Herbststurm über Hateno von Ixana ================================================================================ Nach der Versiegelung der Verheerung durch den Prinzen war wieder Frieden eingekehrt und dem Grunde nach hätte es auch einfach so bleiben können, ginge es nach Elena. Doch das tat es bekanntermaßen nicht, sie war schließlich nur eine Leibwache und hatte da nicht viel zu melden. Der Kataklysmus und das Verschwinden von Tseng jedoch hatte alles aus den Fugen gerissen. Vieles war seitdem geschehen, sie war vielen alten Freunden begegnet und hatte den Zoras bei ihrem Schlammproblem geholfen, mit Sidon geschäkert und dessen Krönung zum König der Zoras miterlebt, und über kurz oder lang hatte sie der Weg auch nach Hateno geführt. Sie wagte es nicht, sich zu beklagen, wie sehr ihre Füße schmerzten. Pferde waren ihr einfach nicht wohlgesonnen und da hatte sie es vorgezogen, zu laufen oder das Parasegel zu benutzen, wo es sich anbot. Sicher hätte sie einen der Händler mit ihren Pferdekarren unterwegs fragen können, sie ein Stück mitzunehmen, aber das hätte nur wieder dafür gesorgt, dass sie zu viel über Tseng nachdachte. Wo auch immer er gerade war, sie hoffte nur, dass es ihm gut ging – wenn sie schon nicht selbst auf ihn acht geben konnte. Hm...was Dorephan und Muzu berichtet haben, macht mir Sorgen. Das sieht ihm absolut nicht ähnlich. Er hätte zuerst das Gespräch gesucht, wenn es wirklich Differenzen gegeben hätte...verdammt Tseng, wo steckst du bloß? Was soll das alles? Sicher, es brachte nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Das war nicht ihr Prinz gewesen, nein nein. Das musste eine Verwechslung gewesen sein, dessen war sich Elena sicher. Bestärkt durch diesen Gedanken legte sie die restlichen Meter querfeldein zurück und lief dabei eher zufällig an der Schule vorbei, während die Wolkendecke am Himmel bereits dichter wurde. Fing es etwa an zu regnen? Das hatte gerade noch gefehlt. Elena war es zwar gewohnt, auch bei Wind und Wetter draußen unterwegs zu sein, doch gerade wäre es ihr wesentlich lieber, sich ins Trockene zu retten, bevor sie wieder einmal dastand wie ein durchnässter Hund.   „Fräulein Elena! Ein Glück, es ging das Gerücht um, der Prinz und Ihr würdet vermisst!“, schallte ihr eine bekannte Stimme hinterher. Symin, aktuell der einzige Lehrer an Hatenos Schule und ebenfalls ein alter Bekannter. Ihr bestes Lächeln aufsetzend drehte die Hylianerin sich um und grüßte den Shiekah mit einem Handschlag. „Symin! Schön, Euch wiederzusehen. Der Prinz und ich haben den Untergrund des Schlosses gemeinsam erkundet und dabei...sind gewisse Dinge vorgefallen, seitdem ist der Prinz verschwunden und ich suche nach ihm...habt Ihr Seine Majestät vielleicht gesehen?“, sprudelte es sogleich aus Elena heraus und prompt hätte sie sich wieder einmal für ihre Plappermäuligkeit ohrfeigen können. Das ging doch niemanden etwas an! Ihr Vater hätte sie vermutlich gescholten, dass es sich für einen Krieger nicht gehörte, so viel zu sprechen. Aber zum Teufel damit! Er war schließlich nicht mehr hier und konnte ihr nichts mehr vorschreiben.   Symins entsetzter Gesichtsausdruck sprach seine eigene Sprache und machte das Gefühl von Unfähigkeit, das auf ihren Schultern lastete, nur noch schwerer erträglich und Elena biss sich auf die Unterlippe. Sie wollte dieses Gefühl von Machtlosigkeit nicht noch einmal erleben. Es nagte schon schwer genug an ihr, als Leibwache versagt zu haben. Die Sorge um ihren Schutzbefohlenen mischte sich mit Gefühlen, die sie für ihn entwickelt hatte, und das war nie gut. Hatte ihr zumindest ihr alter Herr so eingetrichtert. Sie war ein einfacher Ritter, Leibwächterin von Prinz Tseng und sonst nichts. Nicht zu wissen, wo der Letzte der Blutlinie Hyrules gerade war, ihn nicht beschützen oder einfach nur seine Gesellschaft genießen zu können, wenn er nicht gerade mit Forschungen und Wiederaufbaumaßnahmen beschäftigt war, das nagte viel mehr an ihr, als man es auf den ersten Blick vermutete.   „Es tut mir leid, Symin. Ich...es...ist meine Schuld. Ich war nicht vorsichtig genug. Wir...sind beide gefallen, er wurde von einem gleißenden Licht verschluckt und seitdem...habe ich ihn nicht mehr gesehen. Ich wollte ihn retten und war zu langsam.“ Elenas Lippen verzogen sich zu einem dünnen Strich, mit zu Fäusten geballten Händen wandte sie den Blick ab wie ein trotziges Kind. Am Liebsten hätte sie gerade den Tränen freien Lauf gelassen, sich wieder für ihre Unfähigkeit geohrfeigt – und dann noch einmal dafür, zu viele Emotionen zu zeigen, die sie eigentlich nicht hätte zeigen dürfen. Doch sie war kein kleines Mädchen mehr, nicht die eigentlich ungewollte Tochter aus einer Familie von königlichen Soldaten und Bediensteten. Die Hände auf ihren Schultern überraschten die Leibwächterin daher nur umso mehr, zu beschäftigt war sie damit, in Selbsthass zu versinken. „Ich bin mir sicher, Ihr habt alles in Eurer Macht stehende getan. Eine Entschuldigung ist nicht nötig. Ich habe ihn leider nicht gesehen, seit ihr beide aufgebrochen seid...das ist fast ein Jahr her.“ Elena fiel es einen Moment schwer, ihre Verwirrung zu verbergen. Ein ganzes Jahr? Einerseits war es nicht verwunderlich, schließlich waren sie zu Pferd von Hateno aus aufgebrochen, andererseits ergab diese Zeitspanne in Elenas Kopf schlicht keinen Sinn. Für sie waren schätzungsweise ein, vielleicht zwei Monate verstrichen, seit sie mit Prinz Tseng die Katakomben unter dem Schloss erkundet hatte. „Das ist eine lange Zeit, Symin. Gibt es...weitere nennenswerte Neuigkeiten?“, wollte die Hylianerin wissen – und gerade als ihr Gegenüber zu einer Antwort ansetzen wollte, frischte der Wind erneut auf und wirbelte ihre Haare durcheinander. „Ich selbst habe keine – außer dass das Hateno-Institut seine Arbeit wieder aufgenommen haben soll.“ Nun wurde Elena hellhörig, Robelo war bereits hier?   Er hatte beim Spähposten etwas in dieser Richtung erwähnt, kurz bevor ich aufgebrochen bin. Ich hätte vielleicht mitfliegen oder mich zu dem Schrein in der Nähe teleportieren sollen, statt direkt aus dem Dorf der Zoras hierher zu reisen. „Das sind wunderbare Neuigkeiten, Symin. Vielen Dank für die aufmunternden Worte...ich...“ Kurz stockte Elena, als etwas Nasses ihre Wange streifte, kurz darauf fiel ein weiterer Regentropfen direkt auf ihre Nase. „Ich komme morgen noch einmal vorbei, ja? Dann kannst du mir alles erzählen, was in der Zwischenzeit hier passiert ist und wie sich die Kinder machen. Ehrenwort!“ Sicher, sie wollte eigentlich so schnell wie nur möglich weiter nach Hinweisen auf Tsengs Verbleib suchen, doch sich mit alten Freunden kurzzuschließen war nie verkehrt – auch wenn Elena für ihren Teil viel zu viel plapperte und sich dann und wann gerne auch einmal in Dinge verrannte. Die Hylianerin war zwar königliche Leibwache und auserwählte Trägerin des Masterschwerts, doch das bedeutete noch lange nicht, die zwischenmenschlichen Bedürfnisse hinten anzustellen – auch wenn...nein, aus. Sie sollte wirklich damit aufhören, ständig an die Litaneien ihres Vaters zu denken. Er war nicht hier und damit hatte sich das. Sich von Symin verabschiedend machte Elena