Abyss von lunalinn ================================================================================ Kapitel 8: Eggs --------------- Enji wird am nächsten Morgen unsanft durch das penetrante Geräusch seines klingenden Weckers aus dem Schlaf gerissen. Blind, weil es erstens noch dunkel ist und er sich zweitens weigert, seine Augen zu öffnen, tastet er nach dem Teufelsgerät und bringt es mit einer Handbewegung zum Verstummen. Er will die digitale Anzeige gar nicht sehen, stöhnt genervt, während er auf der Seite liegt und den Arm vom Bett baumeln lässt. Ihm ist übel. Was nichts Neues ist, seitdem er mehr trinkt, als gut für ihn ist. Andererseits ist es auch nicht gut, wenn er nichts trinkt. Allerdings ist es an diesem Morgen nicht nur die Übelkeit, die ihn noch etwas länger im Bett hält. Da ist ein Ziehen in seinem unteren Rücken, das sonst nicht da ist. Fühlt sich an wie Muskelkater, stellt er für sich im Halbschlaf fest. Außerdem…ist er vollkommen nackt. Sonst schläft er wenigstens in Shorts. Es riecht irgendwie auch anders, die Luft ist stickiger als sonst und… „…wie früh musst du bitte raus aus den Federn? Ist ja ekelhaft…“ Die genuschelten Worte unmittelbar neben ihm jagen Enji eine Gänsehaut über den Rücken und lassen ihn abrupt wach werden. Erinnerungen von der letzten Nacht tauchen vor ihm auf und er fühlt sich wie gelähmt, kann keinen Muskel rühren. Für ein paar Sekunden starrt er benommen in die Dunkelheit, muss sich sammeln, um zu realisieren, dass diese Nacht anscheinend kein Traum gewesen ist. Scheiße. „Schlafzimmer“, japst er gegen Hawks‘ Lippen, während dieser auf ihm sitzt und seine Körpermitte auf ihm kreisen lässt. Er kann deutlich fühlen, dass der Jüngere nicht weniger erregt ist als er selbst. Enji weiß, dass er das nicht tun sollte. Es ist falsch. Trotzdem kann er nicht aufhören. Hawks‘ Lippen pressen sich gegen seinen Hals, was Enji aufstöhnen lässt. „Dann…trag mich rüber“, raunt er und drückt seinen Hintern gegen die Beule in seiner Hose. Enji hat monatelang keinen Sex gehabt. Seine Beherrschung ist nicht die Beste, doch er reißt sich zusammen. Vielleicht sind seine Schuldgefühle hier endlich mal zu etwas nütze, wenn sie verhindern, dass er in seiner Hose kommt, bevor sie richtig angefangen haben. Fluchend packt er Hawks und steht mit diesem auf, wobei der andere die Beine und Arme um ihn schlingt, damit er mehr Halt hat. Dabei schnappt er wieder nach seinen Lippen, was dafür sorgt, dass Enji gegen den Glastisch prallt und sich das Knie stößt. „Scheiße!“ „Ups~“ „Schläfst du?“ Die Stimme klingt weit entfernt, was wohl an dem Rauschen in seinen Ohren liegt. Die Nacht ist plötzlich präsent und er fragt sich, was ihn geritten hat, es zuzulassen. Der Kerl, der neben ihm liegt, ist halb so alt wie er. „Endeavor-san.“ Enji reagiert nicht, während er da liegt und in die Finsternis starrt, die ihn zu verschlucken droht. Da sind tausend negative Gedanken in seinem Kopf. Sekunden vergehen, in denen Enji keinen Ton von sich geben kann. Seine Kehle ist wie zugeschnürt. Er zuckt zusammen, als sich Hawks an seinen Rücken schmiegt und einen Arm um ihn legt. Seine Haut ist warm und irgendwie beruhigt ihn das etwas. Einatmen, ausatmen. Er nimmt wahr, wie Hawks seine Wange gegen sein Schulterblatt drückt. Eine Weile ist es ganz still, man hört nur sie beide leise atmen. „Kannst du bei der Arbeit anrufen und dich abmelden?“, murmelt Hawks nach einer Weile und streichelt sanft über seine Brust. Das ist das geringste Problem. Für heute sind keine wichtigen Meetings angesetzt und Enji kann durchaus von Zuhause mit dem Laptop arbeiten. Kamiji wird sich zudem um alles kümmern, wenn er nicht am Platz ist – er kann sich auf sie verlassen. „Ja“, brummt er schließlich. „Kann ich.