Shelter from the Storm von _Delacroix_ ================================================================================ Prolog: Love Will Tear Us Apart ------------------------------- Mamoru“, flüsterte das Mädchen heiser in sein Ohr. Der süße Duft nach Erdbeershampoo stieg ihm in die Nase, als er ihren Hals zu küssen begann. Zarte Haut zitterte unter seinen Lippen. „Mamoru ...“ Sie seufzte. Seine Hände strichen über ihre Brust. Sie hob und senkte sich schnell. „Mamoru“, flüsterte sie ein drittes Mal. Widerwillig löste er sich von ihrem Hals. „Ja?“, fragte er heiser. Ihre Wangen waren gerötet. Ihr flachsblondes Haar umrahmte ihr Gesicht wie ein Heiligenschein. Er wollte sie küssen. „Wir sollten aufhören“, flüsterte sie. Mamoru runzelte die Stirn. „Aufhören?“, fragte er. „Aber Bunny, warum? Vertraust du mir nicht?“ „Doch, natürlich“, antwortete das Mädchen und zog die Bettdecke fester an sich. „Es ist nur ...“ Mamoru schüttelte den Kopf. „Bin ich nicht dein zukünftiger Mann? Wir werden in der Zukunft eine gemeinsame Tochter haben. Warum sollten wir da noch warten?“ „Ich fühle mich nicht wohl dabei“, antwortete sie. Ihre Stimme war leiser als sonst. Er seufzte. „Das sagst du immer.“ Er rollte sich auf die Seite und setzte sich auf die Bettkante. Kälte kroch ihm in die Beine, als seine Füße den Boden berührten. „Immer willst du warten.“ „Ich bin einfach noch nicht so weit“, flüsterte sie noch einmal. Mamoru starrte auf seine nackten Zehen. „Das auch“, ergänzte er trocken. Er hörte Bunny hinter sich nach Luft schnappen, drehte sich aber nicht um. „Du weißt, dass ich dich liebe, aber das mit uns ist keine Einbahnstraße. Ich habe auch Gefühle und Bedürfnisse.“ Sie schniefte. „Mamo-chan ...“ Er schüttelte den Kopf. „So kann es nicht weitergehen. Wenn wir König und Königin sein wollen, musst du anfangen, mich auch wie deinen Mann zu behandeln.“ Sie schniefte noch einmal, dann wurde ihr Atem ruhiger. „Du hast recht“, hauchte sie in seinen Rücken, und er erstarrte. Hatte sie das wirklich gesagt? „Du hast recht“, wiederholte sie noch einmal. „Wenn ich Königin sein will, muss ich anfangen, Entscheidungen wie eine Königin zu treffen.“ Ihre Stimme wurde mit jedem Wort fester. Er atmete auf. Vielleicht gab es Hoffnung. Vielleicht konnten sie es doch endlich hinter sich bringen. Vielleicht ... „Es tut mir leid Mamoru, aber ich glaube, es ist besser, wenn wir vorerst getrennte Wege gehen.“ Kapitel 1: Set Fire to the Rain ------------------------------- Was für ein Arschloch“, knurrte Rei, während Bunny ihr Gesicht an ihrer Schulter vergrub. Am liebsten hätte sie geweint, aber sie fühlte sich ausgetrocknet und leer. Der Stoff von Reis Pullover kratzte an ihrer Wange, aber sie bemerkte es kaum. „Männer“, grollte Minako auf ihrer anderen Seite. Reis Hand fuhr Bunny beruhigend durchs Haar. „Er hat dich nicht verdient.“ „Stimmt!“, ereiferte sich Minako. „Was fällt dem eigentlich ein? Es ist doch nicht so, dass eure Zukunft in Stein gemeißelt ist, nur weil Chibiusa aus der Zukunft zu uns gekommen ist.“ Reis Hand hielt abrupt inne. „Hmm“, machte sie. „Hmm?“, wiederholte Minako. „Du willst mir doch nicht sagen, dass du auf seiner Seite bist?!“ Scharfe Fingernägel bohrten sich in Bunnys Kopfhaut und wie auf Kommando schossen ihr frische Tränen in die Augen. „Ich bin nicht auf seiner Seite!“, fauchte Rei. Bunny zappelte ein wenig, aber Reis Finger drückten sie weiter gegen ihre Schulter. „Ich denke nur, dass die Sache mit der Zukunft nicht so einfach ist.