Roter Regen von Flordelis ================================================================================ Kapitel 2: Nieselregen ---------------------- [LEFT]Lake Cranberry lag abgelegen im Süden von Greenvale, weiter entfernt war nur noch der Forest Park und Harry Stewarts Anwesen. Der See eignete sich hervorragend für Angler, denn hier hatten sich verschiedenste Fischarten niedergelassen, trotz oder gerade wegen der alten, inzwischen stillgelegten und verlassenen Sägemühle. Außerdem verfügte er über keinen direkten Zufluss, so dass er seinen Pegelstand lediglich durch ein ausbalanciertes Zwischenspiel aus Regen und Dürre beibehielt. Jedenfalls stand das im Reiseführer, den Jill auf dem Weg hierher gelesen hatte.[/LEFT] [LEFT]Nun standen sie am Ufer des Sees, genau dort, wo gelbes Absperrband Schaulustige fernzuhalten versuchte. Da sie so weit ab von der Zivilisation waren, sahen sie keine Gefahr darin, das Band zu ignorieren und sich eingehender den Fundort der Leichen anzusehen.[/LEFT] [LEFT]Inzwischen war der vormals starke Regen zu einem Nieseln verkommen, doch er schaffte es dennoch, innerhalb weniger Minuten Jills Regenjacke zu durchnässen. Nach einer Viertelstunde sehnte sie sich bereits nach einer heißen Dusche oder einem ausgiebigen Schaumbad, Hauptsache sie käme aus dieser Feuchtigkeit heraus.[/LEFT] [LEFT]Chris machte dieses Wetter offenbar weniger aus. Er kniete neben dem Ufer, betrachtete das dunkel gefärbte Gras, das sich von dem anderen um sie herum unterschied. In der Akte war vermerkt, dass die Haut der Leichen mit einem unbekannten ätzenden Sekret benetzt gewesen war, das sich erst mit mehrmaligen Waschen entfernen ließ. Das Gras war allerdings nicht tot, es sah nur … anders aus, hatte sich rot verfärbt und wirkte nun stärker als der Rest. Chris strich mit seiner Hand darüber, er runzelte die Stirn und betrachtete seine Fingerspitzen, die nicht einmal Rötungen aufwiesen. »Was immer es war, die Wirkung scheint verflogen zu sein.«[/LEFT] [LEFT]»Wurde es vom Regen in den See gespült?«[/LEFT] [LEFT]Er betrachtete den Wasserspiegel, der pausenlos von feinen Regentropfen aufgewühlt wurde. »Möglich. Dann wäre die Konzentration inzwischen derart verdünnt, dass es keinen Unterschied für die darin lebenden Fische macht oder dass sie langsam mutieren.«[/LEFT] [LEFT]Wenn sie einen fangen könnten, wäre die Beurteilung leichter. Aber keiner von ihnen hatte eine Angelausrüstung bei sich – und Jill angelte nicht mal. Sie war sich auch nicht sicher, ob Chris dem nachging. Eigentlich konnte sie sich das nicht vorstellen, das wäre ihm sicher zu langweilig.[/LEFT] [LEFT]Er nahm eine Probe des Seewassers, obwohl sie das ohnehin erst analysieren lassen könnten, sobald sie wieder bei der BSAA wären.[/LEFT] [LEFT]Jills Blick wanderte zu der Sägemühle auf der anderen Seite des Sees. Dort wurde nicht gearbeitet, aber sie sollte dennoch bei Gelegenheit jemanden in der Stadt darüber befragen. Chris sah ebenfalls hinüber. »Sollen wir dort nachsehen?«[/LEFT] [LEFT]»Wir könnten rüberjoggen«, schlug sie vor.[/LEFT] [LEFT]Sein tadelnder Blick war ihr genug Erwiderung. Sicher glaubte er nicht, dass sie dafür schon fit genug wäre. Bis vor kurzem war sie noch im Labor eingesperrt gewesen, deswegen verstand sie seine Bedenken und gab nach.