Lost Children von abgemeldet ((noch nicht festgelegt)) ================================================================================ Kapitel 1: Der Auftrag ---------------------- Wir befinden uns in Megara. Eine Stadt außerhalb von Raum und Zeit, zwischen allen Welten gelegen. Auf der obersten Schicht liegt der Palast und gleichzeitig das größte Heiligtum der Wächter. Die Wächter sind ein menschliches Geschlecht, das dazu auserkoren wurde das Gleichgewicht zwischen den Mächten des Chaos und der göttlichen Ordnung zu erhalten. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Der junge Prinz und somit der rechtmäßige Herrscher über das Geschlecht der Wächter überkreuzte entspannt seufzend die Füße auf seinem Schreibtisch und streckte sich, woraufhin er die offensichtliche Missgunst seines nervös auf und ab laufenden Gegenübers auf sich zog. Als der Junge den abfälligen Gesichtsausdruck des Mannes bemerkte, kräuselte er die Stirn und platzierte seine Beine widerwillig zurück unter den Tisch. "Ich verspreche dir, du sorgst dich völlig grundlos, Nadim!" Der, noch immer sehr nervöse Mann streifte sich die langen Haare zurecht , räusperte sich und nickte seinem Prinzen zu. "Womöglich....Aber ich traue diesem Dämon nicht. Wie konnte ich ihm bloß meine einzige Tochter überlassen?!" Mit rollenden Augen richtete sich der junge Prinz auf, wobei sich sein langer weißer Mantel glättete. In seiner typischen besserwisserischen Art erhob er die Stimme. " Genaugenommen, hast du sie ihm nicht direkt überlassen. Er bildet sie aus, wie es schon seit Generationen Tradition in eurer Familie ist, hab ich nicht recht?!" Nadim grummelte bloß leise vor sich hin, in der Bemühung die Frechheit dieses Jungspunds zu ignorieren. Schließlich hatte er, mit den 365 Jahren die er zählte, schon dem Vater des momentanen Prinzen gedient. Doch der junge Mann setzte noch einen drauf: " Oder hat er mit dir irgendetwas angestellt, als er dich unterrichtete?" Fügte er grinsend hinzu. Gott sei Dank klopfte es gerade an der Tür des prinzlichen Büros, denn die Spannung im Raum glich einem Luftballon der jeden Moment zu platzen drohte. Der Prinz erhob sich mit einem Rück von seinem Stuhl und gewährte dem klopfenden Unbekannten Einlass. Der Türknauf drehte sich daraufhin sanft, die Tür wurde einen Spalt geöffnet und ließ die Gestalt einer hochgewachsenen vollbusigen Blondine erkennen. Der Anblick seiner Sekretärin ließ den Prinzen immer wieder von neuem die Luft wegbleiben, obwohl sie kein Mensch war, sondern eine Dämonin. Sie war ein Geschenk an den jungen Prinzen und Geschenke sollte man in Ehren halten! Die Dame blickte zuerst entschuldigend zu dem jungen Prinzen herüber und wandte sich dann Nadim zu. " Sir", sagte sie "Semjasa ist mit ihrer Tochter hier. Soll ich sie hereinlassen?" Eigentlich war sie alles andere als ein Engel, das konnte der junge Prinz bestätigen, trotzdem kamen ihre Worte engelsgleich, wie ein zarter Lufthauch über ihre Lippen. Der Prinz fühlte, wie so häufig in ihrer Gegenwart, tausend kleine Kälteschauer über seinen Rücken laufen was ihn zu äußerster Disziplin zwang. Der ältere Mann machte ein paar zielstrebige Schritte in Richtung der jungen Frau und antwortete mürrisch: "Ja, ich BITTE darum!" Die blonde Frau verneigte sich emotionslos und zog die Tür sanft wieder hinter sich zu. Einige Sekunden später klopfte es erneut. "Herein!" Erwiderte der Prinz in routiniertem Tonfall. Als die Tür sich öffnete, trat ein junges Mädchen mit braunem Haar und blauen Augen ein, gefolgt von einem schlanken und auffällig blassen Wesen. Das Mädchen sah ihrem Vater ausgesprochen ähnlich. Beide in einem Raum zu sehen ließ unmissverständlich eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen den beiden erkennen. Das blasse Wesen stellte sich neben das Mädchen und begrüßte die anwesenden Männer mit einem anerkennenden Nicken. "Prinz Ethan, Premier Nadim, bitte entschuldigt unsere Verspätung!" Das junge Mädchen trat aufgeregt auf ihren Vater zu und sprudelte begeistert los, von ihren neuerlernten magischen Fähigkeiten zu berichten. " Hallo Dad!! Semjasa hat mir beigebracht Gegenstände schweben zu lassen! Ich schaffe schon zehn cm mit einem Bleistift!! Vielleicht kann ich bald selbst schweben!!" Nadim blickte seine Tochter unbeeindruckt entgegen und massierte sich mit der Linken die Schläfe der selben Seite. " Tamyra, das freut mich für dich." Natürlich bemerkte das Mädchen, dass ihr Vater nicht sonderlich begeistert von ihren Fortschritten war. "Wie immer!" Dachte sie und kehrte enttäuscht an Semjasas Seite zurück. Ethans Blick war völlig auf den Dämon fixiert. Strenggenommen war Semjasa kein Dämon im eigentlichen Sinne. Er war ein gefallener Engel. Das Dilemma seiner Existenz bestand darin, dass Menschen seinesgleichen pauschal als Dämonen bezeichneten während Dämonen sie hingegen Engel nannten. Irgendwie passten die Gefallenen nicht in diese Welt. Semjasa war, selbst für einen Engel, außergewöhnlich schön und Ethan musste sich in gewisser Weise eingestehen, dass er sich von dem fremdartigen Wesen angezogen fühlte, obgleich es männlich war. Er musterte ihn von seinem lockeren schwarzen Haar bis hinunter zu den Füßen. Abgesehen davon, dass Semjasa fast ausschließlich schwarz gekleidet und ungewöhnlich blass, gerade zu weißhäutig war, fielen dem Prinzen die amethystfarbigen Augen auf. Er war wie hypnotisiert. Dem Dämon entgingen die Blicke des blonden jungen Mannes keineswegs. Ein einziges Lächeln, das als Erwiderung der Blicke des Prinzen galt, genügte um diesen aus seiner Trance zu holen. Er fühlte sich ertappt und blickte verlegen auf seinen Schreibtisch, bis er es wieder vermochte sich dem Geschehen zuzuwenden. Nadim starrte sein Kind ernst an und seufzte beschwerlich: " Tamyra, es ist spät! Du