einer Meinung," murmelte ich schläfrig und kuschelte mich in die weichen warmen Kissen. Stille. Wahrscheinlich sollte ich mich entschuldigen bevor meine Mutter wütend wurde... Unglücklicherweise war ich so müde, dass mir auf die Schnelle nichts passendes einfiel. Letztendlich dachte ich noch immer über das Problem nach, als meine Mutter sich bereits auf den Weg zur Tür gemacht hatte und als ich den Mund endlich öffnete, war sie bereits aus dem Zimmer. Merkwürdig. Das tat sie sonst nie. Zumindest nicht ohne eine entsprechende Bemerkung... Seltsam. Seltsam und äußerst merkwürdig. War es wirklich schon so spät? Ich öffnete vorsichtig die Augen und blinzelte heftig gegen das grelle Licht an, dass mir in die Augen stach. Als ich einigermaßen sehen konnte, warf ich einen kurzen Blick auf die Uhr und sprang entsetzt auf. Fünfzehn Minuten nach sieben! Na großartig... Warum weckte sie mich erst jetzt?! Lautstark vor mich hin fluchend lief ich quer durch den Raum hinüber zu meinen Kleiderschrank und riss die Türen auf. Wahllos zog ich ein sauberes T-Shirt und eine neue Hose heraus. Unter Einbeziehung akrobatischer Höchstleistungen streifte ich mir meine Kleider über, griff im Laufen nach meiner Schultasche und stürmte aus dem Zimmer. So schnell wie möglich raste ich die Treppe hinunter, wobei ich die drei letzten Stufen mit einem einzigen großen Sprung überwand. Mein Schwung katapultierte mich regelrecht in die der Treppe gegenüberliegende Küche hinein. Dort schleuderte ich meine Tasche zielsicher vor die nächste Wand, ließ ich mich auf einen Stuhl fallen und machte mir eilig mein Frühstücksbrot, sowohl für zu hause als auch für die Schule, zurecht. Die erste Scheibe Brot - ich glaube, es war Erdbeermarmelade verschlang ich so schnell, dass mir der letzte Bissen im Hals stecken blieb und ich einen Hustenanfall bekam. Nach dem dieser nach endlos langen Sekunden endlich abgeklungen war spülte ich alles mit einer Tasse Milch herunter. Dann steckte ich mein Pausenbrot ein. Dabei warf ich einen weiteren Blick zur Uhr. Verdammt! Verdammt spät! So spät, dass mir nicht einmal Zeit blieb mich zu beschweren! Ich hechtete aus der Küche hinüber zur Treppe. Zwei oder manchmal sogar drei Stufen auf einmal nehmend hastete ich hinauf, dann über den Flur hinein ins Bad. Zähne putzen. Waschen. Make-up. Haare bürsten. Ein letzter Blick in den Spiegel. An meiner Mutter vorbei hasten. Wieder ins Erdgeschoß. Meiner Schwester ausweichen und sie wütend anfunkeln, während sie mich schadenfroh angrinst. SIE ist schon fertig. Ausnahmsweise. Wie sie das geschafft und aus welchem Grund sie dieses Kunststück ausgerechnet an diesem Tag vollbracht hat, ist mir noch immer ein Rätsel... Aber ich hatte ja keine Zeit mir darüber Gedanken zu machen. Schuhe aus dem Regal ziehen und hineinschlüpfen. In die Küche. Meine Schultasche auf den Rücken schnallen. Mich laut rufend von meinen Eltern verabschieden. Aus dem Haus, durch die Seitentür in die Garage. Knallend flog die Tür hinter mir zu. Geschafft. Wahrscheinlich war meine Leistung reif fürs Guinessbuch... Ich atmete tief ein und aus. "Ach. Auch schon fertig?" Ich drehte den Kopf und sah hinüber zu meiner Schwester June und tat, als hätte ich nichts gehört. "Was?" "Ich habe mich nur gewundert, dass du schon so früh fertig bist." "Das mußt ausgerechnet du sagen..." Meine Schwester grinste fröhlich. Obwohl ich eigentlich wütend sein sollte, verflog meine schlechte Laune augenblicklich. Junes Lächeln war ansteckend. Unbewußt fing auch ich an zu lächeln und schaute durch das geöffnete Garagentor auf die still in der Sonne liegende Nachbarschaft. In den Vorgärten leuchteten zwischen grünen Büschen Blumen in den verschiedensten Farben. Obwohl es noch früh am morgen war, war es bereits sehr warm und nur ein leichter Windhauch zerrte an den Blüten und Blättern. Schmetterlinge und bläulich schimmernde Fliegen taumelten durch die Luft. Irgendwo auf den Dächern gurrten einige Tauben und in einiger Entfernung bellte ein Hund, während das Geräusch des Verkehrs von der nahen Straße nur als sanftes Rauschen herüber drang. Alles in allem wirkte die ganze Umgebung ruhig und friedlich. Mein Lächeln wurde breiter und ich atmete einmal tief ein. Augenblicklich stieg mir der Geruch von Rosen, Geranien und frisch gemähtem Gras in die Nase. Eigentlich war es Verschwendung so einen schönen Tag in der Schule zu verbringen. Verschwendung und vor allem Quälerei. Wenn der Typ, der die öffentliche Schule eingeführt hatte, nicht schon längst tot gewesen wäre, hätte er sich heute durchaus Sorgen um seinen Hals machen können. "Können wir los?" Die Stimme meiner Schwester unterbrach meine Gedanken. Sicher." Ich ging zu meinem Fahrrad hinüber, schob es aus der Garage und stieg in den Sattel. Nebeneinander rollten unsere Räder erst die Auffahrt hinunter und dann auch die kleine Nebenstraße, an deren Ende wir noch heute wohnen, entlang. Dann überquerten wir eine weitere Straße und bogen in einen schmalen Kiesweg ein, der - von hohen Sträuchern umgeben - hinter einer Häuserzeile entlang führte. Außer uns war niemand zu sehen. Nur eine getigerte Katze huschte über den Weg und verschwand im Gebüsch. Erst als wir wieder auf einer größeren Straße weiterfuhren, begegneten wir einigen wenigen Autos. Neben der grau und rot gepflasterten Straße hoben sich die Vorgärten wie bunte Perlen ab. Dunkelgrüne Rasenflächen wechselten mit Teppichen aus farbenfrohen Blumen ab und schlanke Bäume und Tannen wiegten sanft im Wind und über allem spannte sich ein strahlend blauer Himmel. "Ein perfekter Sommertag, nicht?" Fragend sah ich zu June hinüber. Genau wie ich warf sie einen Blick in die Runde, bevor sie munter nickte. "Allerdings. Wenn bloß die Schule nicht wäre..." "Wieso regst du dich so auf? Nur vier Stunden und du hast es geschafft." "Gott sei Dank! Aber mir waren Lehrerausflüge schon immer sympathisch." "Mir auch. Aber vermutlich sollten wir uns beeilen, wenn wir noch pünktlich da sein wollen." "Wollen? Von wollen kann hier doch keine Rede sein! Wir werden doch wohl dazu gezwungen oder etwa nicht?" Ich lachte. "Du hast es erfasst!" Trotzdem traten wir fester in die Pedale, während wir nach einer leichten Rechtskurve einen Pfad erreichten, der von hohen Birken beschattet wurde. Die Sonnenstrahlen, die durch das Blätterdach drangen zauberten ein zuckendes Muster aus Licht und Schatten auf dem Boden. "Wie spät?" Ich drehte den Kopf, um meine Schwester, die ein Stück hinter mir zurückgefallen war, anzusehen. "Keine Sorge. Wir kommen nicht zu spät. Bestimmt nicht." "Du bist dir wohl ziemlich sicher?" "Ja." "Gut. Aber wenn wir trotzdem zu spät kommen, wissen wir ja wessen Schuld es ist!" Empört starrte ich June an: "Du hättest doch schon allein fahren können!" "Sicherlich, aber du kennst mich doch. Ich wollte nicht..." Mitten im Satz brach sie ab und verzog angeekelt das Gesicht. Ungewollt fing ich an zu kichern, während sie mehrmals ausspuckte und sich dann mit dem Handrücken über den Mund wischte. Anschließend funkelte sie mich wütend an. "Was gibt es da zu lachen?! Ich hätte beinahe eine widerliche Fliege verschluckt!" "Ich weiß, aber dein Gesicht sah einfach zu komisch aus." June öffnete den Mund, um mir etwas entsprechendes an den Kopf zu werfen, doch genau in diesem Augenblick erreichten wir eine viel befahrene Straße und ihre Stimme ging im Lärm der unzähligen Autos unter. Wahrscheinlich war das auch gut so, denn so wie ich meine kleine Schwester kannte, hätte ihre Bemerkung sowieso nur meine mühsam angeeignete gute Laune zerstört. Jedenfalls mußten wir etwas warten, bevor wir endlich die Fahrbahn überqueren und den letzten Berg, der zwischen uns und der Schule lag, in Angriff nehmen konnten. Dort angekommen stellten wir schweigend unsere Räder ab und verschlossen sie. Danach rannten wir über Höfe und Flure jeder zu seinem eigenen Klassenraum. Pünktlich mit der Schulglocke ließ ich mich auf meinen Stuhl fallen und während ich noch immer ein wenig nach Luft rang, begann die erste Stunde. Mathematik. Wie sich wohl viele vorstellen können, überlebte diese mehr oder weniger nur mit Mühe und Not, genauso wie die darauffolgende Physikstunde. Nach der großen Pause, in der ich mich mit meinen Freundinnen über solch wichtige Themen wie den neusten Klatsch diskutierte hatte, hatten die Dämonen der Schule eine Stunde Deutsch auf den Plan gesetzt. Normalerweise kein Problem, doch wenn man als Schüler eine scheinbar unlösbare Aufgabe gestellt bekommen hat und diese dann auch noch vortragen muß, ist das durchaus ein Grund für ausfallende Bemerkungen. Zu dieser Stunde sollten wir nämlich einen lustigen Text über ein Thema schreiben, dass zusammen mit drei oder vier anderen zur Auswahl stand... Schreiben. - Von mir aus. Schreiben zu einem bestimmten Thema. - Auch akzeptabel. Etwas lustiges schreiben? - So gut wie unmöglich! Wenigstens dachte ich das, bis ich vorlesen sollte. Denn entgegen all meiner Erwartungen sorgte mein Text zum Thema "Osterangebote kurz nach Weihnachten" wirklich für ein paar Lacher. Zwar kann ich mich nicht mehr an alle Details erinnern, aber mein "Werk" lautete ungefähr wieder so: "Ich nehme an, jeder kennt diese Situation: Weihnachten ist gerade erst vorbei, die Papierkörbe sind genauso voll wie die Mägen der Menschen, die daher auf der verzweifelten Suche nach der idealen Möglichkeit sind, ihren Weihnachtsspeck wieder los zu werden. Zu ihrer Verteidigung muß aber wohl gesagt werden, dass sie süßen Dinge, die es zum Fest in den Geschäften zu kaufen gibt, einfach zum Anbeißen aussehen. Allerdings sind auch die weihnachtlichen Dekorationen nicht zu verachten. Da sind beispielsweise die unzähligen Kerzen, bei deren Anblick einem regelmäßig warm ums Herz wird. Oder auch die zahlreichen allgegenwärtigen Weihnachtsmänner. ? Denn, wer empfindet nicht einen leisen Hauch von Bewunderung und Neid, wenn man diesen ewig fröhlichen Typen in den roten Klamotten betrachtet, der weder älter noch dicker zu werden scheint? Dieser Umstand wird sicherlich schon viele Erdenbürger dazu gebracht haben, sich zu fragen, was das Geheimnis dieses vitalen Greises ist, der anscheinend in regelmäßigen Abständen in der Lage ist, seine Ausflüge rund um den Globus als "Geschäftsreisen" zu tarnen. - Wohl um sie von der Steuer absetzen zu können. Doch das ist längst noch nicht alles, was der Markt zu Weihnachten zu bieten hat. Da es aber zu lange dauern würde, dies alles aufzuzählen, ist es wohl angebracht, einfach nur zuzugeben, dass sämtliche Hersteller solcher Produkte jeden Winter aufs Neue ihr Ziel erreichen. - Sie machen Tausende und Abertausende von Mark Gewinn und fabrizieren dabei noch nebenbei weihnachtliche Hochgefühle. Aber das ist ihnen längst nicht genug. Nach dem Fest wiegen sie die Bevölkerung noch einige Tage lang in trügerischer Sicherheit, lassen sie die Stimmung noch einmal genießen...- Dann schlagen sie erbarmungslos zu. Denn neben bärtigen Großvätern und fliegenden Rentieren mit roten Nasen und seltsamen Namen gibt es noch etwas, was die Vermarktung wert ist: Der Osterhase. Dieses niedliche zottelige Tierchen, dessen kriminelle Aktivitäten sich glücklicherweise auf den Diebstahl von gewöhnlichen Hühnereiern beschränken. Diese jedoch verwandelt das kreative Kerlchen mit ein wenig Farbe in wahre Meisterwerke. Der Kult um das Nagetier sorgt aber auch dafür, dass der durch die weihnachtlichen Gefühle verklärte Blick in manchen Schaufensterauslagen auf Schokoladenostereier - und Hasen, gelbe Küken und bunt bemalte Eier fällt. Doch was amüsant für die einen, verständlich für die anderen und für die ganz anderen lächerlich ist, ist in Wahrheit ein raffinierter Schachzug der Unternehmer. Schließlich läßt sich doch die bis dahin nicht verkaufte weihnachtliche Schokolade leicht einschmelzen und in österliche Formen geben..." Nachdem ich dies mit unsicherer Stimme wie immer viel zu schnell vorgetragen - und auch das Lob kassiert hatte - war ich mit meiner Leistung selbst ganz zufrieden. Daher bereitete mir auch die letzte Stunde Englisch keine großen Probleme mehr, zumal die Schule danach für diesen Tag und diese Woche sowieso ein Ende hatte und ich endlich nach hause konnte. Dort angekommen ging ich sofort in den ersten Stock hinauf zu meinem Zimmer. Langsam öffnete ich die Tür, trat ein und schloss die Tür wieder hinter mir. Dann blieb ich für kurze Zeit stehen, Rücken und Kopf gegen das harte Holz der Tür gelehnt, die Augen geschlossen. Was jetzt? Langsam öffnete ich die Augen und blickte mich im Raum um. Das Sonnenlicht ließ die weiß tapezierten Wände gelblich schimmern und die Möbel warfen dunkle Schatten auf den Boden. Durch das halb geöffnete Fenster drang das Zwitschern der Vögel hinein und in beinahe regelmäßigen Abständen prallten Käfer, Fliegen und Bienen gegen das Glas der Fensterscheiben. Ein seufzte, schlurfte schließlich gemächlich zu meinem Bett hinüber und ließ mich darauf fallen. Nachdem ich eine bequeme Lage gefunden hatte, nahm ich ein Buch zur Hand und schlug es an der mit einen bunten Lesezeichen markierten Stelle auf. Die nächsten Stunden verbrachte ich damit Seite um Seite zu lesen, bis mich meine Mutter zum Mittagessen rief. Danach mußte ich noch beim Abwaschen helfen - selbst heute frage ich mich, warum man Geschirr spülen muß, wenn man eine voll funktionsfähige Spülmaschine besitzt. Anschließend vertiefte ich mich wieder in den Inhalt meines Buches. Noch heute weiß ich, dass es von König Artus und seinen Rittern der Tafelrunde handelte. Die Artus - Sage, mit Excalibur, Camelot, der Tafelrunde, den Rittern Lancelot, Gawain, Bedwyr und wie sie sonst noch heißen mögen, hat mich schon immer fasziniert. Dieses Thema hatte mir schon immer sehr gut gefallen und alle Werke, die ich dazu besaß waren interessant geschrieben. Das, was ich zur Zeit in Angriff genommen hatte, war besonders umfangreich. Es bestand aus etwas mehr als tausend Seiten und jedes Mal, wenn ich das Buch zur Seite legte, versuchte ich mir vorzustellen, wie es wohl wäre in jener Zeit zu leben oder selbst solche Abenteuer zu erleben... Ein Leben voll von interessanten, merkwürdigen und aufregenden Ereignissen, mit vielen Freunden und zusammen konnte man nahezu immer fröhlich und glücklich sein... Das klang selbst für mich furchtbar kindisch und kitschig, doch es entsprach der Wahrheit. In den eigenen Träumen ist schließlich alles möglich... Und genau so etwas wünschte ich mir. Jeden Tag aufs Neue. Immer wieder. Einfach etwas Besonderes. Wenigstens einmal. Genau diese Träumereien waren der Grund, aus dem sich in meinen eigenen vier Wänden umfangreiche Fantasybücher an jeder freien Stelle stapelten: Auf dem Sofa, auf den Kommoden, auf dem Tisch und dem Stuhl. Schon längst war ich auf der verzweifelten Suche nach einem neuen Regal, in dem ich meine Schätze aufbewahren konnte. Ich konnte es nämlich nicht übers Herz bringen, meine Bücher in den Keller oder auf den Dachboden zu schaffen. Dazu gefielen sie mir viel zu sehr. Ich konnte mich in sie hineinversetzen und den langweiligen Alltag vergessen. Ich konnte die Schule und die mißlungenen Arbeiten vergessen. Ich konnte sämtliche peinliche Momente vergessen, die ein Schülerleben mit sich bringt. Alles in allem konnte ich alles verdrängen, was mir nicht gefiel. Mit Hilfe meiner Bücher konnte ich abschalten und mich entspannen. Ab und zu legte ich das Buch aus der Hand und dachte über das Gelesene nach. Stundenlang konnte ich so in meinem Zimmer verbringen und abends vor dem Einschlafen ? aber auch tagsüber in jeder freien Minute - spann ich die Geschichten weiter oder brachte mich selbst als Figur ein. Letzteres kam aber eindeutig häufiger vor und von Zeit zu Zeit fragte ich mich ob ich vielleicht ein ganz klein wenig...absonderlich oder...verrückt war... Bis heute bin ich mir über diesen Punkt nicht im Klaren, aber sicher ist, dass ich die größte existierende Leseratte der Welt und eine Träumerin bin. Aber mir gefällt mein Leben so wie es ist und ich kann mir nicht vorstellen, dass es anders verlaufen könnte. - Nicht das ich nicht schon versucht hätte meinen "Lebensstil" zu enden, doch bisher war das immer nur ein guter Vorsatz. Ein Vorsatz, der wie alle anderen Ideen, die so genannt werden, nur dazu da ist gebrochen zu werden. Am nächsten Morgen war bereits abzusehen, dass der Tag noch wärmer werden würde als der vorherige. Ein strahlend blauer, wolkenloser Himmel wölbte sich über der Landschaft und die Luft flimmerte über dem Asphalt. Der Erde war staubtrocken und stellenweise konnte ich Risse im Boden entdecken. Selbst die Vögel schienen Angesichts der herrschenden Hitze ihre Stimme verloren zu haben. Obwohl "Hitze" wirklich untertrieben war. Es war an diesem Tag nicht nur drückend heiß sondern regelrecht schwül und man konnte beinahe riechen, dass es in der nächsten Zeit ein Gewitter geben mußte. Nicht ein einziges Lüftchen wehte und selbst während ich ruhig in meinem Klappstuhl auf der Terrasse saß lief mir der Schweiß in Strömen über den Körper. Dabei hatte ich mir extra ein schattiges Plätzchen gesucht und neben mir auf dem Tisch stand ein Glas Apfelsaft mit Eiswürfeln, während auf meinen bloßen das Buch über König Artus Oberschenkeln lag. Hin und wieder summte eine Biene an mir vorbei und in den Büschen zu meiner Linken sangen die Vögel in einer dichten Brombeerhecke. Aus den anderen Gärten hörte man die fröhlichen Rufe spielender Kinder und durch die geöffneten Fenster hinter mir erklang das Klirren von Geschirr, da meine Mutter sich gerade mit den Vorbereitungen für das Mittagessen beschäftigte. Ich meinerseits hatte beschlossen, den Morgen gemütlich zu hause zu verbringen. Am Nachmittag wollte meine Eltern dann nach Münster fahren, um einzukaufen. June war schon seit den frühen Morgenstunden bei ihrem Pflegepferd Heartbreaker, dass irgendwo auf einem Hof außerhalb der Stadt stand. Ich bin normalerweise sehr gern zu hause, aber an diesem Tag war mir einfach nicht danach. Daher wollte auch ich den Nachmittag in der Stadt verbringen. Zuerst wollte ich die Fußgängerzone entlang bummeln und mir die Auslagen in den Schaufenstern ansehen. Für die Sommerferien, die ich mit meiner Familie an der Ostsee verbringen würde, benötigte ich noch zwei oder drei neue T-Shirts, ein Paar Sandalen und vielleicht noch eine neue Hose. Danach wollte ich mir abschließend noch ein kühles Eis genehmigen. Gegen halb drei Uhr Nachmittags ging ich noch einmal schnell ins Bad um mich noch ein wenig frisch zu machen. Ich ging ins Bad, drehte den Wasserhahn auf, nahm beide Hände voll Wasser und wusch mir damit das Gesicht. Das Wasser war wunderbar kühl und erfrischend. Mit halb geschlossenen Augen tastete ich nach einem Handtuch und begann mir damit das Gesicht abzutrocknen. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich ein silbernes Schimmern, dass über den Spiegel huschte, direkt neben meinem Spiegelbild. Überrascht hielt ich mitten in der Bewegung inne und starrte auf das Glas. Doch es war nichts mehr zu sehen. "Ein Lichtreflex..." murmelte ich und trocknete mir weiter das Gesicht an. Kurz danach schwang ich mich in den Sattel und fuhr in die Stadt. Der Fahrtwind war ungeheuer erfrischend und zerrte an meinen kurzen Haaren. Besonders während ich bergab fuhr, konnte ich leicht die Hitze vergessen. Erst als ich mein Fahrrad bei der öffentlichen Bücherei abstellte brannte die Sonne wieder auf meinen Rücken. Die Temperaturen in der Innenstadt waren noch höher, so dass man sich zwischen den engen Gassen, die an beiden Seiten mit lückenlosen Häuserzeilen umgeben waren, beinahe wie in einer Sauna fühlte. Vermutlich war dies der erste Punkt an diesem Tag, an dem ich bereute das Haus verlassen zu haben, aber ich ahnte auch nicht, dass noch ein weitaus gewichtigerer Grund auf mich wartete. So verschob ich jedenfalls einige Punkte in meinem Plan genehmigte ich mir zunächst einmal ein großes Eis. Zitrone, Erdbeere und Kirsche mit einem großen Klecks Sahne. Anschließend schlenderte ich die Straßen entlang und warf einen Blick in die Schaufenster. Dabei versuchte ich angestrengt möglichst lange in den seltenen Schattenflecken zu bleiben, während ich an meinem Eis leckte und von den durch Klimaanlagen gekühlten Läden träumte. So ist es wohl nicht verwunderlich, dass ich - sobald ich den letzten Bissen meiner Waffel in den Mund geschoben hatte - schnell die Geschäftsräume aufsuchte und sie nach einem geeigneten Strandoutfit durchsuchte. Auf diese Weise entdeckte ich tatsächlich die Dinge, die ich gesucht hatte ( und natürlich noch einige andere, die ich weder gesucht hatte noch wirklich brauchte und die ich trotzdem mitnahm ). Als ich den letzten Laden verlassen hatte entdeckte ich erfreut, dass das Schicksal es für einen kurzen Moment gut gemeint und mir tatsächlich Regenwolken geschickt hatte. Außerdem war eine leichte Brise aufgekommen und die Kronen der vereinzelt stehenden Bäume rauschten sanft im Wind. Allein der Gedanke an einen erfrischenden Regenguß war ungemein belebend, so dass die Vorstellung naß zu werden mich absolut nicht störte. Im Gegenteil. Ich freute mich schon darauf im Regen zu stehen. Gemächlich schlenderte ich die Nordstraße hinunter. Dabei entdeckte ich meine beste Freundin Annika und wir entschlossen uns spontan ein weiteres Eis zu essen. - Zumindest entschied ich mich kurzfristig für diese kleine Abkühlung als meine Freundin durchblicken ließ, dass sie mich zur Feier des Tages einladen wollte. Ich glaube wir saßen ungefähr eine Stunde lang in der gemütlich eingerichteten Eisdiele. Wir hatten uns an einen kleinen Tisch in einer Ecke des Raumes gesetzt. Vor uns standen jeweils ein Eisbecher und ein Milchshake, an dem wir ab und zu nippten. Wir unterhielten uns über Themen, über die jeder Teenager, besonders Mädchen in unserem Alter, stundenlang reden können: Schulkameradinnen und Freundinnen ( allgemein ist diese Art der Konversation auch als ?Lästern? bekannt ), die neusten CDs und Musikvideos, Fernsehen, den Film, den ich gerade gesehen hatte und natürlich Jungs. Während wir und unterhielten zog sich draußen der Himmel immer weiter zu. Dicke graue und schwarze Wolken türmten sich am Horizont auf und bildeten bizarre Gebirge. Der Wind fegte abgerissene grüne Blätter und Papierfetzen über die gepflasterten Wege und hin und wieder blitzte es am Himmel verdächtig auf. "Vielleicht sollten wir zahlen und verschwinden," schlug ich vor und warf einen besorgten Blick aus dem Fenster. "Hast du was gegen Regen?" Annika sah mich lächelnd an. "Nein. Gegen einen leichten Schauer habe ich nichts. Aber ein ausgewachsenes Gewitter ist nicht nach meinem Geschmack." Annika schaute ebenfalls kurz durch die dicken Glasscheiben. Dann strich sie sich mit einer Hand das lange Haar aus der Stirn und seufzte: "Wahrscheinlich hast du recht. Ich kann mir auch was Besseres vorstellen als völlig durchweicht nach hause zu kommen...Aber was hälst du davon, wenn du noch ein wenig mit zu uns kommst? Meine Eltern sind nicht da und wir könnten uns eine Pizza in den Ofen schieben." "Keine schlechte Idee. Besonders die Sache mit der Pizza gefällt mir." Ich schlürfte den Rest des Shakes aus meinem Becher, während Annika ihre Geldbörse zückte und bezahlte. Anschließend verließen wir gemeinsam den Laden und liefen hinüber zur Bücherei, wo auch Annika ihr Rad abgestellt hatte. Wir öffneten die Schlösser und schwangen uns in den Sattel. Dieses Mal mußten wir den größten Teil des Weges bergauf fahren und wir kamen ordentlich ins Schwitzen. Um uns zu erholen, machten wir es uns, sobald wir die Wohnung meiner Freundin erreicht hatten, auf dem Sofa bequem und schalteten den Fernseher ein. Die nächste Zeit verbrachten wir damit Talkshows zu sehen und uns sowohl über die Themen als auch über die Gäste der verschiedenen Sendungen lustig zu machen. Gegen halb sieben rief ich meine Eltern an , um ihnen zu sagen wo ich war und das ich in ein bis zwei Stunden zu hause sein würde. Danach wärmten wir uns die angekündigte Pizza auf und aßen, während wir weiter über wer-weiß-was für Themen redeten. Als ich mich schließlich auf den Heimweg machen wollte war es draußen stockdunkel. Ungewöhnlich für den Spätsommer, doch das Wetter erklärte alles: Die Straßen schimmerten vor Nässe, doch nicht ein Tropfen viel vom Himmel, während ich mit Annika vor der geschlossenen Haustür stand und in die Nacht hinaus starrte. "Wirklich ungemütlich, was?" seufzte ich. Annika nickte: "Du ahnst ja nicht, wie froh ich bin, dass ich da nicht durch muß..." Ich lächelte gequält: "Aber ich kann es mir lebhaft vorstellen!...Aber was solls! Ich muß los! Wir sehen uns!" ?Ja, bis dann! Machs gut!? Annika winkte zum Abschied und schloß die Tür, während ich zu meinem Fahrrad hinüber ging. Ich warf einen Blick hinauf zum Himmel. Die Wolken hingen dicht über der Erde und schienen beinahe den Boden zu berühren. Weder der Mond noch die Sterne waren zu sehen, die Lichtkreise, die die Straßenlaternen warfen wirkten wie trübe Kleckse in der Dunkelheit und in einiger Entfernung verschwammen sie sogar in der Dunkelheit. Es hatte sich deutlich abgekühlt und der Wind war nicht mehr frisch, sondern kalt. In regelmäßigen Abständen kam ein heftiger Windstoß auf, fuhr pfeifend um die Ecken und ließ die Blätter der Bäume rauschen. Fröstelnd rieb ich mir über die bloßen Oberarme. Wenn das Ganze nicht so ungemütlich wäre, wäre es fast ein wenig unheimlich. So aber war es nur naß und kalt und unangenehm, und um ehrlich zu sein - ich fror ganz entsetzlich. Wahrscheinlich hörte man mein Zähneklappern noch am anderen Ende der Stadt. "Na ja. Dann wollen wir mal...," sagte ich leise zur mir selbst, schaltete das Licht ein und wischte das Wasser von meinem Sattel. Doch dann konnte es endlich los gehen. Immer wenn ich durch eine Pfütze fuhr spritzte Wasser zu beiden Seiten in die Höhe. Das Geräusch, dass dabei entstand, war das Einzige, dass in der stillen Nacht zu hören war. Nur hin und wieder fiel ein Lichtschimmer durch die Fenster der nahen Häuser auf die Straße und ließ die Regenwasser aufblitzen. Schon nach wenigen Minuten hatte ich eine Gänsehaut auf Armen und Beinen und ich begann zu zittern. Ich wollte einfach nur noch so schnell wie möglich nach hause. Nach hause, eine warme Dusche und dann unter meine warme Bettdecke... Das war genau nach meinem Geschmack. Vielleicht noch einen warmen Kakao und mein Buch und der Abend wäre perfekt. Kakao...warmer Kakao im Hochsommer... Dieser Kälte und der Regen waren deprimierend und brachten mich anscheinend völlig durcheinander. Ich bog ab und ging aus dem Sattel, um eine leichte Steigung besser nehmen zu können. Anschließend fuhr ich ungeschickterweise direkt durch ein tiefe Pfütze, so dass das kalte Wasser mir auf die Beine spritzte. Wahrscheinlich würde ich daheim aussehen, als ob ich mich im Schlamm gewälzt hätte. Entweder dass oder ich schaute aus der Wäsche wie ein begossener Pudel... Egal auf welche Variante es hinauslief, meine Mutter würde sich mit Sicherheit freuen. Fast genauso sehr wie die Waschmaschine... Ich seufzte und legte an Tempo zu. Als ich ein weiteres Mal abbog, begann es wieder zu regnen. Dicke Tropfen schlugen mir hart ins Gesicht und eine heftige Windböe nahm mir beinahe den Atem. Durch den starken Regen konnte ich kaum noch etwas sehen, denn alles im Abstand von mehr als ein oder zwei Metern verschwamm hinter dem dichten Vorhang aus glänzenden Tropfen. Daher hielt ich den Blick fest auf den Boden vor mir gerichtet, während das stetige Rauschen des Regens mir in den Ohren dröhnte. Warum war ich nicht endlich zu hause?! Warum bloß? Aus welchem Grund war ich nur zu Annika gefahren? Seufzend wischte ich mir mit einer Hand das Wasser aus dem Gesicht und strich mir das nasse Haar aus der Stirn. Dann warf ich einen kurzen Blick zur Seite, um erkennen zu können wo ich mich befand. Gott sei Dank. Ich hatte es fast geschafft. Jetzt nur noch die Straße entlang die hinter der nächsten Biegung lag, über die nächste Querstraße, einmal links und ich war auf der Sackgasse, auf der unser Haus stand. Wie gewöhnlich fuhr ich quer über die Fahrbahn um den Weg abzukürzen. Glücklicherweise fuhr hier nie ein Auto entlang. Jedenfalls war das normalerweise der Fall. Leider nicht an diesem Tag. Diesmal kam mir tatsächlich ein Fahrzeug entgegen, doch durch den strömenden Regen sah ich die verschwommenen gelben Scheinwerfer zu spät. Wahrscheinlich war der Fahrer genauso überrascht wie ich und genauso wenig wie ich war er in der Lage zu reagieren, also zu bremsen oder auszuweichen. Ich konnte nicht einmal mehr schreien. Das Letzte, woran ich mich erinnere ist das Licht der Scheinwerfer, das von einer Sekunde zur anderen so hell wurde, dass es mich blendete. Der harte Ruck als das Auto mein Rad erfaßte und ich aus dem Sattel geschleudert wurde. Der graue, regennasse Asphalt, der sich plötzlich über mein ganzes Blickfeld erstreckte und immer näher kam. Der Aufprall, als ich hart auf dem Boden aufschlug und die Luft schlagartig aus meinen Lungen gepreßt wurde. Die qualvollen Schmerzen, die mich durchzuckten. Dann nichts mehr. Für lange, sehr lange Zeit. Nichts. Nur Dunkelheit. Absolute Dunkelheit. Als ich wieder zu mir kam bemerkte ich sofort, dass etwas nicht stimmte. Nur was? Dann erst fiel mir auf, dass es noch immer stockdunkel war. Noch immer? Ja. Ich wußte zwar nicht mehr warum, aber es war richtig, das es dunkel war. Dunkel, naß und kalt. So sollte es sein. Da war ich mir sicher. Aber es war nicht kalt. Im Gegenteil. Wo immer ich auch war, hier war es eher stickig. Und naß war es auch nicht. Ich konnte zwar nichts sehen, doch der Boden, auf dem ich lag war trocken. Trocken und felsig. Unangenehm rauh und hart, spitze Steinchen und Kanten bohrten sich in meinen Rücken, meine arme und Beine. Etwas war daran falsch. Felsig sollte es hier nicht sein. Seltsam. Unruhe stieg in mir auf, wurde stärker und stärker. Vorsichtig streckte ich die Hand aus und ließ meine Fingerspitzen über den Boden neben mir gleiten. Eindeutig Stein. Nicht Asphalt. Asphalt? Eine Straße? Ja. Aber warum sollte ich auf der Straße herumliegen? Noch dazu im Dunkeln? So sehr ich es versuchte, ich konnte mich nicht erinnern. Angestrengt dachte ich über dieses Problem nach, bis mein Kopf anfing zu schmerzen. Also ging ich dazu über, zu lauschen. Stille. Totenstille. Kein Laut war zu hören. Aber es sollte etwas zu hören sein. Wind, Bäume, Autos, Hunde, was auch immer. Außerdem mußte ich schon länger hier liegen ? ich wußte nicht wie lange ich bewußtlos gewesen war, aber es kam mir sehr lang vor, so sehr konnte ich mich doch nicht täuschen? - und jemand hätte zu mir kommen und mir helfen sollen. Hilfe? Brauchte ich Hilfe? Sobald ich mich näher mit diesem Gedanken beschäftigen wollte, wurde mein Kopfweh schlimmer. Ich würde später darüber Nachdenken müssen. Vielleicht wäre es zunächst besser, wenn ich aufstehen würde. Stumm verfluchte ich mich selbst für meine Dummheit. Auf diese Idee hätte ich schon viel früher kommen sollen, denn möglicherweise könnte ich auf diese Weise herausfinden, was los war... Nur faul auf dem Boden herum zu liegen und zu grübeln war wohl kaum der richtige Weg etwas zu ändern. Ich atmete einmal tief durch und bereitete mich geistig auf ein leichtes Schwindelgefühl und einen weiteren stechenden Schmerz in meinem Kopf vor. Anschließend stützte ich meine Arme auf dem Boden auf, zog meine Beine an und schrie laut auf. Heftige stechende Schmerzen in den Beinen, ein grausames Ziehen in meinem Kopf. Meine Beine schienen regelrecht zu brennen und mir traten Tränen in die Augen, während ich stöhnend zurück auf den Boden sank. Mehre Minuten blieb ich dort bewegungslos und leise wimmernd liegen, bis schließlich nur noch ein leichtes Pochen zu spüren war. Was zum Teufel war nur los? Warum