Kamui kehrt zurück von Nea-chan (...und Fragen werden beantwortet) ================================================================================ Kapitel 8: Innere Kraft ----------------------- Innere Kraft ... Mit dem gewohnten und oft gehörten Klacken öffnete sich die weiße Tür des Zimmers. Herein kam Fuma, in den Händen zwei Plastiktüten in denen Essen zum Mitnehmen eingepackt war. "Du solltest mehr schlafen, du kannst doch nicht die ganze Zeit über an seinem Bett wachen.", sagte er vertraulich während er Subaru eine der Tüten rüberreichte. "Ich kann nicht anders, wenn sich etwas verändert möchte ich dabei sein." Subaru entfernte die Alufolie von seiner Plastikschale und brach seine Stäbchen auseinander. Fuma ließ sich wie immer in den Stuhl neben ihm fallen. "Und er hat noch nicht reagiert? Nicht mal wenn du seinen Namen sagst?" Subaru schüttelte bedrückt den Kopf und stocherte in seinem Teriyaki herum. "Nicht mal mit einer Wimper hat er gezuckt." Fuma kaute bedächtig seinen ersten Bissen herunter. "Es sind inzwischen fast zwei Wochen vergangen, der Chefarzt ist ratlos. Kamui hätte schon längst aufgewacht sein müssen." Subaru aß in gewisser Zeit nicht mal halb soviel wie Fuma. "Willst du nicht doch mal pausieren und vielleicht mal bei dir daheim vorbeischauen? Schlaf dich mal richtig aus und iss anständig." Subaru verpackte seine Reste und schob sie unter den Stuhl. "Weißt du was Kamui mal zu mir gesagt hat?", fragte Subaru. "Nein, woher denn? Ich bin mir aber sicher, dass du es mir gleich erzählen wirst." Subaru lächelte und stützte sich auf seine Unterarme. "Er sagte, dass meine Räumlichkeiten steif und leblos wären, den Zusammenhang zu erklären würde jetzt zulange dauern." "Ist nicht die Campusleitung für die Inneneinrichtung verantwortlich?", hinterfragte Fuma. "Schon, aber darum geht es gar nicht. Als ich allein gewohnt habe ist es mir nie aufgefallen, mir erschien die ganze Welt irgendwie trist und grau. Als Kamui dann für diese kurze Zeit bei mir war, habe ich die Farben erst entdeckt. Wenn ich jetzt allein in diese Wohnung zurückkehre fällt mir die Decke auf den Kopf. Wenn er bei mir ist kann die Umgebung noch so monoton sein, die Farben die er mir vermittelt lassen mich das vergessen." Subaru drückte sich mit derselben träumerischen Romantik aus, die auch schon sein Gesichtsausdruck vermittelte. Diese Warme Ausstrahlung berührte Fuma tief in seinem Herzen. "Du hast wirklich ein gutes Herz, fast schon zu gut." Subaru zuckte. Sein verträumter Blick klarte wieder auf. "Genau das hat mir vor einiger Zeit schon mal jemand gesagt." "Der Sakurazuka?" Subaru lachte künstlich in sich hinein. "Du kennst die Antwort doch schon. Seltsam, ich wollte nie wieder Platz für einen anderen Menschen schaffen..." "Ein Mensch kann sein Leben nicht alleine fristen ohne unglücklich zu werden. Wenn es nichts mehr gibt, das man beschützen will, was nützt einen dann noch das Dasein?" "Du wärst ein guter Himmelsdrache gewesen. Du hättest immer die richtige Antwort gehabt, hättest allen Mut machen können." "Ich bin froh, dass es so gekommen ist, wie es ist. Die andere Zukunft will ich gar nicht wissen. Ich wäre vielleicht nicht so stark gewesen wie Kamui und hätte mit Sicherheit verloren." "Es gab Momente, da habe ich dich abgrundtief gehasst." "Nicht zu verübeln. Die Vergangenheit ist wie sie ist und wird nicht mehr zu ändern sein. Doch vor uns liegt doch noch die ganze Ewigkeit der Zukunft, die wir uns so gestalten können, wie wir sie uns wünschen." Der Halbmond prangte am Himmel. Subaru und Fuma betrachteten ihn eine ganze Weile schweigend. Bis sie wieder miteinander sprachen war mindestens eine halbe Stunde vergangen. "Es handelt sich