Sailor Moon Lost Age von abgemeldet (Geschichte vergangener Zeiten) ================================================================================ Sailor Moon Lost Age 01 - Glückliches Wiedersehen ------------------------------------------------- Buch 1: Eve Kapitel 1 - Glückliches Wiedersehen Es waren inzwischen 5 Monate ins Land gezogen. Eve spürte, das es nicht mehr lange dauern würde, bis ihre Tochter das Licht der Welt erblicken würde. Ihr Mann versuchte ihr die Regierungsgeschäfte, so weit es ging, abzunehmen. Auch ihre Mutter war von der Heiligen Insel gekommen, um ihrer Tochter in dieser doch etwas schwierigen Zeit beizustehen. Sie war dankbar für jede Hilfe, fühlte sich aber ein bisschen wie ein hilfloses Kind, das von allen Seiten bemuttert wurde und nur mal einen Schritt alleine machen wollte. Es hatte auch noch einen anderen Grund, warum ihre Mutter aus dem fernen Avalon zu ihr gekommen war. Ihre Tante Felicity würde ihr Amt als Hohepriesterin des Lichts an eine der Priesterinnen übergeben. Ähnlich wie ihre Krönung war dies ein besonderes Ereignis, das nur alle 1000 Jahre stattfand. "Könnt ihr nicht auf mich verzichten? fragte Eve ihre Mutter gequält. "In meinem Zustand ist mir nicht gerade nach Reisen zumute." Ihre Mutter sah sie missbilligend an. "Auf keinen Fall!" Der Ton ihrer Stimme ließ jeglichen Versuch auf Widerspruch im Keim ersticken. "Dies ist ein besonderes Ereignis und aus jedem Herrscherhaus müssen Abgesandte anwesend sein." Eve seufzte gottergeben. "Außerdem willst Du doch bestimmt Deinen Vater einmal wiedersehen, oder?" Ihre Laune hob sich ein bisschen. Sie vermisste ihren Vater schrecklich, auch wenn sie es vor ihrer Mutter nicht zugeben wollte. Königin Chastity würde die Regierungsgeschäfte leiten, bis sie wieder von der Zeremonie zurück war. Eve ging auf den Balkon, der sich an ihr Schlafgemach anschloss und sog tief die frische Luft ein, die der Wind mit sich brachte. An der Tür ihres Schlafgemachs klopfte es leise. Anara, die junge Königin der Venus, trat leise ein und gesellte sich zu ihr. Wie so oft hatte sie sich in ihrer Lieblingsfarbe gekleidet. Der schwere orangene Stoff fiel in sanften Wellen um ihren Körper und das Zeichen der Venus glühte golden auf ihrer Stirn. "Wie geht es Dir heute?" fragte sie lächelnd. "Meine Mutter treibt mich in den Wahnsinn", flüsterte Eve ihrer Freundin zu. Anara kicherte leise. "Sie macht sich nur Sorgen um Dich, weißt Du?" Gemeinsam betrachteten sie die Stadt. In den Strassen von Mare Serenitatis herrschte reges Treiben. Schon bald würden die Herrscher der übrigen Planeten eintreffen, um mit ihrer Königin gemeinsam den Weg nach Sinus Irdidium, der Regenbogenbucht, anzutreten. Dieser Ort, so fand Eve, trug seinen Namen zurecht. Er bestand aus einem riesigen Tempel, der wie so viele Gebäude auf dem Mond aus Kristall gebaut war. Wenn die Sonne über dem Mond aufging, brach sich das Licht in den Säulen des Tempels und hüllte alles in seiner Umgebung in regenbogenfarbenes Licht. In dem Tempel befanden sich außerdem drei alte Tore, die auf direktem Weg zu den Heiligen Reiche der Erde führten; Elysion, Avalon und Atlantis. Es war Tradition, dass die Herrscher gemeinsam das Portal durchschritten, um bei der Weihe der neuen Hohepriesterin