Sommerhitze von _Natsumi_Ann_ (Hook & Jafar || Jasmin & Mulan) ================================================================================ Kapitel 1: Genie in a Bottle (Hook x Jafar) ------------------------------------------- 🌼 Chapter One 🌼 🏴 🏴 🏴 Missmutig schmiss Hook seine Perücke zu Boden. Es war sowieso viel zu heiß, um dieses Scheißding des bloßen Scheins wegen noch weiter auf seinem schwitzenden Kopf zu ertragen. Über die Jahre hatte er die künstliche, lange Lockenpracht zu seinem Markenzeichen gemacht – jeder in Neverland wusste, wie ein Captain James Hook auszusehen hatte. War im Nachhinein vielleicht doch eine eher unpraktische Idee. Immerhin besaß er noch seine eigene Haarpracht. Und in so einem glühenden Sommer wie diesem sah selbst ein Piratenkönig mit unzähligen Schweißperlen auf dem ganzen Gesicht etwas lächerlich aus. Die Leute würden sich nicht vor ihm fürchten, sondern nur die Nase rümpfen und sich ekeln. Und Peter Pan würde sich über ihn lustig machen – noch mehr als sonst! Doch er konnte sein ganzes Image jetzt nicht wieder ummodeln. Er war doch kein Teenager mehr, der sinnlose Denkfehler machte und seine Laune wechselte wie manch andere ihre Unterhosen! So ein Teenie eben wie Peter. Wobei dieser längst keiner mehr war – zumindest geistig und seelisch nicht mehr. Er hatte nur den Körper eines jungen Burschen, warum wusste Hook auch nicht so genau. Aber er würde alles daran setzen, sein dunkles Geheimnis eines Tages aufzudecken. Und dann…. Ja, dann würde er ihn vor ganz Neverland bloßstellen. Genauso wie Pan ihn einst vor aller Welt blamiert hatte. Rache ist süß und wird am besten kalt serviert. Dann, wenn Pan es am wenigsten ahnte, würde er zurückschlagen! Mit allen ungerechten Mitteln, die er kannte oder die er sich bis dahin noch aneignen würde. Normalerweise würde Hook 24/7 darüber nachdenken, wie er sein Ziel, Peter zu stürzen, endlich in die Tat umsetzen könnte. Doch an diesem heißen Sommerabend grübelte James über etwas anderes nach. Nämlich über eine Öllampe. Richtig über eine verdammte Lampe! Sie stand vor ihm auf dem Tisch und glotzte ihn nichtssagend an. Die ganze Crew hatte schon versucht, sie zu öffnen, denn es raschelte seltsam in dem Ding. Vielleicht waren Goldstücke oder Juwelen darin versteckt? Smee hatte sie gestern Mittag am Strand gefunden, während die Crew auf dem Land Vorräte besorgt hatte. Und Hook hatte dieses Gefühl im Bauch, dass der Inhalt dieser Lampe wichtig für ihn werden könnte. Oder gar äußerst nützlich. Woher dieses Gefühl kam, wusste er nicht. Vielleicht war es diese Magie, von der Tinkerbell immer gesprochen hatte. Die kleine süße Tink. Wie oft hatte er sie schon gefangen genommen, um Peter aus der Reserve zu locken?! Ab und an war sie auch freiwillig zu ihm geflogen, weil sie anscheinend wütend auf ihren fliegenden Prinzen war. Es schien nicht immer einfach zu sein, mit diesem Wunderknaben zusammenzuleben. Manchmal erwischte Hook sich dabei, wie Tinkerbell ihm ein bisschen leidtat. Diese Gedanken streifte er aber meistens schnell wieder ab – denn was interessierten ihn diese zwischenmenschlichen Beziehungen? Besonders wenn es um Pan ging – selber schuld, wenn man sich auf so einen Kindskopf einließ. Seine Gedanken schwankten wieder zu der Lampe. Hook kratze sich am Kinn und nahm sie schlussendlich in beide Hände. Er betrachtete sie von allen Seiten. Kurz zuckten seine Brauen, als er die Fettflecken auf einer Fläche entdeckte. Wer hatte sich da mal wieder die Finger nicht richtig gewaschen? Manchmal waren seine Crewmitglieder wirklich wie schwererziehbare Kleinkinder! Er holte ein weißes Tuch aus seiner Hosentasche, das er immer dabei hatte (für den