schmerzten meine Beine und mein Kopf so? Warum lag ich auf irgendeinem felsigen Boden in der Dunkelheit? Was war passiert? Die schwache Erinnerung an ein Auto, das direkt auf mich zufuhr stieg in mir auf. Ein Unfall? Das klang logisch. Es würde die Schmerzen erklären und auch, weshalb ich auf dem Boden lag. Blieb aber noch immer die merkwürdige Umgebung in der ich mich befand. Die Straßen in unserer Stadt waren normalerweise nicht felsig, dass wäre mir mit Sicherheit aufgefallen. Davon war ich fest überzeugt. Außerdem stellte sich noch die Frage, weshalb niemand hier war um mir zu helfen. Fahrerflucht? Möglicherweise, aber jemand mußte doch etwas bemerkt haben! Hauptsache es fing nicht wieder an zu regnen... Regen... Es hatte vor kurzem geregnet. Jetzt war der Boden trocken. Wie lange lag ich verdammt noch mal schon hier herum, wenn der Boden schon getrocknet war?! Meine Eltern müßten doch schon längst auf der Suche nach mir sein... Aber da waren die Felsen. Also befand ich mich nicht mehr auf der Straße. Lag ich etwa so versteckt, dass mich niemand finden konnte? Unwahrscheinlich, aber immerhin möglich. Es war wenigstens so etwas wie eine Erklärung und ich müßte mich nicht mehr ganz so hilflos und verlassen fühlen. Nicht zu wissen, was genau los war... Es war ein schreckliches Gefühl. Ich mußte mich ablenken! Am Besten wäre es wohl, wenn ich erst einmal weiter meine Umgebung untersuchte. - Ohne meinen Kopf und meine Beine zu bewegen natürlich. Also machte ich mich an die Arbeit. Zunächst einmal taste ich mit der linken Hand an meiner Seite entlang. Schließlich streckte ich meinen Arm aus, so weit ich konnte. Felsen. Nichts als Felsen. Ich hob den Arm und ließ ihn durch die Luft kreisen. Nichts. Nicht mal Felsen. Also auf meine rechte Seite. Nichts hinter mir. Nichts neben meinem Kopf. Nichts neben meinen Beinen . Nichts über mir. Nichts, nichts, nichts. Nur der felsige Boden der mich piesackte während ich auf ihm lag. Trotzdem streckte ich nochmals den Arm aus. Ich hatte ihn noch immer angewinkelt, als ich mit einer Hand gegen Stein stieß. Vorsichtig ließ ich meine Finger über die Oberfläche gleiten. Auf diese Weise ertastete ich einen Stein, der beinahe senkrecht emporragte und nirgends war ein Ende der Fläche zu entdecken. Eine Wand? Wie sollte nun noch eine felsige Wand in die Nähe der Straße kommen? Das war unmöglich! War ich vielleicht doch nicht bei Bewußtsein? War ich ohnmächtig? Oder träumte ich nur? Die erste Möglichkeit gefiel mir nicht. Ganz und gar nicht. Die letzte war wiederum unrealistisch. Soweit ich mich erinnern konnte, waren Menschen nicht in der Lage in einem Traum eingebildete Schmerzen zu empfinden ohne aufwachen zu müssen. Außerdem waren die Schmerzen für meinen Geschmack sogar mehr als realistisch gewesen. Es tat wirklich VERDAMMT weh! Und wie gesagt, hätte ich spätestens dann aufwachen müssen. Ich seufzte. Das war alles wie verhext. Einfach beschissen. Blieb mir eigentlich noch etwas anderes übrig, als einfach nur abzuwarten? Irgendwann mußte ja mal was passieren. Schließlich konnte ich nicht bis in alle Ewigkeit hier liegen bleiben. ...Zumindest hoffte ich das. Wenn es mir wieder besser ging, sollte ich das optimistisch-sein üben. Langsam drehte ich den Kopf auf die Seite und schloß die Augen. Doch ich öffnete sie schlagartig wieder, als ich ein leises Kratzen hinter mir hörte. Einmal, zweimal. Wieder und wieder, in gleichmäßigen Abständen, dazwischen ein leichtes schleifendes Geräusch. Es kam jemand! Mein Herz klopfte vor Freude und Erleichterung schneller. "Hallo...,? krächzte ich: "Ich bin hier!? "Daz zehe ich. Die Frage izt nur, waz du da machzt.? Überrascht zuckte ich zusammen. Was war denn das für eine Antwort? Ich lag äußerst unbequem und war verletzt und dann sowas! Sobald ich die Beine wieder schmerzfrei bewegen konnte, würde ich ihn vorns Schienbein treten! Mehrmals! Mühsam versuchte ich den Kopf zu drehen, bis ich sehen konnte wer da hinter mir stand. Normalerweise müßte mein Retter ein Licht dabei haben. Doch da war kein Licht. Es war noch immer stockdunkel. Trotzdem sah ich etwas. Ich sah, schrie und fiel in Ohnmacht. Ich kann nicht sagen, wie lange es diesmal dauerte, bis ich wieder zu mir kam, doch ich weiß, dass ich länger bewußtlos blieb als das erste Mal. Ich befand mich sicherlich mehrere Tage lang in einem Zustand zwischen Fieberträumen und Wachen. Ich konnte weder essen, trinken noch reden und ich fühlte mich daher verständlicherweise ziemlich hilflos. Als ich aufwachte und endlich wieder in der Lage meine Augen zu öffnen, mich bewußt zu bewegen und nachzudenken, hatte ich einen riesigen Appetit und meine Muskeln schmerzten vom zu langen liegen. Dazu fühlte ich mich wie gerädert, ich war regelrecht von Alpträumen verfolgt worden. Alpträumen, in denen immer und immer wieder das auftauchte, was ich als letztes im undurchdringlichen Dunkel gesehen hatte: Ein Paar kleiner, blutrot leuchtender Augen, die knapp einen Meter über mir in der Schwärze schwebten. Rote Augen... Blutrote Augen... Welcher normale Mensch hat so etwas schon gesehen? Und welcher normale Mensch würde davon nicht ... verunsichert werden? Denn ...verunsichert war ich wohl. Das konnte man mit ruhigem Gewissen behaupten. Rote Augen! Was zum Teufel war das gewesen? Und wo zum Teufel war ich? Letzteres schien angesichts des Ortes an dem ich mich nun befand erstmal die wichtigere Frage zu sein. Dieser Ort... Wo auch immer ich war, die Möglichkeit, dass ich träumte größer schien als je zuvor. Ein Traum... Es mußte ganz einfach ein Traum sein! Das war der erste Gedanke der mir kam, als ich mich in dem Raum, in dem ich mich befand umgesehen hatte. Normalerweise erwartet ein Verletzter in einem kalten weißen sterilen und chemisch riechenden Krankenhauszimmer auf zu wachen. Neben einem noch mehr unbequeme Metallbetten, häßlicher Linoliumboden, noch häßlichere Kunstdrucke an den Wänden und den Fernseher im Blickfeld. Bei schweren Verletzungen möglicherweise noch piepsende elektronische Geräte, die an einen Science - Fiktion Film erinnern. Hier aber war nichts davon zu sehen. Nicht einmal ansatzweise. Vermutlich wäre der Anblick dieser Dinge an dieser Stelle auch einfach nur noch absurd gewesen, denn Technik und Höhlen passen nicht zusammen. Ich befand mich nämlich eindeutig in einer Höhle! Eine Höhle, wie man sie sich höhlenartiger nicht vorstellen konnte, denn an jeder Seite ragten unebene Felswände fast zwei Meter in die Höhe, wo sie sich zu einer halbrunden Kuppel zusammenfanden, und auch der Boden und die Decke bestanden aus rauhem Stein. Allerdings konnte man das bei dem Fußboden nur vermuten, denn dieser war über und über mit Sand bedeckt. Sand, kein Linoliumboden, keine Teppiche. Das nächste, was mir auffiel war die Beleuchtung, obwohl Fackeln - in Anbetracht der Tatsache das ich mich in einer Höhle befand - wahrscheinlich zur Standardeinrichtung gehörten. Allerdings waren es seltsame Fackeln. Es waren nur wenige, gerade genug um die Umgebung erkennen zu können. Ein flackerndes Zwielicht, in dem es schwer war überhaupt zu sehen, so das ich heftig blinzeln mußte. Außerdem...Das Holz sah merkwürdig aus, obwohl es kaum unter der dicken Pechschicht zu erkennen war . Wie auch immer, Fackeln paßten hierher. Genauso wie die große Feuerstelle, wo ein wenig graue Asche neben noch glühenden Kohlenstücken lag. Ein Stück davon entfernt klaffte ein gezacktes Loch in der Wand, dahinter nichts als tiefe Schwärze. Offensichtlich der Eingang... An der Wand zu meiner Rechten standen zwei sorgsam behauene Truhen aus Stein und an der gegenüberliegenden Seite des Raumes befand sich ein seltsamer kleiner Tisch mit zwei wirklich winzigen Stühlen, alles aus dem Fels herausgeschlagen. Darüber ragte ein Regal aus der wand hervor auf dem ich mehrere Gläser mit undefinierbarem Inhalt erkennen konnte. Soviel zu meiner Umgebung. Was war mit mir? Vorsichtig bewegte ich mich, um mir mit einer Hand über die vom diffusen Licht schmerzenden Augen zu wischen. Dabei berührte ich einen dicken festen Verband, der um meinen Kopf geschlungen war. Vor Schreck zuckte ich zusammen. Im selben Moment schoß ein scharfer Schmerz durch meine Beine. Innerlich verfluchte ich mich dafür, dass ich die Schmerzen, die ich nach meinem ersten Aufwachen in der Dunkelheit gespürt hatte so schnell vergessen hatte. Dann zog ich vorsichtig die grau- weiße kratzige Wolldecke, die über mir lag zur Seite, um einen kurzen Blick auf meine Beine zu werfen. Der Anblick war beunruhigend, denn meine Beine waren dick mit schmutzigen weißlichen Stoffetzen umwickelt. Mir gefiel sowohl der Umstand das beide Beine so verbunden waren, noch der Zustand der Bandagen selbst. Ich atmete einmal tief durch. Na großartig. Jetzt lag ich verletzt in einer Höhle auf einem Lager - nebenbei bemerkt bestand dieses aus mehreren noch kratzigeren Decken, die direkt auf dem Boden lagen - und ich hatte nicht die geringste Idee, wo sich diese Höhle befand. Felsenmöbel und Fackeln!! Entweder war ich verrückt oder in der Steinzeit. Es fehlte nur noch der Höhlenmensch der mit seiner Keule über der Schulter durch die Tür geschlurft kam. Kein angenehmer Gedanke. Trotzdem war ich neugierig auf den Bewohner der Höhle. Sowas wie ein ganz besonders extremer Aussteiger vielleicht? Ein hoffentlich sympathischer Aussteiger. Ich schaute mich ein weiteres Mal um. Die vorherrschenden Farben waren Rot und ein Grau in allen Schattierungen und besonders das Feuer verlieh dem ganzen Zimmer etwas Gemütliches - soweit Stein überhaupt gemütlich sein konnte. "Das Ganze hat was... ich weiß zwar nicht was, aber es hat was," murmelte ich. Beim Klang meiner eigenen Stimme erinnerte ich mich schlagartig an die seltsame zischende Stimme, die ich gehört hatte, bevor ich in Ohnmacht gefallen war. Die Stimme und die Augen. Was hatte rote Augen und sprach mit so einem seltsamen Akzent? Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Genaugenommen wollte ich nicht wissen, was das genau gewesen war... Was... Ich hörte mich schon an wie irgend eine dieser hysterischen Ziegen aus den Fantasyfilmen... Was, es sollte eher heißen: Wer in welchem Kostüm? Und vor allem, warum wollte er mich unbedingt so erschrecken? Und wie hatte er es geschafft, dass seine Augen so leuchteten? Na, das war jetzt auch egal. Ich würde es sicherlich noch früh genug erfahren. Immerhin konnte ich mir ziemlich sicher sein, dass der Typ nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte. Denn nur ein Verrückter konnte auf den Gedanken kommen sich so seltsam zu verkleiden und mich in eine Höhle zu schaffen...Hoffentlich nicht zu verrückt. Hastig verdrängte ich diesen unangenehmen Einfall und warf einen weiteren Blick in die Runde. "Eigentlich ist es doch ganz nett hier...," flüsterte ich, um mich abzulenken. "Freut mich daz ez dir gefällt." Erschrocken drehte ich den Kopf zum Eingang. Ich hatte nicht gehört, dass jemand näher gekommen war. Doch als ich erkannte, wer eingetreten war, konnte ich ein entsetztes Keuchen nicht unterdrücken. Gleichzeitig wich ich trotz der Schmerzen in meinem Körper so schnell ich konnte ein Stück näher an die Wand in meinem Rücken heran. Denn die ... Person die nun im Eingang der Höhle stand war... Naja... eigentlich war es keine Person sondern ein...Ding. Ja. Das traf es wohl am Besten. Dieses Ding jedenfalls war knapp anderthalb Meter groß und schien nur aus scharfen Krallen, spitzen Zähnen und dunklen glänzenden Schuppen zu bestehen. Allerdings konnte ich mich in Bezug auf die Größe auch irren, denn die Beine des Wesens waren stark eingeknickt wie die einer Eidechse und es lief leicht vornüber gebeugt. Insgesamt hatte die Gestalt eine sehr starke Ähnlichkeit mit einer Eidechse. Oder mit der stark verkleinerten Version eines Tyrannosaurus Rex. Genau wie letzterer besaß es kurze, aber kräftig aussehende Arme und einen langen geschwungenen Schwanz, der zur Zeit unruhig über den Boden zuckte. Der ganze Körper war mit blaugrünen blitzenden Hornplatten übersät und da das Wesen bis auf eine Art ledernen Lendenschurz und eine seltsame Weste aus abgewetztem Leder unbekleidet war, ließ sich das mit gutem Gewissen behaupten. Ansonsten wirkten besonders die fast zehn Zentimeter langen Krallen an Füßen und "Händen" sehr beeindruckend. Am Auffälligsten war jedoch der Kopf der seltsamen Gestalt. Dieser war nämlich ziemlich flach und die hervorragende Schnauze war gespickt mit unzähligen messerscharfen Zähnen. Dazwischen konnte ich eine lange rosafarbene Zunge entdecken, die wie die einer Schlange gespalten war. Über dem Maul funkelten dunkelrote kleine Augen, während der gesamte Hinterkopf aus irgend einem Grund von einem wirren schwarzen Haarschopf bedeckt war... Das konnte kein Kostüm sein! Dieses Ding... Ich konnte nichts anderes tun als dieses Wesen mit weit aufgerissenen Augen anzustarren, bewegungslos auf meinen Decken zu liegen und zu stammeln: "Was... was... wie... wer..." Das Wesen blinzelte kurz und legte den Kopf auf die linke Seite: "Wie tiefzinnig! Du bizt wohl zehr gebildet..." Fassungslos blickte ich die Kreatur an. Das war absolut unmöglich! Eine sprechende Eidechse! Eine sprechende Eidechse, die mich beleidigte! Was war hier verdammt noch mal los? Meine Gedanken überschlugen sich regelrecht. Das Ding, das einige Meter von mir entfernt stand wirkte einfach zu realistisch... Das konnte unmöglich ein Kostüm sein... Allerdings blieb dann nur zwei Möglichkeiten übrig. Entweder träumte ich oder ich war vollkommen durchgedreht. Verständlicherweise gefiel mir die letzte Theorie weniger gut. Doch um die erste zu bestätigen mußte ich wohl das bekannteste Mittel der Welt anwenden. Also kniff ich mir kräftig in den Arm. Es tat weh, sehr weh sogar. Also träumte ich nicht. Das bedeutete, dass ich verrückt war oder zumindest unvergleichliche Halluzinationen hatte, doch anstatt nun in Panik zu geraten wurde ich neugierig. Immerhin hatte ich im Grunde genommen schon lange mit etwas derartigem gerechnet. Ganz davon abgesehen würde es sicherlich interessant sein herauszufinden zu welchen Absonderlickeiten meine überreizte Phantasie noch fähig war. Schließlich war ein übergroßes Urmel aus dem Eis mit Sprachfehler schon beeindruckend... Außerdem, wenn ich nun schon einmal verrückt war, warum sollte ich dann diesen Zustand nicht in gewisser Weise genießen dürfen? Daher nahm ich all meinen Mut zusammen, atmete mehrere Male tief durch und sagte: "Ich wollte eigentlich nur wissen wer du bist, wie ich hierher gekommen bin und wo dieses hier überhaupt ist." "Bizt ganz zchön neugierig, wie? Zchliezlich bin ich derjenige der dir dieze Fragen ztellen zollte. Immerhin bizt du diejenige, die plötzlich in meiner Höhle gelandet izt!...Und wo wir gerade dabei zind...Wie hazt du daz eigentlich gemacht? Ich meine kannzt du durch Wände gehen oder zo?" Das war eine sehr gute Frage. Und eine noch bessere wäre, was ich jetzt darauf antworten sollte. Da mir nichts Geeignetes einfiel, schwieg ich. "Alzo durch Wände gehen kann zchon einmal nicht ztimmen. Wenn du daz könntezt, könntezt du beztimmt auch durch andere Dinge gehen. Und wenn du dieze Fähigkeit hättezt du nicht dieze Kopfzchmerzen!" Das Geschöpf verzog das lippenlose Maul, so dass ich einen weiteren Blick auf sein gewaltiges Gebiss werfen konnte. Der Anblick war wirklich furchteinflößend und so dauerte es einige Zeit bis ich erkannte, dass diese Grimasse ein Lächeln darstellen sollte. Ein Kriechtier das mich beleidigte und sich über mich lustig machte... Falls ich noch einmal die Gelegenheit haben sollte bei klarem Verstand zu sein, mußte ich unbedingt ein Buch schreiben. Die Verkaufszahlen wären sicher enorm. Abgesehen davon war ich sicherlich ein interessanter Fall für die Psychologen. Wahnvorstellungen wie ich sie zur Zeit hatte waren mit Sicherheit einzigartig. Ob man wohl als Versuchskannichen Geld bekam? Während ich über meine Zukunftsaussichten nachdachte schlurfte die Echse ein paar Schritte näher an mich heran. Dann blieb es wieder stehen und legte den Kopf auf die andere Seite. "Hazt du die Zprache verloren?" "Was?" Ich blinzelte das Wesen verwirrt an. "Ach so. Du wolltest wissen, wie ich in die... was war es doch gleich?" "Eine meiner Höhlen. Ungefähr zechshundert Zchritte in Richtung Ozten." "Gut. Also deine Höhle. Trotzdem habe ich keine Ahnung wie ich da hinein gekommen bin." "Wirklich nicht?" Mein Gegenüber senkte den Kopf auf die Brust und blinzelte mich mit seinen rubinroten Augen traurig an: "Daz izt aber Zchade. Deine Erklärung wäre zicherlich luztig gewezen..." "Ja sicher," murmelte ich tonlos: "Aber wenn wir dieses Problem schon nicht lösen können, könntest du doch wenigstens meine Fragen beantworten, oder? Zum Beispiel würde ich sehr gerne erfahren, wer du überhaupt bist!" Die Kreatur hob so ruckartig den Kopf, dass die schwarzen Haare nur so flogen. Gleichzeitig wurden die roten Augen immer größer und der Schwanz peitschte heftiger durch die Luft. "Daz tut mir Leid! Wie unangenehm! Ich habe ganz vergezzen mich vorzuztellen: Mein Name izt Endroki." War das nun etwas männliches? Es klang fast so. "Endroki...Entschuldige, ich will nicht unhöflich klingen, doch was bist du?" Endroki legte den Kopf wieder auf die Seite. "Du kommzt wohl nicht oft rauz?" "Eigentlich doch, aber trotzdem habe ich jemanden wie dich noch nie gesehen." "Tatzächlich? Na ja. Ich bin jedenfallz ein Affronik." Ein peinliches Schweigen entstand. Doch dann räusperte sich Endroki und er stellte eine andere Frage: "Wo wir gerade dabei zind...Waz genau bizt du eigentlich?" Für einen Moment lang war ich sprachlos. In meinem Schädel mußte wirklich etwas reichlich durcheinander geraten sein. Jetzt erdachte ich mir schon einen winzigen Godzilla, der Menschen nicht fraß, ganz einfach aus dem Grund, weil er nicht einmal wußte was ein Mensch war. Trotzdem. Obwohl ich durcheinander war, sollte ich etwas erwidern. "Ich bin ein Mensch und mein Name ist Zoe." Endroki zischte überrascht. "Ein Menzch?!" Er schwieg einen Moment. "Zo zeht ihr alzo auz." "Soll das heißen, dass du wirklich noch nie einen Menschen gesehen hast?" "Nein. Bizher habe ich immer nur Gezchichten über euch gehört." Er legte den Kopf auf die andere Seite. "Allerdingz zeit ihr längzt nicht zo häzlich, wie ez in den Gezchichten immer heizt..." Jetzt war ich diejenige, deren Augen sich verwundert weiteten und abermals entstand eine Pause. Erst mein laut knurrender Magen durchbrach die Stille. "Du hazt wohl Hunger?" "Und wie!" "Gut. Dann hole ich dir etwaz zu ezzen. Waz hättezt du gerne?" Mißtrauisch schielte ich zu den Gläsern auf dem Schrank und ihren undefinierbaren Inhalt hinüber. "Was hast du denn da?" "Oh, eine ganze Menge. Alzo da hätte ich Zchlangeneier, Zchlangenfleizch, Mooz, Pilze, getrocknete Fledermauzflügel, Knollen, geräucherte Ratte, Molche, Fizche aus den unterirdizchen Flüzzen, Würmer und Käfer und - wie nennt ihr dieze kleinen grünen Tiere..." Er legte den Kopf auf die andere Seite und dachte angestrengt nach. Ich meinerseits war zwar nicht wirklich daran interessiert, welche Delikatesse diese Reihe fortsetzten konnte ( schon allein der Gedanke, dass es noch mehr widerliches Zeug gab, dass angeblich eßbar war, drehte mir den Magen um ), doch höflich wie ich manchmal sein konnte, versuchte ich ihm so gut wie möglich zu antworten. "Klein und grün, sagtest du..." "Ja, und ez zpringt..." Er schwieg einen Moment. Dann hellte sich sein Gesicht auf und er rief triumphierend: "Und ez quakt!" "Ein Frosch?!" würgte ich hervor. "Genau! Daz izt ez! Alzo willzt du daz?" "Nein!" Ich bemerkte selbst, das mein Antwort ein klein wenig entsetzt klang. Ein klein wenig wäre ein klein wenig untertrieben. "Waz dann?" Verzweifelt versuchte ich herauszufinden, welches der aufgezählten Nahrungsmittel mir nicht meinen Seelenfrieden und meinen Mageninhalt rauben würde. "Du hast Moos und Pilze?" Endroki nickte eifrig. "Gekochte Pilze. Eine Delikatezze. Bezonderz mir Mooz, daz in Wein eingelegt wurde..." Er verdrehte schwärmerisch die Augen. "Und wo hast du das Zeug her?" "Die Pilze wachzen in einer Höhle unter der Erde und daz Mooz an den feuchten Ufern der unterirdizchen Flüzze." "Einverstanden, aber das Moos ohne den Wein." "Kein Wein?!" Endroki klang ehrlich erstaunt. "Kein Wein," bestätigte ich. "Ihr Menzchen zeid zchon zeltzam. Wizt daz Bezte nicht zu zchätzen...Jetzt zag bloz noch, daz du noch nie Wein getrunken hazt!" Beinahe vorwurfsvoll blinzelte Endroki zu mir herüber. Empört verteidigte ich mich: "Probiert habe ich schon, aber mir schmeckt das Zeug nicht. Im Gegenteil. Ich weiß gar nicht, was die anderen daran finden!" "Wenn dieze anderen aber gerne trinken, bizt du die Ausnahme?" Ich nickte zustimmend. "Den grozen Mächten zei Dank. Und ich dachte zchon ihr Menzchen wäret hoffnungzloz verloren!...Zeltzam zeid ihr aber trotzdem!" "Danke für die Blumen..." erwiderte ich beleidigt. "Blumen? Wo?" Endroki stieß ein entsetztes helles Zischen aus und wandte ruckartig von einer Seite auf die andere, während er sich gehetzt umblickte. Schließlich drehte er sich sogar einmal um die eigene Achse, um den gesamten Raum erfassen zu können. Dabei pfiff sein Schwanz nur knapp an meinem Gesicht vorbei und wirbelte anschließend den Sand auf dem Boden auf. Das Ganze sah so komisch aus, dass ich nur schwer ein Lachen unterdrücken konnte. "Das ist nur eine Redensart. Es heißt so viel wie: Danke für das Kompliment." Mein Gegenüber zischte wieder. Dieses Mal klang es jedoch eindeutig erleichtert. "Ach zo. Ich hatte zchon Angzt hier unten wäre wirklich etwaz von diezem zchrecklichen Zeug." "Schrecklich?!" Überrascht sah ich ihn an: "Soll das heißen, dass du keine Blumen magst?" "Genau daz. Die meizten ztinken und zind zo bunt und leuchtend, daz mir die Augen weh tun. Auzerdem verabzcheue ich Grünzeug generell." "Du hast einen wirklichen seltsamen Geschmack! Aber das liegt wohl daran, dass du andauernd hier unten in deiner Höhle sitzt, oder?" Endroki richtete sich zu seiner vollen Größe auf, was zwar nicht wirklich groß, aber trotzdem sehr beeindruckend war. Seine roten Augen begannen zu funkeln, sein Schwanz zuckte unruhig hin und her und er verteidigte sich aufgebracht:. "Ich gehe auch oft an die Oberfläche. Daz kannzt du mir glauben! Zwar hauptzächlich nachtz, aber ich gehe an die Oberfläche!" "Das bestreite ich ja auch nicht," versuchte ich ihn hastig zu besänftigen: "Aber wenn du immer an der "Oberfläche" leben würdest, würdest du das anders sehen." "Daz bezweifle ich ztark." Ich seufzte. "Wenn du dich danach besser fühlst, nehme ich auch dieses Zeug mit Wein. Aber nur probieren. Mehr mache ich nicht." Endrokis Zähne blitzten auf, als er mich freudestrahlend angrinste. "Wird zofort erledigt." Munter machte er auf dem Absatz kehrt und machte sich an einer der Truhen zu schaffen. Kurz darauf hielt er einen großen Topf in der linken und einen Tonkrug in der rechten Klaue. Damit marschierte er quer durch den Raum zur Feuerstelle, wo er eilig ein kleines fröhlich prasselndes Feuer entzündete. Den Topf befestigte er an einem Haken über den Flammen, während er den Inhalt des Kruges hinein schüttete. Anschließend verließ er für einen kurzen Moment die Höhle, um bald darauf mit einem steinernen Bottich voller Wasser zurückzukehren, dass er ebenfalls in den Topf goß. Augenblicklich stieg eine kleine Dampfwolke zischend auf und verschwand irgendwo über der Feuerstelle. Als nächstes schien er sich um das Moos kümmern zu wollen, denn nachdem er abermals den Raum verlassen hatte und mit einem geflochtenen Korb zurückgekommen war, zog er aus einer Nische, die ich bisher noch nicht bemerkt hatte, eine lange Flasche hervor. Dann nahm er eine Schale aus der Truhe und füllte sie zur Hälfte mit dem Inhalt des Korbes. Dieser Inhalt bestand aus faserigen Pflanzenteilen von undefinierbarer Farbe, die Endroki mit dem Wein aus der Flasche übergoß. Daraufhin stellte er die gefüllte Schale auf den Boden, wo sie mehrere Minuten unberührt stehen blieb. Während dieser Zeit stand Endroki vor dem Kochtopf und rührte dessen Inhalt von Zeit zu Zeit um. Schließlich schöpfte er mit einer großen Kelle etwas aus dem Topf und legte es auf einen Teller aus Ton. Danach nahm er mit einer Art Gabel etwas von dem Moos und legte es neben die Pilze, bevor er den Teller freudestrahlend zu mir herüber balancierte. "Hier!" Fröhlich reichte er mir die Holzplatte: "Ezt ihr Menzchen mit den Fingern? Naja, auch wenn nicht, ez wird dir nichtz anderez übrig bleiben. Laz ez dir trotzdem zchmecken." Ich nickte zögernd und machte mich vorsichtig ans Essen. Entgegen all meinen Erwartungen schmeckte es sogar ausgezeichnet. Daher ließ ich mir auch mehrmals nachlegen und jedes Mal, wenn ich nach einem weiteren Nachschlag fragte wurde Endrokis Lächeln breiter und seine Augen strahlender. Der einzige Nachteil bestand darin, dass ich mich, als ich mich endlich satt zurücklehnte, leicht beschwipst fühlte. Außerdem hatte ich großen Durst. Diesen löschte ich mit einem Schluck eiskalten frischen Wassers, dass Endroki auf meine Bitte hin von außerhalb der Höhle holte. "Fühlzt du dich bezzer?" "Ja, danke," antwortete ich und gab den Becher, aus dem ich getrunken hatte zurück: "aber mir würde es besser gehen, wenn ich wüßte wo ich mich genau befinde." Endroki runzelte die Stirn, was bei seiner geschuppte Haut ziemlich lustig aussah. "Ich dachte daz hätten wir zchon geklärt. Du bizt in meiner Höhle!" "Das weiß ich, aber wo genau befindet sich die?" "Unter der Erde." Ich verdrehte die Augen und verkniff mir nur mit Mühe die Frage, ob er denn vielleicht schwer von Begriff wäre. So präzisierte ich meine Frage nur noch ein wenig weiter. "Ich meine in der Nähe von welcher Stadt oder auch in welchem Land?" Das war meiner Ansicht nach eine gute Frage. Wer weiß, möglicherweise behauptete mein echsenartiges Hirngespinst, dass ich mich auf dem Mars oder der Venus befinden würde. Allerdings wäre auch New York, Moskau oder Köln eine gute Antwort... "Daz weißt du wirklich nicht?" Ich hob den Blick und sah in Endrokis verwunderte kirschrote Augen. "Nein. Ich habe nicht die geringste Ahnung." "Du bizt wohl ziemlich hart auf den Kopf gefallen?" Ich atmete scharf ein. Langsam hatte ich genug davon, dass ich mich in meiner Phantasie selbst fertig machte. Endroki schien meine Empörung zu bemerken und daher beeilte er sich damit einzulenken: "Ez war nicht zo gemeint. Ich war bloz verwirrt." "Schon klar. Du mußt dich nicht entschuldigen." "Bizt du zicher?" "Absolut." "Gut. Du bist in meiner Höhle etwa neun Tagesmärsche entfernt von Trakani. Daz izt die grözte Ztadt auf Renahn, dem züdlichzten Kontinent von Coldah." Trakani... Renahn... Coldah... Meine Phantasie war wirklich rekordverdächtig. Das mußte ich zugeben. Besonders der Einfallsreichtum in Bezug auf die Namen war bemerkenswert. Jetzt befand ich mich sogar an einem Ort, den ich offensichtlich selbst erfunden hatte zusammen mit einem Wesen das ich selbst kreiert hatte. Der einzige Kritikpunkt der mir in den Sinn kam, war die Tatsache, dass mein Geist reichlich komplizierte Namen erdacht hatte. Traurig, aber wahr. Trotzdem sollte es nicht an diesen Nebensächlichkeiten liegen, dass ich mich hier nicht amüsierte. Aus diesem Grund wendete ich mich wieder Endroki zu. "Wirklich interessant. Ich glaube nicht, dass ich hier schon einmal gewesen bin." "Du bizt wirklich zeltzam!" Ich lachte leise auf. "Ist ja auch egal. Aber was ist mit mir. Ich meine mit meinen Beinen?" "Zie zind, zoweit ich daz beurteilen kann, beide verztaucht." "Verstaucht? Beide?" Na großartig. Das bedeutete also, dass ich die nächste Zeit lang das Bett hüten konnte. "Und was ist mit meinem Kopf?" "Da hazt du eine groze Platzwunde, aber die fängt bereitz an gut zu verheilen. Anszonzten hazt du am ganzen Körper mehrere Zchürfwunden und Prellungen. Nebenbei bemerkt, wie hazt du daz gemacht? Weißt du das auch nicht mehr? Oder bizt du einfach in einen Zandzturm geraten oder hazt du Ärger mit einen Zandwurm gehabt?" Schürfwunden und Prellungen. Großartig...Und ob ich es wohl wagen sollte zu fragen, was ein Sandwurm war? Kurz entschlossen kam ich zu Der Überzeugung, dass ich einfach weiterhin behaupten sollte mich ans nicht zu erinnern. Denn wie hätte ich Endroki einen Autounfall erklären sollen? Erstens würde er es sowieso nicht begreifen und zweitens paßte etwas so Banales wie ein Autounfall einfach nicht in dieses phantastische Szenario. Daher erwiderte ich hastig: "Es tut mit wirklich Leid, Endroki, aber ich kann mich wirklich an nichts erinnern...vielleicht fällt es mir irgendwann wieder ein!" Und dabei beließen wir es vorerst. Statt dessen bat ich Endroki mir mehr über seine "Welt" zu erzählen. Es würde sicher interessant sein herauszufinden, was ich mir noch alles ausdenken konnte. Also begann Endroki munter mit dem Schwanz schlagend zu erzählen: "Ez gibt inzgezamt vier Kontinente im Meer der Zeit. Biviahn im Wezten izt der grözte und fruchtbarzte von ihnen. Rehnahn liegt im Züden und bezteht nur auz Wüzte und ein paar Oazen. Im Norden liegt Mhetrat. Diezer Kontinent bezteht angeblich nur auz Eiz. Zwar weiß ich nicht, waz Eiz izt, aber ez heizt, daz meine Art dort nicht leben kann. Im Ozten befinden zich die vier Inzeln von Lyez. Auf Biviahn gibt ez zehr viele Menzchen. Allerdingz zind groze Flächen von Wald bedeckt und darin leben die D?heteran. Daz zind die Waldgeister. In den unzähligen Flüzzen lebt daz Volk der Wazzergeizter. Daz zind die Nyrohma. Auch im grozen Meer der Zeit gibt ez Wazzerwezen, doch daz zind die Nixen. Auf Renahn gibt ez auch ein paar Menzchen, doch hauptzächlich leben hier natürlich die Affronik, die Dedani und die Geconomi, alzo die Feuergeizter. Auf der Eizinzel leben logizcherweize die Eizfeen und die Kriztallnymphen und Menzchen gibt ez dort zo gut wie gar nicht. Auf den Inzeln von Lyez gibt ez auch wieder mehr Menzchen, aber vor allem die Nebel-, und die Windzänger. Auzerdem zollen dort auch Geizter oder zo etwaz ähnlichez durch die Gegend zchwirren." Nachdem ich diese Informationen erhalten hatte mußte ich mir eingestehen, dass ich einfach genial war. Allein die Artenvielfallt, die ich ersonnen hatte war atemberaubend. Aber in Bezug auf die Namen hatte ich wohl ein wenig übertrieben. Diese seltsamen Buchstabenkombinationen konnte ja niemand aussprechen! - Jedenfalls nicht, ohne einen Knoten in der Zunge davonzutragen. Allerdings war Endrokis Geschichte durchaus interessant. Nixen, Nymphen, Geister und Feen. Ich mußte wirklich viel zu viel Zeit mit Lesen verbracht haben... Doch es war wohl zu spät sich darüber Gedanken zu machen!? Statt dessen sollte ich von nun an lieber alles so akzeptieren, wie es war. Die nächsten zwei Wochen - eher ließ mich mein mich bewachender Gastgeber nicht aufstehen ? verbrachte ich damit zu schlafen, mich mit Endroki zu unterhalten und mich von ihm bekochen und bedienen zu lassen. Da Endrokis Speisekammer jedoch nicht viel enthielt, was ich als eßbar bezeichnen würde und mir überhaupt zutraute essen zu können ohne alles wieder auszuspucken, war mein Speiseplan stark eingeschränkt: Pilze, Moos, Knollen und ein wenig Fisch. Den Fisch strich ich allerdings in dem Augenblick wieder von meiner Speisekarte, als ich sah wie diese Tiere roh aussahen. Der Geschmack war zwar nicht schlecht, doch ich konnte es nicht mit mir selbst vereinbaren etwas zu essen, das zwar keine Augen, dafür aber gleich zwei Reihen von nadelspitzen Zähnen und ein paar Dinge besaß, die kein Fisch haben sollte. Außerdem hatte ich nicht einmal im entferntesten geahnt, wieviel Schleim ein so winziges Tier produzieren konnte. Eigentlich hatte ich das auch nie erfahren wollen. Des weiteren entdeckte ich, dass Endroki in einer seiner Truhen mehrere Bücher verwahrte. Bücher waren immer gut! Das Problem