solltest dich langsam von Semjasa verabschieden. Ich muss noch etwas mit ihm bereden." Nur mit widerwilligem Gehorsam erfüllte sie den Wunsch ihres Vaters. Sie gab Semjasa einen Kuss auf die bleiche Wange und wünschte ihm eine gute Nacht. Er entgegnete ihre freundschaftliche Geste mit seinem sanftesten und nachsichtigsten Blick und wünschte ihr ebenfalls: "Gute Nacht, Tamyra!" Sie lächelte, wandte sich der bereits geöffneten Tür zu und schlug diese energisch hinter sich zu. Nachdem das Mädchen fort war, harrte Nadim noch einen kurzen Moment aus, als wolle er sicher gehen, dass sie keinesfalls mehr in Hörweite ist, doch dann begann er mit dem gefallenen Engel zu sprechen: " Sie ist eine miserable Magierin, nicht wahr?!" Semjasa nickte. "Ich fürchte: Ja!" Nadim wandte sich seufzend dem Fenster zu. " Ihre physischen Kräfte sind außergewöhnlich, aber was ihre magischen Fähigkeiten angeht..." Nadim stockte. " ...ist sie irgendwie zurückgeblieben!" Semjasa lächelte. "Ich versuche mein Bestes Nadim, aber erwarte nicht zu viel. Vielleicht sollte ihr Training auf Kampfkünste konzentriert werden." Gab er zu. Nadim schüttelte aber bloß verächtlich mit dem Kopf. "Nein! Tamyra hat, wie ihre Vorfahren eine verantwortungsvolle Aufgabe zu erfüllen. So sehr es mir auch widerstreben mag sie in deiner Obhut zu sehen, muss ich zugeben, dass du der Einzige bist, der es vermag das wenige bisschen Magie, welches in ihr steckt hervorzubringen." Semjasa lachte erfreut. Er konnte verstehen, dass Nadim ihm misstraute, auch wenn es ihn unglücklich stimmte. Es lag einfach an ihrer gemeinsamen Vergangenheit. Ein Lob von Nadim, hinsichtlich seiner Kompetenz im Bereich Magie zu erhalten, entzückte ihn daher gerade zu. "Bilde dir nicht zuviel darauf ein, Dämon!" Fügte der Mann hinzu. " Ich gebe sie in deine Obhut, aber ich warne dich....." Ethan der sich mittlerweile wieder hingesetzt hatte, schien sichtlich erleichtert, dass sich dieses unangenehme Gespräch langsam seinem Ende näherte, denn Nadim entnahm, nach dem er seinen Satz so jäh abgebrochen hatte, einen Ordner aus einem der Regale an der linken Seite des Büros und blätterte kurz darin, bis er fündig wurde. "Aha, hier ist es ja!" Semjasa, legte seinen Kopf neugierig zur Seite. Er hatte bisher davon abgesehen die Gedanken seines Gegenübers zu lesen. Es erschien dem Gefallenen irgendwie respektlos in einer solchen Situation. Abgesehen davon wollte er sich weiteren Ärger ersparen und den, immerhin schon 365 jährigen Mann vor diesem vorlauten jungen Prinzen nicht bloßstellen. "Semjasa", sagte Nadim mit erhobener Stimme. " Nimm diese Unterlagen. Ich möchte, dass du dich mit Tamyra dort umsiehst. Ihr könnt euch Zeit lassen, aber bedenke, dass es ihr erster Auftrag wird. Pass also gut auf sie auf!" Semjasa, nickte verständig, nahm die Papiere entgegen, drehte sich daraufhin in Richtung Tür und wolle gerade gehen, als er zurückgerufen wurde. " Warte!! Ich werde Frederico Bescheid sagen. Einer der Wächter sollte euch noch begleiten. Komm Morgen so früh wie möglich wieder her!" "Auf Wiedersehen" Entgegnete der Engel und verschwand durch die Tür. Entspannt legte der Prinz seine Beine auf den Schreibtisch, zündete sich eine Zigarette an und seufzte: " Interessant, dieser Semjasa!" "In der Tat" murrte sein Gegenüber. Kapitel 2: Aufbruch ------------------- Am nächsten Morgen fand Semjasa sich wieder im Palast der Wächter ein. Kaum hatte er die Eingangshalle betreten sah er schon Tamyra auf sich zu rasen. Mit einem euphorisch schrillen Laut sprang sie ihn an und drückte ihn fest an sich. Nachdem sich Semjasas erster Schrecken gelegt hatte, fand er die Kraft nach dem Grund ihrer Aufregung zu fragen. " Mein erster Auftrag, Semi!!! Und du bist es, mit dem ich ihn erledigen darf!" Noch immer in höchster Euphorie, grinste sie Semjasa an und fragte, nach Bestätigung suchend: "Ist das nicht toll?" Der Engel lachte. " Ja, das ist toll!" Er besinnte sich kurz, dass jemand sie begleiten würde und fragte das Mädchen: "Übrigens, wer wird uns eigentlich begleiten?" " Weiß nich'. Frederico kommt gleich mit dem Auserwählten." Antwortete sie fast gleichgültig. Kaum hatte sie ausgesprochen tauchte besagter Frederico, aus der Ferne winkend auf. Neben ihm gingen seine Frau Gwen und ein weiterer Wächter, der Tamyra schon häufig trainiert hatte. Frederico war Italiener mit kurzgeschnittenem schwarzem Haar und einem dunklen Teint. Seine Züge waren seinem Charakter entsprechend freundlich. Trotzdem erinnerte er Tamyra an einen typischen Mafioso, mit zurückgekämmten Haaren und einem schwarzen Anzug. Gwen und Leo, so der Name des Anderen, waren beide Engländer. Obwohl sie in Megara, einem Ort außerhalb unserer Welt leben, stammen viele Wächter von hier. Der Italiener gab Semjasa freundlich die Hand, nachdem dieser Gwen einen herzlichen Kuss auf die Wange gab. Der Ausdruck in den Augen des Gefallenen hätte Frederico durchaus eifersüchtig stimmen können, aber war das bereits von ihm gewöhnt und betrachte es als nicht relevant. "Schön euch zu sehen" sagte Semjasa höfflich lächelnd. Leo blieb etwas zurück. Er war der "Glückliche" der mit Tamyra und dem Dämon geschickt wurde und er hatte herzlich wenig Lust darauf aufzupassen, dass der Dämon dieser pubertären Göre nichts antat. Trotzdem überwandt er sich zu einem kurzen und mürrischen "Hallo". Frederico blickte Leo scharf an und forderte ihn durch eindeutige Gesten auf, sich etwas zusammen zu reißen. Als Leo sich doch noch entschloss vorzutreten, wandte sich der Italiener wieder freundlich dem blassen Wesen und dem Mädchen vor ihm zu. "Verzeiht! Leo hier, wird euch begleiten!" Er stockte kurz um sicher zu stellen, dass es keine Einwände gab. "Sofern ihr keine weiteren Fragen habt, könnt ihr euch gleich auf den Weg machen! Semjasa, hast