ihren Segen zu geben. Eve schrak aus ihren Gedanken hoch und bemerkte, dass Anara sie die ganze Zeit beobachtet hatte. Sie war eine ihrer engsten Freundinnen und sie hatten früher gemeinsam gegen das Böse gekämpft, wenn es nötig war. Eve zuckte zusammen, als es ein weiteres Mal an der Tür klopfte. Ihre Mutter erhob sich von ihrem Stuhl und öffnete das schwere Portal. Ein Botenjunge mit hochrotem Kopf platzte herein. Er war anscheinend den ganzen Weg von der Stadt bis zu ihrem Gemach gerannt. "Eine...eine Nachricht, Eure Majestät", keuchte er. Mit einem stillen Lächeln versuchte Eve der Anrede gerecht zu werden und ordnete schnell ihre Haare und ihren Umhang. Doch der Umstand ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft verhinderte letztendlich ein königliches Auftreten. Ein leises Kichern hinter ihr verriet ihr, dass es auch Anara aufgefallen war. "Was gibt es, mein Junge?" fragte sie ruhig. Der junge Mann fasste sich überraschend schnell. "Die Majestäten des Merkur, des Mars und des Jupiter sind eingetroffen und bitten höflichst um eine Audienz." Anara grinste. Seit Eve zur Königin gekrönt und als Herrscherin der Allianz bestätigt wurde, machten sich ihre Freundinnen einen Scherz daraus, sie auf diese Weise auf die Palme zu bringen. "Du kannst ihnen sagen, ich gewähre ihnen diese Ehre", gab Eve ebenso förmlich zurück. Sie drehte sich um und zwinkerte Anara zu. Anscheinend hatte sie dazugelernt, dachte Anara bei sich. "Bis die drei hier ankommen, können wir uns ja noch ein wenig unterhalten", schlug Eve vor. Anara nickte zustimmend. "Wie geht es Deinem Mann und Deiner Tochter", fragte sie interessiert. Sie wusste, dass ihre Freundin über nichts lieber sprach als über ihr kleines Kind. Anaras Augen strahlten, als sie über ihre einjährige Tochter berichtete und Eve versicherte, dass nichts im Leben schöner war als so ein kleines Geschöpf. Eve hatte sich mit Anara in einen der kleinen Gärten zurückgezogen, um auf ihre Freundinnen zu warten. Jetzt, wo sie alle ihre eigenen Pflichten auf ihren Heimatplaneten hatten, sahen sie sich nur noch selten. Deswegen war es ihr besonders wichtig, dass ihr jetziges Zusammentreffen besonders harmonisch verlief. Sie blickten einmal kurz zu dem Treppenaufgang, der hinunter in die Empfangshalle führte. Hier mussten ihre Gäste hinaufkommen. Eve spitzte überrascht die Ohren. Schon von weitem hörte sie das unüberhörbare Gezeter der jungen Königin des Mars. Wie man aus ihrem Geschrei entnehmen konnte, hatte wohl einer ihrer Dienstboten es gewagt ihr anzubieten, sie auf dem Weg die Treppe hinauf zu stützen. Araya war ebenfalls schwanger und erklärte nun dem Diener in aller Deutlichkeit, dass eine Königin wie sie noch sehr wohl in der Lage wäre, selbst eine Treppe hinaufzugehen. Lächelnd beobachteten Eve und Anara die Treppe. Als erstes erschien das wutentbrannte Gesicht von Araya, der Königin des Mars. Ihre feuerroten Haare, hatte sie zu einem langen Zopf gebunden, der ihr schwer über die Schultern fiel. Ihr folgten Eilan, Königin des Merkur, und Kailean, die Königin des Jupiter, die von dieser Szene sichtlich peinlich berührt waren. Araya entdeckte die beiden im Garten und hielt auf sie zu. Bevor Eve und Anara zu einer Begrüßung kamen, schleuderte Araya ihnen ihre