Jenseits der Träume von abgemeldet ================================================================================ Auf und ab. Auf und ab. Hin und her. Hin und her. Hoch und runter. Auf und ab. Hin und her. Immer und immer wieder. Ohne eine einzige ruhige bewegungslose Sekunde. Ich stöhnte gequält und dachte krampfhaft daran nicht an Essen zu denken, während ich mit geschlossenen Augen in meiner schmalen Koje lag. Durch das winzige geöffnete Bullauge zu meiner Rechten fiel ein Streifen Sonnenlicht in die enge Kajüte. Eine frische Brise vertrieb den muffigen Geruch und die abgestandene Luft aus dem kleinen Raum auch nicht vollständig. Vom Deck, direkt über meinem Kopf erklangen die rauhen Rufe und die schweren Schritte der Seeleute, die Segel flatterten im Wind und die Masten knarrten im Wind, während unter mir unablässig die Wellen gegen den Rumpf des Schiffes rollten. Aber all das änderte nichts daran, dass ich seekrank war. In meinem ganzen Leben war mir noch nie so schlecht gewesen. Selbst heute wird mir noch ganz anders, wenn ich nur daran denke... Wenigstens behauptete der Kapitän der "Wogentänzerin", dass dieser Zustand bald ein Ende hätte... Der Kapitän klang darüber selbst ausgesprochen erleichtert und auch auf Endrokis und Etcteras wehleidigen Gesichtern, die sich kurzzeitig von der Meeresoberfläche abgewandt hatten, stand die Vorfreude deutlich geschrieben. In Anbetracht der Tatsache, dass noch zwei Tage auf See vor uns lagen, wünschte ich mir nichts mehr, als das er recht hätte. Und die übrige Besatzung hoffte das wohl auch, denn wenn sie sich zu Beginn der Reise noch begeistert über die ungewohnte Begleitung gezeigt und sich über uns das Maul zerrissen hatten, wollten sie uns fünf inzwischen so schnell wie möglich wieder loswerden. Denn ich war nicht die Einzige, der es schlecht ging: Endroki und Etctera wirkten ungewöhnlich blaß und hingen vom ersten Tag an ununterbrochen über der Reling. Cara verließ ihre Kajüte nur, um den Kapitän zu fragen, wann diese Hölle endlich ein Ende finden würde. Sri jammerte in ihrem engen gläsernen Gefängnis, dass diese Reise nur ein schlimmes Ende nehmen könnte - bei so unendlich viel Wasser blieb einfach keine andere Möglichkeit. Außerdem würden wir das Land vermutlich nie wieder sehen und dann würde sie natürlich irgendwann einmal genug Hunger haben und das ganze Schiff verschlingen. Als ich mich für kurze Zeit konzentrieren und genauer darüber nachdenken konnte, kam ich zu der Überzeugung, dass meine Freunde und ich vermutlich der Albtraum jedes Seemannes waren. Ehrlich gesagt bewunderte ich sie für ihre Geduld. Ich an ihrer Stelle hätte mich schon längst über Bord und den Haien zum Fraß vor geworfen....Fraß...Fleisch...Essen...Abrupt riß ich die Augen auf, stürzte blitzartig zum Bullauge, steckte den Kopf heraus und übergab mich. Als ich mich wieder besser fühlte, trat der Kapitän zu mir: "Sehen sie dort hinten den schmalen Streifen am Horizont??? Das ist die Küste. Wir müssen nur noch ein Stück weiter nach Norden segeln, dann liegt Jeral vor uns. Morgen müßten wir im Laufe des Nachmittags den Hafen erreichen." Ich konnte es genauso wenig wie sie abwarten endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben und endlich wieder richtig essen zu können. Essen.....Ruckartig beugte ich mich über die Reling und würgte wieder. Wäre das nicht so widerlich gewesen, hätte ich sicherlich gelächelt, als ich hörte wie Etctera und Endroki sich mir nur Sekunden später anschlossen...Wenn das nicht wahre Freundschaft war... Vom hölzernen Anlegesteg aus schlug uns lautes Stimmengewirr entgegen. Die Ankerkette rasselte, der Anker klatschte ins Wasser, Taue wurden geworfen, Befehle und Begrüßungen