“ „Scheiß auf die Zukunft!“, rief Minako, „Der Kerl hat ja mal sowas von verschissen! Für kein Geld der Welt kann Bunny jetzt zu ihm zurück! Mit den Gefühlen einer Frau spielt man nicht!“ Bunny rang inzwischen nach Luft. „Vielleicht hat er es nicht so gemeint“, warf Rei für sie ein. „Das ändert nichts an dem, was er getan hat!“, stellte Minako klar. Rei zögerte, während Bunny sich fester an ihre Schulter drückte. „Du hast recht“, gab sie schließlich nach. „Vielleicht hat er es nicht so gemeint, aber er hat sich wie ein Arsch benommen und es war auf jeden Fall richtig, ihn dafür in seine Schranken zu weisen. Nein heißt nein, egal wie viele Kinder ihr mal habt.“ „Ja!“, rief Minako. „Ja?“, fragte Bunny. Vorsichtig löste sie sich von Rei. „Du glaubst also nicht, dass ich unsere Zukunft zerstört habe?“ „Natürlich nicht!“, beeilte sich Minako zu beteuern, während Rei ein letztes Mal durch ihr Haar fuhr. „Ich weiß es nicht“, antwortete sie schließlich ebenfalls. „Aber da wir uns alle an Chibiusa erinnern, muss sie hier gewesen sein, und das kann sie nur, wenn sie irgendwann in der Zukunft geboren wird. Stimmt's?" Bunny nickte. „Aber das würde bedeuten, dass Bunny sich irgendwann mit dem Arsch versöhnen muss“, platzte Minako dazwischen. Rei presste die Lippen zu einem Strich zusammen. „Richtig“, knurrte sie. Bunny warf ihr einen vorsichtigen Blick zu. „Ich ... Ich weiß nicht, ob ich das kann“, flüsterte sie. Rei knallte die flache Hand auf den Tisch. „Ob du das kannst?!“, fauchte sie. „Natürlich kannst du das nicht! Er hat versucht dich zum Sex zu drängen. Du kannst nicht einfach hingehen und ihm verzeihen!“ Minako legte eine Hand auf ihren Arm. „Rei hat recht“, beeilte sie sich zu erklären, „Du kannst deine Gefühle nicht zurückstellen um eine Zukunft zu retten, die vielleicht, oder vielleicht auch nicht eintritt. Du musst dich auf das konzentrieren, was wichtig ist.“ Bunny sah vorsichtig auf. „Was wichtig ist?“, wiederholte sie. „Natürlich“, antwortete Minako und legte eine Hand auf ihr Herz. „Egal, wie die Zukunft aussieht, eine Zukunft, in der du nicht glücklich bist, ist keine gute Zukunft. Für keinen von uns. Und das bedeutet, dass du auf dein Herz hören musst, nicht auf deinen Kopf. Auch wenn das im Moment vielleicht schwierig ist.“ „Du klingst wie ein Glückskeks“, murmelte Rei, aber auch sie legte sich die Hand aufs Herz. Minako schenkte ihr ein schmales Lächeln. „Es gibt Tage, da sehe ich auch wie einer aus“, scherzte sie. Rei verdrehte die Augen, aber sie brachte keine gemeine Antwort heraus.   „Minako?“, maunzte es an der Tür und ein schneeweißer Kater flitzte um die Ecke. Einen Moment lang musterte Artemis sie alle, dann sprang er ohne Vorwarnung auf den Tisch. „Gut, dass ihr alle da seid“, maunzte er, nur um sich im nächsten Moment unter einem Kissen hindurch zu ducken. „Du störst, Artemis!“, fauchte Minako ihn an. Mit großen Augen starrte der Kater sie an. „Aber“, versuchte er sich Gehör zu verschaffen, doch seine Besitzerin war gnadenlos. „Heute hassen wir Männer und alles, was mit ihnen zu tun hat!“, verkündete sie leidenschaftlich und griff nach dem nächsten Kissen. „Aber Minako!“, versuchte es Artemis noch einmal, bevor er sich mit einem Hechtsprung auf Reis Schoß rettete. Das Kissen flog in seine Richtung, doch Rei blockte es gnadenlos mit dem Unterarm ab. „Ami schickt mich! Sie sagt, sie und Luna hätten verdächtige Aktivitäten bemerkt“, beeilte er sich zu berichten, bevor seine Besitzerin noch einmal versuchen konnte, ihn zum Schweigen zu bringen. „In Sasebo.