Wut ins Gesicht: "Ist Dir klar, dass Du von absoluten Versagern umgeben bist?" zeterte sie und sah Eve vorwurfsvoll an. "Deine gesamte Dienerschaft hat mich den ganzen Weg hier hinauf wie ein rohes Ei behandelt, dass bei der kleinsten Anstrengung zerbricht!" Sie blickte Eve und Anara und hoffte auf eine Bestätigung der, ihrer Meinung nach berechtigten, Vorwürfe. Sie sah jedoch auf beiden Gesichtern nur ein unschuldiges Lächeln. Langsam glätteten sich ihre Züge und auch sie begann zu lächeln. "Ich sollte mich in meinem Zustand nicht so aufregen", gestand Araya lachend und strich sanft über ihren leicht gewölbten Bauch. Inzwischen waren auch Eilan und Kailean zu ihnen getreten und umarmten ihre Freundinnen herzlich. "Ein Glück, dass sie sich beruhigt hat", flüsterte die Königin des Merkur Eve zu. "Sie ist schon die ganze Zeit so unerträglich." Die Königin des Mondes lächelte verstehend und begrüßte nun Kailean. Eve fühlte sich glücklich. Sie war wieder mit ihren besten Freundinnen vereint. In ihrer "Ausbildung" zu einer Sailor Senshi und Prinzessin bildeten sie das sogenannte Inner Team. Dazu gehörten zwar noch die Prinzessinnen der Erde, der Sonne und des Planeten Vulcan, aber diese drei hatten ihre Ausbildung schon fast beendet, als Eve und ihre Freundinnen gerade begannen. Sie waren zwar nur drei Jahre älter als sie, trotzdem hatten sie diesen Unterschied damals als groß angesehen. Die Aufteilung in Inner und Outer Team wurde von ihrer Urgroßmutter eingeführt, nach der sie benannt war. In den Geschichtsbüchern kannte man sie als "Eve, die Königin der Einheit". Ihre Eltern erwarteten also viel von ihr, als sie sich bei ihrer Geburt für diesen Namen entschieden. Eve hatte sich mit ihren Freundinnen in den Kristallgarten zurückgezogen. Nach einer kurzen Begrüßung hatte Arkon beschlossen, die Damen sich selbst zu überlassen und war sichtlich glücklich, dass man ihn nicht zwang, an einer Frauengesellschaft teilzunehmen. "Hast Du schon etwas davon gehört, wann die anderen eintreffen wollten, Eve?" fragte Kailean sie. Die Angesprochene dachte kurz nach. "Aurora und Kybele sind schon auf Avalon, um die Zeremonie vorzubereiten", überlegte sie. "Belisama wollte, glaub ich, auch bald hier sein. Die Outers werden morgen alle zusammen hier ankommen", schloss sie. Sie lächelte. Auch wenn sie jetzt alle Königinnen ihrer eigenen Reiche waren, benutzte sie immer noch den Ausdruck "Outers", wenn sie von ihren Freundinnen der äußeren Planeten sprach. Sie nahm sich kurz die Zeit, um ihre Freundinnen näher zu betrachten. Sie hatten sich nun seit ihrer Krönung vor einem Jahr nicht mehr gesehen und alle wussten, dass sie auch in Zukunft nicht oft Zeit hätten, um sich zu treffen. Araya stand am Beginn ihrer Schwangerschaft und konnte sich mit diesem etwas unförmigen Zustand scheinbar nicht richtig anfreunden. Ihre Freundin Anara strahlte geradezu vor Mutterglück. Entgegen ihrem früheren Stil trug sie ihre glänzenden kastanienbraunen Haare nun offen, sodass sie ihr weit über die Schultern fielen. Eilan war, entgegen ihrer aller Erwartungen, die erste von ihnen gewesen, die ein Kind bekommen hatte. Ihre kleine Tochter Dierna war inzwischen drei Jahre alt und hatte die gleichen dunkelblauen Haare wie ihre Mutter, jedoch die