war nur, dass ich sie nicht lesen konnte, denn ich kannte nicht einen einzigen Buchstaben. Deshalb ? und um zu verhindern, dass ich vor Langeweile umkam, bat ich meinen Gastgeber darum mir diese Art der Schrift beizubringen. Von Endroki erfuhr ich, dass sich dieses Gekritzel "Affronik" nannte, was sowohl das Wort für die Schrift und die Sprache der Echsen, als auch die Bezeichnung für Endrokis Volk selbst war. In dem Fall war meine Phantasie also mal nicht sonderlich aktiv gewesen. Im nachhinein muß ich aber zugeben, dass ich mir diese Angelegenheit längst nicht so schwer vorgestellt hatte. Es bereitete mir große Mühe, die verschiedenen Symbole zu erlernen und ihre Bedeutung kennenzulernen. Die Aussprache war jedoch noch schwieriger, denn die einzelnen Wörter schienen nur aus den unterschiedlichsten Kombinationen der verschiedensten Zischlaute zu bestehen. Hier hatte ich wohl ein wenig übertrieben. Wenn ich mir das nächste mal eine Schrift oder eine Sprache ausdachte sollte ich mir etwas Einfacheres ausdenken. Zu allem Überfluß behauptete Endroki auch, dass ich beim Sprechen etwas tun würde, dass wohl mit dem menschlichen Lispeln vergleichbar war. Da ich aber nichts Besseres zu tun hatte und ich nicht aufstehen konnte, hielt ich eisern durch. Schließlich wurde ich von Tag zu Tag immer besser, so dass ich letztendlich in der Lage war eines der Bücher ganz zu lesen. Der Inhalt war zwar nicht sehr interessant ? ich habe noch nie viel für Kochrezepte übrig gehabt -, doch ich war sehr stolz auf meine Leistung. Lesen war immer noch der beste Zeitvertreib. Außerdem konnte ein wenig Bildung nicht schaden. Vielleicht würde ich irgendwann ein Rezept für Molchragout gebrauchen können. Trotzdem war ich erleichtert als Endroki mir eines Morgens mitteilte, dass ich wieder aufstehen dürfte. Das war jedoch wie so vieles in der Welt leichter gesagt als getan. Es begann damit, dass ich mich nicht einmal alleine aufrichten konnte. Vom langen Liegen war ich deutlich geschwächt. Darum ergriff mein neuer Freund mich an den Schultern und zog mich hoch. Es war erstaunlich, wieviel Kraft in seinem kleinen Körper und besonders in seinen kurzen Armen steckte. Vermutlich war das auch gut so, denn ohne seine Hilfe wäre ich der Länge nach nach vorne gefallen. Ich wusste zwar noch, dass sich meine Beine irgendwo unter mir befinden mußten, doch ich konnte sie kaum spüren. "Geht ez?" erkundigte sich Endroki. "Eher weniger. Laß uns trotzdem ein paar Schritte gehen. Vielleicht wird es dann besser." Endroki nickte und gemeinsam gingen wir langsam zur gegenüberliegenden Wand der Höhle. Besser und vor allem ehrlicher wäre es wohl, wenn ich sagen würde, dass er mich trug, während ich mich auf ihn stützte und zaghaft und unsicher einen Fuß vor den anderen setzte. Zusammen liefen wir mehrere Male durch die Höhle, doch ich konnte meine Beine immer noch nicht richtig spüren. Dafür wurde ich zusehends erschöpfter, als wäre ich mehrere Kilometer anstatt nur einige Meter gelaufen. Endroki bemerkte meine Müdigkeit und verordnete mir wieder Bettruhe. "Du zolltezt ez nicht übertreiben. Ruh dich erzt auz und morgen machen wir dann weiter. Einverztanden?" "Einverstanden. Aber morgen müssen wir unbedingt weiter machen. Sonst werde ich hier drinnen noch verrückt." Als ob ich das nicht schon längst wäre! "Dir izt wohl langweilig, wie?" "Das kannst du laut sagen," platzte ich heraus. Endroki lächelte und nickte daraufhin verständnisvoll. "Bekommst du eigentlich nie Besuch?" Von einem Moment auf den anderen wirkte er verlegen. Er druckste ein wenig herum, dann sagte er: "Naja, hin und wieder bekomme ich zchon Bezuch...Nicht viel, wir Affronik geniezen lieber allein die Ztille und die Dunkelheit in unzeren Höhlen. Nur an und zu, bei bezonderen Anläzzen gibt es groze Treffen....Wie gezagt, manchmal kommt auch hier jemand vorbei." "Dann ist ja gut! Ich dachte schon, du haust hier ganz einsam." "Hauzen? Ich hauze nicht! Ich wohne! Zo übel izt ez hier bei mir zchliezlich auch wieder nicht!" Er verzog eingeschnappt das Gesicht. Schnell sprach ich weiter: "Seit ich hier bin, habe ich aber noch niemanden gesehen." Endroki schien zusammen zu zucken. "Waz willzt du heute ezzen?" Ich blinzelte überrascht. Der plötzliche Themenwechsel.... Endroki verhielt sich nach dieser Frage jedoch vollkommen normal, plauderte fröhlich, während er kochte. Ich hatte mich wohl getäuscht. Kurz nach dem reichhaltigen Essen rollte ich mich auf meinen decke auf die Seite und schließ bald darauf ein Ich schlief bis zum nächsten Morgen durch und als ich die Augen aufschlug entdeckte ich, dass Endroki bereits auf den Beinen waren und geschäftig durch die Höhle eilte. In der Feuerstelle prasselte ein lustiges Feuer und aus dem Kessel über den Flammen stieg mir der Geruch von gekochten Knollen entgegen. Ich gähnte verschlafen, fuhr mir mit der linken Hand durch die wirren Haare und streckte mich genüßlich unter meinen Decken aus. "Guten Morgen." Endroki drehte sich um. "Oh. Du bizt wach. Hazt du gut gezchlafen?" Ich nickte und kuschelte mich noch einmal tiefer in mein Kissen. Es war einfach zu gemütlich. "Wenn du willzt kannzt du zchon ezzen. Oder auch erzt den Kopfverband abmachen." Ich zog überrascht die Augenbrauen hoch. Den Kopfverband hatte ich ganz vergessen, so sehr hatte ich mich schon daran gewöhnt. Trotzdem würde es gut sein, dass Ding endlich los zu werden. Mit ungeschickten Fingern tastete ich nach dem Ende der Bandage und entfernte schließlich den Stoff. Als ich damit fertig war tauschte ich den Verband mit dem Teller den mir Endroki reichte und begann sofort mir die weichen heißen Knollen in den Mund zu stopfen. Mit etwas Phantasie erinnerte das Gericht dem Geschmack nach an altes Brot. Ich war noch immer am Essen, als Endroki horchend den Kopf hoch. Er wirkte.....alarmiert. "Was ist?" "Ez kommt jemand." Er schien sich nicht zu freuen. Seltsam. "Wenn du nichzt dagegen hazt, gehe ich unserem Besuch entgegen..." Endroki war sichtlich nervös. Ich nickte nur. Eilig sprang er auf und hastete aus der Höhle. Verwirrt sah ich ihm nach. Hatte er so ungern Besuch? Oder lag es an etwas anderem? Ich fühlte mich nicht ganz wohl in meiner Haut. Angestrengt lauschte ich, ob sich jemand näherte oder etwas anderes zu hören war. Nichts. Nur das Prasseln der Flammen und ansonsten die Tiefe Stille, die immer hier unten in den Höhlen herrschte. Ich wartete. Und wartete. Nichts geschah Dann glaubte ich auf einmal leise Stimmen zu hören. Erst war ich mir nicht sicher, aber dann kamen sie näher und näher. Zwei Stimmen. Zwei Stimmen, die miteinander stritten, dem Tonfall nach zu schließen. Beide sprachen Affronik Eine der Stimmen gehörte eindeutig Endroki. Die andere Stimme war ein wenig heller und weicher, klang dafür aber sehr empört. Sie sprachen so schnell, dass ich kein Wort verstehen konnten. Und sie kamen immer näher. Was war nur los? Die beiden Affronik kamen näher und näher. Unter die Stimmen mischte sich nun auch das Tapsen von klauenbewehrten Füßen und das Schleifen der geschuppten Schwänze im Sand. Sie würden jeden Moment da sein. Unruhig sah ich dem dunklen Höhleneingang entgegen. Kurz darauf bemerkte ich leichte Bewegungen in der Dunkelheit, die das gezackte Loch in der Felswand ausfüllte. Endroki erschien in der dunklen Türöffnung, den Rücken mir zugewandt. Er hatte die kleinen Arme abwehrend erhoben und redete zornig auf jemanden ein. Wer auch immer es war: Er lief einfach weiter und drängte sich an Endroki vorbei, so dass er mit einem lauten Zischen herum fuhr. In der Höhle stand ein zweiter Affronik Rot glühende Augen, wie bei Endroki ein kleiner kräftiger Körper, funkelnde blaugrünen Schuppen. Zunächst fiel es mir schwer - abgesehen von der Kleidung ? überhaupt einen Unterschied zwischen Endroki und dem Neuankömmling auszumachen. Anstatt des Lendenschurzes trug er einen großen Fetzen Leder, der entfernt an ein Kleid erinnerte. Ein sehr kurzes und sehr zerlumptes Kleid. Dann erkannte ich, dass der Neue zierlicher und vor allem schlanker war als mein Gastgeber und die schwarzen Haare schimmerten ein wenig rötlich. Dazu die helle Stimme....Ein weiblicher Affronik! Noch während ich sie interessiert betrachtete bemerkte ich, dass sie mich aus weit aufgerissenen Augen entsetzt anstarrte. Wie erstarrt war sie knapp hinter dem Höhleneingang stehen geblieben und sah mich einfach nur an. Endroki stand etwas abseits, den Blick abgewandt. Was war hier nur los? Das allgemeine Schweigen dauerte länger und länger, bis ich es schließlich nicht mehr aushielt. Wenn keiner der Affronik anfing zu reden, würde eben ich es tun! "Guten Morgen!" Die Augen der weiblichen Affronik weiteten sich noch ein wenig mehr, dann wich sie einen Schritt zurück und schien gehen zu wollen. "Etctera....." Endroki sah seine Artgenossin flehend an. Dann redete er schnell und lange auf sie ein. Ich sah von einem zum anderen und wußte nicht weiter. Endlich drehte sich die Affronik wieder herum. Sie sah erst Endroki, dann mich an. "Du bzit alzo ein Menzch." Ich konnte nur nicken. "Endroki hat dich in einer zeiner Höhlen gefunden?" Wieder nickte ich. Sie dachte nach. Endroki stand daneben, sein Schwanz zuckte ruckartig über den Boden. Plötzlich wurde ihr Blick entschlossen und sie gab sich sichtlich einen Ruck: "Mein Name izt Etctera." Sie streckte mir ihre Klaue entgegen. "Ich heiße Zoe." antwortete ich und nahm ihre Hand. Ihre Augen musterten mich von oben bis unten: "Ez freut mich dich kennenzulernen." Das klang nicht unbedingt begeistert. Ihre Stimme wirkte eher abweisend und kalt. Plötzlich war ich froh, dass Endroki und nicht sie mich gefunden hatte. Doch ich zwang mich dazu mir nichts anmerken zu lassen. Das konnte ja heiter werden! Was hatte diese E...Et...Diese wie auch immer sie heißen mochte bloß? Ich unterdrückte mit Mühe einen tiefen Seufzer und entschloß mich dazu, dass Beste aus meiner Situation zu machen. Getreu nach dem Motto: Hinein ins Gefecht! "Wohnst du hier in der Nähe." "Ja, etwa zwei Ztunden entfernt von hier liegt meine Höhle." "Etctera izt meine nächzte Nachbarin." Fügte Endroki schnell hinzu. Nächste Nachbarin? Zwei Stunden? Wie groß waren diese Höhlen? Kein Wunder, dass ich bisher noch niemand anderen begegnet war! Ich öffnete wieder den Mund um sie noch etwas zu fragen, aber Endroki war schneller. "Etctera wohnt in einer grozen Höhle. Fazt doppelt zo groz wie meine. In der Nähe ihrer Wohnung befindet zich zogar ein unterirdizcher Zee, der von einem breiten Fluz gezpeizt wird." "Das klingt schön! Wenn ich wieder laufen kann, könnten wir sie ja vielleicht mal besuchen?" Was redete ich da? So lange laufen! Und dann noch zu einer Affronik, die offenbar etwas gegen mich hatte! Höhlenluft bekam mir offenbar nicht. Bei meiner Bemerkung wendete Etctera den Kopf und sah Endroki beinahe entsetzt an. Endroki schaute nervös von Etctera zu mir und wieder zurück. Etcteras Blich flog wieder zurück von mir. Sie seufzte leise. Und von einer Sekunde zur anderen lächelte sie! "Zicher. Zehr gern." Ihr Blick fiel auf die Kochbücher in meiner Nähe. "Hazt du zchon viel darin gelezen?" wollte sie wissen. "Es geht." "In dem blauen Buch auf Zeite Zweihundertzieben zteht ein köztlichez Rezept für Fledermäuze!" Fledermäuse... Was solls, dachte ich. Man hatte nicht jeden Tag Gelegenheit sich mit einer Eidechse übers Kochen zu unterhalten. Kochrezepte austauschen. Vermutlich wurde ich langsam alt... "Das Rezept auf der nächsten Seite klang auch recht...interessant." "Du interezzierzt dich fürz Kochen?" Etctera wirkte ehrlich überrascht. Sicherlich nicht verwunderlich, wenn man bedachte, dass soeben ein Mensch sein Interesse für ein Rezept bekundet hatte, in dem unter anderem für gebratene Käfer und eingelegte Würmer eine Rolle spielten. Aus einem mir unerklärlichem Grund schien sich Etctera sehr über diese Wendung des Gespräches zu freuen und es dauerte nicht lange, bis sie selbst einige Tips zur Zubereitung von allen nur denkbaren widerlichen Lebensmitteln gab. Während unsere Unterhaltung immer lebhafter wurde ? ich vertrat den Standpunkt das Fledermäuse in Essig einfach nicht genießbar sein konnte und Etctera versuchte mir daraufhin das Gegenteil zu verdeutlichen ? wirkte Endroki immer erleichterter. Nach einiger Zeit zeigte sich sogar ein schwaches Lächeln auf seinem schuppigen Gesicht und sein Schwanz begann zaghaft über den Boden zu wedeln. Auch ich mußte zugeben, dass Etctera mir von Minute zu Minute besser gefiel und ich vergaß ihr seltsames Verhalten zu Beginn. Ich war richtig enttäuscht, als sie sagte, dass sich nun gehen müßte. Einmal andere Gesellschaft zu haben war wunderbar! Um so fröhlicher war ich daher, als sie versprach am nächsten Tag noch einmal vorbei zu kommen. Endroki sah ihr nach und machte sich dann daran, dass Abendessen zu zubereiten. Die nächsten Tage verbrachte ich entweder mit Endroki und Etctera oder ganz allein. Letzteres kam allerdings häufiger vor, denn die beiden Affronik erklärten mir, dass es an der Zeit wäre größere Vorräte anzulegen. Obwohl die Langeweile in den einsamen Stunden geradezu unerträglich werden zu drohte, erkannte ich auch das Positive an den Ausflügen der beiden Echsen. Das lag daran, dass Endroki beinahe jeden Tag etwas Neues mitbrachte, das eine Bereicherung für meinen Speiseplan darstellte. Einmal waren es die saftigen Scheiben eines Kaktusses , ein anderes Mal eine gelbe süße Frucht und wieder ein anderes Mal einen wunderbar schmeckenden Vogel. Wenn ich aber mit Endroki und Etctera zusammen war übte ich mit ihrer Hilfe das Gehen und meine stetigen Fortschritte halfen mir dabei, mir die Zeit besser zu vertreiben. So konnte ich schon bald in der Höhle herumlaufen und kurz danach ließ sich Endroki dazu überreden mich mit einer Fackeln auch die näher gelegenen Höhlen und Stollen zu besuchen. Der Anblick, der sich mir dort bot war einfach atemberaubend. Einige der Stollen waren nahezu kreisrund und ihre Wände waren so glatt wie Eis. In anderen zeigten sich großartige Muster, die durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Gesteine entstanden. Da gab es alle Töne von Grau, Braun und Schwarz bis hin zu Rot, Gelb, Violett und einem hellen Orange. Trotzdem waren die Stollen ein Nichts im Vergleich zu den Höhlen. Diese besaßen teilweise Decken, die so hoch waren, dass ich sie schon nicht mehr erkennen konnte oder so weitläufig waren, dass man das gegenüberliegende Ende der Höhle nicht sehen konnte. Andere waren gespickt mit Stalaktiten und Stalagmiten, die manchmal doppelt so groß waren wie ich selbst und oftmals skurrile Muster bildeten. Durch einige dieser Höhlen floß ein dunkler, lustig gurgelnder Bach, dessen Rauschen von den Wänden zurückgeworfen wurde und dadurch beinahe wie Musik klang. In einer besonders großen Höhle lag ein riesiger schwarzer See, der düster in der Stille thronte. Jedes Mal, wenn das Licht meiner Fackel auf die Wasseroberfläche traf huschte ein geheimnisvolles Funkeln darüber. Das selbe Schauspiel ließ sich auch an einem Felsvorsprung am Seeufer bewundern. Oft verbrachte ich mehrere Minuten damit, die Fackel hin und her zu bewegen und das rote, grüne, blaue und weiße Glitzern zu beobachten. Noch interessanter wurde der Felsvorsprung jedoch, als mir Etctera erklärte, was diese Blitzen in der Wand verursachte. "Daz Leuchten kommt von ein paar beztimmten Zteinen im Felz. Zoweit ich weiz zeit ihr Menzchen ganz verrückt nach diezem Zeug, weil zie zehr zelten zind. Wir Affronik können damit normalerweize nichtz anfangen, doch manchmal kommen Händler hier vorbei und einer unzerer Boten tauzcht dieze Zteine dann gegen Holz, Stoffe und andere Gegenstände ein, die wir hier unten nicht finden können. Wenn ich mich richtig erinnere, bezeichnet deine Razze zie alz Edelzteine..." "Edelsteine?" rief ich verblüfft. Etctera nickte. "Ja. Die Weizen zind Zonnenzteine, die Roten nennt man Bluttropfen, die Blauen Himmelztränen und die Grünen Baumrozen." "Edelsteine...," murmelte ich nachdenklich: "Kein Wunder, dass es dort unten so glitzert!" "Ez zieht wunderzchön auz, oder? Aber du muzt mir verzprechen, daz du niemandem auf der Oberwelt erzählzt, daz du die Zteine hier gezehen hazt! Wenn die Menzchen davon erfahren werden zicherlich mehr von ihnen hier auftauchen....Und dann hätten wir lange Zeit keine Ruhe mehr in unzeren Höhlen." "Keine Sorge! Ich werde nichts verraten! Ich verspreche es!" Etctera lächelte schüchtern: "Hazt du etwaz dagegen, wenn ich dich einmal zu der Höhle begleite?" "Nein! Im Gegenteil!" strahlte ich: "Es würde mich riesig freuen, wenn du mir bei meinem Spaziergang Gesellschaft leisten würdest! Zu zweit macht es bestimmt viel mehr Spaß?" Etctera strahlte mich an und ich fühlte mich rundum zufrieden. Einige Tage später holte mich Etctera ab und gemeinsam machten wir uns auf den Weg zu der großen Höhle. Es wurde ein wunderbarer Spaziergang. Nachdem wir erst über Kochrezepte diskutiert hatten begann sie, mir von ihrer Familie zu erzählen. Sie beschrieb ihre Eltern, ihre acht Geschwister, die Höhle, in der sie aufgewachsen war und ihre eigene Höhle, auf die sie hörbar stolz war. Kurze Zeit später erreichten wir die Wand mit den Edelsteinen und zusammen bestaunten wir das geheimnisvolle Glitzern und Funkeln. Mit einer Fackel in der Klaue zeigte Etctera mir besonders schöne oder große Steine, die aus dem grauen Stein hervorragten und gemeinsam überlegten wir, welcher der Steine wohl der schönste wäre. Erst Stunden später machten wir uns angeregt plaudernd auf den Rückweg. An der letzten Weggabelung trennten wir uns und ich lief allein weiter zu Endrokis Höhle. Als ich dort eintraf, war Endroki gerade damit beschäftigt ein seltsames Pergament zu studieren. Ich löschte die Fackel und warf sie in einen Eimer voll Sand, während ich die Steine in meine Hosentasche stopfte. Bei meinem geräuschvollen Eintreten hob er ruckartig den Kopf und sah mich verwirrt an. "Ach, du bizt ez..." Er senkte den Kopf wieder über das Blatt und las weiter. Mir gefiel sein Verhalten nicht, denn bisher war er immer zuvorkommend und fröhlich gewesen. So zerstreut und ernst hatte ich ihn bisher noch nicht erlebt. "Ist etwas nicht in Ordnung?" Er hielt den Kopf weiterhin gesenkt und flüsterte beinahe unhörbar: "Ez izt nichtz. Nichtz Wichtigez." Ich wurde unruhig. Das Pergament wirkte nicht unwichtig. Eher das Gegenteil war der Fall. Blitzartig schoß mir ein besorgniserregender Gedanke durch den Kopf. "Hat es etwas mit mir zu tun?" fragte ich leise. Endrokis wandte sich plötzlich mir zu und starrte mich an. Allerdings waren seine Augen nicht rot, wie sonst, sonder dunkel, fast schwarz. Diese Farbe hatte ich bisher noch nie darin gesehen. Doch auch wenn mich dieser Farbton verunsicherte, wurde ich von dem Ausdruck in seinen Augen geradezu erschreckt. Sorge, Angst und Verwirrung. Vor allem Angst. Schlagartig lief mir ein eisiger Schauer über den Rücken. "Was ist passiert?" Ich bemerkte selbst, dass meine Stimme angespannt und unsicher klang, aber ich konnte nichts dagegen unternehmen. Als Endroki meinen Tonfall hörte, zuckte er zusammen und die Sorge, die aus seinen Augen sprach wurde schlagartig größer. "Spuck es schon aus. Ich kann es verkraften." Letzteres war eindeutig gelogen, aber Endroki schien das nicht zu bemerken. Statt dessen seufzte er ergeben, holte tief Luft und begann: "Ez izt zo: Normalerweize izt ez nicht erlaubt Wezen von der Oberwelt in unzere Höhlen zu bringen. Dabei izt ez gleichgültig, ob ez zich bei diezen Wezen um Menzchen, Feen oder zonzt etwaz handelt." "Das heißt also, dass ich eigentlich nicht hier unten sein sollte..." sagte ich unsicher. Endroki senkte die Augen, während sein Schwanz laut auf dem Boden aufschlug. Während er herumdruckste schloß ich aus seinem Benehmen, dass noch mehr hinter dieser Geschichte stecken mußte. Sehr viel mehr. Trotzdem wartete ich ab, denn ich war nicht unbedingt erpicht darauf, was dieses "mehr" beinhaltete. Schließlich hielt ich das Schweigen nicht länger aus und fragte: "Du hast mich also bei dir versteckt?" Er nickte verlegen. "Und jetzt haben sie herausgefunden, dass ich hier in den Höhlen bin und deshalb bekommst du Ärger." Ich deutete mit dem Kopf auf das Pergament in seinen Händen. Er nickte abermals und schloß die Augen. "Ich fürchte daz wir beide Ärger bekommen. Oder eher gezagt: wir drei..." Da ich gerade dabei war, mir eine passende Formulierung zurechtzulegen, die mein Mitleid mit ihm ausdrücken sollte, begriff ich zunächst nicht, was Endroki mir mit diesem Satz sagen wollte. "Wir drei?" fragte ich tonlos: "Wie meinst du das?" "Wie ich ez zage. Morgen zollen wir drei vor einer Abordnung von Mitgliedern meinez Volkez zprechen. Du, Etctera und ich." Ich ließ mich dort wo ich stand auf den Boden fallen. Vorsprechen? Vor einer Abordnung? Das klang wie in einem schlechten Film! "Was sollen wir dort?" "Zie werden dich fragen, wie du hierher gekommen bizt und von mir werden zie wizzen wollen, warum ich ihnen nicht von dir erzählt habe. Auch Etctera wird erklären müzzen, warum zie nichtz von deiner Anwezenheit hier unter erzählt hat. Auzerdem werden zie zich erkundigen waz du hier willzt. Dann werden zie ein Urteil fällen." "Urteil?" meine Stimme versagte. "Auf einen Verztoz gegen die Regeln meinez Volkez - bezonderz wenn ez zich um eine so wichtige Zache handelt - folgt die Verbannung... und du..." "Laß mich raten. Der Punkt, das ich mein Gedächtnis verloren habe wird ihnen nicht gefallen." "Nein, daz wird ez nicht. Zie werden dich wahrzcheinlich für einen Zpion halten, der die Informationen über unz für Geld verkaufen will. Wenn zie daz behaupten, bin ich dadurch automatizch ein Verräter." Ich berührte zögernd die Steine in meiner Tasche und ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. "Mit Informationen meinst du hauptsächlich die Edelsteine, oder?" Endroki stimmte mir bedauernd zu. "Ja. Zie werden dich für eine Gefahr für unzere Art betrachten. Wir wizzen alle, daz ihr Menzchen für wertvolle Dinge viel tun würdet." Das tat zwar nichts zur Sache, doch dies war anscheinend ein weit verbreitetes Vorurteil. "Was werden sie mit mir machen?" fragte ich. "Daz weiz ich nicht." Er meinte das ehrlich. Aber das trug nicht dazu bei meine Stimmung zu heben. Dann kam mir eine neue Idee. "Wenn du niemandem erzählt hast, dass ich hier bei dir wohne, woher wussten sie dann von mir?" "Ich weiz ez wirklich nicht. Wirklich nicht...Aber zie wizzen ez und nur daz izt im Moment von Bedeutung." Ich weiß nicht mehr genau, in welcher Reihenfolge sich die Ereignisse abspielten, die ich nun erzähle. Sicher ist, das Endroki und ich für eine unbestimmte Zeit schweigend und bewegungslos im Raum saßen. Irgendwann stand Endroki dann auf und verließ den Raum. Ich meinerseits setzte mich auf das primitive Bett, zog die Knie an und stützte das Gesicht in meine Hände. In meinem Kopf herrschte das reinste Chaos. Ich sorgte mich um Endroki und um mich selbst. Ich malte mir aus, was am nächsten Tag geschehen würde und ich dachte erfolglos darüber nach, wer uns entdeckt haben könnte. Ich war nervös und ängstlich und gleichzeitig machte ich mir Vorwürfe. Immerhin war alles meine Schuld. Wäre ich nicht hier aufgetaucht, wären meine beiden Freunde nie in Schwierigkeiten geraten. Aber jetzt....Ich wollte nicht, dass Endroki oder Etctera etwas geschah. Das durfte nicht geschehen! Ich kann nicht mehr mit Sicherheit sagen, wie lange ich bewegungslos auf dem Bett saß, nachdachte oder einfach nur vor mich hin starrte. Ich nahm erst wieder etwas von meiner Umwelt war als Endroki langsam in die Höhle trat. Einen Schritt von dem Eingang entfernt blieb er stehen und sah mich an. "Zie werden in wenigen Minuten hier zein..." Ich hob den Kopf und stand zögernd auf. Jeder einzelne Muskel in meinem Körper war verspannt und schmerzte und ich hatte höllische Kopfschmerzen. Der Raum drehte sich vor meinen Augen und mir wurde schlagartig übel. Sofort setzte ich mich wieder und preßte die Handflächen gegen meine Schläfen. "Willzt du etwaz trinken?" Seiner Stimme fehlte jegliche Betonung. Meine Kehle war trocken und mein Hals schmerzte, wenn ich schluckte. Ich erhob mich vorsichtig und holte mir selbst einen Becher Wasser. "Du zolltezt auch etwaz ezzen." "Nur, wenn du auch etwas ißt." Endroki schaute mich stumm an und blieb an seinem Platz stehen. Damit war auch diese Sache erledigt und wir warteten, ohne ein Wort zu sagen, auf die anderen Affronik. Das Geräusch ihrer Schritte war so laut, dass es mir nicht schwer fiel zu erraten, dass es ziemlich viele waren. Als das Fackellicht auf ihre geschuppten Leiber traf, erkannte ich mehr als acht Gestalten, die genau wie Endroki hauptsächlich in Leder gehüllt waren, doch ich bemerkte auch mehrere Brustpanzer sowie Arm- und Beinschienen aus Metall. In den Klauen hielten unsere Wächter lange Speere oder Lanzen mit langen, hölzernen Schäften, deren silberne, scharfe Spitzen im Licht blitzten. Einer von ihnen sagte etwas auf Affronik zu uns, was ich jedoch nur halb versehen konnte. Allerdings fiel es mir nicht schwer zu erraten, dass irgendwo in diesen Sätzen die Aufforderung zum Gehen enthalten war. Daher nickte ich zum Zeichen das ich verstanden hatte und machte einen zaghaften Schritt Richtung Ausgang. Einer der Wächter griff nach einer der an der Wand hängenden Fackeln und bedeutete mir ihm zu folgen. Langsam schritt ich hinter ihm aus der Höhle, hinter mir marschierte wieder einer der fremden Affronik und dann kam Endroki, der mit gesenktem Kopf vorwärts stolperte. Die letzten Affronik bildeten den Schluß doch im trüben Licht innerhalb des Stollens entdeckte ich weitere Echsen, die vor und auch neben uns her liefen. All diese Aufpasser sorgten dafür, dass ich mir vorkam als befände ich mich auf dem Weg zu meiner eigenen Hinrichtung. Ein unangenehmer Gedanke und deshalb schob ich ihn in den hintersten Winkels meines Verstandes. Statt dessen konzentrierte ich mich darauf einen Fuß vor den anderen zu setzen und unsere Wächter zu ignorieren. Letzteres fiel mir besonders schwer, denn ich konnte ihre mißbilligenden und teilweise auch verächtlichen Blicke auf mir ruhen spüren. Ein wirklich unangenehmes Gefühl... Die Felslandschaft begann sich vor meinen Augen zu drehen, so dass ich mich ernsthaft fragte, ob ich in einem Karussell sitzen würde. Bei dem Gedanken daran blieb ich abrupt stehen, preßte ich hastig eine Hand vor meinen Mund und konnte nur mühsam den in mir aufsteigenden Brechreiz unterdrücken. Als mein Magen endlich aufhörte zu rebellieren, stolperte ich mit schmerzendem Kopf und flauem Gefühl im Magen zwischen den Wachen weiter den Gang entlang. Wir liefen stundenlang durch endlos scheinende unterirdische Gänge, bis wir endlich eine große Halle erreichten von der unzählige weitere Gänge abzweigten. Die Höhle war nur schwach von wenigen Fackeln erhellt, doch in den Schatten bewegten sich unzählige andere Affronik und in der Luft hing ein ständiges Murmeln, hervorgerufen durch zahllose Stimmen, die zu Unmengen von weiteren Affronik gehörten, die den größten Teil der Höhle ausfüllten. Nur in der Mitte des Raumes befand sich ich ein großer freier Platz. Unsere Gruppe steuerte direkt darauf zu und die Affronik wichen vor uns zurück und bildeten so einen schmalen Gang, durch den wir laufen konnten. Als wir die Mitte des Raumes erreichten, entdeckte ich, dass in der Mitte des Platzes ein riesiger beinahe quadratischer Felsblock prangte, vor dem mehrere Holzbänke standen. Ich fühlte mich einfach furchtbar. Seufzend schloß ich die Augen und ließ mich dort wo ich gerade stand auf den Boden sinken. Alles was ich wollte, war von diesem Ort zu verschwinden. - Augenblicklich oder zumindest so bald wie möglich. Ein kalter Windstoß traf mich und ich begann zu frieren. Also zog ich meine Beine an und schlang meine Arme um sie. Trotzdem begann ich zu zittern. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob das nur an der Kälte oder einfach nur an meiner Angst lag. Neben mir plumpste etwas auf den Boden und ich sah ruckartig auf. Zu meiner Rechten kauerte Endroki, sein Kopf war auf seine Brust gesunken und seine roten Augen waren halb geschlossen. Ich bemerkte, dass sich seine Lippen lautlos bewegten, doch ich wollte lieber nicht wissen, was er vor sich hin murmelte, obwohl ich eine ungefähre Vorstellung von dem hatte, was die Echse bewegte. Um ihn und vor allem auch mich zu beschäftigen fragte ich flüsternd: "Wo um alles in der Welt sind wir hier gelandet ?" Endroki sah nicht einmal auf. Doch gerade als ich mich enttäuscht wieder abwenden wollte, murmelte er fast unhörbar: "In der Halle der Nacht. Hier werden die Ältezten über unz zu Gericht zitzen." "Das klingt nicht gut..." "Daz izt ez auch nicht", flüsterte Endroki: "Bei den Vorwürfen gegen unz, ztehen unzere Chancen ehrlich gezagt zchlecht. Zehr zchlecht." Ich zuckte zusammen: "So schlecht?" "Eher zchlechter." Ich seufzte leise und schloß wieder die Augen. Mehrere Minuten vergingen, es wurde kälter und kälter und mein Hintern begann zu schmerzen, da der Boden unbequem war. Aber ich wagte nicht mich zu bewegen, aus Angst die Aufmerksamkeit der Affronik mehr als nötig auf mich zu ziehen. Also saß ich einfach nur da. Ich weiß nicht wie lange. Erst das ansteigende Gemurmel der Affronik um uns herum und ein lauter Ruf rissen mich aus meiner Lethargie. Ich hob den Kopf und mein Blick fiel auf fünf Affronik, die in schreiend bunte, seltsame, fast zerfallene Gewänder gekleidet waren auf mich zu kamen. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich, dass zwei von ihnen weiblich waren, obwohl sie sich kaum von den anderen unterschieden. Alle fünf mußten sehr alt sein, denn sie hatten silbergraues, fast weißes Haar und sie stützten sich schwer auf kurze dicke Stöcke, während sie langsam vorwärts schlurften, die geschuppten Schwänze hinter sich her ziehend. Das also waren die Ältesten. Ich zuckte zusammen als mir eine der Wachen das stumpfe Ende seiner Waffe in die Seite stieß und mich auf die Beine zerrte. Dann schubste er mich in Richtung der hölzernen Bänke. Dort schleuderte er mich grob auf die erste Bank, die direkt vor dem Felsblock stand. Als ich gegen das steinharte Holz prallte keuchte ich vor Schmerz, woraufhin mir der Wächter wütend etwas zu zischte. Ich verstand ihn zwar nicht, aber die Bedeutung seiner Worte war eindeutig. Es war anscheinend besser für meine Gesundheit, wenn ich mich still verhielt. Also beobachtete ich stumm, wie die Ältesten sich im Schneckentempo ihren Weg zu dem großen Felsblock bahnten. Sie schlurften so langsam, dass ich regelrecht mit ansehen konnte, wie ihre spärliche Haarpracht immer länger und länger wurde. Vermutlich hätte ich zu jedem anderen Zeitpunkt lauthals Lachen müssen, aber damals...Na ja wahrscheinlich vergeht jedem das Lachen, wenn neben einem eine grimmige Echse mit einer spitzen Waffe steht... Als die fünf Affronik endlich ihr Ziel erreicht hatten, trugen hilfsbereite Wachen einen hohen Stuhl für jeden Ältesten heran und halfen ihnen dabei darauf Platz zu nehmen. Danach pochte der in der Mitte sitzende Affronik mit seinem Stab auf den Felsen vor ihm. Schlagartig wurde es still in der Halle der Nacht. "Die Verhantlung izztt eröffnett!", zischte er. Es war ein wirklich unangenehmer Laut, der mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ. Außerdem rebellierte mein Verstand als ich den Sprachfehler des Affronik bemerkte, der noch schlimmer war, als der von Endroki. "Zzint dazz die Angeklagtten?" "Jah, euer Exzzellenzz." Ich bemerkte das mich die Ältesten mit ihren kleinen blitzenden Augen musterten. Dann wanderte ihre Blicke weiter zu Endroki, der auf eine andere Holzbank gestoßen worden war. Neben ihm saß ein unbewaffneter Affronik und es dauerte einige Augenblicke, bis ich trotz des schlechten Lichtes Etctera erkannte. Sie kauerte weit vorn über gebeugt, ihr Haar war zerzaust und ich sah, dass sie weinte. "Wie lauttett die Anklage?" Als die Stimme des Ältesten erklang flog mein Kopf herum und meine Augen richteten sich wieder auf die Richter. "Verraht und Spionahge." Wie schon zuvor antwortete eine der Wachen auf die Fragen des Ältesten. "Wie izztt der Name dezz Menzchen?" Schweigen. Dann stieß mich mein Wächter schmerzhaft in die Seite. Ich keuchte übberrascht, was mir einen weiteren Schlag bescherte. "Mein Name ist Zoe..." Wieder ein Schlag und ich fügte hastig hinzu: "...euer Exzellenz." "Der Name der anderen Angeklagtten?" "Endroki, euer Exzellenz." "Etctera, euer Exzellenz." Die fünf Ältesten unterhielten sich murmelnd. "Welche Beweize liegen vor?" "Wir hahben Zzeugen, euer Exzzellenzz. Zzie wollen auzzahgen, dahzz der bezchuldigte Affronik den Menzzchen verzzteckte und die bezzchuldigte Affronik ihn unterzztützzte. Ahuzzerdem können wir beweizen, dahzz zich der Menzzch in den Höhlen ahufhielt." Daraufhin traten einige Wachen vor die Ältesten. In ihren Händen hielten sie mehrere Gegenstände aus Endrokis Höhle. Diese breiteten sie fein säuberlich auf dem Boden vor dem Stein aus. Anschließend erschienen weitere Affronik, die beinahe so wie Endroki gekleidet waren. Mit gesenkten Kopf gingen sie langsam zu den Ältesten und redeten leise auf sie ein. Erst nach wenigen Minuten hob der Affronik in der Mitte die linke Klaue und schickte sie fort. Dann begannen die Ältesten wieder untereinander zu flüstern. Die Zeit schien nicht vergehen zu wollen. Doch schließlich wurde auch Endroki, Etctera und ich selbst nach vorne gezerrt. Mit wackeligen Knien stand ich vor dem Stein und starrte nervös hinauf zu den Köpfen der Affronik, deren Augen mich abschätzend musterten. "Haztt tu noch ettwaz zu deiner Verteitigung zu zagen?" Sprachlos sah ich die Ältesten an. Noch etwas? Noch? Das bedeutete doch, dass sie schon längst entschieden hatten, was mit uns geschehen sollte! Bei dem Tonfall und Endrokis Einschätzung war klar, in welche Richtung die Entscheidung fiel. Meine Gedanken überschlugen sich. Was konnte ich noch vorbringen, um ihre Meinung zu ändern? Endlich kam mir gute Idee. Ich öffnete den Mund, doch bevor ich auch nur einen Ton hervorbringen konnte, sprach der Affronik in der Mitte: "Nun gutt. Wenn tu nichtt zprechen willzt, izt taz teine Zache. Taz erzpartt unz Zeitt unt wir können unz noch einmal über taz Urteil beratten. Führtt zie zurück." Damit wandte er sich seinen vier Begleitern zu und begann mit ihnen ein weiteres Mal in Affronik zu diskutieren. Ich meinerseits starrte abermals stumm hinauf und versuchte zu verstehen, was mir gerade widerfahren war. Aber dann stieß mir mein Wächter zum wer-weiß-wievielten-Mal seine Waffe in die Seite und scheuchte mich zurück zu meinem Platz auf der Bank. ________________________________________________________________________________ An dieser stelle mal ein großes DANKESCHÖN!!!!!! an alle, die meine Schreiberei lesen!!!!! Ich würde mich freuen, wenn ihr mir mal kommis schreibt, wie es euch gefällt! *liebguck* "Wir haben aufgrunt der Auzzagen ein Urteil gefälltt." Schlagartig wurde es still in der Halle der Nacht. Endroki und ich hoben nahezu gleichzeitig die Köpfe. "Ta unz jetoch nur tie Zeugenauzzagen vorliegen unt bizher nichttz konkrettez gezchehen izt, zind wir zu dem Zchluzz gekommen, Milte waltten zu lazzen." Ich atmete erleichtert auf. "Taher werten tie Angeklagtten für alle Zeitten auz unzeren Höhlen verbanntt. Um zicherzuzttellen, dazz zie unz nichtt verratten, zollen sie bei tem Buch von Ko zchwören, auf daz ihre Zunge bei tiezem Tthema auf immer gebunten izt." Zustimmende Rufe und lauter Beifall brandeten auf. Trotzdem hörte ich, wie Endroki neben mir erleichtert aufatmete und Etctera hob zum ersten Mal, seit wir die Halle der Nacht betreten hatten, den Kopf. Hoffnungsvoll sah ich sah zu ihnen hinüber. "Das klingt doch ganz gut?" "Daz izt ez auch. Ez izt daz Bezte, waz unz in diezer Zituation pazzieren konnte." antwortete Endroki leise. Etctera blickte mich an und lächelte schwach. Die Anspannung, unter der sie nach unserer Entdeckung gelitten hatten schien schlagartig von ihnen abgefallen zu sein. Sie wirkten eindeutig erleichtert. Da es ihnen besser zu gehen schien, wich auch in mir die Anspannung. Trotzdem gab es noch etwas, dass mich beschäftigte. Ich schwieg einen Moment und suchte nach den richtigen Worten. "...Mmh...es...es tut mir Leid, dass ihr...ihr...nicht mehr hierher zurückkommen könnt...Wirklich. Ich weiß, dass es meine Schuld ist, aber ich...ich...ich mache es wieder gut. Versprochen." Endroki winkte ab. "Du hazt keine Zchuld. Ez war meine freie Entzcheidung dich aufzunehmen und waz die Verbannung angeht...Jetzt habe ich wenigztenz Gelegenheit die Oberwelt zu erforzchen..." "Bist du sicher?" Endroki nickte. Etctera tat es ihm gleich und sagte zustimmend: "Ich werde ez beztimmt nicht bereuen dich kennen gelernt zu haben. Ich mag dich und meine Mutter hat mir, alz ich noch klein war immer gepredigt, dazz ich daz Bezte auz allem machen zoll, waz mir widerfährt. Und genau daz werden wir jetzt auch tun!" "Etctera hat Recht" Endroki nickte eifrig: "Immerhin zind wir zuzammen und wer weiz, waz ez auf der Oberwelt allez zu zehen gibt? Zolange wir den Blumen auz dem Weg gehen, wird ez zicherlich interezzant werden!!!" Ich konnte mir ein kleines Lächeln nicht verkneifen. So wie die beiden es ausdrückten schien tatsächlich alles gut zu werden. Es fiel ihnen bestimmt nicht so leicht ihre Heimat zu verlassen, wie sie es mich glauben machen wollten, aber ich war ihnen dankbar dafür, dass sie es mir nicht zeigten. Außerdem...nun bot sich mir tatsächlich die Gelegenheit mehr von Coldah zu sehen.....Und früher oder später würde sich sicherlich eine Gelegenheit ergeben, meine Schuld bei ihnen zu begleichen.... Meine Gedankengänge wurden schlagartig unterbrochen, als oben auf dem Felsblock einer der Ältesten die Klaue hob und es daraufhin ruhig in der Halle wurde. "Wir lazzen ten Verurtteiltten vier Zttunten Zeitt, allez Notwendige mitzunehmen, bevor zie zur Oberfläche geleitet werden. Toch nun: Taz Buch von Ko." Lautes Murmeln kam auf und die Affronik reckten die Hälse, um einen Blick auf den breit gebauten Affronik werfen zu können, der sich trotz seiner gewaltigen Muskeln damit abmühte ein riesiges altes Buch zu schleppen. Das Buch war in dunkles, halb zerfallenes Leder gehüllt in das kleine Edelsteine eingelassen waren. Es maß sicherlich ein mal anderthalb Meter und es war fast so dick, wie mein Unterarm lang war. Als der Träger das Buch an uns vorbei schleppte hoben die Wachen grüßend ihre Waffen und zischten laut. Dann wurde das Buch vor dem Felsblock auf den Boden gelegt und Endroki, Etctera und ich mußten vortreten. Die Wachen zerrten meine beiden Hände auf den Einband. Endroki und Etctera neben mir tat das Selbe, nur freiwillig. "Zprechtt mir nach: Zterak m'toh ilentazz kpaq z'zertt chaldicz tzyzy gerzaf'kj al tter zko." Verwirrt stotterte ich die seltsamen Buchstabenkombinationen nach und zerbrach mir dabei den Kopf, was sie wohl bedeuten sollten. Immerhin war ich bisher davon überzeugt gewesen Affronik relativ gut zu beherrschen, aber das... Als ich zu Ende gesprochen hatte, begann das Buch unter meinen Händen plötzlich blau zu glühen und von einer Sekunde zur anderen hatte ich aus mir unerklärlichen Gründen einen bitteren Geschmack im Mund. Ich verzog angewidert das Gesicht und spuckte aus. Glücklicherweise direkt neben das Buch, denn etwas anderes hätte den blauen Fleck an meiner Seite, den mir die Waffe meines Bewachers bereits beschert haben mußte, sicherlich noch vergrößert...Trotzdem erntete ich einige beleidigende Bemerkungen und selbst Endroki sah mich strafend an. Aber dann führten uns die Wachen zurück in die unterirdischen Gänge. Wieder dauerte es lange, bis wir unser Ziel erreichten. Kurz vor dem Stollen, der direkt zu Endrokis Höhle führte, trennten wir uns von Etctera, die von zwei Wachen zu ihrer eigenen Wohnung geführt wurde. In Endrokis Behausung angekommen, war ich vollkommen erschöpft und müde, doch während sich die Wächter an der Tür postierten und uns beobachteten machte Endroki sich eilig daran seine sieben Sachen zusammenzupacken. Obwohl meine sämtlichen Muskeln protestierten half ich ihm dabei das wichtigste wie Nahrungsmittel, Wasser und ein paar Kleidungsstücke zu möglichst leichten Bündeln in zwei Decken zu verschnüren. Als wir alles Nötige beisammen hatten wandten wir uns der Tür zu. Eine der Wachen sah auf: "Ihrr habtt noch Zeitt. Zchlaftt. Ihrr werrdett ez brrauchen." Ich warf Endroki einen kurzen Blick zu. Er nickte. Also legte ich das Bündel, das ich tragen sollte, auf dem Boden ab. Dann zog ich eine der Decken hervor, die wir nicht mitnehmen konnten und legte mich hin. Ich schlief sofort ein. Knapp zwei Stunden später wurde ich durch einen unsanften Fußtritt geweckt. Zunächst dachte ich daran, mich deshalb zu beschweren, aber dann bemerkte ich, dass die freundliche Wache umsichtigerweise in die Seite getreten hatte, an der ich noch keinen blauen Fleck hatte... Daher war das einzige, das ich von mir gab ein ergebenes Seufzen. Danach nahm ich mein Gepäck auf. Neben mir tat Endroki das selbe. Gemeinsam folgten wir den Wachen zum dritten Mal durch Dutzende von unterirdischen Gängen. Nach fast zwei Stunden erreichten wir eine große Höhle, deren hintere Seite schwach erleuchtet war, obwohl keine Fackeln zu sehen waren. Tageslicht! Nur mühsam unterdrückte ich einen Freudenschrei. Das erste Tageslicht nach mehr als - ich rechnete schnell nach - vier oder fünf Wochen. Unwillkürlich ging ich schneller. Dabei stieß ich gegen einen besonders klein geratenen Affronik, den ich einfach übersehen hatte. Durch die Wucht des Aufpralls knallte er auf den Boden und rutschte dort ein oder zwei Meter weiter, bevor er liegen blieb. Benommen schüttelte er den Kopf. Als sein Blick sich wieder geklärt hatte und sich seine Augen auf mich richteten verzerrte sich sein Gesicht vor Wut und er hob drohend die Faust, während er erregt auf mich einzischte. Unglücklicherweise verstand ich kaum etwas, denn Endroki war der Ansicht gewesen, dass Schimpfwörter nicht zum notwendigen Wortschatz gehören sollten. Aber das konnte mir ja jetzt egal sein. Ich war fast wieder an der Oberfläche! Bald konnte ich die Sonne wieder sehen und frische Luft einatmen! Endlich würde ich diese engen stickigen Höhlen verlassen können! Hastig entschuldigte ich mich bei der Echse und rannte weiter auf den hellen Fleck am anderen Ende der Höhle zu. Da ich noch immer müde und schwach war begann ich schon nach wenigen Schritten zu taumeln und zu stolpern, doch ich fing mich immer wieder und lief weiter. Der Lichtkreis wurde immer größer und größer und meine Augen begannen zu tränen, als das helle Sonnenlicht in meine Augen stach. Trotzdem rannte ich solange weiter bis ich schließlich den Boden vor mir nicht mehr erkennen konnte und vorsichtshalber stehen blieb. Blinzelnd starrte ich angestrengt nach vorn und atmete tief ein. Die Luft war warm, fast heiß und irgendwie staubig und trocken. Nicht der kleinste Windhauch war spürbar und es war sonderbar still. Ich konnte weder Tiere noch das Rauschen der Bäume hören. Verwirrt fragte ich mich, wo genau der Eingang zu den Höhlen der Affronik lag. Vielleicht befand ich mich ja mitten in einem riesigen Gebirge oder auf einer Insel oder... Hastig drehte ich mich zu meinen Begleitern um, doch da ich noch immer geblendet war erkannte ich nur undeutliche Schemen. "Wo genau sind wir hier eigentlich?" Eine der Wachen knurrte wütend und stieß mich vorwärts. Wild mit den Armen rudernd wankte ich in den Sonnenschein hinaus. Die Sonne brannte schlagartig mit einer solchen Wucht auf mich herab, dass ich mich fühlte, als ob mich glühende Pfeile treffen würden. Dieser Umstand war es auch, der mich dazu veranlaßte auf der Stelle stehen zu bleiben und mich benommen umzusehen. Zwar konnte ich nach wie vor kaum etwas erkennen, doch ich war mir ziemlich sicher, dass es sich bei der Landschaft, die sich vor mir ausbreitete um eine weite Ebene handeln mußte. Eine riesige Ebene auf der nicht der kleinste grüne Fleck zu entdecken war. Ein schrecklicher Verdacht stieg in mir auf, doch bevor ich etwas sagen konnte stieß mich eine geschuppte Klaue weiter vorwärts, woraufhin ich das Gleichgewicht verlor und vornüber kippte. In letzter Sekunde streckte ich die Arme aus und viel mit dem Oberkörper voran...in den Sand. Beinahe entsetzt richtete ich mich eilig wieder auf und schüttelte die Sandkörner aus Haaren und Kleidung, bevor ich mich mit wildem Blick umsah. Meine Stimme überschlug sich fast, als ich leise flüsterte: "Eine Wüste?! Ist das hier etwa eine Wüste?" Endroki und die anderen Affronik betrachteten mich schweigend. Dann trat eine schmalere Gestalt auf mich zu. Etctera. Auch sie sah mich stumm an. Doch schließlich sagte sie vorsichtig: "Natürlich izt daz hier eine Wüzte. Zchliezlich befinden wir unz in Rhenahn! Du muzt doch wizzen, daz Rhenahn der Wüztenkontinent izt....hazt du daz vergezzen?" In diesem Moment fiel mir auch wieder ein, was Endroki mir über diese Welt erzählt hatte: Renahn liegt im Süden und besteht nur aus Wüste und ein paar Oasen... Wie konnte ich das nur vergessen!?! Doch was nutzte mir dieses Wissen? Ich war seit langem wieder an der Erdoberfläche, doch statt durch ein nettes Tal mit Wäldern und kleinen Bächen spazieren zu können befand ich mich mitten in einer endlosen Wüste! Ich schüttelte heftig den Kopf, als könnte ich auf diese Weise vergessen, was mir nun höchstwahrscheinlich bevorstand. Statt dessen versuchte ich mich angestrengt daran zu erinnern, was ich noch über diesen Kontinent wusste. Endroki sagte etwas davon, dass es hier wenige Menschen geben würde... dafür aber...die...die...ach ja! Dedani - was immer das genau waren- und dann noch die Geconomi. Das Volk, dass Endroki Feuergeister genannt hatte. Feuergeister...Das klang nicht gerade vielversprechend... Allerdings war das eine Reise durch die Wüste auch nicht... Ich atmete einmal tief ein und verdrängte meine Angst entschlossen in den hintersten Winkel meines Geistes. Dann nahm ich all meine noch verbliebene Kraft zusammen und sagte mit einem schiefen Lächeln: "Also gut. Wenn wir schon hier einen Sonnenbrand riskieren, sollten wir lieber versuchen dabei einen angenehmeren Ort zu finden, oder?" Seit dem Tag, an dem wir die Höhlen der Affronik verlassen hatten, waren sechs Tage vergangen. Die Wachen hatten uns noch ein paar zusätzliche Vorräte gelassen und waren dann verschwunden, noch während sich meine Augen an das Licht gewöhnten. Als ich endlich klar sehen konnte, waren sie schon längst in den Höhlen verschwunden. Ich weiß noch, dass ich Endroki nach dem Weg zur nächsten Oase fragte, doch er zuckte nur mit den Schultern, nahm das Bündel mit den Vorräten auf den Rücken und stapfte schweigend los. Etctera schulterte ebenfalls ihr Bündel und deutete mir an ihr zu folgen, während sie sich bereits daran machte Endroki nach zu laufen. Sechs Tage lang stapften, stolperten und krochen wir durch den heißen Sand. Sand. Sand, Sand, Sand. Sand, überall Sand. Sechs Tage lang. Sand. Nichts als Sand. Sechs Tage lang sagte keiner von uns ein Wort. Wir liefen einfach nur. Schritt für Schritt, während die Sonne meine Haut verbrannte und Endrokis und Etcteras Schuppen langsam den Glanz nahm und stumpf werden ließ. Wir liefen und liefen und wenn wir zu müde wurden legten wir uns in den Schatten einer Düne, die ab und zu dem Blick etwas Abwechslung bot, würgten ein paar Bissen trockener Früchte hinunter und tranken gierig so viel Wasser, wie wir in stummer Vereinbarung für die tägliche Ration erklärt hatten. Dann schliefen wir einige Stunden lang unruhig im Sand, bevor wir uns mühsam weiter schleppten. Sand verkrustete meine Augen, meine Nase, meine Ohren, meine Lippen waren rissig und bluteten, während der Sand meine sonnenverbrannte Haut aufscheuerte, bis ich mich vor Schmerzen kaum noch bewegen konnte. Ich bemerkte kaum nach, das den beiden Affronik Schuppen abbrachen, während ihre kleinen, nur an die Dunkelheit gewöhnten Augen fast blind waren. Allerdings schienen sie sich mehr Sorgen um mich als um sich selbst zu machen, denn von Zeit zu Zeit schauten sie mich an und obwohl ich vollkommen erschöpft war bemerkte ich, dass sie mir mehr Wasser zugestanden als sich selbst... Sechs Tage. Sechs endlose Tage. Sechs Tage, in denen ich erkannte, wie die Hölle aussehen mußte. Sechs Tage in der Wüste, nur umgeben von Sand und unendlicher Stille. Sechs Tage, nach denen wir kaum nach Wasser und nichts Eßbares mehr hatten und von einer Oase weit und breit nichts zu sehen war. Meinem Gefühl nach, mußten wir schon hunderte von Kilometern zurückgelegt haben, doch da das Landschaftsbild immer gleich blieb, hatte ich keinen Beweis für meine Vermutung. Ich weiß nicht einmal genau, was mich dazu brachte immer weiter und weiter zu laufen und nicht einfach dort liegen zu bleiben, wo ich gerade stand. Vor allem war es wohl das Gefühl, dass ich Endroki und Etctera etwas schuldig war. Immerhin waren wir Freunde und schließlich befanden sie sich nur wegen mir in dieser Lage. Schon allein deshalb mußte ich einfach einen Weg finden, meinen Fehler wieder gut zu machen und dazu mußten wir nun einmal zuerst aus dieser Wüste herauskommen..... Schon bald war dies der einzige Gedanke zu dem ich noch fähig war, während ich mich mühsam Schritt für Schritt durch den unerträglichen heißen und blendenden Sand schleppte. Stunde um Stunde kreiste der Gedanke durch meinen Kopf und immer wenn ich mich hinlegte oder aufstand schob er sich noch intensiver in mein Bewußtsein. So war es auch am Abend des bereits mehrmals erwähnten sechsten Tages, als wir uns erschöpft auf unseren Decken in eine niedrige Sandmulde kauerten und hastig den letzten Rest Wasser aus unseren Schläuchen tranken. Dann schloß ich die Augen, legte den Kopf zurück und genoß das Gefühl der heranrückenden Nacht, wenn der Wind sich abkühlte und die Sonnenstrahlen an Intensität verloren. Doch so erschöpft wie ich war, konnte ich nur wenige Minuten lang dieses Gefühl genießen, bevor ich in einen tiefen traumlosen Schlaf fiel. Als ich erwachte war es bereits wieder warm, doch anstatt der allgegenwärtigen Stille hörte ich ein leises Knistern in der Luft. Minutenlang dachte ich über den möglichen Ursprung des Geräusches nach, bevor meinem abgestumpften Gehirn der Gedanke kam die Augen zu öffnen und nachzusehen. Also hob ich die verkrustetenAugenlieder und blickte in den Himmel. In den pechschwarzen, mit Sternen übersäten Nachthimmel. Aber wenn es Nacht war, woher kam dann diese ungewöhnliche Hitze? Normalerweise sollte es zu dieser Zeit sehr kalt sein...und dieses Knistern... Vorsichtig, um meinem geschundenen Körper nicht unnötige Schmerzen zuzufügen, richtete ich mich langsam auf. Dabei fiel mein Blick auf Endroki, der zusammengerollt neben mir lag und leise schnarchte. Einige Schritte weite lag Etctera, den Schwanz halb um sich selbst geschlungen. Ich ließ meinen Blick über die Landschaft vor mir gleiten, doch ich konnte nichts entdecken. Nur den hellen Sand, der im Licht des Mondes geheimnisvoll funkelte. Aber woher kam dann das Geräusch und warum war es so warm? Die einzige Möglichkeit die mir noch blieb, war mich umzudrehen und den sanften Hang der kleinen Sandmulde hinaufzuklettern. Genau das tat ich dann auch. Als mein Blick auf die Ebene hinter mir fiel schnappte ich überrascht nach Luft, bevor ich mir verwirrt die Frage stellte, ob Fata Morganas bei Nacht normal waren. Da das wohl eher nicht der Fall war, mußte das, was ich dort drüben sah zu den Besonderheiten von Coldah gehören: Knapp 100 Schritte von meinem Standort aus entfernt schwebten mehrere Dutzend Feuerkugeln über den Boden der Wüste. Ihre Körper glühten in den verschiedensten Rot-, gelb- und Orangetönen und trotz der Entfernung konnte ich deutlich die Flammen erkennen, die immer wieder von ihnen aus in den Nachthimmel züngelten. Das Sonderbarste an den Feuerbällen war jedoch die Tatsache, dass diese die Größe eines Fußballes hatten und in seltsamen Bahnen, knapp einen Meter über dem Boden durch die Luft flogen. Das seltsame Geräusch, dass mich geweckt hatte, eindeutig von ihnen aus. Aber jetzt wo dieses Problem geklärt war stand ich vor einem weiteren: Was sollte ich nun tun? Vielleicht wäre es das Beste Endroki zu wecken. Er wusste bestimmt was es mit diesen Feuerkugeln auf sich hatte. Also wandte ich mich langsam zu Endroki um und kroch auf ihn zu. Dann kniete ich mich neben ihn schüttelte ich ihn sacht an der Schulter. "Endroki! Aufwachen! Da ist etwas das du unbedingt sehen musst!" Ich wartete einen Moment, doch er rührte sich nicht. "Endroki!" Ich stieß ihn ein weiteres mal an, dieses Mal ein wenig heftiger. Die einzige Reaktion Endrokis darauf war ein lautes Schnaufen, danach drehte er sich leise murmelnd auf die andere Seite. "Na großartig..." murmelte ich. Dann krabbelte ich zurück an den Rand der Sandmulde und beobachtete wieder die flackernden Kugeln. Sie bewegten sich noch immer in einer unverständlichen Ordnung über den Boden. Ebensowenig wie zuvor konnte ich mir erklären, was sich dort vor mir abspielte und deshalb beobachtete ich nervös, aber auch neugierig die flammenden Bälle. Dabei fiel mir eine einzelne Kugel auf, die kleiner als die übrigen war und sich an dem regen Treiben der anderen nicht beteiligte. Statt dessen schwebte sie bewegungslos am Rand der Gruppe. Seltsamerweise erweckte sie den Eindruck als sei sie...gelangweilt. Gelangweilt... Ein seltsamer Begriff im Zusammenhang mit einem nicht identifizierbaren Feuerball, doch erschien er trotzdem irgendwie passend... Ich starrte minutenlang nachdenklich auf die Flammen und nach und nach blendeten mich die Feuerzungen, so dass ich bald kaum noch etwas erkennen konnte. Die zuckenden Lichter lenkten mich ab und so bemerkte ich zu spät, dass sich der kleine Feuerball vom Rand der Gruppe auf mich zu bewegte. Als ich es jedoch erkannte zuckte ich erschrocken zusammen und duckte mich tiefer in die Sandmulde. Hoffentlich war es nur ein Zufall, dass der Feuerball sich in meine Richtung bewegte! Alles andere würde bedeuten, dass dieses Ding mich bemerkt hatte und nun zu mir wollte... Ich warf einen zögernden Blick auf den Feuerball und entschloss mich dazu, dass die letzte Möglichkeit eventuell doch nicht so verrückt war. Denn zufällig oder nicht, der kleine Flammenball flog zielstrebig auf mich zu. Nervös blickte ich zu Endroki und Etctera hinüber, doch die beiden schliefen nach wie vor friedlich im Sand. Was sollte ich jetzt nur machen? Es blieb nur eine Möglichkeit. Ich musste diese verschlafenen Echsen aufwecken. Also kroch ich so schnell wie möglich zu den Affronik hinüber und schüttelte Endroki heftig. "Endroki! Du musst aufwachen! Da ist etwas und ich habe keine Ahnung was ich machen soll!... Los wach endlich auf, du verschlafene Missgeburt eines Salamanders!" Bei diesen Worten riss Endroki schlagartig die Augen auf und starrte mich verschlafen an. "Wie hazt du mich genannt? Du..." Hastig hielt ich ihm mit einer Hand das Maul zu und deutet hinter mich. "Du musst still sein. Da draußen sind ... sind...," verzweifelt suchte ich nach Worten, während sich Endrokis Blick langsam klärte. Ein Stück hinter ihm richtete sich Etctera halb auf und rieb sich müde die Augen: "Waz izt loz?" "Das weiß ich auch nicht, aber diese fliegenden Feuerbälle gefallen mir einfach nicht!" zischte ich und fuhr überrascht zusammen als Endroki sichtlich zusammenzuckte und mich aus weit geöffneten Augen anblickte. Dann packte er meinen Arm und krallte sich daran mit solcher Kraft fest, dass ich nur mühsam einen Schmerzschrei unterdrücken konnte. "Feuerbälle!?" flüsterte er. Seine Augen waren zu schmalen Schlitzen geworden, aus denen er mich anfunkelte. Ich nickte zögernd. "Wie viele?" "Ich weiß es nicht. Ich nehme an so ungefähr dreißig..." "Dreizig!" Endroki knurrte leise. Verwirrt fragte ich mich, was in ihn gefahren war. Von der Seite erklang ein leise Geräusch. Ich drehte den Kopf, und erkannte Etctera, die sich vorsichtig aufrappelte und mich aus großen Augen anstarrte. "Dreizig? Zo viele?" keuchte sie. "Ihr wißt, was das für Dinger sind?" Endroki schwieg einen Augenblick, dann nickte er: "Ja, aber ez wird dir nicht gefallen." "Das dachte ich mir schon," murmelte ich. Etctera stieß ein leises Zischen aus: "Daz izt jetzt auch nicht zo wichtig! Wir zollten lieber darüber nachdenken, waz wir nun machen!" Ich schaute Endroki fragend an. "Wir zollten von hier verzchwinden. Vielleicht könnten wir..." "Essen!!!!" Erschrocken wirbelte ich herum und sah zum Rand der Sandmulde auf, wo die kleine Feuerkugel, die auf mich zugeflogen war, dicht über dem Boden schwebte. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass auch Endroki und Etctera die Erscheinung anstarrten, doch während sie dies taten, öffneten und schlossen sich Endrokis Klauen unaufhörlich. Sein Schwanz zuckte über den Boden und wirbelte kleine Sandwolken auf. Er sah aus, als wollte er sich am liebsten sofort auf den Feuerball stürzen. Etctera dagegen stand einfach nur da, ohne sich zu bewegen. Sie wirkte fast, wie eine Statue, wie sie so da stand und aus weit aufgerissenen Augen zum Rand der Mulde hinauf starrte. Ihr Anblick trug selbstverständlich nicht dazu bei, meinen Mut zu steigern und deshalb wich ich vorsorglich zwei Schritte zurück. War es etwa die Feuerkugel gewesen, die gerade "Essen" gesagt hatte? Das war doch unmöglich! Andererseits war außer den Affronik und dem Flammenwesen niemand sonst zu sehen. Und wenn Godzillas kleine Verwandte reden konnten....Die Stimme konnte tatsächlich nur von dem fliegenden Etwas ausgegangen sein. Ich atmete einmal tief durch und öffnete den Mund um etwas zu sagen, aber die fremde Stimme kam mir zuvor: "Also was ist? Können wir nun etwas essen oder nicht?" Ich schluckte und holte noch einmal tief durch. Die Stimme war wirklich von dem Feuerball gekommen! Daran bestand kein Zweifel! Außerdem hatte ich mich schon an sprechende Eidechsen gewöhnt. Warum sollte das bei schwebenden und sprechenden Fackeln nicht der Fall sein? Allerdings blieb da immer noch das Verhalten der Affronik, dass mich zu dem Schluss kommen ließ, dass die Angelegenheit vermutlich nicht so einfach war, wie ich es mir wünschte... "Verzchwinde!" sagte Endroki tonlos: "Wir wollen nichtz mit deiner Zorte zu tun haben!" Der Feuerball schwebte ein wenig zur Seite, bis er sich auf gleicher Höhe mit Endroki befand. "Warum so wütend? Ich hab doch nichts getan!" Jetzt klang die fremde Stimme beinahe beleidigt. Endroki schnaubte wütend und trat drohend einen Schritt nach vorne. Der Feuerball gab ein traurig klingendes zischen von sich: "Ich habe doch nur gefragt, ob wir etwas essen können oder nicht!" Ich verstand nicht, warm Endroki so aufgebracht war. Was immer das da vor uns war, es schien doch sehr nett zu sein! Ich nahm all meinen Mut zusammen und fragte: "Was würdest du denn gerne Essen?" Der Feuerball stieß ein helles Zischen aus und für einen Moment leuchteten die Flammen aus denen sein Körper bestand in einem kräftigen orange. Zur selben Zeit flog das Wesen in die Mulde hinab und hielt knapp einen Meter von mir entfernt an. Dadurch kam ich zu dem zweifelhaften Vergnügen zu erkennen, dass die Kreatur eine Hitze ausstrahlte, die mir fast den Atem nahm. Dann bemerkte ich zwei dunkle schwarze Kreise zwischen den zuckenden Flammen, die im Gegensatz zum Rest des Körpers unverändert an ihrem Platz blieben. Und diese Kreise schienen mich direkt anzusehen. Augen! "Ich weiß auch noch nicht, aber uns fällt bestimmt etwas Gutes ein nicht?" unterbrach das Flammengeschöpf meine Gedanken und kam noch ein Stück näher. Eilig wich ich vor der enormen Hitze zurück. "Sicher, doch vielleicht sollte ich mich erst einmal vorstellen: Meine Name ist Zoe und das da hinter mir sind Etctera und Endroki." Endrokis Schwanz peitschte aufgebracht auf den sandigen Boden: "Du brauchzt nicht nett zu zein, Zoe! Ez zoll hier nur zo zchnell wie möglich verzchwinden, damit wir unzere Ruhe haben!" Der Feuerball beachtete ihn nicht einmal: "Sie sind Affronik. Das weiß ich. Und du bist ein Mensch, nicht? Ich habe zwar seit längerer seit keinen mehr gesehen, aber du bist doch einer, nicht?" "Ja, ich bin ein Mensch. Aber es tut mir Leid, doch ich habe keine Ahnung was du bist..." "Nicht?" "Zei froh, daz du zolche wie zie nicht kennzt! Zei froh!" zischte Endroki: "Zie machen nur Ärger! Nur Ärger!" Der Feuerball flammte urplötzlich in einem leuchtenden rot auf. Etctera schrie erschrocken auf, wich hastig zurück, stolperte und fiel in den Sand. Sofort eilte Endroki zu ihr hinüber und half ihr auf, während der Feuerball leise sagte: "Hat dir deine Mutter nicht gesagt, dass das ist unhöflich ist andere zu beleidigen?" Endroki ballte die Klaue zur Faust. Hätte Etctera ihn nicht mit einem ängstlichen Blick auf das Wesen an seinem Hemd festgehalten, hätte er sich vermutlich auf es gestürzt. Dem Feuerball schien das allerdings wenig auszumachen. Genauso schnell, wie die Flammen rot geworden waren, nahmen sie jetzt wieder ihre ursprüngliche Farbe an. Dann richteten sich die schwarzen Augen wieder auf mich: "Du weißt also nicht, was ich bin?" Ich schüttelte den Kopf: "Nein. So etwas wie dich habe ich in meinem ganzen Leben noch nie gesehen. Allerdings war ich noch nie in der Wüste." "Das erklärt natürlich alles." Bei diesen Worten flog das Wesen ein wenig weiter nach vorne und sagte: "Mein Name ist Sri und ich bin eine Geconomi." "Du bist weiblich?" fragte ich ehrlich erstaunt. Daraufhin begannen die Flammen, die knapp vor meinem Gesicht brannten, bedrohlich zu prasseln und ich konnte ein erschrockenes Keuchen nicht unterdrücken. "Was dachtest du denn was ich bin?! Man erkennt doch auf den ersten Blick, dass ich eine Sie bin, nicht?" "Wenn du es sagst," murmelte ich leise und beschloß, lieber das Thema zu wechseln. Nach einem kurzen Moment des Schweigens erinnerte ich mich daran, dass Endroki mir bereits von den Geconomi erzählt hatte. Damals hatte er dieses Rasse auch als Feuergeister bezeichnet und nun, wo ich eines dieser Exemplare vor mir hatte erkannte ich, dass dieser Name wirklich paßte. Ansonsten wußte ich nicht das Geringste über die Geconomi und obwohl ich vollkommen erschöpft und durstig war siegte meine Neugier. "Sind das da draußen in der Wüste Freunde von dir?" fragte ich und deute auf die weite Sandfläche, die uns umgab. "Freunde und Verwandte. Wir treffen uns hier jede Nacht. Klingt ziemlich langweilig, nicht?" Ich nickte verständnisvoll. Hoffte ich zumindest. "Deshalb bin ich auch hier. Ihr zwei schient mir interessanter zu sein. Das ist doch so, nicht?" "Das will ich zumindest hoffen." "Deine kleinen Freunde scheinen das nicht so zu sehen." Ich drehte mich zu Endroki und Etctera um und entdeckte, dass sie noch immer an der selben Stelle standen wie zuvor, nur mit dem Unterschied, dass Endroki nun leise und beruhigend auf seine Freundin einzureden schien, während er hin und wieder finster zu der Geconomi und mir hinüber sah. Zögernd trat ich ein wenig näher an die beiden heran. "Endroki! Was ist denn mit dir los? Du benimmst dich wie...wie..." Da mir kein geeigneter Vergleich in den Sinn kam brach ich verunsichert ab, doch Endroki würdigte mich nur eines empörten Blickes. Etctera schien nicht einmal zu blinzeln. Jetzt wußte ich wirklich nicht mehr, was ich tun sollte. Denn obwohl ich Sri erst seit wenigen Minuten kannte: Ich mochte sie und ich täuschte mich selten in den Menschen. Warum sollte das nicht auch bei Feuergeistern so sein? Und was das merkwürdige Verhalten der Affronik anging...Sie hatten sicherlich ihre Gründe...Da sie mir diese wahrscheinlich in der nächsten Zeit nicht selbst erklären würden wandte ich mich wieder Sri zu: "Ich weiß auch nicht genau was mit Endroki und Etctera los ist. Normalerweise benehmen sie sich nicht so seltsam." "Sie sind Affronik. Das erklärt doch alles, nicht?" "Was soll das heißen?" "Affronik sind nicht besonders klug, weißt du." Ich schaute schnell hinüber zu meinen Freunden. Endroki war mitten in der Bewegung erstarrt und ein hörbares Grollen erklang aus seiner Richtung. Vermutlich war es ganz gut, dass Etctera ihn noch immer festhielt... "Du magst die Affronik nicht, oder?" "Na ja, sagen wir einfach das die Affronik und die Geconomi sich nicht besonders gut verstehen. Das ist schon seit Jahrhunderten so. Immerhin kriechen sie die ganze Zeit unter der Erde in der Dunkelheit herum, wo sie in ihren feuchten Höhlen leben. Wir dagegen verabscheuen Dunkelheit und Feuchtigkeit. Außerdem bekommt meiner Rasse die schlechte Luft dort unten nicht und allein die Vorstellung unter der Erdoberfläche in diesen engen Höhlen zu hausen!" Sri schüttelte sich, wobei zahlreiche Funken aufstoben und ich meinen bisherigen Sicherheitsabstand hastig noch einmal vergrößerte: "Es ist wirklich schwer die Sache zu erklären. Deshalb ist es wohl besser, wenn wir das Gespräch über dieses Thema verschieben, nicht?" "Ist wahrscheinlich besser so." Ich konnte immer weniger verstehen, warum Etctera so große Angst zu haben und Endroki so wütend zu sein schien. Sri wurde mir von Minute zu Minute sympathischer. "Habt ihr etwas dagegen, wenn ich ein bißchen bei euch bleibe? Hier ist es sehr viel interessanter als bei meinen Leute!" Sri sah mich aus funkelnden kohlschwarzen Augen an. Doch noch bevor ich etwas erwidern konnte stieß Endroki mühsam hervor: "Hierbleiben? Eine Geconomi?" "Warum nicht?" versuchte ich ihn zu beschwichtigen: "Vielleicht weiß sie, wo wir Wasser finden?" Wasser...Wie gerne würde ich viel viel Wasser trinken.....Außerdem: Wer weiß? Vielleicht konnte uns die Geconomi einen Weg aus dieser verhassten Wüste zeigen?