“ „Sasebo?“, fragte Rei. „Seid ihr euch sicher?“ „So sicher, wie man sich bei solchen Dingen nur sein kann“, antwortete der Kater.   Bunny sah ihn besorgt an. Das waren schlechte Nachrichten. Schrecklich schlechte Nachrichten. Gerade erst hatten sie Wiseman besiegt, und ausgerechnet jetzt tauchte ein neuer Feind auf. Fast so, als ob ... Besorgt blickte sie zu Rei, doch die hielt ihren Blick stur auf den Kater gerichtet. „Du musst nicht mitkommen“, murmelte sie schließlich. „Minako und ich können auch alleine nachsehen.“ Bunny schluckte. Ihre Freundin hatte recht. Sie sollte sich auf die Sache mit Mamoru konzentrieren. Auf ihre Zukunft, auf Chibiusa und darauf, ob sie jemals eine gute Königin werden würde. Und doch ...   Vorsichtig legte sie ihre Hand auf Reis Unterarm. Ihre Finger waren kalt und sie fühlte sich schwach. Trotzdem drückte sie zu. „Ich komme mit“, entschied sie spontan. „Ich weiß nicht, ob ihr mich in Sasebo brauchen könnt, aber ich will hier nicht untätig herumsitzen.“ Reis Mundwinkel zuckten, aber das erwartete Donnerwetter blieb aus. Stattdessen senkte sie den Blick. „Bist du dir sicher, Bunny?“ Sie schluckte den Kloß in ihrer Kehle hinunter.Wenn sie ehrlich war, wollte sie nicht kämpfen. Das hatte sie noch nie gewollt.Trotzdem nickte sie knapp. „Ganz sicher“, antwortete sie.   Kapitel 2: Always on My Mind ---------------------------- Ich sehe nichts Verdächtiges“, sagte Minako. Ihr Blick folgte zwei jungen Frauen, die in Holzschuhen über das Kopfsteinpflaster schlurften. Auch Rei beobachtete die beiden. Erst als sie außer Hörweite waren, schnalzte sie mit der Zunge. „Ich sehe hier nur Verdächtiges“, entgegnete sie. Bunny hörte nur mit einem Ohr zu. Ihre Aufmerksamkeit war auf eine riesige braunschwarze Windmühle gerichtet, deren Flügel sich schwerfällig drehten. Rei hatte nicht unrecht. Das hier war ein ziemlich verdächtiger Ort. Überall standen große, steinerne Gebäude und jedes zweite von ihnen schien eine Windmühle zu sein. Ob es so wohl in Europa aussah? An jedem anderen Tag hätte sie ihre Frage laut ausgesprochen und gehofft, dass Minako ihr von London erzählen würde, aber heute war ihr nicht danach. Der Streit mit Mamoru spukte immer noch in ihrem Kopf herum. Also schlenderte sie weiter über das Kopfsteinpflaster und betrachtete die Fassaden der ungewohnt westlich anmutenden Gebäude. Die meisten waren hoch und braun, mit bunten Fensterrahmen, und einige hatten kleine Läden im Erdgeschoss. Der Duft von Zuckerwerk lag in der Luft, aber ihr war nicht nach etwas Süßem zumute. Am liebsten hätte sie sich in ihr Bett verkrochen und geweint, aber sie wusste, dass sie das nicht konnte. Wenn an diesem seltsamen Ort wirklich ein Feind lauerte, dann war es ihre Pflicht, die Menschen vor ihm zu beschützen. Auch wenn das bedeutete, dass sie sich zusammenreißen musste. Zumindest so lange, bis die akute Gefahr gebannt war.   Eine Gruppe laut schnatternder Schulmädchen kam aus einem Käseladen, und für einen Moment hing der typische Geruch von Emmentaler zwischen ihnen in der Luft. Rei rümpfte die Nase. „Ekelhaft“, urteilte sie. Minako lachte. „Das ist doch nur Käse“, erwiderte sie. „Der hat noch niemanden gefressen. Genauso wenig wie die Holzschuhe oder die Hauben aus dem Souvenirladen.