bernsteinfarbenen Augen ihres Vaters. Kailean hatte gerade ihre Schwangerschaft hinter sich. Sie wirkte immer noch etwas erschöpft, aber trotzdem sehr zufrieden. Ihre strahlend grünen Haare, hatte sie zu einem komplizierten Zopf geflochten und hochgesteckt. Eve selbst hatte ihre Frisur seit ihrer Kindheit nicht geändert. Wie alle in ihrer Familie hatte sie ihre langen, azurblauen Haare am Kopf zu Knoten gebunden, sodass sie in zwei langen Zöpfen zu Boden fielen. Am frühen Abend traf auch Belisama, die Königin des Vulcan, ein. Leise bemerkte Anara zu Eilan, dass sie zwar immer zu spät kam, jedoch zum Abendessen immer pünktlich erschien. Belisama wunderte sich etwas über die Heiterkeit, die zwischen den beiden ausbrach, ließ sich dadurch jedoch nicht vom Essen abhalten. Als der Abend weiter fortschritt, verabschiedeten die Freundinnen sich von Eve, um nach einem langen Tag endlich schlafen zu gehen. Sie alle kannten den Weg in ihre Gemächer bereits, denn seit vielen Generationen hatte die Königin jedes Planeten einen eigenen Gebäudeflügel zur Verfügung, in dem sie und ihre Diener übernachten konnten. Eve selbst blieb noch einen Moment vor dem großen Kamin stehen und blickte in die Flammen. Sie spürte die wohlige Wärme, die sich auf ihrer Haut ausbreitete und schloss für einen Moment die Augen. Plötzlich wurden ihre Knie weich, und sie musste sich am Kamin festhalten. Sie war alt und erfahren genug, um die Ankündigung einer Vision zu erkennen und so zwang sie sich langsam und entspannt zu atmen. Sie schien weit draußen im All zu schweben, denn sie sah den weißen und den dunklen Mond, die auf ihren Umlaufbahnen nah beieinander waren. Auf dem blauen Planeten erkannte sie das Land, das die Menschen Britannien nannten und in dessen Mitte die Insel Avalon lag. Nun erst erkannte Eve die Symmetrie zwischen diesen drei Reichen. Mond, Lilith und Avalon bildeten ein Dreieck; ein Dreieck der Macht. Schimmernde Linien der Kraft verbanden diese drei untereinander. Doch was war es, was sie dort sah? Vergangenheit, Gegenwart, oder Zukunft? Mit diesem Gedanken verging die Vision und Eve ließ sich erschöpft in den Sessel fallen. Angestrengt dachte sie nach. Ein Dreieck der Macht konnte nur von drei Kriegern gebildet werden, die eine besonders enge Beziehung zueinander hatten, und deren Mächte über ein ebensolches Verhältnis verfügten. Doch was sollte es bedeuten? Avalon hatte keine eigene Kriegerin und die alternde Königin von Lilith hatte diesen Status vor langer Zeit aufgegeben. Außerdem konnte Eve nicht behaupten zu beiden ein besonders enges Verhältnis zu haben. Es musste also die Zukunft gewesen sein. Doch welche anderen Krieger würden die zwei fehlenden Punkte des Dreiecks sein? Sie entschloss sich, diese Gedanken für diesen Abend aus ihrem Kopf zu verbannen und mit der Hohepriesterin zu reden, wenn sie auf Avalon angekommen waren. Sie erhob sich und machte sich auf den Weg zu ihrem Schlafgemach. Am Rande ihres Blickfeldes bewegte sich ein dunkler Schatten. Schnell drehte sie sich um, konnte jedoch nichts entdecken. Sie hakte es als Schattenspiel des Feuers ab, und setzte ihren Weg fort. Der nächste Morgen graute und Eve erhob sich schwerfällig aus ihrem Bett. Durch ihre Bewegung erwachte nun auch ihr Mann und sah seine