gebrüllt. Sri flackerte ungeduldig in ihrem Käfig und schmolz dabei fast das Glas. Cara und ich standen mit unserem spärlichen Gepäck zusammen an der Reling und starrten sehnsüchtig aufs Land, während die beiden Affronik zum Abschluß noch ein letztes Mal ihren Mageninhalt ins Meer spuckten. Anschließend machten wir uns auf, die Stadt zu erkunden. Jeral unterschied sich deutlich von Trakani. Die Häuser waren größer und mit ausladenden Balkonen und Dachgärten versehen. Die Farben des Verputzes waren dunkler, die Straßen gepflastert, auf den Plätzen standen kunstvolle Statuen und Springbrunnen. Ganze Straßenzüge waren von blühenden Vorgärten und leuchtend grünen Baumreihen gesäumt, die sich sanft im leichten Wind wiegten. Die Luft war etwas kühler und nicht mehr so drückend wie im Süden des Kontinents, die Haut der Menschen waren heller und sie waren mit Schmuck behängt und mit phantasievollen Frisuren geschmückt, während sie in reich verzierten farbenfrohen Kleidern oder Hemd und Hosen gehüllt die Straßen entlang schlenderten. Während ich mich neugierig umsah, flackerte Sri fröhlich vor sich hin, sichtlich froh darüber der Laterne und dem vielen Wasser entkommen zu sein. Etctera und Endroki schienen in etwa zu der selben Ansicht gelangt zu sein, denn ihre Schuppenfarbe ähnelte immer mehr dem normalen Farbton. Cara sah sich indessen mit strahlenden Augen um, während sie ungeduldig von einem Fuß auf den anderen trat. -Die Tage auf dem Schiff schien sie erfolgreich verdrängt zu haben. Nachdem wir ein wenig durch die Stadt gelaufen waren fanden wir ein gemütliches kleines Wirtshaus. Das Haus mit dem Namen "Zur grünen Aue" lag in einer gepflegten Seitenstraße in der Nähe eines kleinen Parks. Die beiden Zimmer, die wir gemietet hatten, waren sauber und ordentlich, die Betten - und wie Sri eifrig versicherte- auch die Feuerstelle waren bequem und vor allem geräumiger als die Kojen. Auch der Fußboden war beruhigend fest und unbeweglich und zum ersten Mal seit Tagen hörte ich das Rauschen des Meeres nicht mehr. Außerdem hatte keiner von uns mehr das Bedürfnis unser Essen an die Fische weiterzugeben und so langten wir zur Freude der Köchin herzhaft zu. Nachdem wir drei Tage damit verbracht hatten uns von den Strapazen der Reise zu erholen und die nähere Umgebung zu erforschen, setzten wir uns abends an einen der Tische im Schankraum, um uns zu beraten. Vom Wirt hatten wir uns eine große zerfledderte Karte geliehen, die ganz Coldah zeigte. Die Köpfe über der Karte zusammengesteckt - nur Sri bezogen wir verständlicherweise nicht in unseren Kreis mit ein...jedenfalls nicht so nah an unseren Haaren und Kleidern - versuchten wir zu entscheiden, wohin wir uns als nächstes wenden sollten. "Was haltet ihr davon, wenn wir zu den Inseln von Lyes reisen? Sie liegen am nächsten und in den Sümpfen soll es ja einiges zu sehen geben..." fragend sah Cara in die Runde. "Die öztlichen Inzeln?" Etctera wirkte alles andere als begeistert: "Dir izt zchon bewuzt, dazz daz eine zehr lange Zchiffzreize werden wird?" Cara zuckte zusammen und verzog angewidert das Gesicht: "Das hatte ich fast vergessen..." Endroki schnaubte: "Für unz alle wäre ez wohl bezzer, wenn wir unz ein Ziel auzzuchen, dazz wir einfacher erreichen könnten. Wenn wir Rhenahn zchon verlazzen, dann,,," "Hast du etwas dagegen, Affronik?" unterbrach Sri ihn. "Eigentlich nicht. Nur daz Zchiff ztört mich!" Etctera und ich nickten eifrig, um unsere grenzenlose Zustimmung zu zeigen. "Aber es gibt nun mal keinen anderen Weg die Wüsten zu verlassen." seufzte Cara. Minutenlanges Schweigen folgte. Schließlich räusperte sich Etctera zögernd und blinzelte nervös von einem zum anderen: "Ich weiz ja nicht, ob...naja...waz