Fall der Fälle) und wischte es über die verschmutzte Stelle. Zunächst schien sich nichts zu verändern, dann rubbelte er fester über das goldene Metall, bis die Lampe warm wurde. Mit jeder Bewegung wurde es wärmer, heißer, dann stieg plötzlich roter Hauch aus der Öllampe hervor. Erschrocken ließ Hook den Gegenstand auf den Tisch fallen und taumelte zurück. Was zur Hölle war jetzt los? Der rote Dunst vernebelte ihm das Gesicht und ließ ihn husten. Mit den nun freien Händen rieb er sich seine Augen. Der rötliche Nebel hing immer noch im Raum und begann, sich zu verteilen. Nein … er sammelte sich! Hook musste dreimal hinsehen, bis er schlussendlich erkannte, dass sich der Nebel zu rotem Sand formte und dann zu einer Gestalt. Er legte den Kopf schief und trat vorsichtig wieder nach vorne. Die Gestalt nahm langsam eine richtige Form an. Es war ein … Mann?! Seine Haut war noch rötlich verfärbt, aber je länger Hook ihn anstarrte, desto bräunlicher wurde sein Hautton. Verwundert hob er eine Augenbraue und kniete sich vor das Geschöpf, welches immer noch ohnmächtig war. Es rührte sich nicht – Hook tippte kurz mit dem Finger gegen seine Brust. Da bewegte sich etwas. Also schon mal keine Leiche. Aber wie hatte dieser Mann in diese kleine Lampe gepasst? Tinkerbell hätte dort reingepasst und sich glatt ein neues Haus daraus bauen können, aber dieses Wesen sah nicht nach einer Elfe oder Fee aus. James legte seine Stirn in Falten und betrachtete den Mann genau. Er war groß und recht schlank. Sein Haar war schwarz, lang, wellig und seine Haut hatte einen warmen Bronzeton. Ein wenig erinnerte ihn die Farbe an Tiger Lily, auch wenn er dem Mädchen davon abgesehen in keiner Weise glich. Seltsam, dachte er. Er musste aus einem anderen Land kommen – hier gab es Wesen wie ihn nicht. Davon hätte Hook schließlich gewusst – immerhin war er der Piratenkönig von Neverland und kannte jeden Winkel hier! Naja… fast jeden. Pan hatte wohl noch das ein oder andere Versteck, das er noch nicht entdeckt hatte. Was sollte er jetzt mit diesem „blinden Passagier“ tun? Ihn zu wecken wäre wohl die einfachste Option. Da es brennend heiß war, sollte er es vielleicht einfach mit einem Eimer voller kaltem Wasser probieren. Dieser Unbekannte hatte sicher Durst – er war wirklich ein Meister, was Gastfreundschaft anging. Daran sollten sich die Meisten mal ein Beispiel nehmen! Sich selbst imaginär auf die Schulter klopfend, besorgte der Captain in Windeseile einen prall gefüllten Eimer Wasser. Er versuchte aber keine Aufmerksamkeit auf dem Schiff zu erregen, da seine Crewmitglieder sich vermutlich wie eine Schar kleiner, schaulustiger Kinder auf den Fremden stürzen würden, um ihn mit Fragen zu löchern … falls er erwachte. Er würde überfordert sein und peinlich war das Ganze sowieso, mit diesen ganzen Rüpeln und ihrem schlechten Benehmen! Nein, nein … nein! Diese Aufgabe musste er selbst erledigen! Also stellte sich Hook über den ohnmächtigen Mann und kippte den Eimer mit einem Schlag über seine Brust. Der Fremden zuckte merklich zusammen. Ein dumpfer Schrei folgte. „Bei Il-Afrit (arabischer Wasserdämon), was in aller Welt geht hier vor?!“, prustete der fremde Mann. Er schien noch nicht wirklich wach zu sein. Seine Pupillen bewegten sich wild hin und her und seine Hände berührten irritiert seine nasse Brust. Es dauerte einige Sekunden, bis sein Herzschlag sich beruhigt hatte und der Fremde sich verwirrt, aber bewusst, umsah. Dann traf braun auf blau. Hook konnte den Blick des Fremden nicht wirklich deuten. War er wütend oder einfach nur überrascht? Sein Blick durchbohrte ihn. Es fühlte sich an, als könnte er in seine Seele blicken – falls er noch eine besaß. James war paralysiert von diesem intensiven Augenkontakt, den der Fremde ohne zu blinzeln aufrecht erhielt. Erwartete der Fremde etwa, dass er zuerst etwas sagte oder tat? Langsam aber sicher wurde James nervös, dennoch wollte er keine Schwäche zeigen. Und das würde er tun, wenn er seine Augen von ihm abwendete. Reine Männerlogik, aber Stärke zu verkörpern auf jede Art und Weise war einfach die Aufgabe eines Kapitäns. Zumindest seiner Überzeugung nach. „Wo befinde ich mich gerade?