- Die Hoffnung, die Wüste endlich verlassen zu können, war das erste, was mich seit langer Zeit wieder fröhlich stimmte. Möglicherweise hätte ich sogar gelächelt, wenn die Haut in meinem verbrannten und sandverkrusteten Gesicht nicht so geschmerzt hätte. Ich entschloß mich dazu Sri sofort zu fragen. Das einzige Problem dabei war jedoch, dass ich ihre Antwort nicht mehr verstehen konnte, denn von einer Sekunde auf die andere wurde mir schwarz vor Augen, die Erschöpfung übermannte mich und ich fiel einfach um. Direkt in den weichen hellen Sand. Als Etctera sah, wie Zoe zusammenbrach konnte sie sich endlich dazu durchringen den Blick von der blutrot leuchtenden Gestalt der Geconomi mit dem wirklich dummen Namen zu lösen. Verstört kroch sie durch den tiefen Sand auf ihre Freundin zu. Neben Zoe kauernd konnte sie jedoch zu ihrer großen Erleichterung und Verblüffung feststellen, dass Zoe lediglich schlief. Sie schlief, tief und fest wie ein Stein. In diesem Moment tauchte Endroki in ihrem Blickfeld auf und schaute besorgt auf Zoe hinab. "Waz izt mit ihr?" Sie lächelte und stand langsam auf: "Zie izt einfach nur zu erzchöpft. Die letzten Tage waren wohl einfach zu viel für zie... Auzerdem muz zie vor Hunger und Durzt fazt umkommen..." "Ja sie sieht schon richtig mager aus, nicht?" Endroki nickte heftig: "Daz finde ich auch. Man kann beztimmt..." Entsetzt brach er ab, als er realisierte, dass er mit einem leibhaftigen Feuergeist sprach. Daher funkelte er Sri mißtrauisch an, während er sich insgeheim seinen Kopf zerbrach, um eine Möglichkeit zu finden Zoe von hier fortzuschaffen. Denn eines war ihm voll und ganz bewusst: Zoe, Etctera und er mussten so schnell wie möglich aus der Reichweite der Geconomi. Geconomi machen erfahrungsgemäß nur Ärger und den konnten sie wirklich nicht gebrauchen! "Du siehst mich an, als ob ich dich gleich fressen würde..." Sri gab ein belustigtes Prasseln von sich: "Aber du hast wirklich keinen Grund so aufgeregt zu sein." "Daz kann ja jeder zagen! Du bizt eine Geconomi! Daz izt zchlimm genug!" "Vielleicht. Aber längst nicht so schlimm, wie ein Affronik! Das kannst du mir glauben!" "Glauben? Einer Geconomi? Nie im Leben!" "Wirklich Schade, denn wenn meine Brüder und Schwestern wüssten, dass ich zwei Affronik und einen Menschen persönlich kenne..." Sie seufzte theatralisch - jedenfalls nahm Endroki an, dass das knallende Geräusch etwas derartiges darstellen sollte:"Sie wären sicherlich alle sehr neidisch... Aber deine Meinung lässt sich sicher nicht so schnell ändern, nicht?" "Auf keinen Fall!" fauchte Endroki, drehte sich abrupt um und warf anschließend einen kurzen prüfenden Blick auf Zoe. Dann fragte er widerwillig: "Du weizt nicht zufällig, wo ich etwaz Wazzer finden kann?" "Ungefähr zwei Meilen von hier entfernt gibt es eine kleine Oase. Wenn wir sofort aufbrechen, sind wir vor Sonnenaufgang dort." "Wir?" echote Etctera erschreckt. Sri flog aufgeregt auf der Stelle auf und ab: "Sicher! Das wird bestimmt interessant!" "Danke für die Auzkunft, doch ich kann mich nicht erinnern dich dazu aufgefordert zu haben Zoe, Etctera und mich zu begleiten!" knurrte Endroki. "Nicht?" "Nein. Ganz zicher nicht!" "Dann komme ich eben so mit. Das wirft zwar ein schlechtes Licht auf meine gute Erziehung, aber für ein wenig Spaß und Aufregung bin ich zu allem bereit. Ihr habt doch etwas Aufregendes vor, nicht?" "Ganz zicher nicht!" stieß Etctera hervor. Sris schwarze Augen blickten sie zweifelnd und ein wenig traurig an: "Es tut mir aufrichtig leid das zuzugeben, aber ehrlich gesagt nehme ich dir das nicht ab. Im Gegenteil. So wie ich die Sache sehe kann es nur amüsant werden, wenn zwei Affronik und ein Mensch gemeinsam unterwegs sind. Genaugenommen glaube ich sogar, dass allein der Grund für eure gemeinsame Reise höchst interessant sein wird..." Endroki knurrte unwillig und strich Zoe das schweißnasse Haar aus der Stirn: "Daz geht dich abzolut nichtz an. Alzo verzchwinde! Wir kommen auch alleine zurecht!" Sri begann unruhig hin und her zu schweben. Gleichzeitig wurden die Flammen, die ihren Körper bildeten eine Spur dunkler, so dass sie in intensiven Orange- und Rottönen züngelten. Einige Minuten verstrichen, in denen niemand sprach. Doch dann zischte Sri ihn leise an: "Du bist nicht sehr höflich. Meine Brüder und Schwestern würden jetzt vermutlich wirklich gehen, aber ich gebe nicht so schnell auf! Dazu amüsiere ich mich zu gern! Abgesehen davon: Hast du dir schon einmal überlegt wie du Zoe zum Wasser bringen willst ohne zu wissen, wo diue oase genau liegt? Oder willst du etwa einmal zur Oase hin und zurück laufen um ihr das Wasser zu bringen? Weder du noch deine Freundin würden den Weg finden!" Sri schüttelte sich und Dutzende von winzigen Funken stoben in den dunklen Nachthimmel: "Du weißt selbst, dass ihr das nicht könnt. Erst recht nicht in eurem jetzigen Zustand. Und wenn du logisch über das Problem nachdenkst musst du zugeben, dass ihr auf meine Hilfe angewiesen seid!" Endroki starrte die Geconomi zornig an. Vielleicht hatte sie ja wirklich recht. Sehr unwahrscheinlich, doch durchaus möglich. Zoe brauchte auf jeden Fall etwas zu trinken... Verdammter Feuergeist! Warum mussten sie auch ausgerechnet auf diese Geschöpfe stoßen? Endroki schüttelte energisch den Kopf und verbannte diese unnützen Überlegungen aus seinem Geist. Das hier und jetzt war wichtig. Zoe war wichtig und das Wasser ebenfalls. Er holte einmal tief Luft, warf einen letzten Blick auf das müde geschundene Gesicht seiner Freundin, sah wie Etctera zögernd, aber zustimmend nickte und blickte dann direkt in die kohlschwarzen Augen der Geconomi. "Du weizt nicht zufällig einen Weg, wie wir Zoe zuzammen zu der Oase oder dem Wazzerloch oder waz ez zonzt zein mag befördern können?" Kaum hatte er geendet, da verwandelte sich Sris flammender Körper von einem Moment zum anderen in einen grellen weiß-gelben Feuerball, in dem es bläulich flimmerte. Die Stille der Nacht wurde plötzlich von einem schrillen Kreischen und Knistern zerrissen und erst nach endlos langen Sekunden erkannte der überraschte Affronik, dass die Geconomi vor Freude begeistert lachte. Am nächsten Morgen hatte sich die Landschaft, die mich umgab so grundlegend verändert, dass ich im ersten Augenblick davon überzeugt war zu träumen: Anstelle der endlosen weißen Sandfläche, auf der sich in stetiger Bewegung immer neue Dünen und Täler formten, erstreckte sich vor mir ein kleiner See, in dem sich der strahlend blaue und wolkenlose Himmel spiegelte. Kleine Wellen schlugen leise auf den nassen Sand des Ufers. Entlang des Gewässers wuchsen zahlreiche schlanke Palmen, deren smaragdgrüne Kronen bewegungslos und geduldig der Hitze trotzen. Zwischen den Baumstämmen wucherten karge Büsche, einige bunte Blumen und langstielige Gräser durch die ich den Sand und die flimmernde Luft der Wüste sehen konnte. Einige Meter vor mir im Sand, die Klauen im Wasser kauerte Endroki und wusch sein Schuppenkleid, das noch immer ungewöhnlich stumpf, ausgetrocknet und fleckig wirkte. Direkt neben mir, im Schatten einer besonders großen Palme lag Etctera auf ihrer Decke und schlief. Etwas weiter entfernt schwebte Sris flackernde Gestalt über dem Boden und ihre dunklen Augen beobachteten Endroki fasziniert. Um ehrlich zu sein war ich sehr überrascht Sri hier zu sehen. Sie mußte sehr gut argumentiert haben, denn ich kannte Endroki inzwischen gut genug um zu wissen, dass er Sri nicht freiwillig mitgenommen hatte. Zu schade, dass ich ohnmächtig geworden war. - Das Gespräch zwischen den beiden wäre mir einiges wert gewesen... Vorsichtig stand ich auf. Die Sonne stach mir in die Augen, so dass ich blinzeln mußte, während ich mir mit ungelenken steifen Bewegungen den Sand aus den Haaren und der Kleidung schüttelte. Durch die Bewegungen konnte ich spüren, dass sich auch unter meinen Kleidern Hunderte von störenden Sandkörnern befanden und plötzlich sehnte ich mich nach einem ausgiebigen Bad. Außerdem schien ein Schluck Wasser sinnvoll, denn meine Zunge erinnerte mich an den pelzigen Rücken eines kleinen Tieres. Doch um ans Wasser zu gelangen mußte ich ein paar Schritte gehen und um meinen Körper dabei nicht zu sehr anzustrengen streckte ich erst einmal zögernd meine verspannten Muskeln. Ein stechender Schmerz nach dem anderen durchzuckte mich und ich keuchte vor Schmerzen auf. Das Geräusch war nicht sehr laut gewesen, doch Etctera wachte augenblicklich auf und auch Sri hörte es und beide drehten sich nahezu gleichzeitig zu mir um. "Guten Morgen, Zoe! Ich hoffe du hast gut geschlafen?" Sri schwebte fröhlich knisternd zu mir herüber: "Du hast doch sicher Hunger, nicht? Ich habe ein paar Bananen entdeckt. Endroki behauptet, dass sie dir schmecken würden, obwohl ich nicht verstehen kann wie er auf diese verrückte Idee kommt..." "Waz heizt hier verrückte Idee?!" unterbrach Endroki sie fauchend und warf Sri einen vernichtenden Blick zu, während er vom Seeufer zu uns herüber kam: "Wenn hier einer von unz verrückte Ideen hat, dann du! Nicht wahr, Zoe?" "Lasst mich gefälligst aus euren Streitereien heraus. Ich für meinen Teil nehme erst einen Schluck Wasser und dann ein oder zwei von euren Bananen. Danach sehen wir weiter." "Zoe hat recht." sagte Etctera leise und rappelte sich von ihrem Schlafplatz auf: "Ich werde lozgehen und ihr ein paar Bananen holen!" "Ich komme mit! Ich komme mit!" Fröhlich sauste Sri auf Etctera zu, die wenig begeistert wirkte. Zu meinem Erstaunen sagte sie jedoch nichts und verschwand Augenblicke später, gefolgt von der munter prasselnden Sri zwischen den Palmen. "Wir zollten zie zo zchnell wie möglich lozwerden! Wenn du mich fragzt kommen wir auch ohne zie gut zurecht!" Endroki stampfte wütend auf. Eine kleine Sandwolke flog auf. "Dann weißt du also wie wir aus der Wüste herauskommen?" Endroki druckste ein wenig herum bevor er schließlich zögernd den Kopf schüttelte. Da ich diese Antwort erwartet hatte, war ich nicht sonderlich überrascht. Statt dessen fragte ich mich was der Grund für Endrokis sichtbare Abneigung gegen Sri war. Sri wirkte so fröhlich und lebenslustig, dass ich mir nicht vorstellen konnte, wie man sie nicht mögen konnte. Lag es nur daran, dass sie eine Geconomi war und Licht und Wärme statt naßkalter Höhlen mochte? Früher oder später würde ich sicher erfahren, was die Ursache für die gegenseitige Abneigung oder sie würden erkennen, wie dumm ihr Verhalten war. Warten war zwar nie meine besondere Stärke gewesen, aber in der Zeit in Endrokis Höhle hatte sich das gründlich geändert. Ein leichter heißer Windhauch streifte meine bloße Haut und ich erinnerte mich an die wunderbare große Wasserfläche vor mir. Daher ging ich vorsichtig weiter auf den See zu, ließ mich auf die Knie sinken und ich konnte zum ersten Mal seit langer Zeit wieder mein Spiegelbild sehen. Mit einem resignierten Lächeln mußte ich zugeben, dass ich mich kaum noch wiedererkannte: Meine Haare waren viel länger, unter meinen Augen lagen tiefe Schatten, meine Haut war nur teilweise braun, ansonsten rot und verbrannt und löste sich an vielen Stellen, meine Lippen waren rissig und bildeten einen hellen verkrusteten Strich in meinem Gesicht. Ich sah schlicht und einfach furchtbar aus. Seufzend griff ich mit der linken Hand ins Wasser und zerstörte so mein Spiegelbild. Mit den Augen verfolgte ich, wie die kleinen Wellen sich langsam ausbreiteten, sich immer weiter von mir entfernten. Ich seufzte abermals. Mit einem müden Lächeln schöpfte ich mit den Händen etwas Wasser. Es war köstlich erfrischend und schmeckte einfach wundervoll. Deshalb nahm ich gleich darauf noch einen Schluck, dann noch einen und noch einen. Erst als Sri das versprochene Obst mit einem dumpfen Laut neben mir in den Sand fallen ließ wandte ich mich dem Essen zu und griff hungrig nach einer besonders lecker aussehenden Banane. Eine Stunde später taumelte ich benommen zwischen den Büschen hervor, unter denen ein aufmerksamer Beobachter noch den Inhalt meines Magens finden konnte. Ich hatte einen bitteren Geschmack im Mund und mir war noch immer ein wenig übel. Außerdem schwankte ich leicht während ich unsicher weiter auf die offene Sandfläche hinaus wankte. Ärgerlich wischte ich mir mit dem Handrücken über den Mund. Bedauerlicherweise hatte ich mich zu spät daran erinnert, dass ich schon mehrmals in meinen Büchern gelesen hatte, dass man nach langer Zeit ohne genug Wasser und Nahrung den eigenen Körper erst langsam wieder an diese Dinge gewöhnen mußte. Jetzt verfluchte ich mich innerlich für meine Dummheit und da ich gerade dabei war auch Endroki, weil er mich nicht auf meinen Fehler hingewiesen hatte. Aus diesem Grund richtete ich meinen Blick, der bis dahin fest auf den Boden vor meinen Füßen gerichtet war, auf meine Umgebung, um diese übergroße Eidechse zu suchen. Das Problem war nur, dass ich ihn nicht entdecken konnte. Ich sah nur Sri, die langsam an den Palmen vorbei schwebte und diese aufmerksam untersuchte und Etctera, die wieder vor sich hin döste. Dabei war ich fest davon überzeugt gewesen, dass Endroki noch irgendwo im Schatten eines Baumes saß und sich selbst an den Bananen bediente. Urplötzlich kam mir ein großartiger und überwältigender Gedanke und so nahm ich das spärliche Unterholz noch einmal genauer in Augenschein. Ein breites schadenfrohes Grinsen stahl sich auf mein Gesicht, als ich den Rücken des Affronik zwischen den Zweigen eines Dornenbusches erkannte. Auf wackligen Beinen ging ich zu ihm hinüber und kurz darauf konnte ich von ihm die gleichen Geräusche ausgehen hören, die ich selbst erst vor wenigen Minuten von mir gegeben hatte. Schließlich blieb ich ein Stück von Endroki entfernt stehen und wartete. Es dauerte nicht lange und sein wehleidiges Gesicht erschien in meinem Blickfeld. Er sah so mitleiderregend aus, das ich ungewollt anfing zu kichern. Empört blickte Endroki mich an: "Ez gibt keinen Grund zu lachen! Im Gegenteil! Ich habe zchliezlich auch nicht gelacht, alz du dein Ezzen wieder von dir gegeben hazt!" "Tut mir wirklich Leid Endroki: Aber du solltest dein Gesicht sehen!" Endrokis Gesichtsausdruck wurde schlagartig noch eine Spur finsterer. Noch immer leise lachend versuchte ich ihn zu beruhigen: "Es tut mir wirklich Leid, aber es tut einfach gut zu wissen, dass ich nicht die einzige bin, der es schlecht geht. Wie es bei uns so schön heißt: ;Geteiltes Leid ist halbes Leid!' " Endroki entspannte sich und lächelte zaghaft: "Wir zind zchon bedauernzwerte Gezchöpfe!" Ich nickte übertrieben um meine ungeteilte Zustimmung auszudrücken. Danach schaute ich mich suchend nach einem schattigen Plätzchen um, wo wir uns hinsetzen konnten. Bald darauf machten wir es uns unter einer großen Palme gemütlich und blickten träge auf die Oase hinaus. Während mein Blick gedankenverloren die Pflanzen, das Wasser, Sris rötliche Gestalt und die endlose Wüste im Hintergrund streifte, bemerkte ich, wie Etctera sich zu uns gesellte. "Ausgeschlafen?" fragte ich. Etctera schüttelte den Kopf: "Ez izt viel zu heiz hier! Zogar im Zchatten!" Ich sah hinauf zur Über alles versengende Sonne, die über der Landschaft brannte. Wie lange mochte es her sein, dass ich in einer dunklen Höhle tief unter der Erde gesessen hatte? Die Höhlen, die Gänge, der Gerichtsaal... Alles erschien mir im Nachhinein so unwirklich wie die Wanderung durch die Wüste. Aus den Augenwinkeln musterte ich verstohlen Endrokis erschöpften Körper. Er schien sich den Umständen entsprechend wohl zu fühlen, doch die Ähnlichkeit mit dem furchterregenden Geschöpf das mich zuerst zutiefst erschreckt hatte war stark gesunken...Ich unterbrach meine Gedankengänge um einmal herzhaft zu gähnen. Dann schloß ich schläfrig die Augen und rekelte mich gemütlich im Sand. Im Schatten zu liegen war so angenehm... Gerade als ich einschlafen wollte erklang ein lautes Bersten und Krachen und ich riß erschrocken die Augen auf: Am anderen Ufer des Sees war eine riesige Palme umgestürzt und die Wedel waren in Brand geraten. Grauer Rauch stieg in den Himmel und auch der Baumstumpf und das zerborstene Ende des Stammes qualmten und glühten unter der strahlenden Sonne. Der Grund für das Durcheinander war ganz offensichtlich die begeistert hin und her huschende Sri, die die gesamte Länge des gefallenen Baumes entlang eilte. Dabei berührte sie in regelmäßigen Abständen das Holz oder die Palmwedel, die augenblicklich Feuer fingen. Auf diese Weise setzte sie die ganze Palme in Brand bevor sie sich mit einer fließenden Bewegung mitten in die lodernden Flammen stellte. "Was zum Teufel macht sie da?" fragte ich Endroki verwirrt und blickte zu ihm hinüber. Er hatte noch immer die geschwollenen und verkrusteten Augen geschlossen und auf meine Frage hin hob er nur lässig das linke Lid, warf einen kurzen gelangweilten Blick auf die Szene und schloß das Auge wieder. "Zie izt." brummte er. "Essen?!" wiederholte ich entgeistert. "Zicher. Zie izt ein Feuergeist. Bei euch zagt man doch zicher auch manchmal, dass Feuer Holz verzehrt? Und daz tut zie nun. Im warzten Zinne dez Wortez." Verwundert schüttelte ich den Kopf. Aber warum auch nicht? Sobald Endroki und ich wieder etwas im Magen hatten wären wir wenigstens alle satt. Ich lächelte schwach bei diesem Gedanken, aber er bestätigte immerhin, dass es häufig nur darauf ankommt die Dinge von der positiven Seite zu sehen. Am Abend hatten wir uns alle am Ufer des Sees versammelt. Der schwarzblaue Nachthimmel war mit den ersten hell funkelnden Sternen gesprenkelt, nur der Mond war noch nicht aufgegangen. Die Sonne war schon lange untergegangen und die Luft hatte sich schon merklich abgekühlt, doch Sris Nähe vertrieb die Kälte und ihre gelb-orangenen Flammen warfen ein warmes Licht auf die nähere Umgebung. Ein leichter Wind wirbelte immer wieder Sandkörner auf, trieb sie dicht über den Boden gegen unsere Füße und Beine und ließ die Palmwedel und Büsche leise rascheln. Lange Zeit hatte keiner von uns gesprochen, doch dann wollte ich von der Geconomi wissen, wie wir am schnellsten die Wüste verlassen konnten. "Die Wüste verlassen? Ehrlich gesagt habe ich das noch nie getan, aber ich war schon mal am Rand, wo die Dünen in Felsen übergehen." Sri knisterte und flackerte nachdenklich. "Und wo genau ist das?" "Etwa vier Tagesreisen von hier im Norden. Vielleicht." Ich sah Endroki fragend an. Doch er zuckte nur ratlos mit den Schultern: "Ich bin bizher auch noch nie weit von zuhauze entfernt gewezen. Aber im Norden müzte Balida liegen." "Balida? Leben dort Menschen?" Mein Herz begann vor Aufregung schneller zu schlagen. Endlich wieder ein menschliches Gesicht...Das wäre wunderbar! Vielleicht ein warmes Bad und eine warme Mahlzeit...Saftiger Braten und Kartoffeln, Milch, Äpfel und Brot...Das Wasser lief mir im Mund zusammen, wenn ich an all die Köstlichkeiten dachte die ich schon seit so langer Zeit entbehren musste. Kein Moos und kein widerliches Getier mehr...Fast genauso sehr wie etwas wirklich Essbares vermisste ich auch die Gespräche. Normale Gespräche. Gespräche über neue Kleidung, Musik, Freunde, das Wetter und die letzten Neuigkeiten aus aller Welt... Normale Gespräche. Solche mit etwas ungewöhnlichen Leuten über nicht ganz gewöhnliche Themen hatte ich in letzter Zeit genug gehabt. Ich hätte alles dafür gegeben endlich wieder unter Menschen zu sein! "Daher wandte ich meine Aufmerksamkeit hastig wieder Endroki zu um seine Antworten zu hören. "In Balida leben meinez Wizzenz nach nur Menzchen. Vielleicht auch andere, aber die zind wohl eher zelten." "Tatsächlich?" meinte ich selig: "Das ist ja umwerfend! Können wir dorthin gehen?" Fragend sah ich meine drei Begleiter an: "Das wäre klasse! - Nichts gegen unterirdische Höhlen und sandige Wüsten, aber endlich mal wieder eine richtige Stadt mit richtigen Häusern! Das wäre wirklich toll." "Da ez der nächzte Ort hier in der Nähe zu zein zcheint, wäre ez wohl daz Bezte, wenn wir unzer Glück zuerzt dort verzuchen." meinte Etctera zögernd. "Was genau verstehst du unter ,Glück' und ,zunächst'? Ich meine, was machen wir, wenn wir in der Stadt angekommen sind? Hast du schon bestimmte Pläne?" Nachdenklich blickte ich Endroki an und zeichnete dabei mit den Fingern der rechten Hand versonnen verschiedene Muster in den feinen noch warmen Sand. "Ehrlich gezagt habe ich keine genauen Pläne. Ich dachte daran, daz wir erzt mal in die Ztadt laufen und unz dann nach neuen Zielen umzehen. Oder weizt du, waz wir alz nächztez tun könnten?" "Nein." Ich zuckte hilflos mit den Schultern: "Schließlich kenne ich mich hier erstens sowieso nicht aus und zweitens bin ich inzwischen für so gut wie alles offen." Endroki nickte langsam. Danach kehrte abermals Schweigen in unsere kleine Runde ein, bis Sri fragte: "Heißt das jetzt, dass wir nach Balida gehen oder nicht?" Sie drehte sich um ihre eigene Achse, um jeden von aus ihren kohlschwarzen Augen ansehen zu können. "Waz heizt hier ?wir'?" Endroki blickte die Geconomi finster an. "Natürlich! Glaubt nicht, dass ihr mich so schnell wieder los werdet! Ich bleibe bei euch! Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass ich mit euch viel Spaß haben werde! Das werden wir doch, nicht?" aufgeregt sauste sie in der Luft auf und ab, ihre Flammen züngelten hoch in den dunklen Nachthimmel. Endroki schnaubte verächtlich: "Und waz glaubzt du, willzt du in der Ztadt machen? Die Menzchen werden zicher nicht erfreut zein, eine lebende Feuerkugel in ihrer Nähe und in Reichweite ihrer Häuser zu wizzen!" "Zoe macht es doch auch nichts aus, dass ich hier bin, nicht?" Ihre runden schwarzen Augen blickten mich fragend an. Ich seufzte: "Weißt du Endroki....Ich meine...Wir können sie doch erst einmal mitnehmen, oder? Immerhin hat sie uns mit dem Wasser geholfen, da können wir ihr auch einen Gefallen tun!" "Du willzt wirklich eine Geconomi mitnehmen?" "Wir können ez zumindezt verzuchen, Endroki." sagte Etctera leise. Verwundert sah ich sie an. Auch Endroki wirkte leicht überrascht. "Seit wann bizt du jetzt auf ihrer Zeite?" Endroki legte den Kopf auf die Seite und betrachtete Etctera, als sehe er sie zum ersten mal. "Ich denke, daz ez zicherer izt, wenn unzere Gruppe grözer izt. Und eine Geconomi wirkt zicherlich ein wenig....abschreckend....auf alle....auf bestimmte Leute..."Etctera lächelte schwach: "Verzteh mich nicht falzch Zri, aber..." "Schon klar!" unterbrach Sri sie: "Ich weiß was du meinst! Hin und wieder verirren sich schließlich auch einige Reisende hier her...und wenn du ihre Gesichter bei unserem Anblick gesehen hättest....einfach wunderbar! Es macht so viel Spaß Leute zu erschrecken!" Endroki zischte leise und zuckte mit den Schultern, sein Schwanz peitschte einmal hart durch den Sand: "Macht doch, waz ihr wollt! Aber damit einz klar izt: Ich kümmere mich nicht um die Geconomi!" "Ich darf mit?" Sri blickte Endroki gespannt an. Endroki starrte einen Moment lang zurück. Dann grunzte er zustimmend, erhob sich und lief zu dem See hinüber. Etctera und ich lächelten einander fröhlich zu, während Sri vor Freude beinahe die nächste Palme in Brand steckte. Jetzt wo wir zu viert waren, würde die Reise durch Rhenahn sicherlich noch interessanter werden, als ich es mir vorgestellt hatte. Interessanter und brenzliger. Die Nacht und den nächsten Tag verbrachten wir in der Oase, ruhten uns aus, schliefen und pflückten Bananen. Auf einem der Bäume entdeckten wir zu meinem großen Erstaunen sogar einige Kokosnüsse und etwas kleines blaues, dass eßbar war und ziemlich gut schmeckte. Wir hatten uns gemeinsam dazu entschlossen, die Kühle der Nacht auszunutzen und vornehmlich Nachts zu reisen. Tagsüber wollten wir uns im Schutz der Dünen ausruhen und schlafen. Genauer gesagt planten nur die beiden Affronik und ich zu schlafen, denn Sri erklärte uns selbstzufrieden, dass Geconomi selten schliefen. Nach dieser Eröffnung starrte ich sie einige Zeit lang sprachlos an, während Endroki geringschätzig murmelte: "Zie hat wahrzcheinlich groze Angzt irgend etwaz Wichtigez zu verpazzen..." Kurz vor Sonnenuntergang füllten wir unsere Wasservorräte auf und machten uns anschließend wieder auf den Weg durch die Wüste. In einem Bündel aus unseren verschnürten Decken trug jeder - außer Sri, die im wahrsten Sinne des Wortes eine funkensprühende Persönlichkeit war - ein gutes Dutzend Bananen, Kokosnüsse, die blauen Früchte, die Wasserschläuche und die wenigen Habseligkeiten, die wir aus den Höhlen hatten mitnehmen können. Sri benötigte ihrer eigenen Aussage nach für die nächsten zwei Monate keine weitere Nahrung. Sicherlich lag das an der Tatsache, dass sie knapp 24 Stunden zuvor allein eine circa vier Meter hohe Palme verspeist hatte... Schon nach zwei Stunden Marsch erkannte ich, dass es auch in der Nacht alles andere als ein Vergnügen war durch die Wüste zu wandern. Der störende Sand, da mühsame Gehen auf dem weichen nachgiebigen Untergrund und das Gewicht unseres Proviants waren äußerst störend beim Laufen. Zum Glück war der Himmel klar, Sterne und Mond leuchteten auf uns herab und auch Sris Körper erhellte unseren Weg, der uns immer wieder aufs Neue die Dünen hinauf und hinunter führte. Es war eine eintönige Reise mit eintöniger Nahrung, eintöniger Landschaft und wenigen eintönigen Gesprächen, in die Sri durch Endrokis Zutun selten eingeschlossen wurde. Schon wenige Stunden nach unserem Aufbruch begann mein ganzer Körper wieder zu schmerzen und so sollte es während unserer ganzen Reise durch die Wüste bleiben. Insgeheim wunderte ich mich, dass ich noch nicht wie Sri einfach in Flammen aufgegangen war, denn meine krebsrote sonnenverbrannte Haut begann sich bereits zu lösen. An zahllosen Stellen blutete ich aus ebenso vielen Schürfwunden oder wundgescheuerten und zerkratzten Flecken. Auch meine Augen tränten und meine Füße waren bald mit Blasen übersät. Einzig und allein Sri schien die Reise und besonders die mörderische Hitze zu gefallen, ja, sie war sogar regelrecht begeistert, flitzte mal hierhin mal dorthin und war uns häufig ein gutes Stück voraus. Sie konnte scheinbar nicht verstehen, warum Endroki, Etctera und mir die Wüste so zusetzte. Wir konnten noch so oft erklären, dass wir solche Temperaturen nicht gewohnt und andere Tätigkeiten unter den Begriffen "lustig", "interessant", "aufregend" oder "amüsant" einstuften. Aber für die Geconomi schien die gesamte Welt voller lustiger, interessanter, aufregender und amüsanter Dinge zu sein. Endrokis Gemurmel nach zu Urteilen die hervorstechenste und lästigste Eigenart ihrer Rasse. Doch ich gewöhnte mich im Laufe der drei Tage bis zur nächsten Oase ebenso daran, wie an ihre Angewohnheit die viele Sätze mit einem fragenden "nicht" enden zu lassen. Es war genauso nett wie Endrokis oder Etcteras Sprachfehler. Am Ende des dritten Tages, kurz vor Sonnenuntergang erklommen wir erschöpft den Kamm einer großen Düne, als am Horizont die dunkle Silhouette einer kleinen Stadt auftauchte. Kleine, meist eingeschossige weiße oder beigefarbene Häuser mit flachen Dächern, an schnurgeraden sandigen Wegen aufgereiht. Balida. Die Stadt war wirklich nicht sehr groß, aber in der hereinbrechenden Dunkelheit wurden einige Fenster bereits durch den flackernden Schein von Kerzen, Laternen oder Fackeln einladend erleuchtet. Bei diesem Anblick stieß ich einen Freudenschrei aus und ließ mich erleichtert in den heißen Sand fallen: "Wir haben es geschafft! Wir haben es tatsächlich geschafft!" Endroki nickte nachdenklich: "Trotzdem zollten wir heute Nacht noch im Freien übernachten." Empört sah ich auf: "Du spinnst wohl! Ich will ein Bad, ein Bett und vorher noch was gutes zu essen und nicht wieder wie ein Kamel in diesem verdammten Sand herumlungern!" Der Affronik seufzte: "Erztenz zchaffen wir ez heute zowiezo nicht mehr biz Balida und zweitenz: Hazt du eigentlich daz Geld um deine Wünzche zu erfüllen?" Ich zuckte überrascht zusammen: "Soll das etwa heißen, dass wir pleite sind?" "Ich bin mir nicht zicher, waz diezez Wort bedeutet, aber deinen Tonfall und deinem Gezichtzauzdruck nach zu urteilen trifft ez den Nagel auf den Kopf." "Ein paar Münzen izt allez waz wir haben ? abgezehen von den Kleinigkeiten, die wir auz unzeren Höhlen mitnehmen konnten. In unzeren Höhlen gab ez nicht viele Gelegenheit an daz Geld der Menzchen zu gelangen. Warum auch? Wir brauchen ez ja nicht." Etctera sah mich mitfühlend an. Vor lauter Frustration knurrte ich wie ein wütender Hund: "Dann bleiben wir also heute nacht wirklich noch einmal hier draußen?" "Du hazt ez erfazt." Mit diesen Worten zerrte er seine Decke aus dem Bündel und machte es sich damit auf dem Boden bequem. Etctera tat es ihm schweigend nach. Sri dagegen schwebte ein kleines Stück weiter nach vorne, in Richtung Stadt. Da ich zu aufgeregt war, um mich schon hin zu legen oder sogar zu schlafen, stand ich auf und folgte ich. Neben ihr angekommen, setzte ich mich in den Sand und schaute zusammen mit ihr auf die Stadt hinab. "Hast du da unten gewohnt, Zoe?" Verwirrt hob ich den Kopf. Einen Moment lang sah ich Sri nur schweigend an, dann antwortete ich: "Nein. Das heißt ich glaube nein. Ich weiß nicht mehr, wo ich früher gewohnt habe. Ich hatte wohl so etwas wie einen Unfall. Ich erinnere mich nur noch daran, wie ich in Endrokis Höhle aufgewacht bin. Selbst wie ich dort hin gekommen bin habe ich vergessen." Sri musterte mich neugierig: "Du hast alles vergessen? Das finde ich interessant! Wenn du dich wieder erinnerst mußt du mir unbedingt alles von dir erzählen!" Damit drehte sie sich herum und flog zu den bereits fest schlafenden Affronik zurück. Allein im Wüstensand sitzend fragte ich mich zum ersten Mal, wie lange ich meine Freunde wohl noch belügen müßte. Aber warum störte mich der Gedanke an eine Lüge überhaupt? Etctera, Endroki und Sri existierten schließlich nur in meiner Phantasie, egal wie real sie mir erscheinen mochten. Oder hatte ich mich etwa getäuscht? Nachdenklich beobachtete ich die Silhouette Balidas. Was, wenn ich tatsächlich in einer anderen Welt war, wie die Helden in meinen vielen Büchern? Ein absolut verrückter Gedanke, doch das war noch kein Beweis dafür, dass ich nicht tatsächlich in einer fremden Welt gelandet war... Gab es überhaupt eine Möglichkeit herauszufinden, wie wirklich all das hier war? Sich in den Arm zu kneifen war zu einfach und mit den ganzen Verletzungen, die ich bereits hatte und die mir außer Schmerzen sonst nichts gebracht hatten, erschien es nicht sehr sinnvoll. Aber was dann? Ich zermarterte mir das Gehirn, fand aber keine Antwort... Erst lange, nach dem der Mond aufgegangen war legte ich mich auf meine Decke und schlief kurz darauf ein. Am nächsten Morgen weckte mich ein lautes Knistern neben meinem Ohr und ein seltsamer Geruch kitzelte mich in der Nase. Verschlafen blinzelte ich. Einmal, zweimal. Dann stieß ich ein erschrockenes Keuchen aus, sprang auf und trat wie wild auf meiner Decke herum, in dem verzweifelten Versuch die kleinen Flammen, die an dem Stoff leckten, zu löschen. "Ah! Du bist wach!" Sri tauchte fröhlich knisternd an meiner Seite auf. "Warst du das?" "Irgendwie mußte ich dich doch wach bekommen, nicht? Der Griesgram und Etctera sind der Meinung, dass wir so schnell wie möglich aufbrechen sollten." "Meinen sie das?" brummte ich, kniete nieder und begutachtete den Brandfleck auf meiner Decke. "Ja, das tun sie! Und ich will auch endlich los! Ich kann es gar nicht erwarten, die Stadt zu sehen! Das wird lustig werden, nicht?" "Wenn du das sagst." Mürrisch faltete ich die Decke zusammen und sah mich suchend nach den beiden Affronik um. Die beiden saßen ein Stück von Sri und mir entfernt und frühstückten. Die Decke unter dem Arm, ging ich zu ihnen hinüber, setzte mich und nahm mir die letzte Banane. Nach drei Tagen schmeckte mir das Obst zwar nicht mehr, aber es war besser als nichts. "Zri hat dir gezagt, daz wir bald aufbrechen wollen?" fragte Endroki. Ich nickte stumm. "Ich bin der Meinung, dazz wir in der Ztadt erzt einmal etwaz zu ezzen kaufen zollten. Und daz möglichzt billig." erklärte mir Etctera: "Danach...Endroki und ich haben noch Kleider zum wechzeln, aber wir müzzen unbedingt einen Zchneider finden, der dir für wenig Geld etwaz Neuez machen kann." Ich nickte wieder und sah auf meine halb zerfetzte Hose und die ausgeblichenen und sandigen Überreste meines Hemdes herab. Ein paar neue Klamotten waren dringend nötig! Wahrscheinlich war mein Auftreten mit den wenigen Fetzen Kleidung schon jetzt mehr als sittenwidrig... Ich schob mir das letzte Stück Banane in den Mund und stand auf: "In Ordnung. Meinetwegen können wir gehen!" Etctera und Endroki erhoben sich ebenfalls, wir suchten unsere Bündel zusammen und machten uns, gefolgt von Sri auf den Weg zur Stadt. Die Morgendämmerung hüllte die hellen und von Zentimeter hohen Sandschichten bedeckten kleinen Häuser Balidas in ein blendend weißes Licht, dass bereits die bevorstehenden Hitze ankündigte. Nur wenige Menschen waren zu dieser Zeit unterwegs und jeder, dem wir begegneten blieb stehen und schaute uns sprachlos hinterher. Ich fühlte mich alles andere als wohl in meiner Haut und als wir den Marktplatz erreichten wurde es noch schlimmer, denn dort herrschte trotz der frühen Stunde bereits reges Gedränge: An einem knappen Dutzend Marktständen, die sich an den Rändern des Marktplatzes zusammendrängten tummelten sich zahlreiche Menschen. Eingehüllt in bodenlange weite und helle Gewänder drängten sich die Männer und Frauen um die Auslagen, der unter ausladenden Planen verborgenen Stände. Stimmengewirr und eine atemberaubende Mischung der verschiedensten Gerüche erfüllte die Luft. Hin und wieder blitzten poliertes Metall, Spiegel , Schmuck und farbiges Glas im schwachen Sonnenlicht und bunte Stoffe, Früchte und allerlei Gebrauchsgegenstände zogen die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich, während ein leichter Wind den allgegenwärtigen Sand kräuselte und aufwirbelte. Die ganze Szenerie wirkte wie ein Bild aus "Tausendundeine Nacht" und wenn ich mich nicht so beobachtet gefühlt hätte, hätte ich den Anblick vielleicht sogar genossen.