Schwarz-weiß von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ich betrat die Wohnung. Seltsamerweise erschien es mir, als würde ich ein Gesetz brechen, als wäre noch jemand da, der dieses Gesetz verteidigen würde. Doch es war keiner da, und es antwortete auch keiner auf mein zögerndes "hallo?" , fast geflüstert, fast schon panisch. Ich wußte doch, das mir keiner antworten würde, es war doch vorbei gewesen. Alle waren sie schon weg, die Polizisten, die reporter und die weinenden Mädchen. Es hatte keiner mehr einen Schlüssel, außer mir. Mir, von dem niemand jemals gedacht hätte, das ausgerechnet ich einen Schlüssel hatte. Ich ging durch das Vorzimmer, betrachtete die abgelegten Mäntel, den langen schwarzen mit dem Pelzkragen, den weißen, den blauen, alle. Wer würde sie jemals tragen? Ich ging durch das Wohnzimmer und vermied es, einen Blick in Richtung Badezimmertür zu werfen. Mein Geist projezierte Bilder von Blut und fast wäre meiner Kehle ein Schrei entwichen, als ich merkte, das die Badezimmertür einen Spalt weit offenstand. Doch im Bad war es dunkel, nachdem soviele Blitzlichter die Senerie festgehalten hatten und ihr jeglichen Frieden genommen hatten. Ich rannte, wollte weg vom Bad, und suchte mir meinen Weg ins Schlafzimmer. Das Bett war ungemacht, die Bettwäsche erwühlt. Alles war von der Spurensicherung untersucht worden, hier war nichts mehr wie an jenem Morgen. Ich bückte mich, ging in die Knie und durchsuchte ein Regal, bis ich fand, was man mich zu suchen beauftragt hatte. Es war ein schwarzes Album, glänzend, ohne Aufschrift. Ich setzte mich auf den Boden und schlug es auf. Es enthielt Bilder, die von einer Zeit erzählten,als die beiden sich noch nicht gekannt hatten. Es war Haruka's Studentenzeit gewesen, als sie sich damit über Wasser hielt, als Model für Fotos zu posieren. Es waren jene Bilder, die soviel Wert waren, das ich noch einmal in diese Wohnung gegangen war. Ich blätterte das Album durch, betrachtete die Bilder flüchtig. Sie ähnelten sich alle, immer wieder die selbe Person, mal in dieser, mal in jener Pose. Mal mit Make-up , mal ohne. Und immer dieser Blick, eine Mischung aus Arroganz und Mitleid gegenüber dem Betrachter. Ich klappte das Album zu , mich interessierten diese Bilder nicht, dafür hatte ich ihr nicht nahe genug gestanden. Als ich es mir gerade unter den Arm klemmen wollte, um die Wohnung möglichst schnell zu verlassen, fiel mein Blick auf ein Bild, das am Boden lag. Wo kam es her? Aus dem Album war es nicht gefallen. Ich hob es auf, drehte es um und betrachtete es. Es unterschied sich stark von den anderen. Es war ein schwarz-weiß Bild. Sie lag auf dem Boden,in seitlicher Lage und blickte in die Kamera. Ein Bein hatte sie über das andere gelegt, die Hände vor der Brust verschränkt. An ihrem Rücken sah man zwei wunderschöne, schwarze Flügel, über und über mit Federn besteckt. Sie trug keine Kleidung. Ihr Gesicht war der Kamara zugewendet, die Lippen schwarz geschminkt , die Augen schwarz umrandet. Ihr blondes Haar war zerzaust. Aber was mich am meisten beeindruckte war ihr Blick. Keine Spur mehr von der kühlen Arroganz, vielmehr sah man Leid in ihren Augen, Schmerz und die Wunden in ihrem Herzen. Verblüfft betrachtete ich dieses Bild, ahnende, das ich weniger über sie wußte, als ich je gedacht hatte. Ein Geräusch ließ mich herumfahren, schnell stopfte ich das Album in meinen Rucksack. Unentschlossen hielt ich das schwarz-weiß Bild in den Händen, wußte nicht, ob ich es wegwerfen oder mitnehmen sollte. - Damals entschied ich mich dafür, es mit zunehmen. Heute hängt es in meiner Wohnung. Als ich damals überstürzt aus der Wohnung rannte, hielt ich es noch in meinen zitternden Händen. Erst daheim sah ich es mir wieder an, und entzifferte auf der Rückseite eine Inschrift "le ciel noir". "der schwarze Himmel", wohl ein Titel, den sie selbst dem Bild gegeben hatte. Ich habe diesen Titel niemals ganz verstanden, aber jedesmal, wenn ich es mir ansehe, weiß ich, das ich es irgendwann vielleicht verstehen werde. Und selbst, wenn dieser Tag niemals kommen sollte, so kann ich doch wenigstens mit Gewissheit sagen, einmal in meinem Leben einem Engel begegnet zu sein, auch wenn es ein schwarzer Engel war. denn manchmal ist das schwarz viel näher am weiß, als wir es uns vorstellen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)