sich raschen Schrittes auf den Weg zu Tsengs und ihrem gemeinsamen Haus, das etwas abgelegen lag. Als sie das alte Steinhaus erblickte, machte sich trotz allem ein gewisses Gefühl von Vorfreude breit – hauptsächlich auf ein festes Dach über dem Kopf und ein warmes Bett. Zeit für sich hatte sie auf ihren Reisen genug und das nagte gerade auch wegen des Rufs als königliche Leibwache und Trägerin des Bannschwerts zuweilen sehr an ihr. Apropos...wo das besagte Schwert überhaupt war, darüber rätselte die blonde Frau noch immer, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt war, zu überleben und ihren durch das Miasma geschwächten Körper durch Raurus Segenslichter wieder zu reinigen. Elena schob die Tür auf und betrat das kleine Haus fast schon ehrfürchtig; es wirkte alles so vertraut, als wäre sie nur kurz weg gewesen, um im Krämerladen Gemüse einzukaufen und zu versuchen, etwas zu kochen. Es kam ihr zudem so vor, als hätte jemand regelmäßig saubergemacht, denn die Staubschicht auf dem hölzernen Küchentisch und den Stuhllehnen war nur minimal. Ein Strauß vertrockneter Blumen – vermutlich Schleichglöckchen – standen in einer Vase in der Mitte, darunter eingeklemmt lag ein Zettel, der sofort die Aufmerksamkeit Elenas einforderte – noch bevor sie überhaupt die Stiefel auszog oder ihre mitgeführte Ausrüstung ablegte. Die Handschrift verriet sofort, dass es sich um eine Notiz von Tseng handelte. Es war zwar nur etwas Banales, aber dass er – oder wer auch immer – an ihre Lieblingsblumen gedacht hatte, zauberte ihr kurz ein Lächeln ins Gesicht. Seufzend zog sie die Stiefel aus und stellte sie neben dem Tisch ab – kurz lauschend, ob der Regen zwischenzeitlich schlimmer geworden war, und das dumpfe Trommeln an den wenigen Fenstern bestätigte die Blonde nur in ihrer Annahme. Innerhalb kürzester Zeit war es fast zu dunkel, um die Hand vor augen zu erkennen. Offenbar braute sich dort gerade ein waschechter Sturm zusammen. Seufzend machte sich Elena daran, ihre Ausrüstung abzulegen und ein paar Kerzen anzuzünden, damit sie den restlichen Tag nicht im Dunkeln verbringen musste, ehe sie nach dem Beutel Trockenfleisch griff und sich eine Handvoll in den Mund stopfte. Tseng würde sie vermutlich ermahnen, vernünftig zu kauen, aber der Prinz war nunmal wusste die Göttin wo und solange das Essen satt machte und bei Kräften hielt, war es doch egal, wie sie was zu sich nahm, nicht? Währenddessen trommelte der Regen weiter unablässig gegen die Fenster, das Heulen des herbstlichen Sturms draußen rüttelte leicht an der verschlossenen Tür und den Fenstern, während Elena dort alleine bei Kerzenlicht saß, das PurahPad vor ihr liegend und die letzten Bissen Trockenfleisch kauend. Die wenigen Fotos auf dem wundersamen Gerät waren vom Prinzen gemacht worden, als sie die Katakomben erkundeten, ein weiteres war von ihnen zusammen kurz zuvor aufgenommen worden, und dann war da das äußerst seltsame Foto mit dem seltsamen Drachen...oder was immer es war. Jedenfalls hattees Ähnlichkeit mit einem solchen gehabt. Es war weder Naydra noch einer der anderen heiligen Drachen, so viel war sicher...aber...nein, das konnte nicht sein. „Verdammt, ich kann das nicht mehr...