- Immerhin wäre das Bild, dass sich mir bot ein Muss für jeden pflichtbewussten Touristen mit einem Fotoapparat gewesen. So aber war ich in jenem Moment zu sehr damit beschäftigt die neugierigen und abschätzenden Blicke, die uns zugeworfen wurden zu ignorieren. Gefolgt von einer Schar neugieriger Kinder überquerten wir den belebten Platz und machten uns auf die Suche nach einem billigen Schneider. Nach einer guten halben Stunde entdeckten wir in einer kleinen Seitengasse einen Laden mit einem verwitterten Holzschild vor der Tür, auf das jemand lieblos eine große Schere und eine Nadel gepinselt hatte. Endroki, Etctera und ich traten durch die reichlich verkommen wirkende Eingangstür in den dahinterliegenden dämmrigen Innenraum. Sri hielt es für interessanter draußen zu warten und die Kinder, die uns noch uns gefolgt waren zu beobachten, während diese lebhaft flüsterten und mit den Fingern auf Sri zeigten. Als ich die riesigen Stoffballen entdeckte, die sich im Laden fast bis zur Decke stapelten hielt ich Sris Entscheidung für überaus sinnvoll. Gleichzeitig nahm ich die stickige stinkende Luft im Innern des Hauses war, die Grund genug für mich gewesen wäre, den Raum sofort wieder zu verlassen . Es kostete mich einige Überwindung an Ort und Stelle zu verharren. Auch Endroki verzog angeekelt das Gesicht und Etctera hielt sich hastig eine Klaue vor den Mund, als ihnen der Geruch von Mottenkugeln, Schimmel und kaltem Schweiß in die Nase stieg. Tapfer kämpfte ich gegen die aufsteigende Übelkeit an und dachte angestrengt an duftende Rosen. "Daz izt ja ein fürchterlicher Geztank!" Etctera schaute mich unglücklich an. Ich schnitt eine Grimasse, nickte und hielt Ausschau nach dem Eigentümer dieses Durcheinanders. Je eher wir ihn entdeckten desto eher konnten wir dieses stinkende Loch verlassen. Endroki dachte offenbar ähnlich, sah sich suchend um und rief: "Hallo? Hallo? Izt jemand hier? Wir würden gerne etwaz in Auftrag geben..." Aus dem hinteren Teil des Raumes erklang ein lautes Rumpeln. Gleich darauf löste sich die massige Gestalt eines kleinen Mannes aus den Schatten. Der Mann war unglaublich dick und in der warmen stickigen Luft des Geschäftsraumes lief ihm der Schweiß in Strömen über das Gesicht. Der rundliche, fast kahle Schädel hatte eine unvorteilhafte rote Farbe angenommen und das Gesicht mit den unruhig umher huschenden Augen hatte einen fettigen Glanz. Er trug ein weites schreiend buntes sackähnliches Gewand, das sich über seinem Bauch gefährlich spannte. In seinen überraschend schlanken und geschickt wirkenden Händen hielt er einen mit Nadeln gespickten Stoffstreifen und eine große Stoffschere. Als er die Affronik und mich bemerkte blieb er wie angewurzelt stehen und blinzelte uns aus weit geöffneten Augen an. Er konnte den Blick kaum von Endroki und Etctera lösen, leckte sich nervös über die Lippen und stotterte dann verwirrt: "Was...was...kann ich für...für die...die...Herrschaften tun?" "Meine Begleiterin benötigt dringend ein paar neue Kleider," erwiderte Endroki höflich und deute dabei auf mich. Mit einem schnellen Seitenblick auf die Kleidung des Mannes fügte ich sicherheitshalber hastig hinzu: "Eine Hose und ein Hemd, wenn das möglich ist. Ein möglichst einfacher Stoff, nicht zu teuer." Der Mann sah uns mißtrauisch an: "Sicher! Hemd und Hose, preigünstiger Stoff. Können die Herrschaften denn auch zahlen?" Endroki zog einen kleinen Lederbeutel hervor, in dem es leise klimperte. Daraufhin lächelte der Schneider schleimig, legte das Stück Stoff und die Schere beiseite und zog eine Art Meßband hervor. Trotzdem ließ er die beiden Affronik keinen Moment lang aus den Augen und beobachtete wachsam jede ihrer Bewegungen, während er mit dem Band um mich herum lief. Als er das Maßband wieder zusammengerollt hatte und zurück trat, deutete er mit einer Hand auf einen Stapel Stoffe zu seiner Linken: "Das sind die Stoffe, die den Herrschaften wohl am ehesten zusagen dürften...Wenn sie so freundlich wären, sich für einer der Stoffe zu entscheiden?" Seufzend unterzog ich die Stoffballen einer genaueren Betrachtung. Vieles davon hatte schon mehr oder weniger großer Löcher und fadenscheinige Stellen oder sah ganz einfach furchtbar aus. Schließlich entdeckte ich einen hellen Stoff, der einigermaßen akzeptabel aussah: "Was ist mit dem da?" Mit einer knappen Bewegung des Kopfes deutete ich auf den bewussten Ballen. Der Schneider folgte meiner Geste, nickte eifrig und wuselte herüber, um den Stoff zu holen. Ächzend und vor allem schwitzend schleppte er das Gewebe weiter nach hinten in den Laden. "Gute Wahl, meine Dame. Gute Wahl." Offensichtlich ganz in seinem Element vergaß er seine Nervosität und plapperte munter drauf los: "Gute Wahl, guter Stoff. Hält einiges aus. Habe selbst gute Erfahrungen... Außerdem angenehm zu tragen, sehr leicht, dass ist gut bei dem Wetter hier..." Die Lobrede wurde fortgesetzt und ich stöhnte innerlich auf. Der Kerl schien nicht daran zu denken, in der nächsten Zeit wieder mit dem Reden aufhören zu wollen...Um dem Ganzen schnell ein Ende zu setzen fragte ich: "Wie viel? Ich meine für diesen Stoff und ein einfaches ? das einfachste ? Hemd und eine Hose für mich?" Der Schneider zwinkerte verstört bei dieser Unterbrechung. Dann setzte er blitzschnell ein professionelles Sie-sind-der-beste-Kunde-den-ich-je-hatte-Lächeln auf und sagte: "Für alles? Sagen wir zehn Silberstücke, weil sie es sind. Und alles bis heute Abend bei Sonnenuntergang." "Biz heute Abend? Daz izt gut. Biz heute Abend und für zechz Zilberztücke." erwiderte Endroki ruhig. Der Schneider schluckte und rieb sich unsicher die Hände. "Sechs? Aber mein Herr, sie müssen verstehen! Die Arbeit..." "...izt auf keinen Fall zo gut, wie zie behaupten." antwortete Endroki selbstsicher. "Aber mein Herr..." Ich erkannte, dass die Verhandlung über den Preis wohl noch andauern würde und verließ eilig den Laden. Draußen warf mich die drückende Hitze beinahe zu Boden und die Sonne stach mir schmerzhaft in die Augen. Schützend hob ich einen Arm vor die Augen während ich Sri beobachtete, wie sie fröhlich zu uns schwebte. "Und?" zischte sie neugierig. "Endroki und der Schneider streiten sich gerade über den Preis." Sagte ich und sah mich nach einem Fleckchen Schatten um. "Streiten??? Oh! Das würde ich gerne sehen...." Sri flackerte betrübt: "Das ist sicherlich interessant!" Ich zuckte nichtssagend mit den Schultern und lehnte mich gegen die Wand des nächsten Hauses. Einige Minuten später traten auch Etctera und Endroki aus dem Laden. "Konntest du ihn überzeugen?" Endroki nickte: "Daz zchon. Die Frage izt nur, waz wir jetzt den Rezt dez Tagez tun zollen." Wir schwiegen einen Moment. Schließlich war es Sri, die vorschlug nochmals zum Markt zu gehen und etwas Essbares für den Abend zu besorgen. Nicht, dass sie Hunger hatte, aber es war anscheinend "lustig" uns beim essen zuzusehen... Ihr Vorschlag wurde einstimmig angenommen und wir setzten uns gemächlich in Bewegung. Auf dem Markt angekommen füllten wir unsere Wasserschläuche an einer kleinen Pumpe am Rand des Platzes und kauften ein in Papier eingewickeltes Pfund Trockenfleisch, ein weiteres Packet mit trockenem, aber haltbarem Brot und einen kleinen Beutel mit getrockneten Früchten. Anschließend besaßen wir kaum noch Geld. Trotzdem war es an der Zeit sich Gedanken darüber zu machen, wie wir aus dieser Wüstenstadt heraus kamen, denn hier bleiben wollte keiner von uns. Genauso wenig wollten wir zu Fuß weiterziehen. Dadurch wurde die uns verbleibende Auswahl stark eingeschränkt. ? Zumindest für die Affronik und mich. Sri beteuerte, dass sie mühelos mit einem Pferd Schritt halten könnte und da wir sie weder auf einen Pferderücken noch in einem Wagen setzen konnten mussten wir ihr notgedrungen glauben. Leider konnten wir uns weder Pferde noch einen Wagen leisten, ganz davon abgesehen, dass Endroki, Etctera und ich nicht reiten oder kutschieren konnten. Im Schatten eines halb verfallenen Hauses saßen wir im Straßenstaub und zerbrachen uns unsere Köpfe. Ohne Erfolg. Entnervt beschlossen wir eine Nacht lang über die Sache zu schlafen. Die Sonne, die noch immer glühend und erbarmungslos am hellblauen Himmel stand war inzwischen ein gutes Stück weiter gewandert, doch bis Sonnenuntergang und den damit verbundenen Besuch bei dem schmierigen Schneider blieben noch fast drei Stunden. Gelangweilt und schweigend schlenderten wir durch die heißen und dreckigen Gassen Balidas. Dabei fiel mein Blick zufällig auf ein großes Gebäude. Der Putz hatte einen sauberen hellen Gelbton und die Fensterrahmen und die breite Doppeltür schimmerten in einem leuchtenden Grün. Über der Tür hing ein hölzernes Schild auf dem blaue Wellenlinien und ein unförmiges unidentifizierbares Gebilde. Neugierig geworden blieb ich stehen. "Endroki? Was ist das da für ein Gebäude?" Der Affronik blieb stehen und drehte sich zu mir herum, wobei sein zuckender Schwanz beinahe eine junge Frau von den Füßen gerissen hätte. "Waz meinzt du, Zoe?" Ich zeigte mit dem Finger auf das Haus. Er drehte den Kopf auf seinem kurzen stämmigen Hals und musterte das Gebäude. "Ah! Ich glaube davon habe ich zchon mal gehört. Daz muz daz ztädtizche Badehauz zein." "Badehaus?!" echote ich begeistert, zupfte gedankenverloren an meiner verdreckten und zerfetzten Kleidung und betrachtete angewidert den Schmutz auf meiner geschundenen Haut. Die Frage nach meinem Geruch wagte ich gar nicht erst zu stellen. Mit dem umwerfensten Lächeln bewaffnet, dass ich zustande brachte sah ich ihn an: "Endroki....?" Endroki starrte mich einen Augenblick lang an, dann seufzte er schwer: "Meinetwegen. Du kannzt....." Mehr brauchte ich nicht zu hören. Mit zwei Kupfer bewaffnet, die ich Endroki regelrecht aus der Klaue gerissen habe, stapfte ich mit beschwingtem Schritte dem Gebäude entgegen. Nur wenig später folgten mir die beiden Affronik. Frohen Mutes betrat ich das Gebäude und musste feststellen, daß es von innen geräumiger war, als es von Außen den Anschein hatte: Es gab am Eingang eine Art kleinen Empfangsschalter, und dahinter erstreckte sich ein großes Becken, was mindestens zwanzig Schritt in der Länge und dreissig Schritt in der Breite maß. Dampf lag in der Luft und kündete mit seiner voller feucht-drückenden Luft den Wohlgenuss, nach dem ich mich schon so lange gesehnt hatte. An jeder Seite des Beckens gab es Stufen in das heisse Wasser hinein, dass nicht mehr als anderthalb Meter tief war. Hinter mir betraten die beiden Affronik den Raum. Im selben Augenblick erschien eine ältere Frau aus einem kleinen, hinter einem Vorhang verborgenen Nebenraum, und nahm hinter dem Schalter Aufstellung. Um so schnell wie möglich ins Wasser zu kommen, wollte ich sofort bezahlen, legte das Geld auf den Tisch um dann ins Becken gehen, doch die Frau schüttelte kurz den Kopf und sagte: "Fünf Kupfer bitte." Endroki hinter mir zuckte zusammen. "WAZ?" schrie er beinahe entsetzt: "Wucher! Daz izt eindeutig Wucher!" Die ältere Frau musterte den Affronik kurz und blieb vollkommen gelassen. "Mein Herr, Heizmaterial ist hier so teuer wie nirgends! Und das Wasser.....Die Wüste....Sie verstehen." Sie lächelte spöttisch. Ich gab mir alle Mühe und blickte Endroki so herzerweichend an wie nur möglich. "Jaja. Ich verztehe zchon. Alzo gut." Er seufzte resigniert und legte den restlichen Betrag dazu. Um es kurz zu machen: Der Besuch im Badehaus von Balida war herrlich! So viel Wasser! Ich saß wohl stundenlang hinter einem Vorhang in einem steinernen Becken mit warmen duftendem Wasser und ließ es mir einfach gut gehen. Außer uns war fast niemand im Badehaus und so drang kaum ein Laut von draußen hinter den Vorhang. Ich genoß die wunderbare Stille. Sauber und mit von einer Angestellten versorgten Wunden und sogar notdürftig gewaschenen Kleidern, traten wir kurz vor Sonnenuntergang wieder auf die Straße hinaus. Sri hatte wieder einmal gewartet. Orange rotes Licht ließ die Häuser rosa glühen, der Himmel war ein Meer aus Farben mit dem die Flammen der Geconomi um die Wetteleuchteten. Nun machten wir uns langsam zusammen auf den Weg zum Schneider. Nach einer kurzen Anprobe ( bei der wir erkennen mußten, dass der Mann tatsächlich etwas von seiner Arbeit verstand, denn sowohl Hemden als auch Hose waren äußerst bequem ) und der darauffolgenden Bezahlung marschierten wir wieder in die Stadt. Seit sich die Dunkelheit über die Stadt gesenkt hatte, war die Zahl der Passanten enorm angestiegen. Aus den Gaststätten des Ortes fiel schwaches Licht auf die Straßen und der Lärm von fröhlichen Gesprächen und klirrendem Geschirr erfüllte die Luft. Vor allem Sri fühlte sich von den Geräuschen angezogen. Aufgeregt hastete sie von Schenke ( von denen es im übrigen auffällig viele gab ) und blickte forschend durch die verstaubten Fensterscheiben ins Innere. Immer wieder gab sie halb begeisterte und halb flehende zischende Laute von sich. Endroki beobachtete ihr Benehmen einige Zeit lang mit einem deutlichen Ausdruck von Missfallen und Ungeduld auf dem grob geschnittenen grünen Schuppengesicht. Während ich ihn betrachtete wandte er den Kopf und erwiderte meinen Blick. Fragend hob ich eine Augenbraue. Er stieß einen leisen Seufzer aus: "Von mir auz. Lazt unz hineingehen." Bedauernd zog er die letzten Münzen aus einer seiner Taschen: "Viel können wir damit ohnehin nicht mehr anfangen ,"er schüttelte die Klaue, so dass die Münzen metallisch klimpernd aneinander stießen. Dann reichte er mir das Geld und fuhr fort: "Da können wir morgen genauzo gut noch einmal von vorne beginnen und unz heute auzruhen." Sri gab ein beglücktes Prasseln von sich und hüpfte begeistert um uns herum. Dabei bot sie einen reichlich seltsamen Anblick, denn da ihr rot flackernder Körper in der Luft schwebte schien es ihr keine Schwierigkeiten zu bereiten bis hoch über unsere Köpfe aufzusteigen und dann wieder blitzartig zu Boden zu sausen. Dadurch erinnerte sie mich stark an einen überdimensionalen Flummiball. Ich musste bei diesem Gedanken unwillkürlich grinsen. Das Lächeln lag noch auf meinem Gesicht, als ich hinter meinen beiden nichtmenschlichen Begleitern das Gasthaus betrat. Im Innern des überfüllten Raumes kam uns Sris Körperbeschaffenheit sehr zu Gute, denn obwohl die Hitze, die sie verströmte mir den Schweiß aus den Poren trieb hielt sie die anderen Menschen auf Distanz. Diese "Anderen" waren hauptsächlich leicht bis stark angetrunkene Männer in verstaubten Umhängen, die an der riesigen hölzernen Theke an der linken Seite oder an einem der dicht gedrängt stehenden Tische an der gegenüberliegenden Schmalseite des großen Zimmers saßen. Der Boden bestand aus festgestampften Lehm, auf den Stroh geschüttet worden war. Erst vor den Treppenstufen, die in der Mitte der vor uns liegenden Wand begannen wich der Lehm Holz und zersprungenen Kacheln, die die kahlen Wände zierten. Durch die wenigen verschmutzten schmalen Fenster konnte ich den dunklen Nachthimmel sehen. Im Raum sorgten qualmende Kerzen, die auf den Tischen standen und schlichte Lampen an Wänden und Decke für das nötige Licht während sich der unverkennbare Duft von Wachs und brennendem Öl mit dem Geruch von abgestandenem Bier, saurem Wein, Schweiß und verbrauchter Luft vermischte. Das Lachen und Rufen der Männer, das Gemurmel von unzähligen Gesprächen, das Rollen der Würfel an den Tischen an denen gespielt wurde, das Klirren der Gläser und lautstarkes Gegröle bildete die Geräuschkulisse vor der sich einige leicht bekleidete Serviermädchen geschickt durch die Schankschube schlängelten. Selbstverständlich blieb das Eintreffen unserer ungewöhnlichen Gruppe nicht unbemerkt. Schlagartig verebbte der Lärm und alle Augen wandten sich in unsere Richtung. Sri genoss sichtlich die Aufmerksamkeit, die ihr gewidmet wurde und schwebte aufgeregt auf und ab. Das Gefühl der Unbehaglichkeit, das mich nun befiel wurde nur durch den Umstand gemildert, dass ich allzu sehr damit beschäftigt war zu überprüfen, ob Sris Flammenkörper nichts in Brand steckte. Endroki war der Einzige, der einen kühlen Kopf behielt. Abschätzend blickte er sich um und entdeckte so den letzten freien Tisch in der hintersten Ecke des Raumes. Mit einer knappen Handbewegung wies er Etctera, Sri und mich an ihm zu folgen. Hintereinander schoben wir uns zu dem bewussten Tisch. Die Augen sämtlicher Besucher folgten uns, das allgemeine Schweigen schien fast greifbar. Die einzigen Laute waren schwere Atemzüge und das Prasseln der Lampen, Kerzen und Sris Körper. Am Tisch angekommen setzten Etctera, Endroki und ich uns auf drei wackelige Stühle. Sri blieb in sicherer Entfernung vom Tisch und dem auf dem Boden liegenden Stroh in der Luft stehen. "Ist das nicht herrlich hier!" Sie knackte aufgeregt und ihr Körper blitzte hell auf, als einzelne Feuerzungen empor zuckten: "So viele Menschen! So viel interessante Gesichter! Das ist aufregend, nicht? Ich glaube nicht, dass jemand aus meinem Volk schon einmal so etwas außergewöhnliches gesehen hat..." Munter drehte sie sich einmal um sich selbst: "Sie werden wieder anfangen zu reden, nicht? Sonst ist es hier so still wie in der Wüste. Und das wäre schade, nicht?" Ihre schwarzen runden Augen richteten sich auf die verschiedenen Gläser und Flaschen auf den umliegenden Tischen, auf unseren eigenen leeren Tisch, dann auf die uns am nächsten stehende Kellnerin. "Wisst ihr, dass wollte ich schon immer mal machen..." zischte sie selig und ihr kleiner fußballgroßer Körper verwandelte sich plötzlich in einen riesigen blutrot glühenden Ball, mehr als fünf mal größer als ihre ursprüngliche Gestalt. Das Brüllen der Flammen schmerzte in den Ohren und steigerte sich zu einem grauenhaften Knacken als Sri gellend: "Bedienung!" schrie. Ich blinzelte verblüfft und drehte gerade noch rechtzeitig den Kopf um mit anzusehen, wie erst die angesprochene Serviererin und anschließend ihre sämtlichen Kollegien die Augen verdrehten und zu Boden sanken. Die Aufregung, die bei der Ohnmacht der Serviermädchen eingesetzt hatte hatte sich inzwischen glücklicherweise gelenkt. Die Frauen waren schon nach kurzer Zeit wieder zu sich gekommen. Man hatte ihnen sogar eine kurze Pause gegönnt, so dass sie sich von ihrem Schock erholen konnten. Genaugenommen hatten die übrigen Besucher der Schenke ebenfalls den Bedarf nach ein paar Minuten Ruhe. Die meisten von ihnen waren noch immer auffällig blass, was sich meiner Ansicht nach jedoch nach einigen Gläsern Alkohol geändert haben würde. Im starken Gegensatz dazu wirkte Endroki regelrecht fröhlich; die Schadenfreude war im deutlich ins Gesicht geschrieben und nachdem ich Sris Ausbruch verarbeitet hatte fiel es auch mir schwer gelassen zu bleiben. Der Anblick der verstörten Gesichter und besonders das Ereignis, das diesen verursacht hatte war einfach zu komisch. Sri dagegen war beglückt über ihren gelungenen Auftritt und die Reaktionen darauf und flackerte strahlend hell auf ihrem Platz. Nach einem weiteren Blick auf die Kellnerinnen und den aufgeregt hin und her eilenden Wirt - ein großer dünner Mann mit schütterem rotem Haar, der sich eine fleckige einstmals weiße Schürze umgebunden hatte - beschloss ich den Prozess zur Wiederherstellung des Alltags voranzutreiben. So gut es ging bahnte ich mir meinen Weg zum Wirt und sprach ihn mit aufgesetzter Fröhlichkeit an: "Entschuldigen sie bitte." Er hatte mir bis dahin den Rücken zugekehrt und nun fuhr er mit einem verschreckten Quieken herum. Seine Augen weiteten sich als er mich erkannte. Mir entging nicht, dass er hastig meine nähere Umgebung absuchte und erleichtert aufatmete kaum das er Endroki und Sri an unserem Tisch entdeckte. "Ja? Sie wünschen?" Die Stimme des Wirtes zitterte leicht und nachdem er geendet hatte biss er sich nervös auf die Unterlippe. "Ich wollte mich im Namen meiner Begleiterin bei ihnen entschuldigen. Meine Freundin ist etwas...na ja sie hat einen Hang zu Übertreibungen und sie ist sehr impulsiv. Sie kennt die Sitten und Gewohnheiten der Menschen kaum und deshalb hoffe ich, dass sie ihr ihr Verhalten noch einmal verzeihen können. Es ist ihr wirklich unangenehm, dass müssen sie mir glauben." Angesichts dieser Lüge war ich froh, dass man in Sris Gesicht so schlecht lesen konnte ( bei einer genaueren Überlegung dachte ich, dass es im Allgemeinen schwierig war zu sagen, wo ihr Gesicht überhaupt war ) und die anwesenden Männer und Frauen Sris Rasse nicht gut genug kannten um aus den Farben des Feuers und Tönen, die sie von sich gab ihre Gefühle abzuleiten. Trotzdem war ich mit meiner kleinen Rede noch nicht am Ende: "Etwas Ähnliches kommt bestimmt nicht wieder vor, dass versichere ich ihnen!" Der Wirt nickte zögernd und murmelte schließlich schwach: "Sicher, sicher. Ich verstehe. Wenn ich sonst noch etwas tun kann..." Ich lächelte freundlich: "Das können sie in der Tat. Mein Freund hätte gerne einen Krug Wein und ich ein normales Glas wasser. -Wenn das möglich ist." Ich klimperte mit den Augenlidern und kam mir dabei unendlich lächerlich vor. Aber die Bewegung verfehlte ihre Wirkung nicht. Der Wirt wurde deutlich ruhiger und betrachtete mich zum ersten Mal gründlich. "Ich will nicht unhöflich sein, junge Dame, aber..." er warf einen flüchtigen Blick auf Endroki, Etctera und Sri und fuhr fort: "...ich muss wissen, ob sie zahlen können. Es ist in meinem Geschäft leider unumgänglich dies sofort zu überprüfen." Ich hatte diese Reaktion erwartet und zog ein paar der Geldstücke aus der Tasche. Der Wirt brummte zufrieden und marschierte davon. Einen Moment lang sah ich ihm nach bevor mich umdrehte und zu unserem Tisch zurücklief. Dort mussten wir nur wenige Minuten warten, dann erschien die große Gestalt des Wirtes bei uns, vor sich ein Tablett mit einem Krug Wein und zwei Bechern. Mit einer Bewegung, die von jahrelanger Erfahrung kündete knallte er das Bestellte auf den Tisch, so dass das Wasser über den Rand des Gefäßes schwappte. "Zahlen sie sofort?" Da er uns augenscheinlich schnellstmöglich loswerden wollte stimmte ich zu. Mit der rechten Hand langte ich in die Tasche und kramte nach den Münzen. Da ertönte aus dem Hintergrund die ruhige Stimme einer Frau: "Nicht nötig, Kleines. Ich zahle. Sozusagen zum Dank für den Auftritt deiner Gefährtin." Überrascht drehte ich den Kopf. Von einem der Tische erhob sich die schlanke Gestalt einer Frau, die bis dahin von den anderen Männern am Tisch verdeckt gewesen war. Die Frau war jung, nur ein paar Jahre älter als ich und auf keinen Fall älter als zweiundzwanzig. Sie war jedoch kleiner als ich, vielleicht einssechzig, zierlich, nahezu zerbrechlich. Ihre Stimme war warm und hell, mit einem merkwürdigen Akzent. Sie hatte sehr kurzes dunkles Haar, das in wirren Strähnen um ihren Kopf lag. Sie besaß ein fein geschnittenes Gesicht mit einer schmalen Nasen, einem schön geschwungenen Mund und großen Augen. Diese waren von einem intensiven Braun, aber ebenso wie ihr Haar so dunkel, dass sie fast schwarz wirkten. Ihre Haut war braungebrannt, die Arme, die unter dem beigefarbenen Stoff eines weiten Hemdes hervorlugten waren sehnig und die Muskelstränge waren sichtbar, so dass die Frau trotz ihrer geringen Größe energisch und kräftig aussah. Der Eindruck wurde von den weiten weißen Hosen und cremefarbenen hohen Lederstiefeln und dem langen geschwungenen Messer, das an einem breitem Gürtel befestigt war verstärkt. Alles in allem zählte die junge Frau zu den schönsten, die ich je gesehen hatte. Trotzdem war ich nicht neidisch. Im Gegenteil. Ich mochte die Fremde sofort. In die Betrachtung der Fremden vertieft bemerkte ich nicht wie der erstaunte Wirt auf die Frau einzureden begann. Erst als sie antwortete fand ich zurück in die Realität. "Ich sagte es doch. Ich werde bezahlen. Entweder du nimmst mein Geld oder du bekommst nichts." Es war offensichtlich, dass die beiden sich kannten und dass es dem Schenkeninhaber nicht gefiel, dass sie die junge Frau für so seltsame Gestalten wie uns einsetzte. Daher gestikulierte der entrüstete Wirt wild in der Luft herum und versuchte sie von ihrem Vorhaben abzubringen, aber die Frau ließ sich nicht umstimmen. Statt dessen holte sie einige münzen aus der Tasche und steckte sie dem Wirt kurzerhand in die Schürze. Danach zog sie einen Stuhl heran, setzte sich zu uns an den Tisch und schickte den Mann mit einer Handbewegung fort. Sie rief ihn jedoch noch einmal zurück, um einen Laib Brot und eine große Schüssel Eintopf zu bestellen. In peinliches Schweigen gehüllt warteten wir auf das Essen, dass überraschend schnell gebracht wurde. Heißhungrig stürzte sich unsere neue Tischgefährtin auf die Mahlzeit. Mit kräftigen Bewegungen riss sie sich Stücke von dem Brot ab, tunkte sie in den dampfenden Eintopf, schob sie in den Mund und begann lautstark zu kauen. Sie erweckte voll und ganz in ihre Beschäftigung vertieft zu sein. Darum war ich umso erstaunter, als sie ihre dunklen Augen erst auf mich, dann auf Sri und Endroki richtete, eine auffordernde Geste in Richtung Brot und Eintopf machte und mit noch immer vollem Mund hervorstieß: "Bedient euch ruhig. Es ist genug für alle da." Sri betrachtete die Nahrungsmittel. Von einem trockenen Knacken begleitet stoben ein paar winzige Funken von ihrem Körper auf: "Dieses seltsame Zeug werde ich nie, wirklich niemals anrühren, aber wenn keiner von ich die Holzschale will..." "Vergiz ez," knurrte Endroki sie an: "Wenn du nichtz anderez willzt, wirzt du genau wie ich gar nichtz ezzen." Die Fremde sah mich fragend an. Zögernd griff ich nach einem Stück Brot, tauchte es in den unappetitlich aussehenden Eintopf und schob mir das Ganze in den Mund. Ich kaute, schluckte und überlegte. "Da fehlt was, oder?" Aufmerksambeobachtete sie meinen Gesichtsausdruck. Unsicher fuhr ich mir mit der Zunge über die Lippen. Unwillkürlich musste ich lächeln: "Ja, da fehlt was: Der Geschmack!" Die Fremde grinste, ihre Augen blitzten belustigt. Hastig wischte sie sich die hand an der Hose ab und streckte sie mir entgegen: "Mein Name ist Caraclla. Tochter von Caligul und Edwy. Vollwertiges Stammesmitglied der Dedani. Clanfrau der Oryd. Die meisten nennen mich nur Cara." Ich gab ihr die Hand und da ich nicht wusste, wie ich auf diese förmliche Vorstellung reagieren sollte erwiderte ich einfach: "Ich heiße Zoe und das sind meine Freundin Sri von den Geconomi und meine Freund Endroki und Etctera von den Affronik." Cara nickte wohlwollend: "Freut mich, freut mich. Ich muss aber zugeben, dass ich noch nie Typen wie euch gesehen habe. Zumindest nicht zusammen. Dort wo ich lebe gibt es nämlich viele Geconomi und vor Jahren habe ich auch eine Gruppe Affronik gesehen. Aber zusammen mit einem Menschen... Wirklich seltsame Freunde." Beleidigt verengten sich Endrokis blutrote Augen und sein Schwanz peitschte das Stroh auf dem Boden. "Zeit wann zählen die Dedani zu den Menzchen, die zo etwaz zagen ztatt hören?" Cara zuckte die Achseln: "Reg dich nicht auf. Es war nicht böse gemeint. Trotzdem musst du zugeben, dass man Affronik und Geconomi selten sieht. Besonders in Städten." Sri flackerte unruhig und prasselte aufgeregt: "Deshalb bin ich auch aus der Wüste raus! Es ist zu einsam dort. Wir sehen so selten Menschen, dass wir kaum etwas über sie wissen. Dabei sind Menschen besonders interessant und aufregend! Ihr müsst euch hier nur einmal umsehen." "Und was ist mit dir, Zoe? Warum bist du unterwegs?" Cara musterte mich gespannt. "Genauso wie Endroki will ich einfach nur so viel wie möglich sehen." Ein Schatten huschte über mein Gesicht