wäre, wenn...wenn wir...wir..." unsicher brach sie ab. "Hast du eine Idee?" neugierig betrachtete ich die Affronik. "Ich...ich...waz izt mit den magizchen Zpiegeln?" stieß Etctera hervor. "Spiegel?" echote ich verwirrt. Dann bemerkte ich, dass Cara und Endroki sich seltsame Blicke zuwarfen, während Etctera auf den Boden starrte und unglücklich den geschuppten Schwanz sinken ließ. Argwöhnisch drehte ich den Kopf, um Sris Reaktion auf Etcteras mir vollkommen unverständlichen Vorschlag sehen zu können: Mit einem mulmigen Gefühl mußte ich feststellen, dass die sonst so quirlige Geconomi bewegungslos in der Luft hing. Selbst die Flammen ihres Körpers schienen, erstarrt und ihre großen kohlschwarzen Augen waren fest auf Etctera gerichtet. Was immer sie mit "Spiegeln" gemeint hatte - es schien nicht unbedingt ein Grund zur Freude zu sein... "Könnte irgendwer von euch mir vielleicht kurz erklären, was es mit diesen Spiegeln auf sich hat?" fragte ich und sah aufmerksam in die Runde. "Ez zind nicht nur Zpiegel! Ez zind magizche Zpiegel!" bemerkte Endroki und Cara fügte hinzu: "Das macht es ja so gefährlich! Ganz davon angesehen: Wo sollen wir hier einen Magier finden? Noch dazu einen, der etwas Erfahrung mit den Spiegeln hat?" Sprachlos und mit weit aufgerissenen Augen blickte ich die Dedane an. Magier? Hatte sie gerade tatsächlich "Magier" gesagt? "Daz dürfte wirklich zehr zchwer werden..." Endroki sah Etctera strafend an: "Wie bizt du nur auf dieze verrückte Idee gekommen? - Verrückt! Daz izt daz richtige Wort! Verrückt! Und zehr gefährlich! Nur gut, daz ez unmöglich izt!" "Wer sagt das denn?" fragte Sri ungewohnt zaghaft. "Wer zagt waz?" Aus zusammengekniffenen Augen musterte Endroki Sri, als ob er erwarten würde, dass sie ihm in den Rücken viel. -Und genau das tat sie dann auch: "Ich wüßte zum Beispiel, wo wir einen Magier finden könnten. Sogar mehrere. Es ist gar nicht weit von hier! Das ist interessant nicht?" Endroki warf ihr einen vernichtenden Blick zu. Etctera dagegen schien erleichtert zu sein, dass jemand ihre Idee unterstützte und lächelte Sri dankbar zu. "Wo denn?" erkundigte Cara sich nachdenklich. Endrokis Kopf ruckte augenblicklich herum und ein empörtes Knurren erklang. Doch Cara zuckte nur mit den Schultern: "Gefährlich ist es nur, wenn wir ohne einen erfahrenen Begleiter reisen. Aber auch dann nicht gefährlicher, als eine wochenlange Reise in einem zerbrechlichen Schiff über das Meer. Von Stürmen und der Seekrankheit rede ich erst gar nicht." "Alles ist besser als so viel Wasser!" pflichtete Sri ihr bei und obwohl ich nicht wußte, was hier eigentlich vor sich ging, konnte ich nur mit voller Zustimmung nicken. Endroki zögerte sichtlich: "Wo zind denn deine Magier, Zri?" "Ich weiß, dass es in einer Bucht an der Nordküste Rhenahns einen Turm gibt, in dem mehrere Magier leben sollen. Das würde ich so gern einmal sehen...Das ist bestimmt aufregend...." "Eine Schule?" Cara runzelte die Stirn. Dann hellte sich ihr Gesicht plötzlich auf: "Ich glaube, ich habe davon auch schon gehört! Lebt die alte De'ahl nicht dort?" "De'ahl?" wiederholten Etctera und ich wie aus einem Mund. Auch Endroki sah Cara fragend an. "Ich weiß nur, dass sie eine sehr mächtige und sehr alte Magierin ist. Sie ist es, die in ihrem Turm Andere in der Kunst der Magie unterrichtet." Cara sah zu Sri hinüber: "Zwei Tage von hier entfernt, wenn man direkt an der Küste entlang reist, oder?" Sri flackerte zustimmend. "Und dieze De'ahl wird unz bei den Zpiegeln weiterhelfen?" Endroki runzelte skeptisch die Stirn. "Es ist immerhin einen Versuch wert!" erwiderte Sri. "Besonders, wenn es uns die Schiffe erspart!" fügte Cara hinzu. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)