“ „Noch nicht“, entgegnete Rei. „Ich würde nicht dafür garantieren, das dem auch so bleibt.“ „Was soll ein Käse-Youma bitte machen? Mich überrollen?“, schoss Minako zurück, doch der ernste Gesichtsausdruck ihrer Freundin ließ sie ihre Aussage noch einmal überdenken. „Na gut“, murmelte sie einen Moment später, „vielleicht gibt es eine kleine Chance. Aber sie ist winzig, verstanden?“ Rei erwiderte etwas, aber Bunny hörte nicht zu. Die Höhe der Wahrscheinlichkeit, unter einem Käse zu sterben, gehörte zu den Dingen, die sie nicht wissen wollte. Vor allem nicht, weil sie sich sicher war, dass Ami das bestimmt irgendwie berechnen konnte.   Ein Stück weiter öffnete sich eine weitere Ladentür und ein junger Mann trat heraus. Sein dunkles Haar glänzte in der Sonne. Bunny starrte ihn an. Diese Frisur, diese Statur ... War er das? Bevor sie genauer hinsehen konnte, hatte er sich abgewandt und stapfte davon. Bunny blieb nur der Blick auf seinen sich entfernenden Hinterkopf. Sie legte sich die Hand aufs Herz. Es klopfte heftig. Ihre Freundinnen hatten ihr dazu geraten auf es zu hören und wenn sie das tat, bedeutete das Klopfen sicherlich, dass es wirklich Mamoru war.   Unauffällig blickte sie zu ihren Freundinnen zurück, doch die waren immer noch in die Käsediskussion vertieft. Rei hatte inzwischen die Arme in die Hüften gestemmt und funkelte etwas im Schaufenster an. Minako hingegen warf den Kopf in den Nacken und lachte. Ihre blonden Haare umrahmten ihren Kopf wie ein Heiligenschein. Nur Reis empörte Antwort verriet, dass sie sich nicht wie eine Heilige verhielt. Vorsichtig trat Bunny einen Schritt zurück, dann noch einen und noch einen, bis sie hinter einer Gruppe älterer Damen verschwand. Ihre Fotoapparate klickten, aber Bunny lief einfach weiter. Wenn sie Mamoru einholen wollte, musste sie sich beeilen.   Wenn er wirklich hier war, war das ein Zeichen. Dann hatte Luna ihm von ihrem Verdacht erzählt, und er war, wie so oft, herbeigeeilt, um ihr zu helfen. Sie war ihm wichtig. Ihre Zukunft war es. Und das bedeutete, dass es vielleicht doch noch Hoffnung für sie beide gab. Wie die aussah, wusste Bunny noch nicht, aber wenn sie ihn finden würde, wenn sie mit ihm reden würde, dann würde bestimmt alles wieder so werden wie vor jenem verhängnisvollen Tag Kapitel 3: When I Saw You ------------------------- Zum zweiten Mal entdeckte sie seinen dunklen Haarschopf inmitten eines Tulpenfeldes. Dort kniete er vor einem kleinen blonden Mädchen mit Sonnenschirm und buntem Kleid. Für einen Moment spürte sie Eifersucht in sich aufsteigen, doch dann bemerkte sie, wie reglos das Mädchen dastand, und Angst ergriff von ihr Besitz. Was, wenn der Kleinen etwas zugestoßen war?   Hastig rannte sie den Weg entlang, der weiter in das Tulpenfeld hineinführte. Sie wollte die beiden schnell einholen, aber sie wagte es nicht, einfach durch das Beet zu laufen, um den Weg abzukürzen. „Mamo-chan! Geht es ihr gut?“, fragte sie, als sie endlich nahe genug an die beiden herangekommen war. Langsam hob er den Blick. Violette Augen musterten sie skeptisch. „Mamo-chan?“, wiederholte er. Bunny erstarrte. Diese Augen! Diese Stimme! Das war nicht Mamoru, das war... „Saphir?“, rutschte es ihr heraus. Verwirrung huschte über seine Züge. „Verzeihung. Kennen wir uns?“ Einen Moment lang starrten sie sich an, dann schüttelte Bunny unmerklich den Kopf. „Nein, ich glaube nicht“, flüsterte sie. „Was ist mit dem Mädchen?