du die Unterlagen studiert?" " Natürlich! Ich weiß Bescheid." " Dann wünsche ich euch viel Spaß." Das war Semjasas Stichwort. Er nahm etwas aus seiner Tasche, dass wie eine Silberkralle aussah und steckte es sich über den Finger. Tief durchatmend schloss er die Augen und murmelte etwas in einer fremden Sprache, die keiner der Anwesenden verstand. Noch immer murmelnd, zeichnete er mit dem Finger, auf dem die Kralle steckte einen Kreis in die Luft. Ganz langsam schien sich der umzeichnete Bereich zu verschieben und zu verzerren, bis er sich völlig schwarz färbte. Der gefallene Engel hatte einen Durchgang erschaffen. Wohin dieser Durchgang jedoch führte, war lediglich Semjasa und Frederico bewusst. Als das Werk offensichtlich vollbracht war, reckte der Engel seinen Arm in Richtung der magischen Pforte und schaute Tamyra und Leo erwartungsvoll an. " Nach euch!" Wahrscheinlich ist keiner der beiden zuvor durch ein solches "Ding" hindurchgegangen, denn das Mädchen und der junge Mann reagierten etwas zögerlich und blickten das Pärchen an ihrer Seite hilfesuchend an. Gwen und Frederico hingegen, winkten ihnen bloß ermutigend zu. " Los, geht schon! Das ist völlig sicher und die wahrscheinlich bequemste Art zu reisen überhaupt!" Brach Gwen lächelnd los. Nun hatten die zwei jungen Wächter keine andere Wahl als durch den pechdunklen Durchgang zu gehen. Nachdem sie es mit zugekniffenen Augen hindurch schafften, folgte Semjasa ihnen, nicht ohne sich von dem Ehepaar zu verabschieden. "Viel Glück" wünschten sie ihm. " Und bring sie gesund heim" Die Pforte war eine direkte Verknüpfung zwischen zwei Welten. Es ist wie durch eine Tür zu gehen, nur dass diese Tür nicht zwei Räume, sondern zwei Dimensionen verbindet. In diesem Sinne war der Kurztrip nicht einmal annähernd so schlimm wie es sich die beiden Wächter zuvor vorgestellt hatten. Viel schlimmer erschien der Ort an dem sie gelandet sind. Es war stockfinster. Selbst der Vollmund besaß nicht genügend Leuchtkraft die dichte Wolkendecke zu durchdringen. Die drei befanden sich an einem Waldrand von dem aus sie in geringer Entfernung eine Art Burg sehen konnten, die in verfallener Pracht auf dem Gipfel eines Hügels thronte. Die ganze Szenerio erinnerte an einen alten Horrorfilm über Werwölfe und Vampire. Tamyra dachte sich, falls sie jemals vorhabe einen solchen Film zu drehen würde sie zurückkommen. Leo räusperte sich verlegen. Irgendwie war ihm seine Furcht peinlich, schließlich war 26 Jahre alt und hatte schon 10 Jahre aktive Erfahrung als Wächter. "Wo genau sind wir eigentlich, Dämon?" Fragte der junge Wächter kühl. " An einem abgelegenen Ort, fernab jeglicher Zivilisation, Mensch!" Leo verzog verächtlich das Gesicht. "Haha, sehr spitzfindig, aber das sehe ich selbst!" Semjasa grinste aus Gründen, die er selbst nicht genau definieren konnte. "Nun, dieser Ort ist verflucht. Er mag einst irgendwo in Osteuropa gelegen haben, ist jedoch schon seit längerer Zeit der Realität entrückt." Tamyra stutzte und versuchte zu rekonstruieren, was sie in ihrer Zeit als Wächterin über solche Dinge gelernt hatte. "Ähm, bedeutet das, dass dieser Ort einst ein Teil meiner Welt war und wegen dem Fluch verschwand er aus der Realität und wurde zu einer abgeschlossenen, eigenen Welt." "So in etwa!" Erwiderte Semjasa lächelnd. "Du lernst ja doch was!" Diesen Kommentar hielt das junge Mädchen für unnötig. Allerdings hatte sie sich eingestehen müssen, dass sie wirklich nicht so fleißig lernte, wie es wahrscheinlich nötig war und nahm Semjasa die Bemerkung daher nicht sonderlich übel. Der Gefallene war besorgt, denn er spürte in seinem tiefsten inneren was an diesem Ort vor sich ging und Tamyra war noch so fürchterlich unerfahren. Sie war erst 15 Jahre alt. Leo erschien ihm zudem eine größere Belastung als Hilfe zu sein. Der junge Wächter kam offensichtlich nicht sonderlich gut mit anderen Rassen klar, zumindest nicht mit dämonischen Arten und Tamyra verhielt er sich auch äußerst abweisend gegenüber. Leo rückte die Sonnenbrille, die er in Höhe seines Haaransatzes auf der Stirn platziert hatte, zurecht und fragte bemüht höflich: "Gibt es sonst noch etwas wissenswertes, Alter?" "Alter?" Dachte Semjasa. Aber im Grunde hatte der Junge recht, schließlich war der gefallene Engel so alt, dass er es nicht zu zählen vermochte, auch wenn sein Gesicht völlig faltenlos war. Noch immer mit seiner struppigen Frisur beschäftigt, die er in einen neuen Zopf zu zwängen versuchte, wartete der Engländer ungeduldig. "Nun, die Eigentümer des Anwesens bieten demjenigen, der sie von dem Fluch befreit einen Schatz!" Antwortete Semjasa endlich. Tamyras Augen wurden bei dem Wort "Schatz" größer und glänzten vor Erwartung. "Wenn das mal kein Ansporn ist!" Sagte das Mädchen. Sie malte sich bereits Berge von Gold und Juwelen aus. Um ihre volle Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen, räusperte Semjasa sich auffällig genug um die Wächterin in Verlegenheit über ihre Unaufmerksamkeit zu bringen. Er fuhr fort: " Dadurch haben die Wächter erst von dem Fall erfahren. Genaueres ist allerdings nicht bekannt. Wir sind hier um die Sachlage zu klären und, sofern es in unserer Macht steht, den Fluch lösen." Er stockte. Leo schaute das schlanke Wesen misstrauisch an. "Irgendwas kommt da noch, oder?" schoss es aus ihm heraus. Semjasa seufzte. " Ich will euch nicht unnötig beunruhigen, aber es gibt Grund zur Annahme, dass an diesem Ort viele Leute verschwunden sind." Tamyra schluckte nervös und schaute sich suchend um. Der unmittelbar neben ihr stehende Mann, zuckte nur gleichgültig mit den Achseln, dann klopfte er Tamyra im Vorbeigehen mit einem sarkastischen Lächeln auf die Schulter. "Tja, unser Job ist nun mal gefährlich Tammy!" Kapitel 3: ----------- Der Weg zur Burg verlief ohne