“, murmelte Elena kopfschüttelnd vor sich hin und wechselte zur bisher aufgedeckten Karte Hyrules. Sie musste sich ablenken, die nächsten Schritte planen. Doch das ging nicht, wenn draußen ein Sturm tobte und nur so an Fenstern und Tür rüttelte, dass man sich partout nicht konzentrieren konnte. Doch statt sich weiter zu versuchen abzulenken und zur Abwechslung wirklich einmal froh zu sein, nicht wie ein nasser Hund zu enden, machte Elena sich so, wie sie war auf den Weg nach draußen, die Tür nur mit Mühe hinter sich verriegelnd. Das Gras und die Erde unter ihren nackten Füßen fühlte sich nass an und der Wind blies ihr in wechselnder Intensität um die Ohren. Es fühlte sich fast so an, als würde das Wetter ihre schlechte Laune auf die Welt projizieren. Unsinn. Das Wetter beeinflusst zuweilen unsere Launen und nicht umgekehrt. Früher war sie bei Wind und Wetter oft draußen gewesen, hatte mit Schwert und Schild geübt. Unermüdlich nannte sie es selbst, lebensmüde manch andere und die meisten taten es einfach nur mit einem Kopfschütteln ab, doch jetzt war niemand hier, um sie zu kritisieren, niemand der sie zurechtweisen konnte. Eigentlich sollte sie froh um diese Freiheiten sein, doch als Leibwache war es ihre höchste Pflicht, für die Sicherheit ihres Schutzbefohlenen zu sorgen. Daran konnten Wind und Wetter auch nichts ändern, im Gegenteil. Es bestärkte sie nur in ihrem Pflichtgefühl dem Königshaus und insbesondere dem Prinzen gegenüber – egal wo er gerade auch sein mochte. Auf den kleinen Teich starrend, verharrte Elena nicht lange dort, sondern wanderte weiter barfuß umher, zu dem Baum in der Nähe, in den sie ihre Initiale eingeritzt hatten, kurz nachdem man hierher gezogen war. Sie waren zwar etwas verwachsen, aber noch lesbar. Wo auch immer du bist, pass auf dich auf...Dummkopf. Für einen kurzen Moment glaubte die Hylianerin mit dem durchnässten blonden Haarschopf, etwas über das Heulen des stürmischen Windes hinweg zu hören. War es der Ruf von irgendeinem Tier? Vielleicht einer der drei Drachen? Nein, das konnte eigentlich nicht sein. Diese Wesen waren der Stoff von Legenden –  auch wenn Elena während der letzten Jahre festgestellt hatte, dass sie sehr real waren. Ein wenig aufgeschreckt durch das ungewöhnliche Geräusch schaute Elena nach oben – nicht, ohne Regen in die Augen zu bekommen, und suchte den mit dunklen Wolken verhangenen Himmel ab. Nichts. Da war rein gar nichts gewesen. Vielleicht hatte die Erschöpfung der Reise dafür gesorgt, dass sie sich Geräusche einbildete – oder doch nicht? Kurz darauf war der gleiche Laut erneut zu hören, und Elena kniff sich in die Wange. Das war kein Traum, sie hatte das wirklich gehört – und gerade, als sie es aufgeben wollte, den Himmel abzusuchen, erspähten ihre Augen mit Mühe etwas, das die Form eines Drachen haben könnte. Es befand sich fast senkrecht über ihr...und für einen Moment glaubte Elena, sie hätte diese Form am Himmel schon einmal gesehen. Doch der Regen machte es unnötigerweise schwer, Genaueres zu erkennen. Wachte Tseng vielleicht über sie, wo auch immer er gerade steckte? Vielleicht tat er das, wie auch immer er wissen konnte, wo sie sich befand. Mit einem Lächeln wandte Elena den Blick wieder gen Boden, als die Erkenntnis sie wie ein Schlag traf. Sie hatte bereits eine der aufgetauchten Geoglyphen für Impa untersucht – und was sie dort gesehen hatte, war ihrerseits zunächst als Hirngespinst abgetan worden. Der Prinz hatte laut diesem ‚Hirngespinst‘ Kontakt mit Rauru – dem selben Rauru, dem sie auch ihren Arm zu verdanken hatte. War er vielleicht wirklich...durch die Zeit gereist und in der Vergangenheit gelandet?   Eventuell. Trotzdem musste sie einen Weg finden, den Prinzen wieder zurückzubringen - koste es, was es wolle. Und während ihr der Sturm weiter um die Ohren peitschte, der Regen sie weiter durchweichte, glitt hoch oben am Himmel ein vierter Drache durch Hyrules Lüfte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)