“ Saphir sah sie verwirrt an, dann hob er die Hand und klopfte kräftig auf den Brustkorb der Kleinen. Ein seltsames metallisches Geräusch ertönte. „Ihr ist ein Schaltkreis durchgebrannt“, erklärte er. „Ich habe ihn ausgetauscht. Jetzt sollte sie wieder winken können.“ „Winken?“, fragte Bunny und kam sich selten dumm dabei vor.   Der harte Zug um seine Augen wurde etwas weicher, als er aufstand. „Das ist ein Vergnügungspark“, erklärte er ihr. „Die Roboter winken nur. Außer den Vögeln weiter hinten auf dem Feld. Die habe ich mit einem Rasensprenger ausgestattet.“ „Du arbeitest hier“, bemerkte Bunny beeindruckt und zu ihrer Überraschung nickte er. „Seit Kurzem, ja. Mein Bruder hat mir den Job besorgt. Er meinte, es täte mir gut, ab und zu hinter meinen Bildschirmen hervorzukommen.“ „Die Tulpen hier sind wunderschön“, murmelte Bunny und warf einen vorsichtigen Blick zurück auf das Grün.   Saphir lächelte sie an. „Das sind sie wirklich“, stimmte er zu. „Aber du solltest sie in der Hochsaison sehen. Dann blüht der ganze Park in Hunderten von Farben. Rot, gelb, weiß und natürlich orange. Es ist fantastisch. Ein einziges Farbenmeer.“ „Das klingt toll“, schwärmte Bunny. „Und deine Roboter sind mittendrin. Sieht aus, als hätten sie den Jackpot geknackt.“ Saphir schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, so einfach ist es nicht“, verbesserte er sie. „Die Kleine hier sieht vielleicht aus wie eine glückliche Holländerin, aber sie ist eine Maschine. Zu viel Sonne lässt sie überhitzen, Wasser lässt die Schaltkreise zusammenbrechen und was passiert, wenn ein Nagetier ihr empfindliches Innenleben entdeckt, erzähle ich dir besser nicht. Es ist ein ständiger Kampf, sie am Laufen zu halten.“   Bunny legte den Kopf schief und betrachtete das mechanische Mädchen. Es trug einen roten Rock mit einer blauen Schürze und einen seltsam spitzen weißen Hut. „Warum tust du es dann?“, fragte sie und betrachtete die Flechtzöpfe und das seltsam starre Gesicht mit den unnatürlich großen Augen. Saphir klopfte wieder gegen den Roboter. „Weil die Besucher sie mögen“, antwortete er. „Außerdem ist es eine gute Übung. Wenn ich mit meinen Robotern Menschen helfen will, müssen sie äußeren Einflüssen standhalten können.“ „Ich dachte, deine Roboter können nur winken?“   Saphir schenkte ihr ein dünnes Lächeln und winkte sie näher heran. „Sieh mal“, begann er und drückte auf eine Stelle der Schürze, die sich daraufhin öffnete. Bunny konnte unzählige Kabel und Drähte erkennen. Jeder in einer anderen Farbe. Ami hätte vielleicht herausgefunden, wofür die alle gut waren, aber ihr blieb nichts anderes übrig, als Saphir einen ratlosen Blick zu schenken. „Das ist ihr ‚Gehirn‘“, erklärte er. „Es funktioniert wie deins oder meins. Wenn ich neue Informationen einspeise, wird sie ihr Bestes geben, um sie zu nutzen. Im Moment kann sie nur lächeln und winken, aber sie könnte lernen, einen Rollstuhl zu schieben oder einen Bus zu fahren. Die Einsatzmöglichkeiten sind fast unbegrenzt“. „Das ist ...“ „Beeindruckend“, beendete eine fremde Stimme den Satz. „So viel Arbeit für fremde Menschen. Du musst ein sehr reines Herz besitzen. Kapitel 4: Crossfire -------------------- Ein greller Lichtstrahl schoss auf sie zu, und Bunny wusste sofort, dass das nichts Gutes bedeutete. Instinktiv warf sie sich auf Saphir, rollte mit ihm zwischen die Blumen und wartete auf den Schmerz, doch der kam nicht. Stattdessen knallte es ohrenbetäubend, und Saphir rollte sich von ihr herunter. „Was zum...