und plötzlich konnte ich an nichts anderes mehr denken als daran, dass ich in einer mir völlig unbekannten Welt festsaß. Bisher hatte ich diesen Gedanken immer wieder energisch verdrängt, beinahe vergessen, da es genügend andere Probleme zu bewältigen gab. Doch jetzt wollte ich nur noch nach hause. Der Gedanke, dass ich vielleicht für immer hier auf Coldah fest saß versetzte mich an den Rand der Panik. Nie wieder meine Familie und Freunde zu sehen, nie wieder laute Musik hören, Einkaufsbummel machen, fernsehen, Pizza essen, ein richtiges Badezimmer benutzen können...In den Büchern hatten die Hauptfiguren nie derartige Probleme. Sie hatten weder Heimweh noch machten sie sich Gedanken über die Zukunft. Warum konnte es mir nicht ebenso gehen? Verzweifelt versuchte ich die Tränen zu unterdrücken, die in meinen Augen brannten. Immer wieder sagte ich mir, dass es auch hätte schlimmer kommen können. Immerhin war ich nicht auf mich allein gestellt. Ich hatte zwei Freunde gefunden, von denen einer mit mir bisher schon durch die Hölle gegangen war. Wir hatten etwas Geld und befanden uns derzeitig in einer kleinen Stadt, wo wir eine geeignete Möglichkeit finden mussten diese zu verlassen um in eine sichere angenehmere Gegend zu gelangen. Außerdem hegte ich die Hoffnung, dass es irgendwo auf Coldah einen Ort oder eine Person gab, die mir helfen konnte. Wahrscheinlich musste ich bloß lange genug suchen, um diese zu finden. Dazu wiederum musste ich genau das tun, was ich zu Cara gesagt hatte: Ich musste versuchen so viel wie möglich zu sehen. Sehen und vor allem lernen. Cara war von unsere bunten Reisegruppe begeistert. Sie bestand darauf uns ein Zimmer in der Schenke zu bezahlen, damit wir die Nacht nicht unter freiem Himmel verbringen mussten. Endroki blieb Cara gegenüber zwar misstrauisch, aber schließlich, so sagte ich mir, hatte er sich scheinbar auch an Sris Gesellschaft gewöhnt. Er konnte nicht verstehen aus welchem Grund die junge Frau all das für uns tat. Mir selbst war ihre Großzügigkeit ebenfalls ein Rätsel, doch ich mochte sie. Ich war mir vollkommen sicher, dass wir ihr vertrauen konnten. Es gab keine rationale oder logische Begründung für meine Einstellung ihr gegenüber, ich hatte es im Gefühl. Offensichtlich die berühmt-berüchtigte weibliche Intuition. Sri teilte meine Meinung, zumindest in gewisser Weise. Cara zählte für sie zu den interessanten aufregenden Dingen, über die sie unbedingt mehr erfahren wollte. Auf diese Weise war Endroki überstimmt und wir nahmen Caras Angebot dankend an. In dem kleinen Zimmer im Obergeschoss der Schenke gab es außer zwei schmalen unbequemen Betten mit zerschlissenen Decken nur eine kleine mit Steinen eingefasste Feuerstelle, die wir augenblicklich zu Sris Schlafplatz erklärten. Etctera und ich machten es uns auf den Betten gemütlich, Endroki richtete sich so gut es ging in einer Ecke des Zimmers ein. Schon bald hörte ich sein leises Schnarchen und ein gedämpftes schläfriges Knistern aus Sris Richtung. Ich selbst lag allerdings noch lange wach. Bis tief in die Nacht hinein wälzte ich mich unruhig auf der harten mit Stroh gefüllten Matratze hin und her. Am nächsten Morgen trafen wir Cara im Erdgeschoss an der Theke. Sie hatte uns bereits erwartet und so standen auf der Holzplatte etwas Brot , Käse, ein gefüllter Krug und das dazu benötigte Holzgeschirr. Nach einer knappen Begrüßung setzten wir uns und begannen mit dem Frühstück. "Habt ihr vor noch lange in Balida zu bleiben?" Caras Blick schweifte von einem zum anderen. Endroki verzog das geschuppte Gesicht und sah demonstrativ zur Seite. Sri war indessen damit beschäftigt eine der Kellnerinnen beim Putzen der Tische zu beobachten, was diese sichtlich nervös machte. Etctera tat so als hätte sie die Dedane nicht gehört. Da niemand sonst auf die Frage antworten wollte oder konnte erwiderte ich: "Eigentlich wollen wir nur so schnell es geht von hier fort. Das Problem ist nur, dass wir nicht wissen wie und abgesehen davon haben wir nicht einmal ansatzweise darüber nachgedacht, wohin die Reise gehen soll." "Habt ihr überhaupt keine Idee?" Ich überlegte schnell. Unser Ziel sollte angenehmer sein, als diese sandige Wüstenstadt und das Angenehmste, das ich mir zur Zeit vorstellen konnte war Wasser. Viel Wasser. Daher antwortete ich kurzentschlossen: "Zur Küste. Wir wollen zur Küste." "Wirklich? Da will ich auch hin. Nach Norden, nach Trakani. Ich habe nämlich schon als kleines Mädchen die Hauptstadt sehen wollen. Und außerdem..." "Ja?" fragte ich. "Ich will versuchen ein Schiff zu finden. Egal zu welcher Stadt oder welchem Kontinent es fährt. Hauptsache ich komme von hier fort." "Fort?" echote Endroki und blickte Cara überrascht an: "Du willzt fort auz der Wüzte? Aber du bizt eine Dedane! Die Dedani verlazzen die Wüzte nicht! Nie! Nie!!" Cara schnaubte und verzog angewidert das Gesicht: "Glaube mir, der Gedanke gefällt mir ganz und gar nicht. Aber ich habe keine andere Wahl." Ihre Stirn umwölkte sich und ihre Augen verloren von einer Sekunde zur anderen ihren Glanz: "Es ist wegen meiner Familie, meinem Clan...naja...Im Grunde ist das nicht so wichtig. Die Hauptsache ist, ich komme so weit wie nur irgend möglich von hier fort." Ich sah Cara bewundernd an. Vermutlich hätte ich nie den Mut dazu aufgebracht meine Heimat zu verlassen und in die Fremde zu wandern. Heimlich bewunderte ich Caras Selbstbewußtsein, denn anstatt einfach in eine andere Stadt zu ziehen wollte sie den Kontinent, auf dem sie geboren und aufgewachsen war verlassen und an Bord eines Schiffes wer weiß wohin segeln. Ich hatte zwar nun etwas Ähnliches vor, aber man konnte ja nicht gerade behaupten, dass ich freiwillig hier gelandet war. Außerdem war ich nicht allein, so wie sie. Ich hatte ja glücklicherweise Etctera, Endroki und Sri. Aber was wohl der Grund dafür war, dass sie ihre Familie verlassen hatte? Neugierig sah ich sie an. Plötzlich kam mir eine Idee. Aus den Augenwinkeln heraus schaute ich auf Sri und die beiden Affronik.. Ob sie etwas dagegen hätten? "Wieso kommst du nicht mit uns, Cara?" platzte ich heraus. Endroki runzelte missbilligend die Stirn, Etctera sah mich einfach nur stumm an und Sri richtete ihre Aufmerksamkeit schlagartig auf mich. Nur Cara wirkte erleichtert, ja zufrieden. Als hätte sie meine Frage erwartete oder als... "Ich wollte dich gerade das Selbe fragen, Zoe." Wir lächelten uns gegenseitig an. Sri züngelte vergnügt. Die Flammen ihres Körpers schienen zu tanzen. Endroki sah mit finsterem Gesichtsausdruck von mir zu Cara und zurück. Einige Minuten schwieg er nachdenklich. Schließlich meinte er: "Da ihr euch da anzcheinend zo zicher zeid, bleibt mir wohl nichtz anderez übrig." Er betrachtete uns kopfschüttelnd: "Und im Grunde genommen izt ez gar nicht zo zchlimm. Im Gegenteil. Meine Mutter zagte immer, daz ich nie eine Frau finden würde, die freiwillig für längere Zeit mit mir zuzammen bleiben will... Und jetzt werde ich von gleich Vieren begleitet...Ich glaube zwar nicht, daz meine Mutter zich daz zo vorgeztellt hat, aber ez izt immerhin etwaz. Man kann nicht immer daz haben, waz man zich wünzcht. Und ez könnte zchliezlich noch viel zchlimmer zein." "Tatsächlich?" erkundigte ich mich grimmig und trat ihm vor das linke Schienbein. Cara war, wie sich bald herausstellte, nicht ohne gewissen Vorbereitungen ausgerissen. Dazu zählten beispielsweise zwei kleine struppige Ponys, von denen sie eins bisher als Packtier benutzt hatte, Proviant, etwas Geld und eine alte Landkarte. Da wir von nun an gemeinsam reisen wollten war sie bereit all ihre Habseligkeiten mit uns zu teilen. Nach reichlicher Überlegung gelangten wir zu der Überzeugung, dass zwei Ponys genügen würden: Endroki und Etctera auf dem einen, Cara und ich auf dem anderen Tier. Die gut gezeichnete genaue Karte erregte unser besonderes Interesse, da auf ihr sämtliche Oasen und Wasserlöcher des Kontinents eingetragen waren. Anhand dieser Informationen planten wir unsere Route durch die nördliche Wüste Renahns Richtung Trakani. Die Reise verlief eintönig. Wir standen bei Sonnenaufgang auf und ritten bis zum Abend durch die öde und karge Landschaft bis zu unserem Schlafplatz, also der nächsten Oase, dem nächsten Wasserloch oder einer einfachen Mulde im Sand. Nur in der größten Hitze des Tages legten wir eine ein- oder zweistündige Rast ein. Wir aßen häufig im Sattel, sprachen kaum und wie schon beim letzten Mal scheuerte der Sand, jeder Muskel meines Körpers schmerzte und der permanente Durst verhinderte jeden klaren Gedanken. Immer öfter warf ich einen neidischen blick auf Sri, die sich in der grauenhaften Hitze pudelwohl fühlte. Cara war ebenfalls ganz in ihrem Element. Trotzdem freute sie sich genauso wie die Affronik und ich, wenn wir wieder an eine Stelle mit Wasser kamen. Denn einzig und allein diese wenigen verstreut liegenden Orte, die wir während unserer achttägigen Reise aufsuchten boten ein wenig Abwechslung und Erholung. Im Schatten liegend, mit einem Schlauch Wasser auf dem Schoß erzählten mir meine Freunde alles, was für mich in Trakani möglicherweise von Interesse sein könnte. So erfuhr ich zum Beispiel, dass Trakani die weitaus größte Stadt des Kontinents war. Trakani war vor allem als Handelsmetropole und Hafenstadt in ganz Coldah bekannt. Gleichzeitig war sie der Sitz des Calco'wah, dem höchsten Adligen in diesem Teil der Welt. Am späten Nachmittag des achten Tages schauten wir von einem erhöhten sandigen Plateau aus auf Trakani hinab. Wie ich erwartet hatte lag die Stadt in einer weitläufigen Bucht. Direkt vor uns fiel das Land steil ab und hinter einem breiten Küstenstreifen, auf dem sich die Stadt erstreckte lag das weite tief blaue Meer. Im Gegensatz dazu schimmerten die unzähligen oft mehrstöckigen Häuser in der verschiedensten Weiß-, Gelb- und Brauntönen. Ein breiter Fluss floss wie ein schimmerndes Band mitten durch Trakani ins Meer und zersplitterte auf seinem Weg dahin in zahllose schmale Kanäle. Spitze Türme und kunstvolle Brücken erhoben sich aus dem Gewirr der Straßen und Gassen, daneben weitläufige Parks, prachtvolle Gärten, große Plätze und riesige prunkvolle Herrschaftshäuser. Alles in allem mussten gut Zwanzig-, bis Dreißigtausend Menschen innerhalb der hohen, in regelmäßigen Abständen von Türmen oder vereinzelten Toren durchbrochenen Mauern leben. Zum ersten Mal seit langer Zeit war ich mir sicher dem, was die Menschen meiner Welt unter "Zivilisation" verstehen, ein Stück näher gekommen zu sein. Unbewusst stahl sich ein schwaches Lächeln auf mein Gesicht als wir zusammen zur Stadt hinunter ritten. Nebeneinander und umgeben von Dutzenden Menschen mit Körben, Wagen und Reittieren passierten wir ein gewaltiges Tor unter dem grimmig aussehende Männer mit Kettenhemden, geschmückten Helmen und glänzenden Lanzen Wache hielten. Augenblicke später befanden wir uns auf einer breiten gepflasterten Straße, die von dicht gedrängt stehenden Häusern gesäumt wurde. Anhand der über den Türen schaukelnden Holz- und Metallschildern erkannte ich, dass ein Großteil der Häuser Geschäfte und Gasthäuser beherbergten. Niemand schenkte mehr als einen flüchtigen Blick, obwohl die neben den Pferden schwebende Sri und die auf dem für sie viel zu großen Tier sitzenden Affronik nicht zu übersehen waren... Wenn ich heute darüber nachdenke weiß ich nicht mehr, ob ich damals über diesen Umstand glücklich oder enttäuscht war. Glücklich darüber, dass wir nicht wie seltene Tiere angestarrt wurden. Enttäuscht darüber, dass uns niemand beachtete und ich somit genau das war, was ich mein ganzes Leben gewesen war: unwichtig. Eine Siebzehnjährige, die von den Menschen angesehen wird, nur um sofort wieder vergessen zu werden. Da wir ebenso wie die Ponys von der langen Reise erschöpft und ausgelaugt waren verbrachten wir die Nacht im Gasthaus "Zur fröhlichen Gans" wo Cara uns allen - abgesehen von Sri natürlich - ein heißes Bad und ein reichliches Abendessen herrichten ließ. Die Betten waren weitaus bequemer als in der letzten Herberge, Sris Feuerstelle war größer und unsere Reittiere wurden im hauseigenen Stall fachkundig versorgt. Außerdem ließen wir über nacht unsere Kleidung waschen und ausbessern, so dass wir am nächsten Morgen sauber und gutgelaunt dazu bereit waren das fremde Trakani zu erkundschaften. Staunend ging ich, flankiert von Endroki, Etctera und Cara und gefolgt von Sri durch die ausladenden gepflasterten Straßen. Immer öfter blieb ich stehen und konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass ich mich in der Kulisse eines historischen Films oder Theaterstücks bewegte. Alles wirkte zweifelsfrei historisch, abgesehen von wenigen fantasievollen Abweichungen wie entdeckungsfreudige Feuerbälle und intellektuell angehauchten Eidechsen. Wir bewegten uns durch das unübersichtliche Gewirr der Plätze, Brücken, Straßen und Gassen in Richtung Hafen. Dieser lag in der Mitte der Bucht und vereinnahmte dabei mehr Platz als jeder andere Hafen, den ich je zuvor besichtigt hatte. Hölzerne Stege und steinerne Plattformen ragten weit in das sanft gekräuselte blaugraue Meer hinein. Daran befestigt schaukelten wohl an die hundert Segelschiffe der verschiedensten Größen, Formen und Farben auf den niedrigen Wellen, während bunte Fahnen und Wimpel an den höchsten Punkten der Masten im leichten Wind flatterten. Der bisher allgegenwärtige Geruch - eine undefinierbare, bizarre und doch charakteristische Mischung aus Hitze, Sand, heißen Steinen und Schweiß - verschwand und wurde ersetzt durch den frischen Duft von Salz, Fisch und Tang. In der Luft, die hier am Wasser merklich kühler war als in der Stadt lag das trockene Knarren von Holz, das Klatschen der Wellen, die heiseren Schreie der über unseren Köpfen kreisenden Möwen und die rauen Stimmen der Seeleute. Ein angenehmer Schauder lief mir über den Rücken. Mit einem wehmütigen Lächeln erinnerte ich mich an den letzten Urlaub mit meiner Familie an der Ostsee. Zum ersten Mal in meinem Leben kam ich zu der Überzeugung, dass ich einen bestimmten Satz bisher völlig falsch beurteilt hatte: Früher war die Welt tatsächlich noch in Ordnung. Mühsam drängten wir uns zwischen den Hafenarbeitern in ihren ausgeblichenen Hosen und Hemden, vornehm gekleideten Händlern und müßig umherschlendernden Bürgern hindurch. Zielstrebig hielt Cara auf einen aus rotem Stein gebauten gedrungenen Turm zu. Über der weit geöffneten Eingangstür war ein Schild mit einem kunstvoll geschnitzten und vergoldeten Raubvogel; das Büro des hiesigen Hafenmeisters vermutete ich, wo Cara sich um ein Schiff bemühen wollte. ____________________________________________ Hallo zusammen! Hier ist also das neuste Kapitel! Ich hoffe, es gefällt euch! ^^ Für die nächsten 2 Wochen ist es erstmal das letzte. Bis zum 18.8 in etwa bin ich im Urlaub. ^^ Füe alle, die sich die Mühe machen, einen kommi zu schreiben - ich hoffe, es sind viele ^.^ - : DANKE!!! Ich werde mich per ENS melden, sobald das nächste Kapitel online geht! Für alle, die in der Zeit doch was von mir lesen wollen: Kurzgeschichten, Fantasy, Songfics, Love-Story, Shonen-Ai.....ist alles da! *gg* Ich fre mich auf euch! Bis dann! *wink* Pitri Auf und ab. Auf und ab. Hin und her. Hin und her. Hoch und runter. Auf und ab. Hin und her. Immer und immer wieder. Ohne eine einzige ruhige bewegungslose Sekunde. Ich stöhnte gequält und dachte krampfhaft daran nicht an Essen zu denken, während ich mit geschlossenen Augen in meiner schmalen Koje lag. Durch das winzige geöffnete Bullauge zu meiner Rechten fiel ein Streifen Sonnenlicht in die enge Kajüte. Eine frische Brise vertrieb den muffigen Geruch und die abgestandene Luft aus dem kleinen Raum auch nicht vollständig. Vom Deck, direkt über meinem Kopf erklangen die rauhen Rufe und die schweren Schritte der Seeleute, die Segel flatterten im Wind und die Masten knarrten im Wind, während unter mir unablässig die Wellen gegen den Rumpf des Schiffes rollten. Aber all das änderte nichts daran, dass ich seekrank war. In meinem ganzen Leben war mir noch nie so schlecht gewesen. Selbst heute wird mir noch ganz anders, wenn ich nur daran denke... Wenigstens behauptete der Kapitän der "Wogentänzerin", dass dieser Zustand bald ein Ende hätte... Der Kapitän klang darüber selbst ausgesprochen erleichtert und auch auf Endrokis und Etcteras wehleidigen Gesichtern, die sich kurzzeitig von der Meeresoberfläche abgewandt hatten, stand die Vorfreude deutlich geschrieben. In Anbetracht der Tatsache, dass noch zwei Tage auf See vor uns lagen, wünschte ich mir nichts mehr, als das er recht hätte. Und die übrige Besatzung hoffte das wohl auch, denn wenn sie sich zu Beginn der Reise noch begeistert über die ungewohnte Begleitung gezeigt und sich über uns das Maul zerrissen hatten, wollten sie uns fünf inzwischen so schnell wie möglich wieder loswerden. Denn ich war nicht die Einzige, der es schlecht ging: Endroki und Etctera wirkten ungewöhnlich blaß und hingen vom ersten Tag an ununterbrochen über der Reling. Cara verließ ihre Kajüte nur, um den Kapitän zu fragen, wann diese Hölle endlich ein Ende finden würde. Sri jammerte in ihrem engen gläsernen Gefängnis, dass diese Reise nur ein schlimmes Ende nehmen könnte - bei so unendlich viel Wasser blieb einfach keine andere Möglichkeit. Außerdem würden wir das Land vermutlich nie wieder sehen und dann würde sie natürlich irgendwann einmal genug Hunger haben und das ganze Schiff verschlingen. Als ich mich für kurze Zeit konzentrieren und genauer darüber nachdenken konnte, kam ich zu der Überzeugung, dass meine Freunde und ich vermutlich der Albtraum jedes Seemannes waren. Ehrlich gesagt bewunderte ich sie für ihre Geduld. Ich an ihrer Stelle hätte mich schon längst über Bord und den Haien zum Fraß vor geworfen....Fraß...Fleisch...Essen...Abrupt riß ich die Augen auf, stürzte blitzartig zum Bullauge, steckte den Kopf heraus und übergab mich. Als ich mich wieder besser fühlte, trat der Kapitän zu mir: "Sehen sie dort hinten den schmalen Streifen am Horizont??? Das ist die Küste. Wir müssen nur noch ein Stück weiter nach Norden segeln, dann liegt Jeral vor uns. Morgen müßten wir im Laufe des Nachmittags den Hafen erreichen." Ich konnte es genauso wenig wie sie abwarten endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben und endlich wieder richtig essen zu können. Essen.....Ruckartig beugte ich mich über die Reling und würgte wieder. Wäre das nicht so widerlich gewesen, hätte ich sicherlich gelächelt, als ich hörte wie Etctera und Endroki sich mir nur Sekunden später anschlossen...Wenn das nicht wahre Freundschaft war... Vom hölzernen Anlegesteg aus schlug uns lautes Stimmengewirr entgegen. Die Ankerkette rasselte, der Anker klatschte ins Wasser, Taue wurden geworfen, Befehle und Begrüßungen gebrüllt. Sri flackerte ungeduldig in ihrem Käfig und schmolz dabei fast das Glas. Cara und ich standen mit unserem spärlichen Gepäck zusammen an der Reling und starrten sehnsüchtig aufs Land, während die beiden Affronik zum Abschluß noch ein letztes Mal ihren Mageninhalt ins Meer spuckten. Anschließend machten wir uns auf, die Stadt zu erkunden. Jeral unterschied sich deutlich von Trakani. Die Häuser waren größer und mit ausladenden Balkonen und Dachgärten versehen. Die Farben des Verputzes waren dunkler, die Straßen gepflastert, auf den Plätzen standen kunstvolle Statuen und Springbrunnen. Ganze Straßenzüge waren von blühenden Vorgärten und leuchtend grünen Baumreihen gesäumt, die sich sanft im leichten Wind wiegten. Die Luft war etwas kühler und nicht mehr so drückend wie im Süden des Kontinents, die Haut der Menschen waren heller und sie waren mit Schmuck behängt und mit phantasievollen Frisuren geschmückt, während sie in reich verzierten farbenfrohen Kleidern oder Hemd und Hosen gehüllt die Straßen entlang schlenderten. Während ich mich neugierig umsah, flackerte Sri fröhlich vor sich hin, sichtlich froh darüber der Laterne und dem vielen Wasser entkommen zu sein. Etctera und Endroki schienen in etwa zu der selben Ansicht gelangt zu sein, denn ihre Schuppenfarbe ähnelte immer mehr dem normalen Farbton. Cara sah sich indessen mit strahlenden Augen um, während sie ungeduldig von einem Fuß auf den anderen trat. -Die Tage auf dem Schiff schien sie erfolgreich verdrängt zu haben. Nachdem wir ein wenig durch die Stadt gelaufen waren fanden wir ein gemütliches kleines Wirtshaus. Das Haus mit dem Namen "Zur grünen Aue" lag in einer gepflegten Seitenstraße in der Nähe eines kleinen Parks. Die beiden Zimmer, die wir gemietet hatten, waren sauber und ordentlich, die Betten - und wie Sri eifrig versicherte- auch die Feuerstelle waren bequem und vor allem geräumiger als die Kojen. Auch der Fußboden war beruhigend fest und unbeweglich und zum ersten Mal seit Tagen hörte ich das Rauschen des Meeres nicht mehr. Außerdem hatte keiner von uns mehr das Bedürfnis unser Essen an die Fische weiterzugeben und so langten wir zur Freude der Köchin herzhaft zu. Nachdem wir drei Tage damit verbracht hatten uns von den Strapazen der Reise zu erholen und die nähere Umgebung zu erforschen, setzten wir uns abends an einen der Tische im Schankraum, um uns zu beraten. Vom Wirt hatten wir uns eine große zerfledderte Karte geliehen, die ganz Coldah zeigte. Die Köpfe über der Karte zusammengesteckt - nur Sri bezogen wir verständlicherweise nicht in unseren Kreis mit ein...jedenfalls nicht so nah an unseren Haaren und Kleidern - versuchten wir zu entscheiden, wohin wir uns als nächstes wenden sollten. "Was haltet ihr davon, wenn wir zu den Inseln von Lyes reisen? Sie liegen am nächsten und in den Sümpfen soll es ja einiges zu sehen geben..." fragend sah Cara in die Runde. "Die öztlichen Inzeln?" Etctera wirkte alles andere als begeistert: "Dir izt zchon bewuzt, dazz daz eine zehr lange Zchiffzreize werden wird?" Cara zuckte zusammen und verzog angewidert das Gesicht: "Das hatte ich fast vergessen..." Endroki schnaubte: "Für unz alle wäre ez wohl bezzer, wenn wir unz ein Ziel auzzuchen, dazz wir einfacher erreichen könnten. Wenn wir Rhenahn zchon verlazzen, dann,,," "Hast du etwas dagegen, Affronik?" unterbrach Sri ihn. "Eigentlich nicht. Nur daz Zchiff ztört mich!" Etctera und ich nickten eifrig, um unsere grenzenlose Zustimmung zu zeigen. "Aber es gibt nun mal keinen anderen Weg die Wüsten zu verlassen." seufzte Cara. Minutenlanges Schweigen folgte. Schließlich räusperte sich Etctera zögernd und blinzelte nervös von einem zum anderen: "Ich weiz ja nicht, ob...naja...waz wäre, wenn...wenn wir...wir..." unsicher brach sie ab. "Hast du eine Idee?" neugierig betrachtete ich die Affronik. "Ich...ich...waz izt mit den magizchen Zpiegeln?" stieß Etctera hervor. "Spiegel?" echote ich verwirrt. Dann bemerkte ich, dass Cara und Endroki sich seltsame Blicke zuwarfen, während Etctera auf den Boden starrte und unglücklich den geschuppten Schwanz sinken ließ. Argwöhnisch drehte ich den Kopf, um Sris Reaktion auf Etcteras mir vollkommen unverständlichen Vorschlag sehen zu können: Mit einem mulmigen Gefühl mußte ich feststellen, dass die sonst so quirlige Geconomi bewegungslos in der Luft hing. Selbst die Flammen ihres Körpers schienen, erstarrt und ihre großen kohlschwarzen Augen waren fest auf Etctera gerichtet. Was immer sie mit "Spiegeln" gemeint hatte - es schien nicht unbedingt ein Grund zur Freude zu sein... "Könnte irgendwer von euch mir vielleicht kurz erklären, was es mit diesen Spiegeln auf sich hat?" fragte ich und sah aufmerksam in die Runde. "Ez zind nicht nur Zpiegel! Ez zind magizche Zpiegel!" bemerkte Endroki und Cara fügte hinzu: "Das macht es ja so gefährlich! Ganz davon angesehen: Wo sollen wir hier einen Magier finden? Noch dazu einen, der etwas Erfahrung mit den Spiegeln hat?" Sprachlos und mit weit aufgerissenen Augen blickte ich die Dedane an. Magier? Hatte sie gerade tatsächlich "Magier" gesagt? "Daz dürfte wirklich zehr zchwer werden..." Endroki sah Etctera strafend an: "Wie bizt du nur auf dieze verrückte Idee gekommen? - Verrückt! Daz izt daz richtige Wort! Verrückt! Und zehr gefährlich! Nur gut, daz ez unmöglich izt!" "Wer sagt das denn?" fragte Sri ungewohnt zaghaft. "Wer zagt waz?" Aus zusammengekniffenen Augen musterte Endroki Sri, als ob er erwarten würde, dass sie ihm in den Rücken viel. -Und genau das tat sie dann auch: "Ich wüßte zum Beispiel, wo wir einen Magier finden könnten. Sogar mehrere. Es ist gar nicht weit von hier! Das ist interessant nicht?" Endroki warf ihr einen vernichtenden Blick zu. Etctera dagegen schien erleichtert zu sein, dass jemand ihre Idee unterstützte und lächelte Sri dankbar zu. "Wo denn?" erkundigte Cara sich nachdenklich. Endrokis Kopf ruckte augenblicklich herum und ein empörtes Knurren erklang. Doch Cara zuckte nur mit den Schultern: "Gefährlich ist es nur, wenn wir ohne einen erfahrenen Begleiter reisen. Aber auch dann nicht gefährlicher, als eine wochenlange Reise in einem zerbrechlichen Schiff über das Meer. Von Stürmen und der Seekrankheit rede ich erst gar nicht." "Alles ist besser als so viel Wasser!" pflichtete Sri ihr bei und obwohl ich nicht wußte, was hier eigentlich vor sich ging, konnte ich nur mit voller Zustimmung nicken. Endroki zögerte sichtlich: "Wo zind denn deine Magier, Zri?" "Ich weiß, dass es in einer Bucht an der Nordküste Rhenahns einen Turm gibt, in dem mehrere Magier leben sollen. Das würde ich so gern einmal sehen...Das ist bestimmt aufregend...." "Eine Schule?" Cara runzelte die Stirn. Dann hellte sich ihr Gesicht plötzlich auf: "Ich glaube, ich habe davon auch schon gehört! Lebt die alte De'ahl nicht dort?" "De'ahl?" wiederholten Etctera und ich wie aus einem Mund. Auch Endroki sah Cara fragend an. "Ich weiß nur, dass sie eine sehr mächtige und sehr alte Magierin ist. Sie ist es, die in ihrem Turm Andere in der Kunst der Magie unterrichtet." Cara sah zu Sri hinüber: "Zwei Tage von hier entfernt, wenn man direkt an der Küste entlang reist, oder?" Sri flackerte zustimmend. "Und dieze De'ahl wird unz bei den Zpiegeln weiterhelfen?" Endroki runzelte skeptisch die Stirn. "Es ist immerhin einen Versuch wert!" erwiderte Sri. "Besonders, wenn es uns die Schiffe erspart!" fügte Cara hinzu. Drei Tage waren seit diesem Gespräch vergangen. Die Sonne stand bereits tief am Himmel, als wir um eine Biegung des Weges ritten und direkt vor uns ein großer zerklüfteter Felsen auftauchte, der weit ins Wasser hinein reichte. Direkt auf diesem Felsen stand ein hoher Turm aus rotem Stein. Die Spitze des Turmes wurde von einem spitz zulaufenden Dach gekrönt und war von einer Art Balkon umgeben, der um das ganze Bauwerk herumreichte. Das Licht der Sonne brach sich in unzähligen kleinen Fenstern und von unserem Standpunkt aus konnten wir einen Weg erkennen, der von dem Turm fort verlief, sich bald darauf gabelte und so einmal zum Meer hinunter und einmal zur Küstenstraße führte. Um ehrlich zu sein sah der Turm unerwartet normal aus. Ich hatte etwas Großes und Erhabenes erwartet, bei dem einem sofort bewußt wurde, dass dort Magie im Spiel war. Aber an dem roten Turm auf dem Felsen ließ sich nichts derartiges entdecken. Es schien einfach ein ganz gewöhnlicher Turm zu sein. Ein wenig enttäuscht drehte ich mich im Sattel herum: "Ist es das?" Cara nickte. "Darin sollen wirklich Magier leben?" fragte ich zweifelnd. "Sicher." "Und wir müssen nur zum Eingang, anklopfen und nach De'ahl fragen?" "Ja." Das war wirklich normal. Absolut normal. Fast schon langweilig. Die Pferde setzten sich wieder in Bewegung . Langsam näherten wir uns dem Turm. Schon bald erkannte ich einen schmalen Pfad, der mitten auf der Wiese vor dem Turm begann, sich auf die rechte Seite des Gebäudes schlängelte und dahinter verschwand. Genau diesem Weg folgten wir. Auf der anderen Seite angekommen bemerkte ich ein riesiges Tor aus dicken Holzbalken. Wir hielten die Pferde an und saßen ab. Nebeneinander standen wir vor dem Turm und sahen an den Mauern hoch. "Einer von uns muß wohl klopfen..." meinte Cara und sah Endroki an. "Und warum zollte gerade ich daz tun? Klopf du doch an!" erwiderte Endroki. Cara schwieg. "Wenn ihr nicht wollt, versuch ich es einmal!", sagte Sri und schwebte auf die Tür zu. "Nein!" Erschrocken trat ich Sri in den Weg. -Mit geeignetem Sicherheitsabstand natürlich. "Wir wollen zwar in den Turm hinein, aber es wäre bestimmt höflicher, die Tür dabei ganz zu lassen...." "Schade....," zischte Sri traurig und schwebte wieder zurück: "Aber es wäre garantiert lustig geworden." Ich seufzte, konnte mir ein Grinsen aber nicht ganz verkneifen. "Wenn ich schon Mal so nah am Turm stehe kann ich genauso gut auch anklopfen!" Gesagt getan. Ich legte die letzten paar Meter bis zum Turm zurück. Als ich direkt davor stand legte ich den Kopf in den Nacken und sah an den Mauern hinauf. Mir wurde leicht schwindelig. Von so nahem wirkte der Turm noch beeindruckender. Ich richtete meinen Blick wieder auf die Tür. Dann holte ich noch einmal tief Luft, hob die Hand und klopfte so laut es ging an. Man konnte hören, wie das Geräusch schwach im Innern des Turmes widerhallte. Danach.... Stille. Nichts regte sich, keine Bewegung war aus dem Turm zu hören. Wir warteten. Und warteten. Und warteten. Doch immer noch nichts. Fragend drehte ich mich zu den anderen um: "Scheint so, als wäre niemand Zuhause. Was machen wir jetzt?" Sri brannte aufgeregt: "Das kann nicht sein! Sie muß da sein! Ich habe gehört, dass De'ahl den Turm schon seit Jahren nicht verlassen hat." Cara grinste. "Vielleicht ist sie schon so alt, das sie schon längst nicht mehr unter uns weilt? Bei so alten Schachteln weiß man ja nie...." "Alte Schachtel? Du scheinst wirklich eine freundliche junge Dame zu sein, meine Liebe." Leises Lachen war zu hören. "Es tut mir deshalb Leid dich enttäuschen zu müssen. Ich lebe noch und erfreue mich sogar bester Gesundheit." Verwirrt schauten wir uns um. Es war eindeutig die Stimme einer Frau, die die letzten Worte gesprochen hatte. Doch die Worte schienen aus dem Nichts zu kommen. Nirgendwo war jemand zu sehen, wir waren noch immer allein vor dem Turm. Die Tür war noch immer geschlossen und das Einzige was ich sah waren die suchenden Blicke der anderen. Noch während ich die anderen ansah, straffte Endroki die Schultern und trat vor: "Ihr zeid alzo De'ahl?" "Ja, mein Lieber. Und ich muß zugeben, dass ihr mich überrascht habt." Wieder ein Lachen. "Zwei Affronik, eine Dedane und eine Geconomi. Du hast wirklich interessante Weggefährten, meine Liebe." Von einer Sekunde auf die andere fühlte ich mich beobachtet. "Ich bitte vielmalz um Entzchuldigung, aber wo zeit ihr?" De'ahl kicherte. Eine Magierin, die kicherte! Dann sagte sie: "Keine Sorge, ich weiß was du meinst, mein Lieber. Kommt herein, ich warte im obersten Zimmer auf euch." Bei diesen Worten schwang die Tür lautlos nach innen auf und das Gefühl des Beobachtet werdens verschwand. Ich wartete, bis die anderen zu mir aufgeschlossen hatte, dann betraten wir den Turm. Gut. Wir waren also im Turm. Wir waren durch die große, aber leere Halle gegangen, die hinter sich hinter der Eingangstür befand. Ein vollkommen leerer Raum, ohne Türen oder Fenster oder irgendwelche Einrichtungsgegenstände. Nur zwei Fackeln, die den Fuß einer Treppe beleuchteten. Auch von weiter oben viel Licht auf die leeren Wände. Eine Treppe. Eine lange Treppe. Eine endlos lange Treppe! Stufe, um Stufe um Stufe, immer weiter in die Höhe. Seit bestimmt 15 Minuten gingen wir hinauf. Vorbei an den Fenstern, die wir von außen gesehen hatten, vorbei an kahlen Steinwänden. Keine Treppenabsätze mit Türen, die zu Räumen führten. In diesem Turm schien es nur diese Treppe zu geben, die sich an den Außenwänden des Turmes entlang zog. Wenigstens hatte sie ein massives Geländer aus Stein. Da ich nicht schwindelfrei war gefiel mir der Blick, der sich auf der anderen Seite des