bei seinem Zustand auch nicht um ein Wachkoma, oder?", flüsterte Subaru ein wenig neben sich stehend. "Nein, zumindest kein begründetes. Er hat praktisch keine Schäden davongetragen. Wenn es nur dieser unantastbare Schlaf wäre... Sie wollen ihn bald künstlich ernähren lassen. Die nötigen Nährstoffe per Infusion in seinen Körper zu schaffen ist keine dauerhafte Lösung, seine Organe müssen beschäftigt werden sonst schläft seine Verdauungstätigkeit ein und der Stoffwechsel lahmt." Subaru schwieg dazu, dass Kamui abgenommen hatte konnte man auf den ersten Blick nicht erkennen. Doch er war dabei gewesen, wenn die Schwestern seinen Schlafanzug wechselten, die dünnen Arme, die deutlich sichtbaren Rippen... Seine Sorgen wurden von Tag zu Tag größer. "Kannst du dir seinen Zustand erklären?", holte ihn Fuma aus dem Meer seiner Gedanken zurück. "Ich könnte, aber ich hoffe, dass sich meine Ahnung nicht bestätigt." Fuma sah ihn drängend an, er brauchte nicht nach einer Erklärung fragen. "So wie die Dinge stehen hat er sich, wie schon einmal, in den Tiefen seines Herzens zurückgezogen." Fuma sah ihr skeptisch an. "Ich habe diese Möglichkeit aber bisher eigentlich definitiv ausgeschlossen. Er ist nicht das, was man weggetreten nennt und weist auch keine auffälligen Verhaltensmuster auf. Normalerweise sind solche Menschen einfach nur nicht mehr ansprechbar. Er hat auch keinen schwerwiegenden Schock erlitten..." "Mit einem Wort, Kamui hätte keinen Grund nicht zu uns zurückzukehren?" Subaru nickte stumm. Er rückte mit seinem Stuhl wieder an das Bett heran. Mit seinem rechten Zeigefinger fuhr er kleine Kreise in Kamui's Handfläche. Fuma musterte Subaru's Miene. "Entweder machst du dir einfach nur Sorgen, oder noch zusätzlich Vorwürfe." "Ich überlege immer wieder, ob ich es hätte verhindern können. Ich hatte nichts Besseres zu tun als ihn im Supermarkt anzufahren. Menschen können so verletzend sein..." Fuma's Hand legte sich tröstend auf seine Schulter. "Mag sein, aber erst durch Streit bemerken wir, wie wichtig uns dieser Mensch ist, wenn einem das klar geworden ist, wird die Versöhnung umso schöner." Subaru grübelte, er überlegte wirklich beinahe krampfhaft wie er Kamui aufwecken konnte. Doch er glaubte nicht mehr an seine Fähigkeiten, seit der Entscheidung auf dem Tokyo Tower waren die Stimmen um ihn herum verstummt und genau das machte ihn zu einem ganz normalen Menschen, so wie er immer einer sein wollte. Warum brauchte er gerade jetzt seine ihm angeborenen Kräfte? "Worüber denkst du nach?", unterbrach ihn Fuma. Subaru schwieg zu dieser Frage. Er stand auf und schob den Stuhl zurück an die Wand, kurz darauf griff er seinen Mantel vom Kleiderständer und drückte die Türklinke herunter. "Wo willst du denn plötzlich hin?", fragte ihn Fuma verdutzt. "Kamui wird nicht aufwachen, dass spüre ich. Bitte bleib du die Nacht hier, ich bin morgen früh wieder zurück." Schon fiel die Tür zurück ins Schloss, draußen auf dem leeren Flur hallten Subaru's Schritte wieder, er schien zu rennen. Verwirrt stierte Fuma zur geschlossenen Tür. Seine Schritte hallten auf dem leergefegten Gelände des Campus wider. Der Flur bis zu seinem Apartment erschien ihm viel länger als sonst. Subaru hatte es so eilig, dass seine Finger zitterten als er krampfhaft versuchte den Schlüssel, den er sich vorher bei der Campusleitung abgeholt hatte, in das Türschloss zu stecken. Sobald die Tür hinter ihm zugefallen war, warf er seinen Mantel unachtsam über einen der Stühle, knipste das Licht an und marschierte in die Küche. Mit wenigen Handgriffen hatte er sich Wasser aufgesetzt und war auch schon wieder nach draußen marschiert direkt bis ins Badezimmer. Dort drückte er wortlos den Stöpsel in den Abfluss der Badewanne und ließ sich heißes Wasser ein. Als er ein großes Handtuch rausgesucht hatte huschte Subaru auch schon wieder zurück in die Küche wo der Wasserkocher bereits verdächtig bebte. Er schaltete ihn aus und wanderte anschließend ins Wohn- und Schlafzimmer. >>Ich müsste sie aufgehoben haben, sie müssen hier irgendwo sein.