“ Hawks nuschelt eine zufriedene Erwiderung und scheint weiterschlafen zu wollen. Vielleicht sollte er das auch tun. Es ist passiert und nicht zu ändern. Enji weiß nicht, ob er es bereuen muss oder nicht. Er weiß nicht, was das hier überhaupt bedeutet. Ob es etwas bedeutet. Tief atmet er durch und schließt dann die Augen; er will nicht darüber nachdenken. „Okay…also kompensieren musst du schon mal nichts.“ Den Kommentar hätte er sich auch sparen können. Enji hat ohnehin schon Bedenken, wie das funktionieren soll. Er befürchtet, dass er ihm Schmerzen zufügen wird. Dass er sich nicht unter Kontrolle hat. Hawks scheint davor keine Angst zu haben, denn er fährt fort, ihn in der Hand zu pumpen, während er nackt auf seinen Oberschenkeln sitzt. Hemmungen hat er wohl auch keine. Wäre auch seltsam, schließlich zieht er sich vor Fremden aus und verdient damit Geld. „Alles okay?“ Die Frage wirft ihn aus der Bahn, doch dann merkt er selbst, dass die Erregung allmählich abflaut. Scheiße. Nicht jetzt. Andererseits sollte er vielleicht dankbar dafür sein. Vielleicht ist das ein Zeichen dafür, dass sie aufhören sollten. „Endeavor-san.“ Er blickt Hawks verwirrt an, versteht nicht sofort, dass er schon wieder abwesend ist. Sein Atem geht stockend und der Blonde sieht ihn prüfend an. Vermutlich bereut er schon, dass er mit ihm mitgegangen ist. „Gut. Auf Anfang. Sag mir, was du willst.“ „Was…?“, entkommt es Enji irritiert. „Du bist so angespannt, da kann das ja nichts werden…und ich gehe nicht davon aus, dass du mich plötzlich nicht mehr scharf findest.“ Während er die Worte raunt, rutscht er näher zu ihm heran und reibt sich wieder an ihm, wobei seine Finger seinen Nacken streicheln. Er küsst sich an seinem Hals entlang, bis zum Kinn, die Narbe hoch und Enji spürt, wie er wieder hart wird. Gott…er kann nicht mehr tun, als seine Pranken an Hawks’ Hüften zu platzieren und es zu genießen. „Ich finde dich jedenfalls verdammt heiß…und ich will mit dir schlafen. Sag mir, wie ich das kann. Möchtest du mich von hinten, von vorne…soll ich mich auf dich setzen?“ Er spricht es einfach aus und Enji bleibt kurz die Luft weg. „Sag mir, was dir gefallen würde…oder was dich zurückhält, hm?“ Hawks flüstert es gegen seine Lippen, ehe er ihn küsst. Erst sanft und schließlich verlangender. Enji spürt, wie er reagiert, wie es ihm Laute entlockt, die er lange nicht von sich gehört hat. Dennoch…die Bedenken sind da. Verschwinden nicht. „…das wird nicht…ich kann nicht…“, entkommt es ihm und Hawks hält inne. Scheinbar braucht er einen Moment, doch dann blitzt die Erkenntnis in seinen bernsteinfarbenen Augen auf. „Du willst nicht toppen?“ Enji wird flau im Magen, doch genauso ist es. Nicht, weil er ihn nicht will. Sondern weil er sich selbst nicht trauen kann. Weil er nicht noch mehr Schuldgefühle ertragen kann. „Na gut, dann haben wir jetzt zwei Optionen. Entweder wir bleiben bei Hand und Mund oder du lässt mich bei dir rein? Ist schon echt lange her, aber glaub mir, ich mach’s dir richtig gut!“ Und bei diesen Worten grinst er so dermaßen selbstbewusst, dass Enji es ihm glaubt. Nicht, dass das eine Rolle spielen würde. Seltsamerweise ist der Gedanke, dass Hawks sich an ihm ausprobiert, wesentlich leichter zu akzeptieren als andersherum. „Kondome und Gleitgel habe ich dabei…also? Was darf’s sein?