[/LEFT] [LEFT]So fuhren sie mit dem Auto auf den leeren Parkplatz der Sägemühle. Aus der Nähe ragte das Gebäude bedrohlich in den Himmel, beeindruckte Jill aber nicht weiter. Die herumliegenden Holzstämme, die darauf warteten, verarbeitet zu werden, verrotteten vor sich hin, was dafür sprach, dass hier wirklich schon sehr lange nicht mehr gearbeitet wurde. Es gab nicht einmal Graffiti, vermutlich wegen der abgelegenen Lage. Im Großen und Ganzen schrie alles danach, dass es das versteckte Hauptquartier einer Organisation ist, die Menschenexperimente durchführte.[/LEFT] [LEFT]Der Eingang war mit einem gelben Flatterband abgesperrt, aber dieses hier wirkte alt. Dennoch wich Chris davor zurück. »Wir sollten erst einmal Informationen einholen. Am Ende verschwenden wir hier nur Zeit.«[/LEFT] [LEFT]Es sah nicht danach aus, als hätte jemand diese Absperrung in den letzten Monaten durchbrochen, also glaubte sie auch nicht, dass sie hier etwas finden könnten. »Dann fahren wir in die Stadt zurück. Coleridge hat mir von einem Diner erzählt, da können wir etwas essen und vielleicht ein paar Leute finden, die uns Informationen liefern.«[/LEFT] [LEFT]Außerdem wurde es spät und der Hunger nagte langsam an ihr. Deswegen ließen sie die Sägemühle wieder hinter sich und fuhren zurück in die Stadt. Jill dirigierte ihn zum A & G Diner, einem kleinem, gemütlich aussehenden Laden. Bevor Jill aus dem Auto ausstieg, entdeckte sie hinter einem der Fenster etwas, das ihr Interesse weckte: »Hey, ist das Coleridge?«[/LEFT] [LEFT]An einem Tisch im Diner saß Charles, lachend und hin und wieder von einem Sandwich abbeißend. So ungezwungen wirkte er ganz anders als im Hotel, wo er sie nervös betrachtet hatte. Jill sah zu der Person ihm gegenüber, eine Frau mit rot-braunem Haar, das zu einem Pferdeschwanz gebunden war; sie erzählte ihm voller Inbrunst etwas und musste sich dabei anscheinend auch immer wieder zum Lachen unterbrechen.[/LEFT] [LEFT]»Sie erinnert mich an Claire«, bemerkte Chris.[/LEFT] [LEFT]Tatsächlich, wenn sie genauer hinsah, glaubte sie auch, dass es Claire sein könnte. Aber zum einen waren deren Haare gerade kurz, zum anderen war sie meilenweit von diesem Ort entfernt. Und vor allem hatte Claire keine Brandnarbe, die sich über ihren linken Hals zog und nur kurz vor dem Unterkiefer wieder endete. Es war aber ein beachtlicher Zufall.[/LEFT] [LEFT]Jill nutzte die Gelegenheit, um mit ihrem Handy ein Foto von Charles zu machen, das sie auch direkt an Quint schickte, mit der Bitte um eine Personenprüfung. Sie schnalzte mit der Zunge, als das Absenden der Nachricht mehr als vier Sekunden dauerte. »Hier ist man wirklich im Nirgendwo.«[/LEFT] [LEFT]Chris' Antwort darauf überraschte sie: »Irgendwie schön, oder? Wenn diese Todesfälle nicht wären, ließe es sich hier bestimmt gut leben. Warum siehst du mich so an?«[/LEFT] [LEFT]»Na ja, ich hätte nicht gedacht, dass du diese Ruhe mögen könntest.«[/LEFT] [LEFT]»Besser als Bio-Terrorismus.« Er zuckte mit den Schultern, stieg aus und beendete damit das Gespräch.[/LEFT] [LEFT]Jill folgte ihm. Das Schachbrett-Muster auf dem Fußboden des Diners erinnerte Jill unangenehm an die rätsellastigen Räume der Anwesen, in denen sie bislang gewesen waren. Glücklicherweise erwartete sie hier aber kein Rätsel und auch keine Monster, sondern nur eine blonde Frau mit streng zurückgebundenen Haaren, die sie lächelnd begrüßte, sich als »Olivia« vorstellte und sie dann zu einem Tisch führte und mit zwei Speisekarten wieder alleinließ. Der vorherrschende Geruch ließ Jill das Wasser im Mund zusammenlaufen. Vor der Abreise nach Greenvale hatte sie nur ein kleines Frühstück gehabt, umso mehr wünschte sie sich nun etwas richtig Gutes zu essen.[/LEFT] [LEFT]»Er hat uns bemerkt«, sagte Chris leise, ohne von der Karte aufzusehen.