“, nach einer unendlichen Stille – endlich eine Frage, die das Schweigen durchbrach. Hook reagierte zu seiner Überraschung blitzschnell. „Auf meinem Schiff.“, dann streckte er einen Finger in die Höhe und deutete auf das offene Fenster. „Auf meinem Piratenschiff.”Das unterstrich ein wenig, dass er gefürchtet war, falls der Fremde daran zweifelte. Der unbekannte Mann richtete sich ein klein wenig auf und folgte seinem Finger. Von hier aus konnte man die schwarze Piratenflagge mit dem weißen Totenkopf erkennen. Sie wehte ruhig im Wind. „Diese Flagge ist mir fremd.“ Hook wäre beinahe nach hinten gekippt, als der noch Namenlose ihm ernsthaft zu erklären versuchte, dass er gerade quasi unter einer unbekannten Flagge segelte. „Du weißt nicht, was Piraten sind?“, fragte er fassungslos und hob skeptisch eine Augenbraue. „Doch. Aus Geschichten. Aber Seeräuber haben in diesen Erzählungen nie solche farblosen Flaggen als Erkennungszeichen.“ „Farblos?“ wiederholte Hook entsetzt. „Woher muss man kommen, dass man solch eine Flagge nicht schon einmal gesehen hat?“ „"Aus dem Sultanat Agrabah. So haben die Menschen den Ort immer bezeichnet, an dem ich lebte. Ich kann mich jedoch nicht entsinnen, wie viel Sonnen und Monde ich verschlafen habe und ob der Ort, den ich einst bewohnte, überhaupt noch existiert“, erwiderte der Fremde und blickte sich interessiert um. "Wie ist dein Name?", verlangte Hook nach dem Namen für das seltsam hübsche Gesicht. Er hatte es satt, den Fremden nicht richtig ansprechen zu können. Da er die Gegenfrage bereits erahnen konnte, fügte er hinzu: "Ich bin übrigens Captain James Hook. Piratenkönig von Neverland." „Jafar. Ich war Großwesir des Sultans von Agrabah.“ Seine Stimme war ruhig und einnehmend. Sie jagte Hook tatsächlich eine leichte Gänsehaut über den Rücken.. „Warst?!”, fragte er skeptisch, “Und was bist du nun? Oder ist das normal, dass Großwesire eine Öllampe bewohnen?“ „Ein Dschinn.“ „Was für ein Ding?“ „Ein Flaschengeist.“ „Ah, sag das doch gleich. Wie wird man vom Großwesir des Sultans zum Flaschengeist befördert?“ „Mm. Komplizierte Angelegenheit.“ James hatte schon einmal in Büchern von Flaschengeistern gelesen. Er versuchte sich zu erinnern, was sein staubiges Gehirn behalten hatte. Die Pläne rund um Pans Verderben nahmen definitiv zu viel Platz ein. Er musste wirklich eine Weile überlegen. Ein Flaschengeist muss seinem Befreier lebenslang dienen oder ihm eine gewisse Anzahl Wünsche erfüllen, meist mit gewissen Einschränkungen. Der Wunsch darf z. B. nur einmal ausgesprochen werden. Danach verschwindet der Flaschengeist wieder in seiner Flasche und wartet darauf, dass ihn der nächste Meister befreit. „Ach, ich entsinne mich! Ich habe dich aus der Flasche befreit, also bin ich jetzt dein Meister und du musst mir all meine Wünsche erfüllen“, erwiderte Hook mit glitzernden Augen und entdeckte erst jetzt Jafars goldene Armreifen. „Nur drei Wünsche muss ich dir erfüllen“, unterbrach Jafar seinen Enthusiasmus. Doch Hook schien immer weiter zu grinsen. „Anscheinend hast du schon einen Wunsch im Sinn“, fügte Jafar hinzu und gab ein leises Seufzen von sich. Die Menschen waren doch alle gleich. Hörten sie von einem magischen Wesen, das ihnen all ihre Wünsche erfüllen konnte, würden sie früh oder später durchdrehen, größenwahnsinnig werden und unachtsam werden – genauso wie es einst bei ihm gewesen war. James nickte zustimmend. „So kann ich meinen Erzfeind endlich besiegen. Mit dir geht es um einiges schneller, als ich geplant hatte.