“ Enji schläft schlecht, seitdem gewisse Dinge in seinem Leben passiert sind. Umso irritierter ist er, als er durch das Sonnenlicht erneut geweckt wird. Er blinzelt ein paar Mal, bis sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt haben, und dreht sich dann auf den Rücken. Hawks liegt nicht mehr neben ihm. Das Scheppern und die Schritte von nebenan sagen ihm jedoch, dass er noch nicht gegangen ist. Enji greift nach seinen Shorts, die neben dem Bett liegen, und erhebt sich dann, um sich diese überzuziehen. Während er das tut, versucht er, einen klaren Kopf zu kriegen. Er hat sich von einem viel jüngeren Stripper flachlegen lassen…und er hat es genossen. Das sind die Tatsachen. Irgendwie ist er froh, dass Hawks den aktiven Part übernommen hat, denn wenn er daran denkt, dass er sich jetzt auch noch damit auseinandersetzen müsste…nein. Er hat schon genügend Ballast, den er mit sich herumschleppt. Kurz hält er inne, denn ihm fällt ein, dass er Kamiji noch nicht Bescheid gesagt hat, dass er heute zuhause bleibt. Oder später kommt. Er weiß es noch nicht recht. Er nimmt sein Handy und schreibt ihr eine Nachricht, ehe er sich in Richtung Küche begibt, von wo die Geräusche herkommen. Abermals stellt Enji fest, dass Hawks hemmungslos ist. Nachdem Enji vorher noch mal im Bad gewesen ist, kniet der Blonde nun zwischen seinen Beinen, während er ihn immer wieder tief in den Mund nimmt. Da er über dem Durchschnitt liegt, ist das nicht gerade einfach, doch Hawks scheint es nicht zu stören. Inzwischen hat er zwei Finger in ihn geschoben, dehnt ihn mit diesen vor…und Enji wird bewusst, wie lange er keinen Sex mehr auf diese Weise gehabt hat. Er stützt sich nach hinten ab, sieht Hawks dabei zu, wie dieser sich Mühe gibt, es ihm gut zu machen…und der Anblick bringt sein Blut in Wallung. Enji hätte nicht gedacht, dass er das noch mal tun würde. Vielleicht ist es gut, dass er nicht ganz nüchtern ist, sonst hätte er sich möglicherweise nicht überwunden. Gerade ist in seinem Kopf wenig Platz für ausufernde Gedanken und ihm wird wieder bewusst, wie lange es her ist, dass er sich gut gefühlt hat. Gewollt. Begehrt. Denn so wie Hawks ihn ansieht, während er ihn so hingebungsvoll fingert und bläst, tut er das. Seine Oberschenkel zucken, als Hawks einen Punkt in ihm trifft, der ihn aufkeuchen lässt. Er spürt das Grinsen gegen sein Glied, ehe der andere die Finger erneut krümmt und in ihn stößt. Wie ein Stromschlag durchfährt es ihn und er krallt die großen Hände ins Laken. Oh Gott… Er sieht schwer atmend zu Hawks hinunter, sieht den Ansatz seines Tattoos, die roten Federn, die seinen kompletten Rücken zieren. Eigentlich mag er keine Tattoos. Alberne Jugendsünden. Bei Hawks findet er es seltsamerweise attraktiv. Lange kann er sich nicht mehr beherrschen – und Hawks scheint das zu wissen, denn er lässt ihn mit einem obszönen Schmatzen aus dem Mund gleiten. „Ich glaube, du bist bereit, mh?“, fragt er mit diesem frechen Grinsen. „…mach“, knurrt Enji ausweichend, denn er spürt, wie ihm die Hitze in die Wangen schießt. „Wie du willst~“, säuselt Hawks und setzt sich auf. Er drückt ihm einen Kuss auf die Lippen, bevor er nach dem Kondompäckchen greift…und es mit den Zähnen öffnet. „Guten Morgen, Sonnenschein!“, zwitschert ihm ein gut gelaunter Hawks mit noch feuchten Haaren entgegen. Er trägt Shorts und Shirt, während er in seiner Küche herumwuselt und im Radio ein ihm unbekannter Pop-Song läuft. „Ich versuche gerade mit dem, was dein Kühlschrank so hergibt, ein Omelett zu zaubern! Also setz dich schon mal und lass mich machen! Kaffee habe ich schon gekocht, nimm dir eine Tasse!“ Enji sieht ihn verdutzt an, nicht sicher, was er darauf erwidern soll. Er macht ihnen Frühstück? Okay. Eigentlich laufen One Night Stands anders ab. Mit einem schnellen Abschied. Ohne viele Worte. Frühstück fällt definitiv nicht darunter. Schweigend nimmt er eine Tasse aus dem Schrank und füllt sich Kaffee hinein, den er mit Milch verdünnt. Er nimmt einen Schluck, stellt fest, dass er genießbar ist, und setzt sich dann an den kleinen Tisch. Für eine Weile sieht er dem Jüngeren dabei zu, wie dieser summend die Eier in die Pfanne gibt. „Mina und ich kochen nicht oft, aber sowas kriege ich gerade noch auf die Reihe. Halte deine Erwartungen trotzdem besser niedrig, ja?