[/LEFT] [LEFT]Jill wusste sofort, wen er meinte. Sie sah zu Charles hinüber, der sie besorgt musterte, ähnlich wie die Frau, die ihm gegenüber saß, aber eher verwirrt war. Um ihn etwas zu beruhigen, winkte sie ihm lächelnd zu, damit er nicht darauf kam, dass sie gegen ihn ermittelten. Falls er etwas damit zu tun hatte, sollte er schließlich nicht im Vorfeld Beweise vernichten oder gar untertauchen.[/LEFT] [LEFT]Charles zwang sich zu einem schiefen Lächeln, erwiderte das Winken halbherzig, dann konzentrierte er sich wieder auf seine Gesprächspartnerin, die ihn vermutlich gerade neugierig fragte, wer sie beide eigentlich waren. Sie legte eine Hand auf seine, während sie sich vorlehnte, was ihn etwas zu beruhigen schien.[/LEFT] [LEFT]Während dieses kurzen Austausches hatte Chris weiterhin die Karte studiert und sich nicht darum gekümmert. Damit könnte Charles weiterhin glauben, dass er einen schlechten Tag hatte. Gerade als Jill sich auch wieder in die Karte vertiefte, schloss Chris seine und legte sie auf dem Tisch ab.[/LEFT] [LEFT]»Lass mich raten«, sagte sie. »Du nimmst das Steak?«[/LEFT] [LEFT]Dass so etwas Teures in einem Diner geführt wurde, irritierte sie. Aber möglicherweise war das hier in der Stadt die einzige Möglichkeit auswärts essen zu gehen, also warum nicht einfach alles aufwenden?[/LEFT] [LEFT]»Und du den Burger?«, gab er schmunzelnd zurück.[/LEFT] [LEFT]»Du kennst mich eben~.«[/LEFT] [LEFT]Olivia kehrte an ihren Tisch zurück und füllte ihnen ihre Gläser mit Wasser.[/LEFT] [LEFT]»Sind Sie auf der Durchreise?«, fragte sie freundlich.[/LEFT] [LEFT]Jill wiederholte die Geschichte der Hochzeitsreise, worauf Olivia regelrecht zu strahlen begann. »Oh! Herzlichen Glückwunsch! Wie schön, dass Sie dann nach Greenvale gekommen sind. Hier gibt es vielleicht nicht viel zu erleben, aber wir haben alle Vorteile einer Kleinstadt, inklusive des Gefühls, Teil einer großen Familie zu sein.«[/LEFT] [LEFT]Sie lachte ein wenig, offenbar selbst verlegen über dieses Beispiel.[/LEFT] [LEFT]»Bestimmt kennen Sie sich gut hier aus«, sagte Jill. »Wir haben vorhin eine Sägemühle abseits der Straße gesehen. Aber sie wirkte verlassen …«[/LEFT] [LEFT]Olivia nickte. »Das war früher der Hauptarbeitsplatz für die meisten Stadtbewohner. Mr. Stewarts Vater hat sie eröffnet. Aber die Arbeit dort wurde schon eingestellt, als ich noch jung war. Und vor einigen Jahren ist dort ein schlimmer Mord geschehen.«[/LEFT] [LEFT]Bedauernd schüttelte sie mit dem Kopf, dann wurde ihr aber offenbar bewusst, was sie gesagt hatte, denn sie fügte rasch noch etwas hinzu: »Aber der Fall wurde aufgeklärt, also müssen Sie sich keine Sorgen machen.«[/LEFT] [LEFT]Deswegen war der Eingang abgesperrt. Und da man die Sägemühle nicht mehr benötigte, war einfach niemand da gewesen, der die Bänder wieder entfernte. Das sprach aber auch dafür, dass dort drin wirklich nichts von Interesse für sie wäre.[/LEFT] [LEFT]»Der See sieht aus wie ein guter Angelplatz«, schaltete Chris sich ein.[/LEFT] [LEFT]Olivia lächelte entschuldigend. »Damit kenne ich mich nicht aus. Aber wenn Sie das interessiert, fragen Sie am besten den Wildhüter im Forestpark. Oder seine Tochter, Lilly, sie arbeitet in der Milk Barn.«[/LEFT] [LEFT]Chris warf Jill einen Blick zu, sie zwinkerte ihm zu. »Von dem Laden hab ich gelesen. Da sollten wir auf jeden Fall vorbeisehen.