Zwischenfälle. Abgesehen von Eulen, kleinen Fledermäusen und dem entfernten Heulen von Wölfen begegnete ihnen nichts. Zu ihrer Überraschung, stellten Semjasa, Tamyra und Leo fest, dass sie nicht allein auf dieser Burg waren. Als sie das schwere Eisentor öffneten, das zum Burghof führte, begegneten sie gleich sechs anderen Gestalten, die auf etwas zu warten schienen. Sie waren offensichtlich hinter dem versprochenen Schatz her. "Sie lassen uns nich rein!" Sagte ein schwermütig wirkender riesenhafter Mann, der direkt neben dem Eisentor hockte. "Wir sind schon zum dritten Mal hier und sie lassen uns noch nicht rein. Aber diesmal geben wie nicht auf." Der Riese wollte noch etwas sagen, aber als er merkte das eine Frau, die zuvor das Gebäude beäugt hatte, ihn nun giftig anstarrte, senkte er den Kopf als hätte nie etwas gesagt. Semjasa schaute sich fasziniert um und murmelte irgendetwas vor sich hin. Seine Begleiter konnten seine Faszination allerdings nicht mit ihm teilen. Sie waren schlicht beunruhigt. Ihr Gespür als Wächter sagte ihnen, dass etwas unerklärlich Böses in der Luft lag. Als hätte das Schicksal lediglich auf die Ankunft der Drei gewartet, öffnete sich plötzlich der Haupteingang zur Burg. Das laute Quietschen, das dadurch entstand, schreckte die Anwesenden aus ihren Gesprächen und den sonstigen Tätigkeiten mit denen sie sich die Zeit vertrieben. Alle starrten gespannt auf die sich öffnende Tür. Ein Mann und eine Frau traten hervor. Sie waren eigentümlich bleich und trugen Kleidung, die wohl irgendwann im 19. Jh. modern war. Tamyras erster Gedanke war, dass der Fluch, die armen Leute wohl sehr gebeutelt haben muss. Die Frau nickte dem Man teilnahmslos zu und trat vor. " Herzlich willkommen! Wir sind dankbar, dass so viele edle Retter gekommen sind. Tretet doch ein!" Die Stimme der Frau klang auffällig eintönig. Es klang so, als bestünde ihr Fluch darin diese Sätze immer wieder sagen zu müssen, Abend für Abend. Das Paar bat ihre Gäste zunächst in einen großen Saal, wo sie ihnen erklärten, dass sie extra ein Mal vorbereitet haben, welches aber noch nicht fertig serviert war. Semjasa und den beiden Wächtern kam dies gerade recht. Sie hatten genügend Zeit die anderen Leute im dämmrigen Licht des Saals zu betrachten. Alle standen in Paaren beieinander, wobei Tamyra und die Frau, die ihnen zuvor auf dem Hof aufgefallen war, die einzigen Vertreter des weiblichen Geschlechts waren. Besagte Frau stand mit dem bulligen Mann, der die Drei angesprochen hatte in einer dunklen Ecke des Raums. Das Paar, das eine Sitzgelegenheit in der Nähe des Kamins in Beschlag nahmen, bestand aus zwei sehr jung erscheinende Männer. In der gegenüberliegenden Ecke des Raums befanden sich zwei weitere verhüllte Gestalten. Leo neigte sich zu Semjasa rüber und flüsterte: "Okay, was sind das für Typen, Dämon?" Semjasa wies mit dem Kopf auf die streng blickende Frau und denn etwas beschränkt anmutenden Riesen an ihrer Seite. "Sie sind menschlich! Soweit ich es erkennen kann ist sie Magierin und der Kerl an ihrer Seite ist ihr Diener. Womöglich hat sie ihn selbst erschaffen, denn er war schon einmal tot, zumindest fast!" Als nächstes wies er auf die verhüllten Gestalten. " Eindeutig Dämonen. Ich schätze es sind Mischlinge, weder eindeutig Unhold noch eindeutig Lilim." Leo nickte misstrauisch und wies mit einer Kopfbewegung auf die zwei jungen Männer am Kamin. "Und wer sind die?" Semjasa blickte konzentriert in Richtung Kamin, zwinkerte und wand sich Leo wieder zu. "Jäger!" Sagte er bedeutungsschwanger. Leo schluckte. "Das gibt Ärger!" Tamyra blickte zu ihren Begleitern auf und fragte, etwas verlegen: "Was sind denn Jäger?!" " Das sind menschliche Wesen, die durch das Töten von Dämonen Stärke gewinnen aber einen Teil ihres selbst verlieren. Sie nehmen zwar nützliche Fähigkeiten, aber auch die schlechten physischen und psychischen Eigenschaften ihrer Opfer auf!" Antwortete Semjasa sanft. Sie blickte Semjasa besorgt an, war er nicht auch ein Dämon?! Als habe er Tamyras Gedanken gelesen, (vielleicht hat er es ja.) lächelte er sie an und streichelte ihr beruhigend über das braune Haar, das sie zu zwei kleinen Zöpfchen zusammengebunden hatte. Der größere, der beiden Jäger stand plötzlich entschlossen auf und schritt auf die Mitte des Kaminzimmers zu. "Was geht denn jetzt ab?" Murrte Leo. Der Jäger blickte sich einige Male um und begann zu sprechen. "Wir werden eine ganze Weile miteinander verbringen. Wie wäre es also, wenn wir uns hier in der Mitte des Zimmers versammeln um uns wenigstens gegenseitig vorzustellen." Einer der Dämonen grinste. "Höflichkeit gehört doch sonst nicht zu den Tugenden der Jäger!" Der andere Dämon grunzte, was offensichtlich seine Art zu lachen darstellte. Der Jäger ließ sich nicht beirren und machte eine versöhnliche Geste mit seinen Händen. "Oh, verstehe mich nicht falsch! Ich kenne nur gerne die Namen derjenigen die ich töte und mir einverleibe!" Das Grinsen des Jägers wurde breiter und seine Augen fixierten die beiden Dämonen. "Also, wieso fangt ihr Gentlemen nicht an euch vorzustellen?!" Nun begann der andere Jäger laut und schrill zu lachen, während er sich unkontrolliert auf dem Sofa herumrollte. Die beiden Dämonen schauten sich grimmig an und mussten sich stark zusammenreißen um sich den vorlauten Jäger nicht gleich vorzuknöpfen. Nach dem sich die Unholde etwas beruhigt hatten, trat einer von ihnen schließlich vor. "Nun gut!" Schnaubte er. Er drehte sich etwas zur Seite und zeigte auf seinen Begleiter. "Dies ist mein Bruder Kohoron und ich bin Norohok. Wir sind Unholde aus den weiten Ebenen Gehennas." Der Jäger blickte äußerst zufrieden. Seine Erscheinung war imposant. Er war etwa 1,85 m groß, schlank und hatte etwa kinnlanges hellbraunes Haar. Seine grünen Augen blitzten