“, begann er, während sein Roboter den Sonnenschirm sinken ließ. Er hatte ein kreisrundes Loch. „Initialisiere Selbsterhaltungsprogramm“, verkündete das Mädchen mit mechanischer Stimme. Saphir rümpfte die Nase. „Ich muss eine bessere Sprachsoftware installieren.“   Irgendwo hinter dem Roboter fluchte eine Frau. „So hab ich das nicht geplant! Tulipa bring mir sein Herz!“ Wie auf Kommando schwoll eine der Tulpen an. Sie wurde größer und größer und begann langsam menschliche Züge anzunehmen. Die Blüte legte sich wie ein Kleid um ihre Kurven. “Zu Befehl!“, verkündete sie.   Saphir legte den Kopf schief. „Was für ein Roboter ist das?“, fragte er, bevor er den Kopf eilig wieder einzog. Spitze Tulpenpfeile sausten über ihn hinweg. „Ich würde sagen, ein Terminator!“, entfuhr es Bunny, während sie sich in die Blumen duckte. Jetzt konnte sie nur noch eines tun:   Hastig hob sie die Hand und rief: „Moon Crystal Power, Make Up!“   Rosafarbenes Licht hüllte sie ein, formte Engelsflügel um sie herum und verlieh ihr neue Kraft. Als sie aus den Blumen sprang, fühlte sie sich stärker, schneller und sogar schöner als zuvor. Saphir starrte sie mit großen Augen an, aber Bunny ignorierte ihn vorerst. „Das reicht!“, rief sie. „Ich lasse nicht zu, dass ihr ihm sein reines Herz wegnehmt! Ich bin auserwählt! Ich kämpfe für Liebe und Gerechtigkeit, ich bin Sailor Moon und im Namen des Mondes werde ich euch bestrafen!“ „Sailor Moon?!“, entgegnete der Youma verwirrt. „Hm“, murmelte Saphir. „Was das Herz angeht, bin ich mir nicht sicher, ob es so rein ist, wie jeder hier zu glauben scheint.“ Bunny winkte ab. Wahrscheinlich hatte er recht. Mit Blick auf ihre gemeinsame Vergangenheit hatte er mit Sicherheit recht, aber sie hatte keine Lust, mit ihm darüber zu diskutieren. Vor allem nicht, da er sich an sein letztes Leben nicht zu erinnern schien. Der Youma schien von dem Argument auch nicht sonderlich beeindruckt zu sein, denn Bunny sah wieder Blumenpfeile zwischen seinen Fingern wachsen. Hastig griff sie sich an die Stirn, nahm ihr Diadem ab und ging in Kampfstellung. „Mondstein! Flieg und Sieg!“   Ihr Diadem traf die feindlichen Pfeile Sekundenbruchteile, bevor der Youma sie werfen konnte. Er brüllte vor Schmerz, doch Bunny wusste, dass ihr Angriff nicht stark genug war. Trotzdem nutzte sie die Gelegenheit, um sich an Saphir zu wenden. „Egal, wie rein oder unrein dein Herz ist“, sagte sie, „es ist immer noch deins. Und wir werden nicht zulassen, dass es dir jemand wegnimmt.“   „Richtig!“, ertönte es hinter ihr. „Im Namen der Venus werden wir dein Herz beschützen!“ „Und im Namen des Mars werden wir den Dieb bestrafen!“ Bunny drehte sich auf dem Absatz um. „Venus!“, rief sie. „Mars! Ihr seid gekommen, um zu helfen!“ „Natürlich!“, antwortete Venus. „Auch wenn wir dich eigentlich in den Tulpen hocken lassen sollten.“   Venus formte mit ihren Fingern ein Herz und hob schließlich ihre Hände zu einem V über ihren Kopf. „Rolling Heart Vibration“, befahl sie und ließ bunte Herzen auf den Gegner fliegen. Flammen loderten auf und schossen den Herzen hinterher. Ein Herz nach dem anderen knallte gegen den Youma. „Jetzt du, Sailor Moon!“ Bunny griff nach ihrem Zepter und wirbelte es ein paar Mal um sich. „Moon Princess Halation!