“ Jafar rollte mit den Augen. „Dafür reicht auch ein Wunsch aus. Was machst du mit den zwei weiteren?“ Hook zuckte mit den Schultern. Soweit hatte er wirklich noch nicht gedacht. Doch voller Freunde streckte er Jafar plötzlich die Hand entgegen. „Uns wird schon etwas Feines einfallen, was wir mit den restlichen Wünschen machen.“ „Uns?“, fragte Jafar. Er klang skeptisch, aber er erwiderte die Geste und legte seine Hand in Hooks. Sein Griff war sanft und dennoch bestimmend. Seine Haut war unglaublich geschmeidig für einen Seeräuber. Zumindest hatte er sich die Haut von Meeresdieben immer rau und haarig vorgestellt, wenn er in den Schriftrollen von ihnen gelesen hatte. Die Berührung des Kapitäns versetzte ihm einen kleinen Stich ins Herz. Jafar verstand zwar in diesem Moment nicht, was diese Gefühle wirklich zu bedeuten hatten, aber er fühlte, dass diese Begegnung sein Leben verändern würde. Hooks Worte bestätigten dies. „Ja, ich denke, das wird der Beginn einer wunderbaren Partnerschaft!“ ______________________________________________________________________________ *** Anmerkung: Da dieser Hook noch etwas jünger ist als in der Disney-Version, habe ich ihm seine Hand noch gelassen. In meiner Vorstellung beißt ihn das Krokodil also erst später, weswegen er jetzt noch keinen Gedanken dran verschwendet ^^ 🏴 🏴 🏴 Kapitel 2: She’s My Man (Jasmin x Mulan) ---------------------------------------- 🌼 Chapter Two 🌼 🏴 🏴 🏴 Es begann damit, dass Jasmin eines Tages eine fremde Flagge am Horizont sichtete. Von ihrem Zimmer aus hatte sie immer fast alles überblicken können. Sie kamen mit einer Schar aus Kriegern. Zunächst hatte sie Angst, dass Agrabah angegriffen werden könnte, doch dies stellte sich als eine falsche Vermutung heraus. Die Fremden kamen aus China und waren nur auf der Durchreise. Völlig erschöpft und ausgehungert, mit vom Marsch blutenden Füßen. Ihr Vater, der Sultan mit einem oftmals zu großen Herzen, hatte die gesamte Truppe aus Kriegern bei sich im Palast aufgenommen. Er gab ihnen reichlich zu essen und sonstige Verpflegung. Als kleines Dankeschön vereinbarte er mit dem Kommandanten aus China, dass seine Männer, sobald sie wieder bei Kräften waren, mit seinen Soldaten trainieren würden. Agrabah war schon seit einem Jahrzehnt nicht mehr angegriffen worden und die Truppen des Sultans brauchten dringend Übung, um wieder standhafter für einen möglichen Kampf zu werden. Zuerst hatte Jasmin sich nicht sonderlich für das Zusatztraining interessiert. Dennoch war sie den ein oder anderen Tag auf dem inneren Hof des Palastes erschienen. Immerhin wollte sie als Prinzessin von Agrabah auch helfen. Zumindest Wasserkrüge oder Brot konnte sie verteilen. Zu Beginn hatte ihr Vater ihr verboten,sich den Fremden zu sehr zu nähern. Nicht, weil er Angst hatte, sie könnte verletzt werden, sondern da einige unter ihnen bei ihrer Ankunft krank gewesen waren. Und zunächst wollte der Sultan abschätzen, wie ansteckend die Krankheit war und ob die Anzahl an Erkrankten gering blieb. Da Zweiteres der Fall war, durfte sie endlich behilflich sein. Jasmin zog gut gelaunt mit einem Tablett voller Früchte los. Sie freute sich einfach, neue Gesichter zu erblicken, denn sie bekamen im Palast viel zu selten Besuch. Nur zwei bis drei Mal im Jahr von entfernten Verwandten und Freunden aus anderen Ländern. Sie konnte zwar auch die Stille genießen, aber