wie zwei Smaragde durch die dichten Haarsträhnen hindurch. Alles in allem sah er mehr nach einem Dämon als nach einem Menschen aus, denn die Pupillen seiner Smaragdaugen waren spaltförmig, seine Ohren waren spitz und seine Fingernägel scharf . Selbst im dämmrigen Licht des Karmines und der Kerzen konnte man seine Reißzähne hervorblitzen sehen. Nun zeigte die mit Krallen bewährte rechte Hand des Jägers auf die Magierin und den Riesen. Diese trat wiederwillig mit verschränkten Armen hervor, dicht gefolgt von ihrem Diener. Es war eine strenge aber auch sehr schöne Frau. Ihr Haar war zu einem langen schwarzen Zopf gebunden und sie trug ein ausgefallenes und reizvolles Gewand, das so eng war, dass es nicht viel der Fantasie überließ, während seine Kleidung bestenfalls als Lumpen zu bezeichnen war. "Mein Name ist Adéla, ich bin Magierin und dies ist mein Lakai. Mehr braucht ihr nicht zu wissen." Der Jäger lächelte aufmerksam und wendete sich nun Semjasa, Tamyra und Leo zu. "Sehr charmant! Nun zu euch..." Er ließ seinen Blick auf Tamyra ruhen. "Ladys first!" Das Mädchen zitterte vor Aufregung als sie hervortrat um sich vorzustellen. " Ich bin...Ich bin Tamyra und ich bin Wächterin, genaugenommen Adeptin!!" Sie atmete erleichtert auf, als Leo, wie zu ihrer Unterstützung, hervortrat. "Leo, mein Name. Ich bin ebenfalls Wächter" Der Jäger nickte den Beiden anerkennend zu, dann suchten seine Augen nach Semjasa der bisher unbeteiligt an seinem Platz verharrte. "Nun der Engel!" Sprach der Jäger schließlich. Das hatte Semjasa befürchtet. Solange ein Engel nicht will, dass man ihn als Engel erkennt kann er sein Aussehen verschleiern. Das funktioniert besonders gut bei Wesen, die nicht an Dämonen oder andere übernatürliche Dinge glauben, aber auch bei Wesen, die nicht wissen das der betroffene Engel ein Engel ist. Diejenigen, die durch die Verschleierung des Engels beeinflusst werden, nehmen diesen als unauffällig wahr. Hier waren allerdings Dämonen und erfahrene Jäger anwesend, welche die Gegenwart eines schönen Engels geradezu riechen konnten. Der Jäger blickte ihn erwartungsvoll an und streckte ihm den Arm entgegen. "Mein Name ist..." Semjasa zögerte. "Mein Name ist Semjasa. Ich bin ein gefallener Engel, wie du es schon so treffend erkannt hast, und Magier" Die Magierin, die beiden Dämonen und sogar der Jäger wirkten überrascht. Der Jäger baute sich vor Semjasa auf, verschränkte die Arme, zog die Augenbrauen abschätzig hoch und legte seinen Kopf interessiert zur Seite. "Wir haben also eine richtige Berühmtheit unter uns!" Semjasa lächelte. "Nun seid ihr dran, Jäger!" Der Jäger, der noch immer auf dem Sofa saß hob grüßend den Arm. " Yo, Ich bin Aaron, ein Jäger!" Erst jetzt konnte man sehen wie wild er aussah. Aaron war mit Narben übersäht und hatte blau verfärbte Haare und bot ebenso wie der andere Jäger kaum noch Identifikationsmöglichkeiten mit einem Menschen. Als Aarons Show beendet war, zuckte der smaragdäugige Jäger mit den Schultern und öffnete seine Handflächen. " Ich bin ebenso Jäger." Sagte er und schaute Semjasa dabei tief in die Augen. "Wie du es eben schon so treffend erkannt hast und mein Name ist Charon!" "Charon?!" Semjasa konnte sich das Lachen nicht verkneifen. "Entschuldige bitte, aber ich kenne einen Charon. Ein alter mürrischer Fährmann der etwas zu dürr geraten ist, um nicht zu sagen knochig!" Die Dämonen hörte man etwas murmeln, wie: " Ja, der alte Charon.." Charon blickte Semjasa scharf entgegen. Allen Anwesenden war klar, dass sich zwischen den beiden wohl Antagonismus der besonderen Art entwickeln würde. Kapitel 4: ----------- Es vergingen noch einige Minuten bis die Gäste des Hauses zu Tisch geladen wurden. In der Zwischenzeit redeten die Anwesenden kaum miteinander. Die Nachricht, das Essen sei fertig wirkte wie eine Erlösung aus dieser peinlichen Stille. Der Speisesaal war prächtig ausgestattet, mit Kronleuchtern, prächtigen Möbeln und aufwendigen Wandgemälden. Die Speisen dufteten herrlich und ebenso herrlich sah die gedeckte Tafel aus. Erwartungsvoll setzten sich alle an den großen Tisch. Nur Semjasa nahm alles etwas anders war als der Rest der Anwesenden und fühlte, dass die Anderen womöglich einer Illusion zum Opfer fielen. Die Illusion spiegelte ein prachtvolles Gebäude vor, doch in Wirklichkeit war die Burg fast eine Ruine. Dementsprechend zögerlich setzte er sich nieder. Als die Hausherren die Verdeckungen der Tabletts und Teller herunternahmen, wollte Semjasa entsetzt aufspringen, doch er besinnte sich. Auf seinem Teller wanden sich Maden in modrigen Speisen, deren Geruch so widerlich war, dass er allein ausgereicht hätte, einen normalen Menschen zum Erbrechen zu bringen. Jedoch empfanden alle anderen die Speisen als köstlich. Am liebsten hätte er ihnen diesen Ekel offenbart, aber es war für Tamyras Lernprozess wichtig so wenig wie möglich einzugreifen. Sie sollte ihre Erfahrungen selbst machen und daraus lernen. Es fiel ihm schwer, diese widerliche Prüfung zuzulassen, aber es musste sein. Zu seiner Überraschung sprang ausgerechnet Charon, kaum hatte er sich gesetzt, von seinem Stuhl auf und verließ auf der Stelle den Raum in Richtung Kaminzimmer. Semjasa entschuldigte sich bei Tamyra mit der Ausrede er habe keinen Appetit, denn er konnte nicht ertragen mit anzusehen, wie die Leute um ihn herum dieses faulig stinkende Zeug in sich hineinstopften, dafür war seine feine Engelsnase zu empfindlich. Er stand auf, rückte seinen Stuhl ordentlich an den Tisch und folgte Charon zu dem Saal, in dem sie gewartet hatten. Charon saß auf dem Boden direkt vor dem Kamin und blickte abwesend in die Flammen. Dem Engel gelang es unbemerkt in Charons Nähe zu gelangen, bis er direkt hinter ihm stand. Der Jäger seufzte. " Hab auf dich gewartet. Es hätte mich