Another Life von Flordelis (Another World, another Wesker) ================================================================================ Kapitel 15: Ich will nichts bereuen ----------------------------------- [LEFT]Der Abend war lang gewesen und hatte Jill so sehr erschöpft, dass sie sich nicht einmal angemessen von allen verabschieden konnte – irgendwann war eine Krankenschwester hereingekommen, um alle freundlich aber bestimmt hinauszubegleiten. Kurz danach war sie bereits eingeschlafen gewesen – und nach einem tiefen traumlosen Schlaf wieder erwacht.[/LEFT] [LEFT]Sie spürte sofort, dass etwas anders war. Es gab keine stechende Infusionsnadel mehr in ihrer Hand, um ihren Kopf war kein Verband geschlungen, dafür war ihr Haar länger, und in ihrer Brust war die eigentümliche Wärme verschwunden. Noch im Halbschlaf gab es daher keinen Zweifel mehr für sie, dass sie zurück war.[/LEFT] [LEFT]Diese Erkenntnis ließ ihr die Tränen in die Augen schießen. Nie wieder würde sie Enrico oder Brad sehen, die damals gestorben waren, niemals mehr mit den S.T.A.R.S. auf Mission gehen oder durch die Straßen von Raccoon City schlendern – und schon gar niemals den netten Albert Wesker wiedersehen, der sich immer solche Gedanken um sie gemacht und ihr sogar diese abenteuerliche Geschichte mit der anderen Welt geglaubt hatte. Sie konnte nur hoffen, dass seine Jill zurück war und sie beide ein glückliches Ende bekamen. Und obwohl sie bekommen hatte, was sie wollte – nämlich ihre Heimkehr – wollten ihre Tränen erst einmal nicht mehr versiegen. Die Wissenschaftler, die eigentlich wegen Tests gekommen waren, taten ihr Bestes, sie zu trösten, aber da keiner von ihnen wusste, was los war, gab es nichts, was sie ausrichten konnten.[/LEFT] [LEFT]Es dauerte eine Stunde, bis sie sich wieder genug gefangen hatte, um Informationen einzuholen. Dann erfuhr sie, dass das Datum dem Tag entsprach, nachdem sie hier ursprünglich eingeschlafen war. Also war sie für die Leute hier überhaupt nicht weg gewesen. Das beruhigte sie, denn es sagte ihr, dass die andere Jill sich hier nicht mit Verwirrung und Langeweile hatte herumplagen müssen, genauso wenig wie Chris, den sie unbedingt sehen wollte. Aber er sollte sie nicht in diesem Zustand erleben, sie wollte sich erst weiter beruhigen, deswegen rief sie ihn nicht an.[/LEFT] [LEFT]Umso größer war ihre Überraschung, als während des Mittagessens die Tür zu ihrem Zimmer geöffnet wurde – und Chris hereinkam. Er trug Zivilkleidung, sah ansonsten aber so kernig aus wie in ihrer Erinnerung, mit einer Miene, die so düster war, als hätte er alles Leid dieser Welt erblickt. Vielleicht hatte er das sogar, wenn sie bedachte, an wie vielen Anti-Terror-Einsätzen er bereits beteiligt gewesen war und dass er zweimal sein gesamtes Team verloren hatte. Das waren Erlebnisse, die nicht einfach so an einem abprallten, nicht einmal an einem Redfield.[/LEFT] [LEFT]»Hey, Chris~«, begrüßte sie ihn lächelnd.[/LEFT] [LEFT]Er erwiderte den Gruß weniger enthusiastisch, dafür musterte er sie aufmerksam. Sie legte das Besteck beiseite und bat ihn, sich zu setzen. »Was verschafft mir die Ehre?«[/LEFT] [LEFT]Er nickte in Richtung des Labors. »Einer der Doktoren hat mich angerufen. Er sagte, dir geht es nicht so gut und ich sollte mal vorbeisehen.