heitere Stimmen und zufriedenes Lachen, wenn alle die Gastfreundschaft der Sultansfamilie genossen, erfüllte ihr Herz mit vollkommener Zufriedenheit. Gut gelaunt lief sie durch die Korridore., Ihr stets ihr treuer Gefährte Rajah, der zufrieden vor sich hin schnurrte, folgte ihr. Offenbar war es für die große Katze ebenfalls amüsant, mal wieder andere Gestalten zu sehen. Jasmin erreichte den großen Balkon, der als Zwischenweg zum Eingang des Hofes diente. Von hier aus konnte sie schon einen Blick auf das Trainingslager der Soldaten werfen. Kurz blieb sie stehen und blickte hinunter. Interessiert streifte ihr Blick die verschiedenen Trainingseinheiten, die mit unterschiedlichen Holzwaffen vollzogen wurden. Ob Schwerter, Lanzen oder Äxte. Normalerweise verabscheute sie jegliche Art von Krieg, doch es beeindruckte sie, wie manche Menschen mit ihrer Waffe umgehen konnten. Fast, als würden sie mit dieser verschmelzen. Als hätte die Waffe einen Geist, eine Art Seele, der mit ihnen kommunizierte. Von solchen Geschichten hatte man ihr durchaus schon berichtet, aber sie wusste nie so wirklich, was sie davon halten sollte. Und dann, als ihr Blick wie durch einen Zufall auf einen kämpfenden Soldaten hängenblieb, passierte es: Ihr kam es so vor, als würde ihr Herz stehen bleiben – ihre Pupillen weiteten sich und ihre Hände fingen an zu schwitzen. Es passierte so schnell, dass Jasmin das Tablett kurz am Rande des Balkons absetzen musste, um durchzuatmen. Sie konnte sich nicht erklären, wieso und warum gerade dieser Krieger, aber ihr Körper schien ganz und gar durchzudrehen… allein von seinem Anblick. Er war nicht sonderlich groß, nicht besonders kräftig, aber seine Art, sich zu bewegen, war so filigran und geschmeidig, als wäre er eins mit der ganzen Welt. Er schwang das Schwert so elegant und einzigartig, dass Jasmin wie hypnotisiert war von seinen Bewegungen. Ihr Verstand wollte ihr sagen, dass es hier einige Talente an Schwertschwingern gab, doch ihre Augen wehrten sich strikt dagegen, den Blick abzuwenden oder gar ihn jemand anderem zu schenken. Rajah zupfte nach einer Weile an Jasmins Hose, aber diese reagierte nicht. Die Welt um sie herum schien vergessen. Genauso wie jegliche Art von Zeitgefühl. Denn sie merkte nicht, wie lange sie den fremden Krieger so anstarrte. Man sagte, dass man einen Blick auch dann spüren konnte, wenn man mit dem Rücken zu jemandem stand, wenn er nur durchbohrend und intensiv war. Wie in Zeitlupe sah der Krieger auf. Ihre Blicke trafen sich. Ihr Herz fing an zu flattern und sie konnte diesem Blick kaum standhalten. Sie fühlte sich ertappt und realisierte jetzt erst, wie lange sie ihn beobachtet haben musste. Sie lief rot and und griff wieder das Tablett voller Früchte. Mit einem Ruck drehte sie sich um und versuchte, ihre Gedanken wieder auf ihr eigentliches Ziel zu fokussieren. Denn immerhin war sie hier, um Essen zu verteilen. Doch das dieses Vorhaben nicht lange umsetzbar war, merkte Jasmin schnell. Ihre Gedanken kreisten Tag ein Tag aus, zu jeder Stunde, ob am hellen Tag oder bei Sternenlicht, nur noch um diesen unbekannten Krieger. Sie traute sich nicht, ihm persönlich etwas zu Essen zu reichen. Stattdessen bewunderte sie ihn aus der Ferne Immer, wenn sie am Morgen erwachte, betete sie zu Allah, dass sie ihn heute wiedersehen durfte. Dass sie nur einen Blick von ihm erhaschen durfte. Das Trainingslager war groß und nicht jeder Krieger hatte seinen Standardplatz. Ebenso schliefen sie zu unterschiedlichen Tageszeiten. Also waren diese Gebete durchaus sinnvoll, obwohl sie sich anfangs albern dabei vorgekommen war. Doch diese seltsamen Gefühle in ihrer Brust und ihrem Bauch, wann immer