“ „…“ „Ich war übrigens so frei und bin schon duschen gegangen. Wollte erst auf dich warten, aber bei deiner Größe wird das vielleicht problematisch…nicht, dass sich einer von uns noch das Genick bricht.“ „Ah ja…“, brummt er lediglich zurück. Gleichzeitig fragt er sich, ob das ein Angebot ist. Will er es noch mal tun? Heute? Als hätte er seine Gedanken gelesen, wirft ihm Hawks einen Blick über die Schulter zu. „Eigentlich müsste deine Laune bombastisch sein, Großer. Es sei denn, wir haben eine unterschiedliche Auffassung von der letzten Nacht. Wir hatten beide Spaß, oder?“ Enji antwortet nicht sofort, trinkt noch einen Schluck Kaffee, woraufhin sich Hawks zu ihm umdreht und die Stirn runzelt. „Ja. Hatten wir.“ „Cool. Warum dann die finstere Stimmung?“ „…“ „Wenn du nicht mit mir redest, wird das problematisch.“ Hawks dreht kurz das Omelett, ehe er sich ihm wieder zuwendet. Tief atmet der Ältere durch, während er überlegt, was er sagen soll. Oder wie, besser gesagt. „Was war das gestern?“ Ihre Blicke treffen sich und er sieht, wie Hawks zögert. „Was meinst du?“ „Ich meine, warum wir überhaupt…“ „…guten Sex gehabt haben?“, hilft Hawks nach und Enji schnaubt leise. „Ja.“ Es ist ewig her, dass er der passive Part gewesen ist. Er hat vergessen, wie gut es sich anfühlen kann, sich fallen zu lassen. Aber genau das passiert gerade, während er auf dem Rücken liegt und Hawks sich in stetigem Rhythmus in ihn schiebt. Genau im richtigen Tempo, im richtigen Winkel…es fühlt sich verdammt gut an. Selbst das leichte Ziehen jedes Mal, wenn er sich in ihm versenkt. Das Gesicht des Blonden ist gerötet, Schweiß perlt ihm von der Stirn…und bei jeder Bewegung keucht er rau auf. Anscheinend ist da noch jemand gelöst und der Anblick lässt Enji abermals feststellen, wie attraktiv der junge Mann ist. Alles an ihm scheint makellos zu sein. Begehrenswert. Er kann verstehen, warum er im Club so beliebt ist. Enji genießt es, wie sich Hawks an seinen Beinen festhält, während er immer wieder in ihn stößt…und ihn damit nahe der Klippe bringt. Dass er bis jetzt seine Beherrschung behalten hat, grenzt an ein Wunder. „Fuck…“, hört er Hawks zischen, was ihm deutlich macht, dass auch dieser bald so weit ist. Enji verbeißt sich ein Stöhnen, als er sich tief in ihn schiebt, diesen Punkt in ihm trifft. Er kann es nicht lange zurückhalten – und so hemmungslos, wie Hawks japst und keucht, ist das wohl auch nicht nötig. „Hawks…“, entkommt es ihm gepresst und der andere sieht ihn an. Mit diesen bernsteinfarbenen Augen, die selbst in dem spärlichen Licht strahlen. Es ist der Moment, in dem es Enji überkommt und er nicht länger an sich halten kann. Der Blondschopf zuckt mit den Schultern, lehnt sich an die Küchenzeile, während hinter ihm das Omelett brät. „Warum nicht? Also, was mich angeht, du bist mein Typ. Groß, muskulös…und deine Augen sind wie Gletscher, damit hattest du mich. Du bist nett zu mir, ich unterhalte mich gern mit dir und du hast es genauso nötig gehabt wie ich. Was spricht dagegen, wenn wir uns gegenseitig etwas Gutes tun?“ Bei ihm klingt das so einfach, dass Enji sich fragt, ob er hier alles verkompliziert. Im Endeffekt hat Hawks Recht. Sie sind beide erwachsen und wenn das hier für sie beide richtig ist…warum nicht? „Und falls du dich fragst, ob ich das oft mit Kunden mache – nein. Ich arbeite schon ein paar Jahre im Club und habe mich abgesehen von dir erst zweimal auf was eingelassen. Es ist okay für mich, wenn das hier eine rein körperliche Sache bleibt. Also sowas wie Freundschaft plus. Ich erwarte keinen Heiratsantrag und hoffe, du auch nicht von mir.