Königin zärtlich an. Auch in diesem Zustand, so fand er, war sie immer noch wunderschön. Er wusste jedoch ebenfalls, dass sie ihm ins Gesicht lachen würde, wenn er ihr das sagte. Eve streckte sich langsam und wandte sich ihrem Gemahl zu. "Wir müssen uns beeilen, mein Liebster", sagte sie leise. "Die Königinnen der äußeren Reiche machen uns ihre Aufwartung, und du willst sie doch wohl nicht in deinem Schlafgewand begrüßen, oder?" fragte sie neckisch und zwinkerte ihm zu. Arkon beeilte sich aufzustehen und sein offizielles Gewand überzuziehen. Allmählich wurden ihm die Begrüßungen der alten Freundinnen seiner Frau zuviel. Außerdem war ihm mulmig bei dem Gedanken, dass er so ziemlich der einzige Mann sein würde, der bei dieser Zeremonie anwesend sein würde. Die anderen Königinnen hatten ihre Familie zuhause gelassen, aber er war nun mal der einzige Abgesandte von Lilith, der seinen Segen bei der Wahl der neuen Hohepriesterin geben konnte. Er wußte jedoch, wieviel seiner Frau die Begrüßung ihrer Freundinnen bedeutete und nahm sich vor, sich bis zu einem gewissen Maß zusammen zu reissen. Seine Königin hatte bereits ihr Kleid angezogen und eilte nach draußen. Auch wenn sie zu den Herrscherinnen der äußeren Reiche kein so enges Verhältnis hatte, wie zu ihren Freundinnen von Merkur, Mars, Venus und Jupiter, so freute sie sich doch, sie endlich wiederzusehen. So schnell, wie es ihr in ihrem Zustand möglich war, ging sie die langen Stufen des Palastes hinunter, um die Ankunft abzuwarten. Auf dem Weg schlossen sich ihr Eilan, Araya, Anara und Kailean an, um mit ihr die neuen Gäste zu begrüßen. Unten angekommen erwartete sie schon Belisama. "Wo bleibt ihr denn so lange?" fragte sie lächelnd. "Die Anderen werden gleich hier sein." Mit diesen Worten deutete sie auf den Horizont und Eve und die anderen folgten ihrem Blick. Vor der aufgehenden Sonne zeichneten sich die kristallinen Kutschen ab, in denen die Königinnen der äußeren Reiche zu reisen pflegten. Sie alle wurden von geflügelten Pferden gezogen. Den Anfang machte die Kutsche von Aurian, der jungen Königin des Saturn. An den Seiten ihrer violetten Kusche war aus glänzendem Fluorit das Zeichen ihres Heimatplaneten angebracht. Ihr folgten die Kutschen von Arjunia, der Königin des Uranus, und Elisha, der Herrscherin des Neptun. Ihre Kutschen strahlten in dunkelblau bzw. türkis. Auch bei ihnen war aus Bernstein und Aquamarin das Zeichen ihres Schutzsterns angebracht. Inzwischen hatten sich auch die Bewohner von Mare Serenitatis an der großen Hauptstrasse versammelt, um die Ankunft der Herrscher zu bestaunen. Hinter den Kutschen von Uranus und Neptun erschien das Gespann des Doppelplaneten Pluto-Charon. Die dunkle Kutsche trug das ineinander verschlungene Zeichen von Pluto und Charon aus violettem und blauem Granat. Schon seit Urzeiten bewachten die Herrscher dieser beiden Planeten das Portal zu Raum und Zeit. In einigem Abstand hinter ihnen erschien die rosafarbene Kutsche der Königin des Persephone. Das Symbol ihres Planeten war aus fast durchsichtigem Rosenquarz. Als letzte Kutsche tauchte die schwarze Kutsche der Herrscher des Nemesis am Horizont auf. Das Zeichen des Planeten, das aus schwarzem Onyx gefertigt war, konnte man auf dem dunklen Untergrund kaum