“ rief sie und richtete die Spitze auf den Youma. Der stieß einen spitzen Schrei aus. Ein kleines rundes Etwas kam aus ihm heraus. Es fiel zu Boden und zerbrach. Der Youma begann sich zu verwandeln, nahm wieder pflanzliche Züge an, schrumpfte und blieb schließlich als geknicktes Blümchen zurück. Bunny atmete auf. Es war vorbei. Kapitel 5: Start Again ---------------------- „Ich verstehe nicht ganz, was gerade passiert ist“, sagte Saphir, als sie sich wieder zurückverwandelt hatten. Er war bei der ersten Gelegenheit zu seinem Roboter gelaufen. Dort stand er nun und untersuchte fachmännisch das Loch im Sonnenschirm. Bunny stand neben ihm und beobachtete ihn. „Wenn ich ehrlich bin, geht es mir in neunzig Prozent der Fälle genauso“, gestand sie ihm. Sie musste Rei nicht einmal ansehen, um zu wissen, dass sie nickte. „95, wenn du mich fragst.“ Minako lachte. „So schlimm ist es nicht. Wenigstens wissen wir diesmal, warum er zur Zielscheibe wurde.“ „Wegen meines angeblich reinen Herzens“, murmelte Saphir. Bunny nickte. „Und wir können nicht ausschließen, dass sie es wieder versuchen“, fügte sie hinzu. Saphir seufzte. „Sieht so aus, als müsste ich das Selbsterhaltungsprogramm meiner Roboter dringend erweitern“, stellte er fest. „Und bis dahin musst du extrem vorsichtig sein.“ Er runzelte die Stirn und sah Bunny an. „Warum ist dir das so wichtig?“, fragte er. Sie lächelte ihn an. „Weil es um dein Herz geht“, antwortete sie. Seine Augen weiteten sich, aber Bunny lächelte einfach weiter. „Glaubst du wirklich, dass deine Roboter mit so einem Gegner fertig werden?“, wollte sie wissen. Er nickte. „Wenn ich die Programmierung anpasse und vielleicht noch ein paar Daten sammle, auf jeden Fall.“ „Vielleicht könnten wir unsere Daten austauschen“, schlug Bunny hoffnungsvoll vor. „Das würde mich sehr freuen“, antwortete er. „Vielleicht ...“   Das schrille Piepen ihres Kommunikators unterbrach Saphir. Bunny lächelte ihn entschuldigend an und zog das pinkfarbene Gerät heraus. Es war Mamorus Icon, das erbarmungslos über den Bildschirm flackerte. Bunny spürte, wie ihre Hand zu zittern begann, aber sie wagte es nicht, das Gerät einfach wieder wegzustecken. Stattdessen drückte sie mit spitzen Fingern auf Mamorus Gesicht. Ihr Chatverlauf ploppte auf. Wieder eine Erinnerung an vergangene Zeiten. Aber da, ganz unten, war eine neue Nachricht. „Bunny“, stand da, „wir müssen reden.“ Sie spürte, wie ihr der Schweiß ausbrach. Mamoru wollte reden. Darauf hatte sie die ganze Zeit gewartet. Ein Silberstreif am Horizont. Und doch ... „Ist alles in Ordnung?“, fragte Saphir und Bunny nickte schnell. „Ja“, antwortete sie, „ja, alles ist gut.“ Er musterte sie skeptisch, widersprach aber nicht. Stattdessen nahm er seinem Roboter den Schirm aus der Hand. „Wenn du willst, zeige ich dir meine Werkstatt“, schlug er vor. „Sie ist voller nützlicher Ersatzteile. Wenn du mir sagst, was du brauchst, kann ich dir vielleicht etwas daraus basteln.“ „Einen richtigen Roboter?“, entfuhr es Bunny überrascht. Er nickte. „Mit Platinen und Drähten und allem, was dazu gehört. Ich könnte ihm Katzenohren machen.“ Mit leuchtenden Augen klappte sie ihren Kommunikator zu. „Das hört sich nach einer verdammt guten Idee an. Gibt es vielleicht ein Café in der Nähe deiner Werkstatt? Ich habe da vorhin so kleine Törtchen gesehen. Die würde ich wirklich gerne mal probieren.“ „Bestimmt kommen wir unterwegs an einem oder zwei vorbei“, antwortete er und bot ihr seinen Arm an. Strahlend hakte sich Bunny bei ihm ein. „Super“, sagte sie und gemeinsam machten sie sich auf den Weg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)