«[/LEFT] [LEFT]Zumindest sagte der Reiseführer, dass der kleine Lebensmittelladen ein Dreh- und Angelpunkt der Stadt war. Wenn Jill daran zurückdachte, wie sie früher den meisten Tratsch in Supermärkten mitbekommen hatte, wäre es sicher nicht verkehrt, sich dort umzuhören. Und vielleicht wusste diese Lilly wirklich irgendetwas, das ihnen weiterhelfen könnte.[/LEFT] [LEFT]Sie bedankten sich für die Informationen und gaben ihre Bestellung auf. Olivia eilte wieder davon. Charles und seine Begleitung standen inzwischen auf und verließen das Diner. Er nickte ihnen kurz zu, vermutlich, weil er sich nun verpflichtet fühlte, sie nicht einfach zu ignorieren, dann ging er hinaus und ließ die Tür hinter sich zufallen. Während die beiden über den Parkplatz liefen, legte Charles einen Arm um die Hüfte der Frau, die ihn daraufhin anlachte. Chris sah ihm mit gerunzelter Stirn hinterher, deswegen fühlte Jill sich bemüht, ihn ein wenig abzulenken: »Hey, wie lang ist es eigentlich her, seit wir zuletzt miteinander gegessen haben?«[/LEFT] [LEFT]Nur widerwillig löste er den Blick von den scheinbar Verliebten. »Meinst du außerhalb der Laborkantine?«[/LEFT] [LEFT]»Ja, die Kantine zählt nicht.«[/LEFT] [LEFT]Er überlegte einen Moment. »Ich glaube, das war in dem Dorf in der Nähe von Spencers Anwesen. Kurz bevor du ...«[/LEFT] [LEFT]Als er abrupt verstummte und mit gerunzelter Stirn auf seine geballten Fäuste auf dem Tisch sah, wusste sie, dass sie das falsche Thema angefangen hatte. Aber es war so lange her, dass sie gar nicht daran gedacht hatte, dass sie am Tag vor der Begegnung mit Wesker im Anwesen wirklich noch essen gewesen waren.[/LEFT] [LEFT]»Hey.« Sie streckte eine Hand aus und legte sie vorsichtig auf eine seiner Fäuste. »Ich bin doch jetzt hier, oder nicht? Alles ist gut ausgegangen.«[/LEFT] [LEFT]Seine Mundwinkel zuckten, als wolle er widersprechen. Doch entweder ihr Blick oder ihr zuversichtliches Lächeln überzeugten ihn, es sein zu lassen. »Du hast recht. Es bringt nichts, wenn ich mir jetzt noch Vorwürfe mache.«[/LEFT] [LEFT]»Richtig. Außerdem hast du mich im Endeffekt ja gerettet, also …«[/LEFT] [LEFT]Die Erinnerung daran brachte ihn zum Lächeln. Sie genoss diesen Anblick, da er in der letzten Zeit nicht mehr sehr häufig zu sehen gewesen war. Seine Fäuste öffneten sich wieder, sie ließ ihre Hand dennoch auf seiner liegen; er sollte ruhig wissen, dass sie weiter an seiner Seite war.[/LEFT] [LEFT]Es kam ihr vor, als wandte Chris plötzlich verlegen den Blick ab. »Wir sollten nach dem Essen ins Hotel zurück. Sonst holst du dir am Ende noch eine Lungenentzündung.«[/LEFT] [LEFT]Inzwischen war ihre Kleidung nicht mehr nass, aber ihre Schultern waren zumindest noch klamm, deswegen stimmte sie seufzend zu. »Ich könnte echt ein schönes heißes Bad gebrauchen.«[/LEFT] [LEFT]»Ich hätte nichts gegen eine Dusche.«[/LEFT] [LEFT]Also hatte das regnerische Wetter hier doch einen Einfluss auf ihn und er hatte sich nur besonders gut im Griff; ein echter Profi eben.[/LEFT] [LEFT]Sie ließ Chris' Hand erst wieder los, als Olivia mit dem Essen zu ihnen kam. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte sie den Eindruck, Chris wäre sogar enttäuscht. Aber seine Aufmerksamkeit galt schnell seinem Essen; er musste genauso hungrig sein wie sie.[/LEFT] [LEFT]Während sie sich endlich ihrem – köstlichen – Burger und den Pommes widmete, dachte sie nicht an den Fall, sondern nur wieder daran, wie sie Chris am besten aufmuntern könnte. Bevor sie diese Stadt verließen, so beschloss sie, hätte sie einen Weg gefunden, Chris zu helfen. Ganz bestimmt sogar.[/LEFT] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)