sie ihren Krieger sah, machten einfach süchtig … Konnte man wirklich süchtig von einem Menschen werden? Jasmin stellte sich diese Frage öfters, kam aber zu keiner wirklichen Antwort. Ihr Körper war abhängig von Augenblicken, die sie heimlich mit einer Person teilte, die sie aber nicht einmal wirklich kannte. Mit einer Person, mit der sie nie ein Wort gewechselt hatte. Bei diesem Gedanken überkam Jasmin eine tiefe Traurigkeit. Denn die bittere Realität rückte immer näher. Die chinesischen Truppen würden nicht ewig hier verweilen. Die fremden Männer schienen von Tag zu Tag stärker und motivierter zu werden, sodass einem Aufbruch schon bald nichts mehr im Wege stehen würde. Und wenn sie abziehen würden, ohne jemals ein Gespräch mit ihrem erwählten Krieger zu führen, würde ihr Herz ihr das niemals verzeihen. ~*~ Die Sonne war gerade aufgegangen, schien aber schon recht heiß über dem Himmel, als Jasmin auf leisen Sohlen aus ihrem Zimmer schlich. Sie wusste genau, dass die meisten im Palast noch nicht erwacht waren. Und ihre Leibwächter hatten gerade einen Schichtwechsel. Auf die Minute genau hatte sie sie wochenlang beobachtet, um nun genau zu wissen, wann sie das Zimmer heimlich verlassen konnte. Sie schlich leise durch die Flure und wandelte wie ein Schatten über den Innenhof bis zu ihrem Ziel. Das Trainingslager war noch wie leergefegt. Sie wusste nicht, welche Trainingseinheit ihr auserwählter Krieg heute hatte. Die Soldaten hatten nicht immer denselben Rhythmus, aber dennoch vermutete Jasmin, dass es diesmal eine Einheit im Morgengrauen sein musste. Sie hatte gestern Abend Stoßgebete Richtung Himmel gesandt, dass sie mit ihrer Berechnung richtig lag. Ihr Herz hämmerte jetzt schon wie wild gegen ihre Brust. Noch nie im Leben war sie so aufgeregt gewesen. Sie spazierte durch die leeren Schauplätze bis hin zu den Umkleiden, wo sich die Soldaten jeden Tag fertig machten. Ihr Plan war es, wie durch einen Zufall hier zu verweilen, bis die ersten Krieger das Training antraten. Sie wollte fragen, ob sie heute besondere Wünsche hatten, was das Essen oder Trinken anging. Das war halbwegs natürlich und nicht aufdringlich. Hoffte sie zumindest. Als sie an den Säulen der Eingangshalle des Bades ankam, hörte sie plötzlich ein Geräusch. Erschrocken zuckte sie zusammen und versuchte blitzschnell zu analysieren, woher es kam. Schnell wanderten ihre Augen auf eine der Kabinentüren. Sie lauschte mit gespitzten Ohren und als sie den Atem anhielt, konnte sie es wieder hören. Es war eine Art Stöhnen gemischt mit Gerumpel. Vorsichtig glitt sie zur besagten Türe und öffnete diese so leise wie sie konnte. Sie presste die Lippen aufeinander und kniff kurz die Augen zusammen, bis sie es endlich schaffte. Doch gerade als sie wieder aufatmen wollte, stieß sie gegen einen vollen Krug mit Wasser, der direkt hinter dem Eingang stand. Im ersten Moment wollte sie weglaufen, einfach flüchten, aber dann entschied sich ihr Instinkt doch dafür stehen zu bleiben, tief durchzuatmen und dann hervorzutreten. „Es tut mir leid, ich wollte nicht…“, doch ehe sie weitersprechen konnte, zuckte alles in ihr zusammen und ihre Sprache versagte. Da stand er… ihr Krieger. Halb nackt – die Hose schon halb angezogen, doch das Oberteil noch in den Händen haltend. Jasmins Augen zuckte irritiert, als sie immer wieder auf den Oberkörper des Kriegers starren musste – denn ihr Krieger war eine Kriegerin. Die Soldatin starrte die Prinzessin ebenfalls verstört an. Es dauerte einige Sekunden, bis sie ihr Oberteil etwas beschämt vor die Brust zog und ihre Wangen sich leicht rötlich färbten. „Prinzessin“, kam es heißer aus ihrer Kehle. Jasmin wurde ganz heiß, als sie zum