«[/LEFT] [LEFT]Ob ihre Augen noch rot vom Weinen waren? Ob ihm das aufgefallen war?[/LEFT] [LEFT]»Oh, ja. Tut mir leid, dass du deswegen an deinem freien Tag extra herkommen musstest, es geht schon wieder, wirklich.«[/LEFT] [LEFT]Er winkte ab. »Das muss dir nicht leid tun. Ich hatte ohnehin nichts vor.«[/LEFT] [LEFT]Also wollte er den ganzen Tag in seinem Elend schmoren. Dann war es wirklich nicht schlimm, dass man ihn extra herbestellt hatte.[/LEFT] [LEFT]»Außerdem«, fuhr er fort, »bist du meine Partnerin. Ich hab extra gesagt, dass man mich anrufen soll, wenn etwas mit dir ist. Willst du mir davon erzählen?«[/LEFT] [LEFT]Das wollte sie, aber nicht hier. »Hast du Lust, einen Spaziergang mit mir zu unternehmen? Wenn du bei mir bist, lassen sie mich bestimmt in den Park.«[/LEFT] [LEFT]»Klar.« Er war auch nicht gern in diesen Räumlichkeiten, wenn es nicht sein musste, so viel war ihr klar. »Aber willst du nicht aufessen?« Er nickte zu ihrer nicht beendeten Mahlzeit.[/LEFT] [LEFT]Das Essen im Labor war nicht so schlecht, wie man befürchten könnte, aber es war – besonders nach dem Fast Food der letzten Nacht, auch wenn es nicht ihren Magen gefüllt hatte – nicht unbedingt das, was sie haben wollte. Außerdem fühlte sie sich nicht sonderlich hungrig, besonders da er nun da war.[/LEFT] [LEFT]»Ist schon okay, ich esse das später auf.«[/LEFT] [LEFT]Chris sagte nichts mehr dazu, aber seinem Gesicht merkte sie an, dass er darüber nicht begeistert war. Wahrscheinlich machte er sich Sorgen, dass sie nicht genug Nährstoffe zu sich nahm, ähnlich wie Rebecca.[/LEFT] [LEFT]Wie erwartet erlaubten die Wissenschaftler ihr, in den Park zu gehen, solange Chris bei ihr blieb und auf sie achtete. Die Grünanlage gehörte zur Forschungseinrichtung und war hauptsächlich dafür gedacht, die Pausen der Angestellten zu versüßen. Bunte Blumenbeete wechselten sich mit Rasenflächen und hohen Bäumen ab, unter denen Bänke zum Verweilen im Schatten einluden. Chris lief neben ihr her, die Hände in den Taschen seines Mantels vergraben, die Schultern leicht hochgezogen, als schütze er sich vor irgendetwas.[/LEFT] [LEFT]»Geht es dir besser?«, fragte er plötzlich.[/LEFT] [LEFT]»Ich habe das Gefühl, das sollte ich eher dich fragen.«[/LEFT] [LEFT]»Bei mir ist es dasselbe wie immer.« Er zuckte mit den Schultern. »Da ändert sich nicht mehr viel, glaube ich. Die Therapie hilft auch nicht wirklich.«[/LEFT] [LEFT]Natürlich hatte ihn die BSAA nach den Ereignissen in Edonia und China zu einem Therapeuten geschickt. Aber sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass er dafür sehr empfänglich war. Chris war ein Praktiker, jemand, der handeln musste – nur über seine Probleme zu reden, brachte ihn nicht weiter. Er bräuchte eher ein Erfolgserlebnis, das ihn über das Trauma hinwegbrächte.[/LEFT] [LEFT]»Willst du mir jetzt erzählen, was heute los war?«, hakte er nach.[/LEFT] [LEFT]Im Moment war niemand in der Nähe, deswegen nickte sie. Sie starrte in die Entfernung, während sie zu erzählen begann: »Ich habe das Gefühl, ich hätte sehr lange und intensiv geträumt. Von früher, als wir noch bei S.T.A.R.S. waren.