wirklich gewundert, wenn DU auf diesen faulen Zauber reingefallen wärst." Semjasa setzte sich direkt neben ihn ans Feuer: " Nun, ich denke sogar die Dämonen haben es durchschaut, nur stehen die auf so was." Die Blicke des Jägers durchbohrten den Engel." Weißt du worauf ich stehe?" Er begann zu lachen und lehnte sich, auf seine Arme gestützt, zurück. " Ich finde es echt scharf, dass diese Idioten sich mit Maden und Würmern den Wanst voll schlagen ohne es zu merken." Semjasa schaute zu Boden. "Menschen glauben gerne was sie sehen, das macht so einiges einfacher!" seufzte er wehmütig. "Wie gut, dass mein menschlicher Anteil so enorm geschrumpft ist." Grinste Charon hochmütig. "Weißt du, manchmal sehe ich die Illusion aufblitzen. Die anderen halten diesen Ort für einen Palast, dabei ist alles verstaubt und schmutzig. Diese Idioten!" " Ich weiß ich sehe die reale und die illusionäre Ebene parallel zueinander. Sicher hat dieser Ort einst so ausgesehen." Erwiderte Semjasa. Charon verzog das Gesicht. Wenn man den momentanen Zustand der Burg betrachtete, fiel es nicht gerade leicht, sich vorzustellen, dass sie einmal so ausgesehen haben sollte. "Das muss allerdings schon sehr lange her sein." Aus Richtung des Esszimmers hörten die Beiden ein immer lauter werdendes Gegröle, das eindeutig den Dämonen zuzuordnen war. Nohorok und sein etwas kleinerer Bruder Kohoron durchbrachen die fast als harmonisch zu bezeichnende Stimmung im Kaminzimmer mit einer Eleganz die einen Unhold auszeichnete. Kohoron rülpste so laut es ihm möglich war um auf vulgäre Weise auf seine Anwesenheit aufmerksam zu machen. Er hatte offensichtlich Erfolg, denn Semjasa und Charon drehten sich prompt zu ihnen um. "Na, ihr Leckermäuler!!" Brüllte Nohorok. "War euch die Speise zu fein?" " Macht ja nichts, so konnten wir eure Portion mitverspeisen!" Fügte Kohoron vorlaut hinzu. Nohorok trat einige Schritte hervor, bis er direkt vor dem Engel und dem Jäger stand. Ein heimtückisches Grinsen ließ seine Zähne hervorblitzen. Es war nicht schwer zu erahnen, dass er etwas unappetitliches mit den Beiden vorhatte, besonders in Anbetracht der Tatsache, dass der Dämon auf verdächtige Weise in seiner Hosentasche wühlte. Charon blickte Nohorok misstrauisch an und wollte gerade etwas sagen, als die Hand des Unholds mit einem gewaltigen Ruck aus seiner Hosentasche fuhr und aus der Handfläche unzählige kleine Maden und Bröckchen von verdorbenem Fleisch auf Charon und Semjasa nieder regneten. Charon erstarrte vor Schreck und Semjasa zischte vor Wut, nachdem er seine Überraschung überwunden hatte. Die Dämonen lachten vor Vergnügen, als sie die über und über mit Schmutz bestreuten Gestalten beäugten. "Nun seid ihr nicht mehr so schön und duftig!" Lachte Nohorok. Charon war rasend vor Zorn. "Na warte du Missgeburt!" Er setzte zum Sprung an um den Dämon vor ihm zu attackieren, doch Semjasa hielt ihn am Arm fest und wies ihn an seine Ruhe zu bewahren. Der Jäger schnaubte Semjasa wütend an und richtete sich mit einem Ruck auf. "Der Engel hat recht! Das ist nicht der richtige Zeitpunkt." Mit geschmeidigen Schritten näherte sich der Jäger dem Dämon, bis er nur noch einen halben Atemzug von ihm entfernt war. "Aber glaube nicht, dass einer von euch beiden lebend hier raus kommt. Ihr gehört mir!" Die Augen des Jägers zogen sich auf bedrohliche Weise zu einem Spalt zusammen, als er das sagte. Er schubste die Dämonen zur Seite und verließ den Raum. Als seine Schritte fast verklungen waren, wandten sich die Dämonen Semjasa zu und sprachen zu ihm. "Schlaues Bengelchen! Wir kommen zu dir zurück, wenn du dich gesäubert hast." Kohoron warf dem bleichen Engel einen eindeutigen Blick zu und leckte sich genüsslich über die Lippen, dann verließ er den Saal mit seinem Bruder auf dem selben Weg, wie er ihn betreten hatte. Kapitel 5: kapitel 5 -------------------- Einige Zeit später fand sich die Gesellschaft wieder im großen Saal ein. Das knistern des Kamins verströmte eine wohlige Atmosphäre. Tamyra fühlte sich fürchterlich satt. Wahrscheinlich hätte sie den letzten Nachschlag weglassen sollen. Die große Frage die wohl jeden beschäftigte war: "Was kommt jetzt?" Niemand wusste eigentlich genau warum er hier war. Sie wussten, dass der Spuk in diesem Schloss beendet werden sollte, aber was bedeutete das genau? Besonders Tamyra hatte noch nie mit Geistern zutun gehabt. Sie wusste nicht einmal ob es welche gibt. Allerdings hatte sie, seit sie Wächterin geworden ist so einige seltsame Dinge gesehen, warum sollte es also keine Geister geben? Semjasa, der für das Mädchen zu diesen seltsamen Dingen gehörte hätte sie eigentlich darüber befragen können, aber es war ihr peinlich. Um sie herum waren erfahrene Menschen und andere Wesen, wie würde sie dastehen, wenn sie nach der Existenz von Geistern fragen würde. Leo schaute sich schweigend im Saal um. Ihm war fürchterlich langweilig. Eigentlich hatte er für diesen Abend ganz andere Pläne als auf die kleine Göre aufzupassen. Der junge Wächter hoffte bloß diesen Fall bald zu lösen. Es wäre ihm auch recht, wenn ihn ein anderer gelöst hätte. Während er seine Blicke umherschweifen ließ, fiel ihm auf, dass Semjasa, der in der Nähe des Kamins saß von den beiden räudigen Dämonen aufmerksam beäugt wurde. Kohoron und Nohorok lachten und flüsterten sich irgendwelche Dinge zu. Leo wollte lieber nicht wissen um was es ging. Der braunhaarige Jäger lief unweit von Semjasa auf und ab, während er seine Blicke grimmig zwischen den Dämonen und dem Engel schweifen ließ. Leon fühlte wie es dem Jäger in den Fingern brennen musste die beiden Unholde zu töten. Leon hatte dagegen absolut nichts einzuwenden. Er traute Jägern zwar nicht, aber die beiden Dämonen waren ihm ein größerer Dorn im Auge. Links in der Ecke stand die Frau und der