<<, dachte er bei sich, als er im untersten Schubfach seines Nachttisches rumwühlte. Das er nach einigen Minuten stoppte, bedeutete wohl, dass er gefunden hatte, wonach er gesucht hatte. In den Händen hielt er einen kleinen Stapel weißer Zettel auf denen ein schwarzes Pentagramm abgebildet war. Nicht sonderlich wohl gesonnen betrachtete er seine alten Arbeitswerkzeuge. Subaru wechselte von der Hocke in den Stand über und nahm den obersten Zettel des Stapels in seine rechte Hand, während er die Restlichen auf sein Bett gleiten ließ. >>Das Eine hat mit dem anderen nichts zu tun, wenn ich auch keine Bannkreise mehr schaffen kann, ich bin und bleibe das 13. Oberhaupt des Yin-Yang- Clans!<<, versuchte er sich zu bestärken. Er hielt den Zettel gerade vor sich hin und begann sich zu konzentrieren. Was auch immer er jedoch versuchte, es wollte ihm einfach nicht gelingen. Sein Kopf war einfach nicht frei genug. "Verdammt!", fluchte er ungehalten und ließ den Zettel fallen. Er ging zurück in die Küche, wo er sich seinen Tee aufgoss und dann eine Tasse mit ins Badezimmer nahm. Dort drehte er den Wasserhahn wieder zu und begann sich zu entkleiden. Als er sich schließlich in das heiße Wasser gleiten ließ, atmete er alle Luft aus. Die Wärme, die durch seine Haut in jede Zelle drang, war sowohl schmerzlich wie auch angenehm. Die entspannende Wirkung eines Bades hatte Subaru in all der Zeit schon ganz vergessen gehabt, doch seine Gedanken drehten sich weiterhin um Kamui. Wie konnte er denn auch seelenruhig baden, während der ihm wichtigste Mensch einfach nicht aufwachte und langsam aber sicher verhungerte? >>Warum Kamui? Warum willst du nicht zu uns zurückkehren? Was hält dich davon ab deine Augen zu öffnen und mich anzusehen?<< Subaru ließ sich unter den Schaum sinken und tauchte schließlich ganz mit seinem Kopf unter die Wasseroberfläche. >>Warum kann ich meine Kräfte nicht mehr einsetzen? Was mache ich anders als sonst?<< Ihm wurde heiß, fast schon unerträglich, doch Subaru nahm es als Strafe für seine Unzulänglichkeit auf sich. Plötzlich riss er die Augen auf und schnellte hoch, so dass sämtliche Wassermassen über den Rand der Wanne schwappten. Hektisch atmete er ein und aus. "Das ist es! Natürlich!" Mit einem Satz war er aus der Wanne heraus und wickelte sich unkoordiniert sein Handtuch um die Hüfte. Klitschnass und an manchen Stellen mit Schaum bedeckt, spurtete er zurück zu seinem Bett wo er sich einen der Zettel schnappte. >>Ich habe sie immer nutzen können weil es einen Menschen gab, für den ich sie brauchte. Ich habe an mich selbst geglaubt. Wenn ich nur ein Ziel vor Augen habe und es mit ganzem Herzen verwirklichen will, dann kann ich es schaffen!<< Der Gedanke Kamui's Lächeln wieder zu sehen weckte seine innersten Kräfte, machte ihn entschlossen. Ja, er wollte mit jeder Faser seines Herzens seinen Wunsch erfüllen. Nebel umspielte den Zettel, im nächsten Moment formte sich ein weißer Vogel aus ihm, der sich in die Luft erhob um dort wieder zu Rauch zu werden. Subaru hätte nie gedacht, dass er es jemals begrüßen würde nicht so normal wie die anderen zu sein. Erleichtert und voller Hoffnung ließ er sich auf sein Bett fallen. >>Ich komme Kamui, bitte gedulde dich noch ein wenig.<< Schon einen Augenblick später schlief er in dieser Position ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)