«[/LEFT] [LEFT]Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie seine Lippen sich ein wenig verzogen, anscheinend unentschieden, ob er bei der Erinnerung lächeln oder niedergeschlagen sein sollte.[/LEFT] [LEFT]»Und jetzt stell dir vor, Wesker wäre ein netter Mann gewesen und hätte uns nicht verraten.«[/LEFT] [LEFT]Chris schnitt ihr eine Grimasse. »Wesker ein Guter? Absolut undenkbar!«[/LEFT] [LEFT]»Das hätte ich vor diesem Traum auch gedacht. Aber er war wirklich engagiert dabei, allen zu helfen. Hat sich Gedanken um alle gemacht und uns unterstützt, wo es nur ging.«[/LEFT] [LEFT]Besonders sie und Chris. Ausgehend von dem Bild in seinem Schlafzimmer, glaubte sie immer noch, dass Albert ihnen beiden einfach besonders nahegestanden hatte. Aber sie zweifelte nicht daran, dass er auch den anderen unter die Arme griff, wenn es sein musste.[/LEFT] [LEFT]»Dieser Wesker hätte dich bestimmt nicht zu einem Versuchsobjekt degradiert.«[/LEFT] [LEFT]Sie sagte ihm lieber nicht, dass Albert in Jill verliebt war und sie daher wirklich nie für irgendwelche Experimente missbrauchen würde – wenn er überhaupt je Interesse an Experimenten entwickelte.[/LEFT] [LEFT]»Dieser Traum hielt so lange an«, fuhr sie fort, »dass mir alle richtig ans Herz wuchsen, vor allem der gute Wesker und die friedliche Welt, in der wir waren. Als ich aufwachte, habe ich sie einfach vermisst. Das war alles.«[/LEFT] [LEFT]Chris runzelte seine Stirn. »Hört sich an, als wärst du dort glücklicher gewesen. Dann tut es mir leid, dass du wieder aufgewacht bist.«[/LEFT] [LEFT]Jill schüttelte mit dem Kopf und setzte sich auf eine Bank, die einen ungehinderten Blick auf einen Springbrunnen bot. Sie bat Chris, sich neben sie zu setzen, was er auch sofort tat. Seine Schultern waren nicht mehr hochgezogen, stattdessen war sein ganzer Oberkörper plötzlich in sich zusammengesunken. Um sich das nicht mitansehen zu müssen, starrte Jill auf den Brunnen.[/LEFT] [LEFT]»Ich war traurig«, sagte sie, »aber ich bin auch froh, wieder hier zu sein. Besonders wegen dir.«[/LEFT] [LEFT]Er wandte ihr den Blick zu. »Was?«[/LEFT] [LEFT]Ihr Inneres zog sich zusammen. Sie war so kurz davor, ihm zu sagen, was für sie wichtig war, ihr blieb nur zu hoffen – wieder einmal, wie sie es hasste –, dass er positiv reagierte oder wenigstens nicht zu negativ.[/LEFT] [LEFT]»Weißt du, in diesem Traum habe ich eine Sache gelernt und für mich beschlossen: Ich will nichts bereuen. Niemals wieder. Deswegen möchte ich dir etwas sagen, das ich schon längst hätte tun sollen.«[/LEFT] [LEFT]Sie sah ihn wieder an, sein mutloses und verwirrtes Gesicht griff nach ihrem Herz. Was dachte er, was sie ihm sagen wollte? Und warum war es so schwer, die richtigen Worte zu finden? In ihrer Vorstellung klang alles einfach nur hohl und bedeutungslos. Sie glaubte nicht, dass man das, was sie für ihn empfand, nach allem, was sie durchgemacht hatten, wirklich in bedeutungsvolle Worte packen konnte. Kein Wunder, dass Albert direkt dazu übergegangen war, die andere Jill zu küssen. Das erschien ihr auch wie die beste Entscheidung.