Riese. Leon empfand die große schwarzhaarige Frau als reizvoll und fragte sich in welcher Beziehung sie wohl zu diesem riesigen Kerl stand. Semjasa spürte die Blicke der Unholde und des Jägers. Sie machten ihn zwar ein wenig nervös, doch war er daran gewöhnt, dass sein Auftreten Aufmerksamkeit auf sich zog. Dämonen hielten ihn schon immer für besonders reizvoll. Seit seinem Fall vor Tausenden von Jahren wurde er nur selten von ihnen in Ruhe gelassen. Er konnte die Gedanken der Personen im Saal wahrnehmen. Er versuchte es zu ignorieren, aber manche Gedanken, die er hörte drängten sich ihm regelrecht auf. Kohoron und Nohorok dachten an Semjasa und malten sich die unvorstellbarsten Dinge mit ihm aus. Diese Aussichten machten es Semjasa sehr unbehaglich zumute. Nachdem die Gesellschaft eine halbe Stunde gewartet hatte, tauchte das Ehepaar auf. Ihre ausgemergelten Gesichter vermochten es kaum Emotionen zu zeigen, doch verzogen sich ihre Münder in Mühen zu einem höfflichen Lächeln. Die Frau sprach in monotonem Tonfall: " Es ist an der Zeit das Böse in diesem Haus auszulöschen. Wir beten das es euch gelingt." Adéla machte einen entschlossenen Schritt auf das Paar zu. "Was genau haben wir hier zu tun. Was ist das Böse hier?" Die alte Frau blieb starr. "Wir können euch nicht mehr sagen!" Sie drehte sich um und verließ den Raum ohne weitere Worte zu verschwenden. Ihr Mann zögerte allerdings. Nachdem er sich zum gehen umgewand hatte, drehte er sein Gesicht noch einmal in Richtung Saal und flüsterte kaum hörbar: " Rettet unser Kind!" Dann verließ er den Saal entgültig und schloss die Tür mit einem dumpfen Schlag. Ein Raunen ging durch den Saal. Von allen Seiten hörte man verwirrtes Reden. Tamyra und Leo liefen zu Semjasa herüber. "Hast du das auch gehört Semi?" Fragte Tamyra aufgeregt. Der Engel nickte. "'Rettet unser Kind!' Hat er gesagt." Leo kratzte sich grübelnd am Kopf. "Welches Kind meint er denn? Und warum scheint er Angst vor seiner Frau zu haben." " Die beiden reden nicht offen. Irgendwas stimmt hier nicht." Warf Tamyra ein. Semjasa richtete sich seufzend auf. " Ihr werdet das schon rausbekommen!" Leo verzog verärgert das Gesicht. " Was soll das heißen, IHR bekommt das schon raus? Was ist mit dir?" Semjasa lächelte den jungen Wächter an. " Ich musste versprechen mich so wenig wie möglich einzumischen." Der Engel streckte sich und ging in Richtung Tür, kurz bevor er sie öffnete wand er sich noch einmal um und zwinkerte. " Ich werde euch beobachten." Als der Engel gegangen war, ließ das junge Mädchen ihren Blick irritiert von der Tür zu Leo wandern. " Meinst du, er weiß schon was hier los ist?" Leo zuckte unbeteiligt mit den Schultern. " Jedenfalls sollten wir mit dem Hausherren reden, der scheint mir kooperativer als die Alte zu sein." Kapitel 6: kapitel 6 -------------------- Die beiden Wächter irrten schon etwa eine Stunde durch das alte Gebäude. Von prachtvollen Sälen über düstere Flure und durch noch düstere Treppenaufgänge sind sie gegangen. Zwischendurch fürchteten sie, sich verirrt zu haben, doch irgendwann erreichten sie einen Flur der ihnen bekannt vorkam. Jedenfalls hofften sie endlich wieder bekannte Gefilde betreten zu haben. Nirgendwo in diesem Gebäude gab es irgendwelche Lebenszeichen von eventuellen Bewohnern. Auch von den Schlossherren war keine Spur zu finden. Die beiden Wächter hatten schon fast aufgegeben, als ihnen aus der entgegengesetzten Richtung Adéla entgegen kam. Eigenartigerweise war sie nicht in Begleitung ihres namenlosen Lakaien. Leo was angenehm überrascht. Der junge Mann hatte die ganze Zeit auf eine Gelegenheit gehofft die Magierin kennen zu lernen. Sie schien hingegen nicht sehr erfreut. "Wo kommt ihr denn her?" Murrte sie. Tamyra wurde rot und begann zu stammeln. "Von da?!" Sie zeigte in die Richtung aus der sie gekommen waren. Adéla nickte. " Also, aus dem Westflügel?" Leo bejahte diese Aussage, als wüsste er wo er die letzte Stunde herumgelaufen war. Die Magierin erklärte, sie käme aus dem Ostflügel und ihr Lakai sei noch irgendwo in den Kellergewölben. Eigentlich wollten sich die Beiden an dieser Stelle wieder treffen. Einige Minuten zuvor war Semjasa auf den Lakai der Magierin getroffen. Es war kurz bevor der riesenhafte Mann die Treppe zum Keller betrat. Der Engel fragte den Mann nach seinem Namen, der daraufhin erwiderte, er sei Niemand. Die Art wie er von sich redete, wirkte unangemessen für so ein riesiges Wesen. " Wer verbietet dir jemand zu sein? Die Magierin?" fragte Semjasa. Doch der Mann schwieg auf seine Frage und ging in Richtung Keller. Semjasa seufzte und ging weiter. Sein Weg führte ihn in einen düsteren Flur, der so lang war, dass auf beiden Seiten fünf Räume platz hatten. Die Türen waren aus verziertem und sehr schweren Eichenholz. Zwar verlieh ihnen die Illusion, welche über dem Schloss lag neuen Glanz, doch hatte der Zahn der Zeit sie auch ohne Magie weitgehend verschont. Plötzlich vernahm das blasse Wesen kindliches Lachen. Zu Anfang konnte man das Lachen für das Säuseln des Winds halten, doch es schwoll so laut an, dass es nach wenigen Sekunden den gesamten Flur erfüllte. Engel und ihre gefallenen Artgenossen waren recht sensibel für solche Erscheinungen. Vor seinen Augen erschien die geisterhafte Gestalt eines Mädchens, das etwa in Tamyras Alter war. Es war nur so altmodisch gekleidet wie das Ehepaar, dem das Schloss gehörte. Das Lächeln des Mädchen erkaltete schlagartig und ihre Augen fixierten einen Punkt hinter Semjasa. Sie riss den Mund zu einem lautlosen Schrei auf und zeigte mit dem rechten Zeigefinger auf den Punkt den sie fixierte. Bevor Semjasa die Warnung begreifen konnte, packten ihn zwei Pranken von hinten, hielten und zerrten ihn zu einer der Türen. Eine Pranke erstickte dabei seine Schreie. Es waren