Geländers bot, nämlich ganz und gar nicht. Es ging viel, viel, viel zu tief nach unten.... Als ich schon dachte, es würde ewig so weiter gehen, konnten wir eine Tür am Ende der Stufen erkenne. Eine unscheinbare einfache Holztür, vor der wir keuchend und nach Luft schnappend stehen blieben. Wir sahen einander an. Endlich rang Car sich dazu durch anzuklopfen. Augenblicklich erklang ein klares "Herein". Cara öffnete die Tür und wir folgten ihr in das Turmzimmer, das dahinter lag. Erstaunt sah ich mich um. Durch mehrere Fenster, die von rüschenbesetzten weißen Vorhängen gesäumt waren, fiel helles Sonnenlicht und schien auf den dicken grasgrünen Teppich, der jeden Zentimeter des Bodens bedeckte. An den wände hingen - und das meine ich ernst - wirklich grauenvolle knallbunte und furchtbar kitschige Bilder. Darunter entlang der Wände standen Kommoden, deren Schubladen halb offen standen und überquollen vor lauter farbigen Bändern, karierten Socken, rüschenbesetzten Nachthemden, zerfledderten Papierstücken und unzählbaren Paaren Filzpantoffeln. Direkt daneben befanden sich vollgestopfte Truhen, Tische voll gestellt mit Nippes und anderem Krimskrams und nur ein einziges einsames Magier-typisches Regal mit ein paar alten Büchern. In einer Ecke stand ein gewaltiges Bett mit quietschrosa Samtvorhängen und in der Mitte gab es einen zerkratzten runden Glastisch, um den mehrere große Sessel gerückt worden waren. Sessel, deren Farben von zitronengelb über rostrot bis hin zu türkis reichten. Der ganze Raum zeugte kurz gesagt einfach nur von erschreckend wenig Geschmack. Und die Person, die ihre Besucher mit eben diesem quälte, saß in dem gelben Sessel. Magier. Jeder hat wohl eine Vorstellung davon, wie ein Magier aussehen könnte, sollte, muß. Große, weise alte Männer mit Brat in langen Gewändern, ernsthaft dreinblickende schöne Frauen mit weißen Haaren, Bücher, Zauberstäbe, Raben, spitze Hüte oder Beutel mit geheimnisvollen Zauberutensilien immer dabei. Genau so, sah De'ahl nicht aus. Sie war einfach... Nun ja, sie saß da in diesem Sessel. Sie war weder groß noch klein, nicht dick, noch dünn und man konnte beim besten Willen nicht sagen, wie alt sie war. Sie hätte uralt sein können oder jünger als ich. Sie hatte große braune Augen, schulterlange braune Locken und sie trug die häßlichsten Klamotten, die ich je gesehen hatte. Im Haar mehrere Schleifen in verschiedensten Grüntönen, dazu eine weiße Rüschenbluse, an der es mehr Rüschen gab als ich je in mein leben gesehen hatte. Um die Hüfte hatte sie sich in knallgelbes Tuch geschlungen, dass mit extrem violetten Herzen bedruckt war. Ihre Beine steckten in weiten Hosen: das rechte Bein eingehüllt von rotem, dass linke eingehüllt von himmelblauem Stoff, wobei sich unten am Saum mehre Schichten Rüschen aufbauschten. Die Füße steckten in weißen Wollsocken - dieses mal waren die Herzen darauf orange - und darüber trug sie mintgrüne Filzpantoffeln mit Bommeln. Diese Frau war eine wandelnde Beleidigung für die Augen! Trotzdem kostete es mich große Anstrengung meine Augen von ihr abzuwenden. Ein kurzer Blick auf Endroki und die anderen zeigte mir, dass es ihnen nicht anders ging als mir. Etctera hatte die Augen weit aufgerissen, ihr Maul stand halb offen, Endroki dagegen blinzelte unaufhörlich. Als würde sich dadurch etwas an dem Anblick ändern. Cara stand einfach nur da, schaute und schaute, während Sri gerade dabei war einen der Vorhänge in Brand zu stecken. Es dauerte einen Moment bis ich Begriff. "Sri! Geh da sofort weg!" Nun gelang es auch den anderen, De'ahl nicht mehr anzustarren. Beinahe gleichzeitig drehten sie die Köpfe zum Fenster. Sie sahen die brennenden Vorhänge. Etctera stieß ein erschrecktes Zischen aus, Endrokis Schwanz knallte auf den Boden - ich könnte nur die Bewegung sehen, dass Geräusch wurde von dem Teppich geschluckt - , Cara konnte nur starren und De'ahl.....De' ahl lachte! "Kein Grund zur Aufregung, meine Lieben!" Mit diesen Worten hob sie die Hand und von einer Sekunde zur anderen verschwanden die Flammen "Oh....." machte Sri traurig: "Schade. Das war wirklich lecker! Und die Aussicht ist hier wirklich ganz toll!" Die Magierin lachte wieder. "Hungrig, wie? Naja, nach dem Marsch die Treppe hinauf..." Sie kicherte. Cara funkelte De'ahl empört an, doch die Magierin schien es gar nicht zu bemerken. Statt dessen räkelte sie sich in ihrem Sessel und deute dann auf die noch freien neben ihr. "Setzt euch doch und macht es sich bequem! Dann läßt es sich auch besser reden." Mit einem Blick auf Sri fügte sie dann noch hinzu: "Und wenn du dir vielleicht einen Platz möglichst weit entfernt von brennbaren Materialien suchen könntest....." Sri zischelte enttäuscht, während Cara und ich halb in unseren Sesseln versanken und die Affronik sich bemühten eine halbwegs bequeme Portion zu finden versuchten, bei der ihr Schwanz nicht allzu sehr störte. "Also: Was kann ich für euch tun?" "Wir.....naja....." Cara druckste ein wenig herum, doch dann begann sie noch einmal von vorne: "Wir würden gerne zu den östlichen Inseln reisen und wir haben gehört, dass du Erfahrung mit den magischen Spiegeln hast." "Ah." De'ahl lächelte: "So läuft der Hase also..." Sie betrachtet uns der Reihe nach. "Das der Seeweg für euch nicht in Frage kommt, kann ich verstehen. Die Geconomi und auch die beiden Affronik haben nach ihrem Leben in der Wüste bestimmt nicht viel für das Meer übrig...." "Heizt daz, daz ihr unz helfen könnt?" fragte Etctera hoffnungsvoll. "Folgt mir." erwiderte De'ahl und erhob sich. Kapitel 22 ---------- Die Magierin führte sie aus dem Raum hinaus. Gemeinsam stiegen sie ein gutes Dutzend Stufen hinab. Dann wandte De'ahl sich der Wand zu ihrer Rechten zu und streckte ihre Hand aus. Ich blinzelte...und von einer Sekunde zur anderen befand sich eine Tür unter De'ahls tastenden Fingern. ? Eine silbern schimmernde Tür mit einem sternförmigen Griff. An eben diesem zog De'ahl, die Tür öffnete sich und ohne zu zögern trat De'ahl hindurch und war nicht mehr zu sehen. ? Kein Wunder, denn hinter der silbernen Tür lauerte absolut Dunkelheit. Stille Dunkelheit, denn weder das rascheln von De'ahls Kleidern noch das Geräusch ihrer Schritte noch sonst ein klaut war daraus zu hören. Keine Bewegung war zu erahne, geschweige denn zu sehen, nicht ein Lichtschimmer drang über die Türschwelle. Es war einfach nur schwarz. Unschlüssig sahen wir uns an. Und noch während wir dies taten flog Sri mit einem freudigen "Wie lustig!" durch die Tür. Endroki wirkte einen Moment lang irritiert und zwinkerte die Stelle an, an der Sri genau wie die Magierin zuvor in der Dunkelheit verschwunden war. Dann zuckte er mit den Schultern und folgte den beiden. Ich beobachtete, wie auch er von der Schwärze verschluckt wurde. Nun standen nur noch Cara und ich auf der langen Treppe. Also holte ich seufzend einmal tief Luft und trat vor. Ein Schritt. Noch einer. Beim dritten ging ich unter dem Türrahmen hindurch. Dunkel. Still. Und vor allem kalt! Eisig kalt! Zitternd stand ich in der Dunkelheit und sah mich um. Nichts. Nichts. Nur schwarz. Also ging ich weiter. Erster Schritt. Zweiter Schritt. Dritter Schritt. - Und plötzlich blendendes silbernes Licht. Überrascht sah ich mich um. Vor mir lag ein kleiner kreisrunder Raum, in dem alles silbern war. Silbern und kalt, denn alles schien von einer dünnen Schicht Rauhreif überzogen zu sein. Der Boden, die Decke, die glatten Wände. Ich drehte mich einmal um mich selbst. Es gab keine Fenster, nur die Tür hinter mir, hinter der es auch von dieser Seite aus gesehen stockdunkel war. Es gab auch keine Möbel im Zimmer. Nur De'ahl, Sri, Endroki und ich. Die anderen drei standen in der Mitte des Raumes, hatten mir den Rücken zugewandt und starrten auf den Boden vor ihren Füßen. Plötzlich spürte ich jemanden hinter mir, drehte mich um und konnte gerade noch sehen, wie Cara aus der Schwärze trat. Sie sah sich kurz im Raum um. Dann sah sie mich an. Mit leichtem Nicken des Kopfes wies sie auf die anderen. Ich nickte zustimmend. Gemeinsam gingen wir zu De'ahl und unseren Freunden. Sie standen um einen in den Boden eingelassenen kreisrunden weißen Stein herum,. Er hatte einen Durchmesser von bestimmt zwei Metern und schimmerte leicht. Silberne Punkten blitzen immer wieder auf seiner Oberfläche auf. "Waz izt daz?" neugierig betrachtete Endroki den Stein. De'ahl grinste fröhlich: "Das was ihr gesucht habt." Einen Moment lang war es ganz still. "Soll das heißen das ist der magische Spiegel?" fragte Etctera verwirrt. De'ahls Grinsen wurde breiter: "Genau" "Hmm." Machte Cara und Sri sagte glücklich: "Wie interessant! Wirklich lustig!" "Und wie zollen wir nun...." "...da hindurch?" vervollständigte De'ahl Endrokis Satz: "Ganz einfach. Doch zunächst muß ich erstmal ganz genau wissen wohin ihr wollt." "Zu den Inzeln von Lyez," Endroki zögerte und sah einem nach dem anderen an: "Nur welche davon? Die Hauptinsel? Oder eine der drei kleineren?" "Mmm," machte Sri: "Auf welcher gibt es am Meisten Bäume?" "Genau! Zu der werden wir dann nämlich ganz bestimmt nicht reisen!" Sagte Cara bestimmt. Sri zischte. "Willst du, das ich verhungere?" "Nein, aber ein kleine Diät würde dir bestimmt auch nicht schaden." Cara grinste und Sri flackerte empört. "Welche ist denn die Interessanteste? Wenn wir schon reise, soll es sich auch lohnen," meinte ich. "Daz wäre Nerva." Endroki sah in die Runde: "Zind alle damit einverstanden?" Cara, Etctera und ich nickten, Sri zischte zustimmend. Daraufhin sah Endroki De'ahl an. "Alzo Nerva." De'ahl nickte: "In Ordnung." Dann schloß sie die Augen. Es war totenstill im Raum. Einige Augenblicke lang geschah nichts, doch dann wurde das Aufblitzen der silbernen Punkte auf der Oberfläche des weißen Steins intensiver. Immer mehr Punkte erschienen, wurden größer und leuchteten immer stärker auf. Es wurden immer mehr, bis der Stein regelmäßig in einem silbernen Licht glühte. De'ahl öffnete wieder die Augen: "Seit ihr soweit?" Wir sahen uns an und nickten. "Gut. Dann stellt euch einfach alle zusammen auf den Stein." Zögernd betrachte ich den strahlenden Boden. Cara trat vor, dicht gefolgt von Sri. Etctera und Endroki wirkten nicht allzu überzeugt oder begeistert und stellten sich ebenfalls auf den Stein. Also machte auch ich einen Schritt nach vorn. Dicht nebeneinander blieben wir alle auf dem silbernen Kreis stehen. De'ahl lächelte: "Es war nett euch kennen gelernt zu haben." Und damit löste sich der Boden unter meinen Füßen auf. Erschrocken schrie ich auf und fiel mit den anderen zusammen rasend schnell in die Tiefe. Ich war von dem gleichen silbernen Leuchten umgeben, auf dem ich kurz vorher noch gestanden hatte. Wohin ich auch blickte, überall war ich von silbernen Licht umgeben. Und ich fiel. Fiel einfach immer weiter und weiter. Ich schrie nicht mehr, aber das Gefühl zu stürzen und nicht zu wissen, wie dieser Sturz enden würde war entsetzlich. Ich hatte eine Gänsehaut und die Augen weit aufgerissen, während ich am ganzen Körper zitterte. Ob der Aufprall sehr hart werden würde? Panisch sah ich mich um. Ein Stück weiter rechts glaubte ich ein rotes flackerndes Licht zu sehen. Das mußte Sri sein. Doch von den anderen war nichts zu sehen. Gerade als ich ihr zurufen wollte, war das silberne Licht von einem Moment zum anderen verschwunden. Über ihr war blauer Himmel, unter mir..... Es machte Platsch. Also nicht unter mir, sondern um mich herum war Matsch. Eine äußerst unappetitliche Mischung aus Dreck, eiskaltem Wasser und grünen Schlingpflanzen, in das ich fast knietief eingesunken war. Knietief, wenn ich gestanden hätte. Da ich mit dem Hosenboden voran gelandet war und bei dem Aufprall einiges des Morastes empor gespritzt war, war ich so gut wie überall mit Grünzeug und Dreckklumpen bedeckt und dazu noch völlig durchnäßt. "Würdezt du bitte von meinem Zchwanz aufztehen?" Ich sah sich um. Dicht hinter mir ragte etwas aus dem Schlamm, das wie das Ungeheuer von Loch Ness aussah und mit Etcteras Stimme sprach. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen und rappelte sich auf, damit ihr Schwanz wieder frei kam. Ein paar Meter weiter kämpften sich auch Cara und Endroki aus dem Schlamm. Sri....Sri schwebte mitten über dem dreckigen Loch und knisterte derart fröhlich und schadenfroh, das ich zog es das Geräusch lieber zu ignorieren. Statt dessen massierte ich mir den Hintern. Egal wie weich Schlamm und Wasser auch sonst sein mochten, wenn man aus einer gewissen Distanz darin landete, war das nicht so angenehm. Außerdem klebten mir die verschmutzen am Kleider am Körper und durch das kalte Wasser wurde mir langsam aber sicher kühl. "De'ahl hätte sich wirklich etwas mehr Mühe bei der Auswahl des Landeplatzes geben sollen! Uns einfach so fallen zu lassen..." wetterte Cara.. "Wie geht der Spruch noch mal? Nein, nicht abgestürzt, nur die Landebahn verfehlt..." knurrte ich. "Ich versteh gar nicht, was ihr habt." Sri wuselte fröhlich zu ihnen herüber. "Zag lieber nichtz!", drohte Etctera. Während Cara, Endroki, Etctera und ich so gut es geht versuchten den Schmutz aus unserer Kleidung zu bekommen, sahen wir uns um. Wir waren mitten....mitten im Grünen gelandet. Wohin ich auch blickte: Grün. Wald. Bäume, riesige Büsche, hüfthohes Gras. Schlingpflanzen und Lianen hingen von den Ästen der Bäume und verbanden diese so mit dem Gebüsch, der Himmel war durch die Baumkronen kaum noch zu sehen. Wir befanden uns auf einer kleinen Lichtung, die eigentlich nur aus dem dreckigen Loch bestand, in dem wir gelandet waren. Ein paar Schritte weiter, direkt am Waldrand tauchten die Pflanzen in einer leichten Schleier aus Nebel ein, der langsam sacht hin und her wogte und alles etwas verschwommen wirken ließ. Die Luft war sehr feucht und kühl, vor allem im Vergleich zur Hitze des Wüstenkontinents. Bis auf das Schimpfen und die raschelnde Kleidung der anderen war es still. Sehr still. Weder ein Vogel noch das Rauschen der Blätter oder etwas anderes waren zu hören. "Wo sind wir hier?", fragend sah ich die anderen an. Nun sahen sich auch die anderen um. "Das ist eindeutig Nerva." Cara drehte sich einmal um sich selbst: "Ich habe noch nicht viel über die Inseln von Lyes gehört, aber das was ich weiß ist, dass es hier vor allem Sümpfe und hohe Berge gibt." "Alzo von Bergen zehe ich hier nichts." Etctera wirkte nicht sehr glücklich, als sie den Wald musterte. "Es ist viel zu naß hier!", beschwerte sich Sri: "Was ist das für ein merkwürdiges dunstiges Zeug?" "Nebel." "Irgh," machte Sri: "Ich glaube den mag ich nicht." Sie flog etwas näher an mich heran. "Hat jemand einen Vorzchlag, in welche Richtung wir laufen zollten? Ich jedenfallz habe keine Ahnung." Endroki schüttelte sich, das der Dreck nur so von im spritzte. Schweigen. "Alzo niemand." Er überlegte: "Hat jemand waz dagegen geradeauz zu laufen?" Kollektives Kopfschütteln. Also liefen wir los. Eins ist sicher: Ich rate keinem zu Waldspaziergängen in nassen, vollkommen dreckigen Kleidern. Stundenlang liefen wir durch den Wald auf Nerva. Kaum waren wir in den Wald eingetaucht, als der Nebel den Boden verwischten, so das wir kaum noch was erkennen konnten. Viel zu sehen gab es auch nicht. Überall nur Bäume und Büsche und Grün. Hin und wieder tauchte ein Tümpel in unserem Weg auf um den wir herum laufen mussten. Manchmal erkannte man diese Stellen nur daran, dass das hohe Gras an ihren Ufern zurück wich. Nachdem Etctera einmal direkt ins Wasser marschiert war, wussten wir, worauf wir zu achten hatten. Sri blieb immer dicht bei mir. Die Umgebung gefiel ihr gar nicht. Mir ehrlich gesagt auch nicht. Menschen und vor allem Nebel- und Windsänger sollten hier leben. Von Menschen oder Wind hatte ich noch nichts bemerkt, aber Nebel gab es eindeutig. Was Nebelsänger wohl taten? Oder waren? Hatte Endroki nicht auch was von Geistern erwähnt? Auf die könnte ich gut verzichten! Noch während ich so in Gedanken versunken durch den Wald stapfte, verschwand dieser plötzlich. Ohne das es vorher zu erkennen gewesen wäre, traten die Bäume und Sträucher zurück und wir blickten auf eine große Ebene. Nebelschwaden zogen auf der grasbewachsenen Ebene hin und her, in einigen Kilometern Entfernung ragten die Gipfel mehrere Berge aus den wogenden Schleiern auf. "Immerhin sind wir aus dem Wald raus!"Cara seuftze. Wir gingen weiter. Mitten hinaus auf die Ebene. Der Nebel tanzte um uns herum, während wir stur weiter auf die Berge zu hielten. Ein oder zwei Stunden später, lahmen Beinen und frierend, blieb ich stehen. "Wie lange müssen wir denn noch laufen?" Ich klang wie ein quengelndes Kind, aber so langsam reichte es mir. Etctera und Cara Schein es ähnlich zu gehen, denn wir entschlossen uns zu einer Pause. Nur Sri war noch munter und schlug vor, ein Stück voraus zu fliegen, um zu sehen, ob es dort etwas gab. Müde lies ich mich ins Gras fallen. Cara setzte sich hinter mich und Rücken an Rücken lehnten wir uns aneinander. Schon nach kurzer Zeit kam die Geconomi wieder aus dem Nebel angeflogen. "Da hinten ist eine Stadt! Wenn man ein wenig weiter läuft, sieht man es!...Blöder Nebel..."zischte sie. Neu motiviert standen wir alle auf und folgten ihr. Nur ein paar Minuten später erschienen wirklich schwache eckige umrisse im Nebel und je näher wir kamen, desto besser erkannten wir ein kleines Dorf. Zehn oder Zwölf quadratische Hütten mit flachen Dächer, die um einen ebenfalls quadratischen Platz herum standen. Die Gebäude selbst waren grün. Sie scheinen aus Lianen und anderen Pflanzen gebaut zu sein. Oder besser geflochten zu sein. Niemand war zu sehen. Doch aus den meisten Hütten schimmerte Feuerschein aus kleinen Fenstern, dicht unter der Dach. Entschlossen hielt Cara auf die Tür des nächstbesten Hausees zu. Sie zögerte einen Moment als sie erkannte, dass auch die Tür aus Pflanzen bestand, an die sich nicht gut klopfen ließ. Trotzdem stieß sie dagegen und rief leise: "Hallo? Jemand Zuhause? Wir sind gerade angekommen und suchen eine Möglichkeit zum übernachten." "Und zum Baden!"fügte sie nach einer kleinen Pause hinzu. Gleich darauf schwang die grüne Tür zur Seite und in der Türöffnung stand jemand. Ob Mann oder Frau ließ sich nicht sagen, denn die Gestalt war von oben bis unten in einen langen grauen Umhang mit Kapuze gehüllt. Der Mantel schien sich zu bewegen....wie der Nebel draußen. Das Gesicht war ein grauschwarzer Fleck. Begegnete ich hier nur seltsamen Leuten? Offenbar. "Guten Abend"sagte der die das Graue. Denn selbst die Stimme der grauen Person war "grau". Man konnte nicht erkenne, ob ein Mann oder eine Frau sprach, wie der Nebel und der Mantel schien die Stimme zu wogen, obwohl der Tonfall kühl und neutral war. "Ein Nebelsänger."Flüsterte ich. Ich war mir ganz sicher. Die Gestalt in der Türöffnung nickte. "Gäste sind mir immer willkommen. Kommt herein."Es trat zur Seite und machte eine einladende Geste. Nacheinander traten wir ein. Das Innere der Hütte war grün und grau. Eine Feuerstelle, ein Bett, ein Tisch mit Stühlen und ein paar Regale, alles aus Pflanzen gewoben. "Nehmt doch Platz."Das Graue deutete auf die Stühle: "Das Essen ist zufälliger Weise bald fertig. Und was das Bad angeht..." Ich glaubte ein leichtes Lächeln zu sehen. "Auf der anderen Seite des Dorfes ist ein kleiner See. Er wird von einer heißen Quelle gespeist. Wenn euch das laufen nichts ausmacht..." "Überhaupt nicht!"kam es von allen Seiten. Naja, fast allen, Sri sagte zwei andere Worte: "Bäh, Wasser." "Wenn ihr wollt könnt ihr gleich noch hinüber laufen. Direkt am anderen Ende des Dorfes, ihr könnt es nicht verfehlen." Die Gestalt ging zu einem der Regale und nahm ein paar umhänge zur Hand. "Die könnt ihr anschließend anziehen. Sie werden euch auch gleich trocknen." Cara nahm ihm die Sachen aus der Hand. "danke" Sie wandte sich Sri zu: "Ich nehme an, du bleibst lieber hier?" Sri schwebte auf und ab: "Ja, ich bleibe beim Feuer. Wenn unser Gastgeber noch Holz hätte....Ich helfe gern beim kochen." "Ich kann mir vorstellen, wie dieze Hilfe auzieht."Brummte Endroki. "Zolange das Ezzen dadurch warm wird, zoll ez unz egal zein."meinte die andere Affronik, nahm dem grauen die Mäntel aus der Hand und zu viert machten wir uns auf den Weg zum See. Im Dorf war immer noch niemand zu sehen. Direkt hinter den Häusern am anderen Ende des Platzes mussten wir nur noch ein paar schritte zurück legen, dann wurde der Nebel dichter und umwallte die flach abfallenden Ufer eines kleines Sees. An der einen Seite sprudelte eine kleine Quelle, in der Mitte des Sees raten große Moos bewachsene Felsen aus dem Wasser und teilten den See in zwei nahezu gleichen helfen. "Du linkz wir rechtz."bestimmte Etctera und gab Endroki einen der mäntel. Er murmelte etwas unverständliches, sein Schwanz peitschte einmal durchs Gras, dann trottete er davon. Zusammen mit der Affronik und Cara lief ich ein Stück um den See herum, bis die hohen Felsen die Sicht auf die andere Hälfte des Gewässers verdeckte. Schnell zogen wir die schmutzigen Kleider aus und stiegen ins Wasser. Es war herrlich warm. Nicht zu heiß, einfach wunderbar warm und angenehm. Still ließen wir uns eine Weile treiben, schwammen und wuschen uns die Haare. Beziehungsweise die Schuppen. Als meine Finger schon ganz schrumpelig wurden, wuschen wir unsere schmutzigen Sachen aus, sprangen aus dem Wasser an die kalte Luft und zogen uns die grauen Mäntel über. Die Feuchtigkeit, die noch auf unserer Haut war, schien von den Mäntel aufgesogen zu werden. Leichter Dampf stieg von dem Stoff auf. Oder war es Nebel? Endroki wartete schon bei den Hütten auf uns. Seine schuppen glänzten im Licht der untergehenden sonne, die gemächlich hinter die Berge am Horizont kroch. Der Nebel schien dichter zu werden und stieg vom Boden nun immer höher. Bald würde man gar nichts mehr sehen können. Schnell liefen wir zu der Hütte hinüber, in der Sri auf uns wartete. Oder besser gesagt, wo Sri fröhlich prasselnd in der Feuerstelle saß, das Holz vertilgte und dabei einen Kessel über ihr erhitze. "Da seid ihr ja wieder! War es interessant?" Sie überlegte einen Moment: "Nein, bei so viel Wasser ist das wohl nicht möglich." Damit wandte sie sich dem nächsten Holzscheit zu. "Das essen ist fertig. Setzt euch doch." Unser Gastgeber deutete auf die Stühle und füllte anschließend ein paar Schalen mit einem grau-grünen Brei. Ich schnupperte skeptisch, als ich meine Schüssel in Händen hielt. Vorsichtig probierte ich. Es schmeckte besser als es aussah. Es schmeckte sogar ziemlich gut! Hungrig begann ich zu essen. Während wir alle munter mampften, begann der Graue zu sprechen: "Bevor ich euch fragen stelle, sollte vielleicht erst ich etwas erzählen. Da ihr nicht von hier kommt..." Er warf den Affronik und der Geconomi einen Blick zu und überlegte einen Moment. "Wir haben nicht oft Besuch in unserem Dorf, obwohl wir es gern anders hätten. Die meisten mögen den Nebel nicht." Sri knisterte verständnisvoll. "Unser Dorf hat keinen Namen und es gibt nicht viel hier. Aber wir alle leben gern an diesem Ort. Auch wegen des Nebels." Wieder glaubte ich ein schwaches Lächeln zu sehen. Dann fiel der Blick unter der grauen Kapuze hervor auf mich. "Wie die junge Dame schon ganz richtig vermutet hat, bin ich ein Nebelsänger. In diesem Dorf leben nur Leute meines Volkes. Es ist der ideale Ort für uns. Ach ja! Entschuldigt, das ich so unhöflich war! Mein Name ist Laurin." Ich schluckte hastig den letzten Bissen hinunter und die stellte mich und die anderen vor. Laurin nickte freundlich. "Wenn ihr wollt könnt ihr heute Nacht hier übernachten." "Und was ist mit dir?" "Heute nacht sind wir alle unterwegs. Wir müssen noch ein paar Vorbereitungen treffen, denn in zwei Nächten findet die Feier zum Doppelmond statt. Wenn ihr wollt, könnt ihr so lange hier bleiben. Wir haben gerne Gäste." "Eine kleine Pause könnte nicht schaden...."meinte Cara: "Nach der Sache mit dem Spiegel brauche ich eine kleine Pause." Ich stimmte ihr sofort zu und auch Endroki und Etctera hatten nicht eggen einen kleinen Aufenthalt. "Das ist schön! Ich werde es nachher den anderen im Dorf erzählen."Laurin zeigte auf das unterste Regalbrett in einer Ecke. Dort sind Decken. Macht es euch gemütlich. Fühlt euch wie Zuhause, vor Sonnenaufgang bin ich nicht zurück." Kapitel 25 ---------- Am nächsten Morgen wurde ich durch einen Sonnenstrahl geweckt, der durch eines der Fenster unter dem Dach direkt in mein Gesicht fiel. Zusammen mit Cara teilte ich mir das Bett. Um sie nicht zu wecken, stand ich vorsichtig auf, schlich an den anderen auf dem Boden vorbei und ging nach draußen. Die Sonne ragte gerade ein wenig über den Wipfeln des Waldes auf. Wie nicht anders zu erwarten, lagen dünne Nebelschwaden über der Ebene und zwischen den Häusern des Dorfes. Wie schon am Tag zuvor, war keine Seele zu sehen. Nur das sanfte Pfeifen des Windes, der böenartig über das Land strich war zu hören. Ich atmete tief ein. Die Luft roch so gut, frisch, nach Gras und Sonne. Ich fühlte mich pudelwohl. Zufrieden lief ich wie schon am Abend zuvor wieder zu dem See hinüber und setzte mich ans Ufer. Ich saß einfach nur da und sah auf die Wasseroberfläche. Das leise Gurgeln der Quelle, das klare Wasser, der Nebel der allem eine verwunschene Aura gab... "Du bist früh wach." Ich sah auf. "Guten Morgen Laurin." "Guten Morgen. Ich hoffe, du hast gut geschlafen?" Ich nickte. "Es ist wunderschön." Laurin setzte sich neben mich ins Gras. "Wenn das Fest beginnt, wird es noch schöner sein." Ich sah ihn fragend an, aber er antwortete nicht. Schweigend saßen wir eine Weile nebeneinander. Schließlich tauchte Sri aus dem Nebel auf und verkündete, die anderen hätten Hunger und das sie sich wieder bereit erklären würde zu kochen. Gemeinsam gingen wir zurück zu den anderen, um zu frühstücken. Den Tag verbrachten wir damit schwimmen zu gehen, in der Sonne zu liegen, durch das hohe Gras der wiesen um das Dorf herum zu laufen, zu reden und einfach nur faul zu sein. Nach dem Abendessen machte sich Laurin wieder auf mit den übrigen Dorfbewohner das Fest vorzubereiten. Wir anderen blieben einfach sitzen und jeder hing seinen Gedanken nach. Wie schon oft zuvor dachte ich an Zuhause. Ich war hier und es gefiel mir dort, wo ich war. Neue freunde und diese Welt... Aber was meine Eltern und June wohl gerade taten? Wie war es? Hatten sie bemerkt, dass ich nicht da war? Oder verging in wie vielen Geschichten, die ich kannte, keine Zeit, während ich hier war? Ich war mir sicher, dass das hier real war. Träume waren nicht so...schmerzhaft. Würde es mir gelingen, wieder nach hause zu kommen? Eilig hatte ich es damit bestimmt nicht. Es gefiel mir hier. Es war wie in meinen Träumen. Nicht immer alles wunderbar und Friede, Freude, Eierkuchen, aber das konnte man wohl auch nicht wirklich erwarten. Solange ich hier in dieser Welt war, würde ich das ausnützen! Trotzdem hatte ich Heimweh. "Denkst du an dein Zuhause?" Caras Frage unterbrach meine Gedanken. Ich nickte. "Hazt du Heimweh?" Endroki sah mich besorgt an. Wieder nickte ich "Wie ist es bei dir Zuhause? Bestimmt sehr spannend und interessant?" neugierig flog Sri näher. Ich überlegte einen Moment. "Meine Familie ist da. Meine Freunde. Ich bin dort aufgewachsen und es gefällt mir. Es ist eben meine Heimat. Obwohl....Gut ist es dort auch nicht immer. Vieles macht mir Angst. Die Menschen bei mir Zuhause...es gibt viele Kriege. Schreckliche Kriege. Es gibt so viele Gründe, warum Menschen bei uns sterben oder verletzt werden...." "Also gefällt es dir hier besser?" Sri flackerte aufgeregt. "Man kann es nicht vergleichen. Es ist sehr schön hier, aber meine Heimat ist eben meine Heimat." "Ich verztehe waz du meinzt." Sagte Etctera leise: " Ich vermizze unzere Höhlen. An daz viele Licht habe ich mich inzwizchen gewöhnt, aber meine Höhle..." Endroki nicht bedrückt. "Bereut ihr, das ihr mit mir gekommen seit?" "Nein!" Endroki wirkte sehr bestimmt. "Daz ich einez Tagez zo viel von Coldah zehen würde...Daz hätte ich nie gedacht." Etctera warf Sri einen Blick zu: "Ez izt wirklich zehr interezzant." Sri flackerte fröhlich und auch Cara und Endroki nickten. "Wenn wir wieder Zuhause sind, werden wir sehr viel zu erzählen haben!" Cara lächelte mir aufmunternd zu. Ich lächelte dankbar. Bald darauf legten wir uns alle schlafen. Auch der nächste Tag verlief ereignislos, jedenfalls bis zum Sonnenuntergang. Meine Freunde und ich waren gerade mit dem Abendbrot fertig, als Laurin ins Haus trat. "Wenn ihr mir bitte folgen würdet..." Die Sonne war schon fast hinter den Bergen verschwunden, der Nebel wurde dichter, aber überall auf dem Platz waren Fackeln in den Boden gesteckt worden. Ein Lichtermeer zwischen wogenden Nebelschwaden. Zum ersten Mal seit unserer Ankunft hier, waren Menschen zu sehen. Besser gesagt Nebelsänger. Viele Nebelsänger. Überall auf dem Platz standen in graue Umhänge gehüllte Gestalten. Mehr als zwanzig, vielleicht dreißig Personen. Der Nebel umspielte ihre Körper und das Fackellicht war zuckende Schatten auf sie. Doch trotz des Lichtes, bleiben die Gesichter dunkle Flecken unter den Kapuzen. "Wenn ihr wollt, könnt ihr euch hier auf den Boden setzen." Laurin deutete auf den Boden zwischen zwei Fackeln zu unserer Rechten. Wir gingen hinüber und noch während wir uns nieder ließen, traten die Nebelsänger näher, bis sie einen lockeren Kreis um die Mitte des Platzes bildeten. Auch wir gehörten zu diesem Kreis, doch im Gegensatz zu den Nebelsänger, standen wir nicht. Sie standen einfach nur da, vollkommen regungslos, ohne sich zu bewegen. Ich hatte mich gerade gefragt, was das für ein seltsames Fest sein sollte, wenn alle stocksteif in der Gegend herum standen und keinen Ton sagten, da begann es. Ganz leise zuerst, kaum wahrnehmbar. Ich dachte sogar zunächst, ich hätte mich verhört. Doch da war es. Ein leiser, sanfter Laut, der durch den Himmel über dem Platz wehte. Es waren keine richtigen Worte, nur......Töne. Ruhig und doch irgendwie.....lebendig. Unter de Kapuzen der grauen Gestalten war nichts zu erkennen, aber es bestand mein Zweifel. Die Nebelsänger sangen. Die Melodie wurde lauter, wand sich um sich selbst, bildete verschlungene Muster und wurde intensiver. Alle außer mir und meinen Freunden sangen. Die Nebelsänger sangen. Und der Nebel begann zu tanzen. Es begann mit der weißen Luft in der Mitte des Kreise und griff schließlich auch auf die Schwaden um uns herum über. Der Nebel bewegte sich. Erst schwach, doch in dem Maße, in dem die Musik anschwoll, wurden die Bewegungen stärker. Die Nebelschwaden wogten im Einklang mit dem Gesang hin und her, begannen dann zu wirbeln, bildeten Strudel aus denen rankenartige Stränge krochen. Sie scheinen den ganzen Himmel zu überziehen, ein verworrenes Dach aus Nebel durch das hin und wieder der dunkle, sternenbedeckte Nachthimmel blitzte. Die Melodie veränderte sich und mit ihr die Formen des Nebels. Die weißen Wolken tanzten um uns herum, der Gesang füllte meinen ganzen Kopf, bis ich an nichts mehr denken konnte, sondern nur noch staunend den wunderschönen Klängen lauschen und dem faszinierenden Wirbeln um mich herum zu sehen konnte. Wie gefangen saß ich da und hörte den Nebelsängern zu. Ich merkte gar nicht, wie die Zeit verstrich. Ich war regelrecht verzaubert von der Musik und dem Tanz des Nebels. Fast die ganze Nacht über sangen sie. Selbst als sie geendet hatten, hingen die Töne noch in meinem Kopf, verfolgten mich bis in den Schlaf. Ich träumte von den Wesen, die im Nebel lebten und für ihn sangen, ihn zum tanzen brachten und deren Stimmen dabei so unglaublich glücklich klangen. **************************** Hallihallo! Seit langem mal wieder ein neues Kapitel. ^^ Ich bin zur Zeit leider total im Streß....Ich HASSE mündliche Prüfungen!! >.< Ich hoffe, ihr hattet viel Spaß beim Lesen! Bye Pitri Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)