“ Bei den letzten Worten zwinkert er ihm zu, doch etwas in seiner Mimik macht Enji misstrauisch. Er kann es nicht mal benennen. Etwas verschweigt er ihm dabei doch, oder? Da Enji selbst genügend Geheimnisse hat, hinterfragt er es nicht. Das steht ihm nicht zu. „Und ganz ehrlich? Du hast doch aus denselben Gründen mit mir geschlafen, oder nicht? Manchmal möchte man einfach alles vergessen…und Sex ist da eben am einfachsten. Auch wenn ich immer noch überrascht bin. Die meisten Männer deines Kalibers gehen direkt davon aus, dass ich einstecke. Ich meine, nicht, dass das was Schlechtes ist. Ich lasse mich gerne mal richtig durchnehmen – wenn du also eine zweite Runde willst, bin ich offen für alles. Aber gewundert hat’s mich schon.“ Hawks ist wirklich niemand, der mit solchen Themen hinter dem Berg hält. Daran muss man sich gewöhnen, denn es trifft Enji immer noch unvorbereitet. Er ist da anders, spricht nicht alles aus, was ihm durch den Kopf geht. „…ich war schon in beiden Positionen“, erwidert er nach einer Weile des Schweigens und sieht dabei in seinen Kaffee. „Mit meiner Größe ist das oft nicht so leicht…und es ist lange her. Ich wollte es nicht ruinieren...oder mich hinterher fühlen, als…hätte ich dich benutzt.“ Es verlangt ihm alles ab, auszusprechen, was ihn bei dieser Sache zwischen ihnen belastet. Hawks hat anscheinend mit einer anderen Ursache gerechnet, denn er sieht ihn für ein paar Sekunden nur perplex an. Unweigerlich fragt sich Enji, was er eigentlich für Typen gewöhnt ist. Männer von seinem Kaliber. Es stimmt ihn nachdenklich. „Oh…okay. Du machst dir ja echt Gedanken“, murmelt der Jüngere und pustet sich eine Haarsträhne aus der Stirn. „Hab gedacht, dass das einfach eher dein Ding ist. Unten liegen. Ich meine…okay, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Du passt echt in keine Schublade, Endeavor-san.“ Ja. Das hat er schon mal gesagt. Dabei ist er nicht so viel anders, als Hawks glaubt. Er bemüht sich bloß, ein besserer Mensch zu sein, als er es bisher gewesen ist. Hawks braucht nicht viel länger, nachdem Enji gekommen ist. Im Schlafzimmer ist es inzwischen heiß und stickig. Zwischen ihren Körpern klebt es, doch scheinbar stört es den Jüngeren nicht, welcher sich auf ihm platziert und die Nase gegen seinen Hals gedrückt hat. Irgendwie hat Enji den Eindruck, dass das hier wichtig für ihn ist. So wie er sich an ihn schmiegt und seine Nähe sucht. Dabei ist er ausnahmsweise vollkommen still, lässt zu, dass Enji die Decke über sie beide zieht. Vielleicht ist er auch nur erledigt und hält deswegen den Mund. Eigentlich ist es auch nicht wichtig, den Grund zu wissen. Er ist angenehm warm und Hawks‘ Herzschlag, den er an seiner Brust spürt, beruhigt ihn. Er weiß nicht, wann er das letzte Mal so entspannt gewesen ist. In seinem Kopf ist ausnahmsweise kein Platz für deprimierende Gedanken, die ihn quälen. Da ist nur Hawks. Das Pochen in seinem Unterleib…und die Erschöpfung. Enji schließt die Augen und merkt kaum, wie er recht schnell einschläft. „Du willst weitermachen?“, fragt er knapp und ist unschlüssig, ob das eine Option ist. „Von meiner Seite aus spricht nichts dagegen.“ Hawks dreht sich um, da das Omelett inzwischen fertig ist, und knallt es mit dem Pfannenwender auf den Teller. Er zerteilt es mit einem Messer und schiebt eine Hälfte auf den zweiten, ehe er sich zu Enji setzt und ihm seinen herüberschiebt. Es sieht anders aus als das, was er kennt. Tamagoyaki ist das nicht, doch er stellt keine Fragen; es wird schon schmecken. Nachdenklich sieht er Hawks an, wobei er sich wiederholt fragt, ob das hier wirklich kein Problem ist. „Abgesehen von deinem kleinen Panikschub heute Morgen bist du doch ausgeglichener als vorher, oder?