Nohorok und Kohoron. Semjasa fühlte sich so dumm. Er war unvorsichtig gewesen, obwohl er so etwas befürchtet hatte. Während Nohorok den sich heftig wehrenden Engel festhielt, öffnete Kohoron eine der schweren Eichenholztüren. Als er in das Zimmer herein blickte, wurde sein Gesicht von einem verschlagenen Grinsen verzerrt. "Bingo!" Zischte der Dämon. Bei dem Zimmer handelte es sich um ein Schlafzimmer mit einem riesigen staubigen Bett, was die beiden Dämonen offensichtlich erfreute. Semjasa wusste genau was ihm nun widerfahren würde, dennoch konnte er es nicht begreifen. Warum war er bloß so unvorsichtig gewesen? Nohorok zerrte den Engel in Richtung Bett und schlug die Tür heftig hinter sich zu. Kohoron sprang ungeduldig auf das Bett. " Ich möchte zu erst!!!" Sein Bruder warf Semjasa grob auf das Bett. Der Staub wirbelte von der Tagesdecke auf und flog ihm in die Augen. " Ich bin der Ältere von uns beiden!" sagte Nohorok nachdrücklich. Der andere Dämon seufzte resigniert und beschwerte sich darüber wie sehr gebrauchte Dinge hasste. Semjasa war wie gelähmt und zu angespannt um irgendetwas zu sagen oder einen Zauber zu verwenden. Nun stieg Nohorok auf das Bett und entledigte sich einem Teil seiner Überbekleidung, so dass Semjasa zum ersten Mal sein Gesicht erkennen konnte. Es war ziemlich haarig mit stechenden gelben Augen und angsteinflößenden Fangzähnen. Der Dämon legte sich eilig auf den schmalen Körper des Gefallenen und küsste seinen Nacken, seine Wangen und versuchte sich zu den weichen Lippen hervorzuarbeiten. Semjasa versuchte sich verzweifelt seinen Küssen zu entziehen und strampelte mit Armen und Beinen. Als die rechte Faust des Engels, Nohorok schmerzhaft gegen die Schläfe schmetterte, rief er seinen Bruder verärgert zu sich. Kohoron legte den Kopf des Engels auf seinen Schoß, während Nohorok, noch immer unter Schmerzen, zwischen Semjasas Beinen platz nahm. Nun versuchten beide den Engel auszuziehen. Der jüngere riss ungeduldig das schwarze Hemd auf und sein älterer Bruder kümmerte sich um die Hose ihres Opfers. Der gefallene Engel wollte nicht weinen, er wollte seinen Körper verlassen. Das Zerren an seinem Körper, der Gestank der Unholde und das nahende Übel waren ihm unerträglich. Die Hose des älteren Unholds war in ungeduldiger Erwartung bereits geöffnet. Der Anblick dessen, ließ Semjasa übel werden und er kniff die Augen angestrengt zu um nicht sehen zu müssen, was er nicht sehen wollte. Doch noch während die Unholde an seinen Kleidern zerrten, hörte er einen hohlen Schlag, gefolgt von einem Schmerzerfüllten Schrei. Als er spürte wie Nohorok daraufhin von ihm abließ, wagte der Engel wieder die Augen zu öffnen. Charon stand im Zimmer. Er hatte dem Dämon einen kräftigen Hieb versetzt und bereitete sich nun auf seinen Angriff vor. Nohorok attackierte den Jäger in bestialischer Geschwindigkeit. Er fauchte und zischte zornerfüllt. Als Kohoron endlich begriff was vor sich ging, sprang er auf und wollte seinem Bruder zu Hilfe eilen, doch es war zu spät. Noch während Nohorok angriff, zog Charon seinen Dolch und stieß ihn mit blitzartiger Geschwindigkeit in die Kehle des Dämons. Der Unhold mag unfassbar schnell gewesen sein, doch der Jäger war noch schneller. Nohorok sank mit fassungslosem Gesicht zu Boden. Blut lief ihm aus der Wunde und dem Mund. Der Dolch ragte auf der Rückseite des Halses heraus und die Tatsache, dass seine Hose noch immer offen war, wirkte nun lächerlich, selbst für Semjasa. Charon lachte. Man merkte ihm die sadistische Freude darüber an, endlich einen Grund gefunden zu haben die Dämonen zu töten. " Da hab ich euch mit heruntergelassener Hose erwischt. Im wahrsten Sinne des Wortes!" Kohorons Gesicht war voller Entsetzen. Panisch gab er sein Vorhaben Charon anzugreifen auf und rannte so schnell wie möglich aus dem Schlafzimmer. Charon ließ ihn zunächst ziehen, denn er war mit seinem Bruder noch nicht fertig. Der Jäger kniete sich zu seiner Beute herunter, ergriff den Dolch noch einmal mit beiden Händen und drehte ihn in der Wunde. In diesem Moment gab der Dämon sein letztes verzweifeltes Röcheln von sich. Als Nohorok sein Leben aushauchte schien den Jäger ein Energiestoß zu durchfahren. Er warf seinen Kopf fast exstatisch zurück, riss die Augen und den Mund weit auf, als würde er einen lautlosen Schrei ausstoßen. Semjasa wusste was vor sich ging. Die Lebensenergie des Unholds ging nun auf Charon über und vermehrte seine Macht. Töten war der Weg zur Weiterentwicklung für Jäger, doch bestand immer die Gefahr sich Selbst zu verlieren. Der Jäger war zufrieden. Als der Austausch vollzogen war, richtete er sich auf und ging direkt auf den Engel zu. Er setzte sich neben ihn und strich ihm durchs Haar, als wolle fragen wie es ihm geht, doch statt dessen lächelte er verschmitzt und wies ihn darauf hin, dass er sich was anderes anziehen sollte. Der Engel war noch immer etwas verwirrt, es war ihm in erster Linie egal, dass seine Kleider zerrissen waren. Er wollte sich von dem erlebten erholen, doch als er sich ein wenig gefasst hatte, stand er aus dem Bett auf. Die Kleider die er trug waren nicht aus richtigen Textilien. Es waren niedere Geister, die Semjasa sich dienstbar machte und als seine Kleidung dienten. Er konnte sie jede beliebige Form annehmen lassen. Demzufolge beschwor er die Nachtelementare erneut. Die Kleidung verschwamm in einem Wirrwarr aus dunklem Licht, bis sie sich zu neuer Kleidung formten. Er trug nun weite Kleidung. Nach diesem Schock war ihm nicht nach ausgefallenen und engen Modellen zumute. Semjasa wusste nicht wie er sich bei dem Jäger bedanken sollte, doch das brauchte er nicht mehr, denn die eingekehrte Stille wurde durch den markerschütternden Schrei eines Mannes zerrissen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)