ersten Mal die Stimme ihrer Kämpferin hörte. „Ich habe niemanden so früh hier erwartet“, ergänzte die junge Frau, die Jasmin fälschlicherweise die ganze Zeit für einen Mann gehalten hatte. Obgleich sie etwas perplex war, änderte dies überraschenderweise rein gar nichts an ihrer Gefühlslage zu ihrem Gegenüber. Im Gegenteil – noch mehr Schmetterlinge hüpften durch ihren Bauch und befahlen ihr zu sprechen. „Nennt mich bitte nicht Prinzessin. Ich heiße Jasmin“, war das erstbeste, was ihr einfiel und sie hoffte, dass es das Eis brechen würde. „Freut mich. Ich bin Mulan“, erwiderte die Kriegerin fast erleichtert und lächelte sanft. Zu Jasmins Überraschung schien sich Mulan schnell wieder gefangen zu haben. „Ihr hattet sicher etwas anderes erwartet“, sprach sie die etwas merkwürdige Situation direkt an. Jasmin wollte zuerst ausweichen, aber entschloss sich dann doch, darauf einzugehen. Denn Mulan war mutig, das konnte man ihr hoch anrechnen. Und dass sie ihren Körper meinte war definitiv klar, denn ihren Blick hatte sie beim Sprechen nach unten gerichtet. „Ich muss zugeben, ich bin tatsächlich die ganze Zeit davon ausgegangen, Ihr wärt ein Mann“, gab Jasmin ehrlich zu und konnte dabei nicht die Augen von Mulan lassen. Sie war immer noch wunderschön und strahlte eine Stärke aus, die sie noch nie zuvor bei einem Mann gesehen hatte. „Manchmal bin ich auch ein Mann“, sagte Mulan. Mit einem schiefen Grinsen zog sie sich das Oberteil über die Schultern, was Jasmin etwas schade fand. „Wie meint Ihr das?“, fragte die Prinzessin verwirrt, aber wanderte weiter an Mulans Körper mit ihren Augen entlang. „Ich bin vielleicht körperlich eine Frau, fühle mich aber ab und an wie ein Mann. Schwer zu erklären“, dann kicherte sie ein wenig in sich hinein. „Also, wenn Ihr die ganze Zeit davon ausgegangen seid, dass ich ein Mann bin, müsst Ihr mich wohl nicht so scharf beobachtet haben, wie ich dachte.“ Jasmin wurde urplötzlich puterrot und wandte ihren Blick ab. Also waren ihre schmachtenden, schwärmenden Blicke so offensichtlich gewesen? Am liebsten wäre Jasmin im Erdboden versunken, aber sie versuchte weiterhin halbwegs taff zu wirken, was ihr nicht wirklich gelang. „Also… ich finde Eure Bewegungen … und Eure Art zu kämpfen…", stotterte sie unbeholfen, was Mulan wieder zum Grinsen brachte. „Das muss Euch nicht peinlich sein. Die meisten halten mich für einen Mann und zu Anfang dachten auch meine Mitstreiter, dass ich einer wäre. Zuerst waren sie ziemlich entrüstet, als meine wahre Identität herauskam, aber jetzt akzeptieren sie mich genauso wie ich bin. Ich bin Fa Mulan – nicht ganz männlich, aber auch nicht ganz weiblich.“ Mulan plauderte ziemlich offen über ihre Geschichte, als sie bemerkte, dass die Prinzessin ihr zwar aufmerksam zuhörte, aber sie immer noch etwas peinlich berührt dastand. Sie leckte sich kurz über die Lippen und trat einen Schritt auf sie zu. Dann erfasste sie sacht Jasmins rechte Hand. „Tut mir leid, wenn ich Euch zu viel auf einmal erzählt habe. Aber wenn ich eins vermisse unter Frauen, dann ist es die Kommunikation. Männer sind meist nicht so redebedürftig wie ich.“ Mulan strich nochmals über ihre Fingerspitzen. „Und auf was ich eigentlich hinaus wollte, ist, dass ihr Euch nicht schämen müsst, denn ich habe Euch auch beobachtet. Und zwar seit dem ersten Tag, als Ihr zum ersten Mal das Tablett voller Früchte ins Trainingslager gebracht habt.“ Jasmin bekam eine Gänsehaut, als sie ihre Worte begriff. Scheu blickte zum ersten Mal in die dunklen Augen ihrer auserwählten Kriegerin, die ihr Herz höherschlagen ließ. Die Kriegerin, die sie die Welt vergessen ließ. 🏴 🏴 🏴 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)