“ Das kann Enji nicht leugnen. „Es muss sich nichts zwischen uns ändern. Du besuchst mich hin und wieder als Kunde im Club, wir gehen ab und zu als Freunde aus…und wenn wir uns schlecht fühlen, dann treiben wir ein bisschen Matratzensport, was uns definitiv aufheitern wird.“ Er zwinkert ihm frech zu, ehe er sich ein Stück Omelett in den Mund schiebt. So weit klingt der Vorschlag fast schon zu verlockend. Etwas lässt Enji jedoch stutzen. „…jemand wie du fühlt sich schlecht?“, hakt er schroff nach und trinkt noch einen Schluck Kaffee. Hawks wirkt nicht wie jemand, der Sorgen hat. Wenn er das jetzt sagt, um mit ihm gleichzuziehen, ist das beleidigend. Anscheinend ist das jedoch nicht der Grund, denn Hawks schluckt seinen Bissen herunter, wobei ganz kurz ein Schatten über seine Züge huscht. Gleich darauf lächelt er aber wieder wie gewohnt. „Du würdest dich wundern, Endeavor-san“, gibt er zurück. „Aber lassen wir das und kommen wieder zum Wesentlichen. Was hältst du von meinem Vorschlag? Und bitte…sag nicht nein. Nicht jetzt, wo du hier so halbnackt vor mir sitzt und mich ganz schwach mit deinen Muskeln machst~“ „Du bist ein Idiot“, knurrt Enji, gefangen zwischen Verärgerung und Verlegenheit. „Mag sein, aber ein heißer Idiot. Stimmt’s?“ Hawks wackelt mit den buschigen Augenbrauen und grinst ihn dabei unverblümt an. Der Kerl macht ihn fertig. Aber er ist die einzige Gesellschaft, die er ertragen kann…und die ihn vergessen lässt, wie beschissen sein Leben ist. Die Treffen mit Hawks sind das Einzige, das ihn aus seinem Trott reißt. Auch wenn er das nicht verdient hat, er will es ebenfalls. Weitermachen. Es einfach darauf ankommen lassen. Hawks ist erwachsen und er will ihn. Warum auch immer. Tief atmet Enji durch, sieht ihn ernst an. „Das bleibt unter uns.“ „Klar.“ „Wehe, dieser Türsteher oder Aizawa stehen demnächst vor meiner Haustür, weil sie denken, ich tue dir etwas an.“ „Darauf gebe ich dir mein Wort.“ „Und du bist ehrlich zu mir. Wenn ich…wenn du…“ „Keine Sorge. Wie du weißt, bin ich nicht auf den Mund gefallen. Wenn mir etwas zu weit geht, melde ich mich schon. Das Gleiche gilt aber auch für dich, verstanden?“ Enji bekommt so eine Ahnung, dass Hawks diesbezüglich viel weniger Zurückhaltung kennt als er selbst. Genau genommen hält er sich in allem weniger zurück. „Ist gut“, brummt er nur und macht sich dann daran, eine Ecke von seinem Omelett zu probieren. „Cool!“, ruft Hawks zufrieden aus und funkelt ihn an. „Dann iss schön auf und danach hüpfen wir unter die Dusche!“ Enji verschluckt sich beinahe, muss schnell einen Schluck Kaffee hinterherschütten. Er hustet zweimal, räuspert sich. „Du warst schon duschen und ich dachte, du willst nicht, dass wir uns das Genick brechen?“ „Jep, so meinte ich das auch. Aber ein bisschen fummeln ist doch drin?“ „Wir sind keine Teenager“, brummt er, woraufhin Hawks lacht. „Spaßbremse“, meint er zwinkernd und macht sich wieder über das Omelett her. Enji sieht ihm dabei zu und irgendwie beschleicht ihn die vage Vorahnung, dass Hawks nicht vorhat, allzu bald zu gehen. Andererseits…will er, dass Hawks geht? Auch, wenn er das vielleicht nach außen hin signalisiert, ist er innerlich eigentlich ganz froh, dass der Jüngere bleiben will. Es ist lange her, dass jemand seine Gesellschaft als angenehm empfunden hat. Vielleicht sollte er es einfach genießen, solange es anhält. Aus Erfahrung weiß Enji schließlich, dass das bei ihm nie lange der Fall ist. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)