[/LEFT] [LEFT]Sie legte eine Hand auf seine Wange, er zuckte nicht einmal, so sehr vertraute er ihr. Mit geschlossenen Augen brachte sie die letzte Distanz hinter sich und legte ihre Lippen auf seine. Sie waren rau und trocken, genau wie sie es erwartet hatte – und dennoch erfüllte sie das mit einer glücklichen Wärme in der Brust, denn es war genau das, was sie immer hatte spüren wollen.[/LEFT] [LEFT]Der einzige Wermutstropfen war, dass Chris nicht reagierte. Er schob sie nicht von sich, erwiderte den Kuss aber auch nicht. Er saß nur da und ließ sie gewähren.[/LEFT] [LEFT]Schlussendlich löste sie sich von ihm und öffnete die Augen wieder. Seine Miene war unbewegt, nicht mal in seinen Augen spiegelte sich etwas. Sie hatte das Bedürfnis, sich zu entschuldigen und ihn zu bitten, das einfach zu vergessen, genau wie Albert es tat. Aber noch bevor sie dazu kam, zog Chris sie plötzlich zu sich – und küsste sie nun selbst.[/LEFT] [LEFT]Das Glück explodierte in ihrem Inneren in einem imposantem Feuerwerk, das sie komplett ausfüllte. Sie legte ihre Arme um ihn, erwiderte den Kuss mit voller Inbrunst. Seine Hände wanderten über ihren Rücken, suchten die beste Position, um sie festzuhalten, ohne sie zu sehr einzuengen. Immer wieder ließ er kurz von ihr ab, sah sie an, als wollte er etwas sagen, nur um sie dann erneut zu küssen.[/LEFT] [LEFT]Das hier war ihr Moment, den sie mehr genoss als alles andere zuvor. Chris hatte sie nicht abgewiesen, stattdessen schien er zumindest ähnlich zu empfinden wie sie. Mehr konnte sie sich kaum wünschen.[/LEFT] [LEFT]Schließlich gelang es ihm, sich von ihr zu lösen, ohne sie direkt wieder zu küssen. Offenbar wollte er sie aber nicht ansehen, denn er hielt sie weiter fest umschlungen, so dass ihr Ohr auf seiner Brust lag und sie seinem überraschend schnellen Herzschlag lauschen konnte. Jills Herz raste ähnlich.[/LEFT] [LEFT]Sie atmeten beide tief durch, schwiegen und ließen den Moment nachwirken. Für ihn musste das so plötzlich gekommen sein, dass er noch nicht wusste, wie er jetzt darauf reagieren sollte, wo sie eigentlich darüber reden sollten, wie es nun weiterging.[/LEFT] [LEFT]»Also«, begann er schließlich, mit einer ungewohnten Verlegenheit in der Stimme, »du meinst das ernst, richtig? Es ist keine emotionale Überreaktion wegen des Traums?«[/LEFT] [LEFT]»Natürlich meine ich es ernst, du kennst mich doch.« Sie atmete tief durch, um seinen vertrauten Geruch in sich aufzunehmen. »Ich habe schon lange darüber nachgedacht. Er hat mir nur den letzten Schubs gegeben.«[/LEFT] [LEFT]Sie schloss die Augen, auch auf die Gefahr hin, dass sich, sobald sie sie wieder öffnete, alles nur als ein weiterer Traum herausstellte.[/LEFT] [LEFT]»Ich liebe dich, Chris«, sagte sie. »Und ich will noch so viel mit dir erleben.«[/LEFT] [LEFT]Sein Herzschlag beschleunigte sich noch mehr, blieb dabei aber in einem abenteuerlichen Rhythmus, dem sich ihr Herz anschließen wollte, während sie auf eine Antwort von ihm wartete.[/LEFT] [LEFT]Schließlich stieß er einen Laut aus, der wie ein erleichtertes und gleichzeitig glückliches Seufzen klang, das er eigentlich zurückhalten wollte. Und dann sagte er genau das, worauf sie gehofft hatte, mit einer sanften Stimme, die sie so noch nie von ihm gehört hatte: »Ich liebe dich auch, Jill.«[/LEFT] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)