erkennen. Die Kutschen hielten nacheinander vor der großen Treppe, die zum Mondpalast hinaufführte. Jede der Herrscherinnen wurde von Eve und den anderen herzlich begrüßt. Den Anfang machte Aurian, die stille Königin des Saturn. Sie war eine schüchterne, hochgewachsene junge Frau, die älter wirkte, als sie eigentlich war. Sie hatte lange violette Haare, die ihr über die Schultern fielen und bis knapp an die Knie reichten. Ihr folgten Arjunia und Elisha, die Königinnen von Uranus und Saturn. Im Gegensatz zu Aurian waren beide braungebrannt, obwohl ihre Planeten weiter von der Sonne entfernt waren, als der ihre. Arjunia hatte ihre hellen Haare zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden und umarmte Eve überschwänglich. Eve erwiderte die Begrüßung verblüfft, war jedoch der festen Überzeugung sich einige Rippen dabei gebrochen zu haben. Die elegante Elisha begrüßte Eve fröhlich und streichelte einmal zart über ihren Bauch. Sie hatte, wie Eilan, ebenfalls schon eine Tochter, die sie jedoch in der Obhut ihres Mannes gelassen hatte. Ihre schwarzen Haare zeigten einen leicht türkisen Schimmer, als das Licht der Morgensonne auf sie fiel. Die beiden Königinnen des einzigen Doppelplaneten des Sonnensystems sahen sich so ähnlich wie Zwillinge, obwohl sie nicht miteinander verwandt waren. Königin Kassandra von Pluto trug ihre pechschwarzen Haare in kurzen Locken, die sie mit einem Kamm hochgesteckt hatte. Innara von Charon hingegen ließ ihre strahlend blauen Haare in Wellen bis auf den Boden fallen. Nach Eves Informationen hatten beide schon Kinder. Es erschien ihr fast wie ein Wink des Schicksals, das Kassandras Tochter und Innaras Sohn im gleichen Alter waren. Beide begrüßten Eve und die anderen förmlich. Eve wunderte sich, dass die beiden auch jetzt noch die beiden Schlüssel trugen, die gemeinsam das Tor zu Raum und Zeit öffnen konnten. Doch es gehörte wohl zu den Pflichten eines Wächters, den ihm anvertrauten Talisman immer bei sich zu tragen. Als nächstes stürmte Freiya, die Königin des Persephone, auf sie zu und fiel ihr um den Hals. Obwohl sie fast die Älteste von ihnen war, hatte sie noch immer die Überschwänglichkeit eines kleinen Mädchens. Ausgelassen gesellte sie sich zu den anderen Königinnen, die nun fast vollzählig waren. Als letztes fuhr die schwarze Kutsche des Nemesis vor und Nenia, seine Königin, stieg langsam aus. Trotz der dunklen Aura, die ihr als Herrscherin des äußersten Reiches zu eigen war, hatte sie einen warmen, freundlichen Charakter, der sich besonders in ihren Augen widerspiegelte. Eve seufzte glücklich, als sie auch die letzte ihrer Freundinnen im Königreich des Mondes willkommen hieß. Ihr Rücken schmerzte etwas und sie setzte sich erschöpft auf die Stufen. Nach zwei Tagen, in denen die Königinnen des Sonnensystems sich viel Zeit dafür nahmen, ihre gegenseitige Freundschaft wieder aufzufrischen, begannen sie, ihren Aufbruch vorzubereiten. Die Sternenkonstellation, die bei der Weihung einer neuen Hohepriesterin vonnöten war, würde in wenigen Tagen über der Heiligen Insel Avalon aufgehen. Eves Mutter Chastity ermahnte sie zur Eile. "Bei einer solch wichtigen Reise, können immer unvorhersehbare Dinge geschehen", erklärte sie ihrer Tochter. "Mutter," erklärte Eve ihr geduldig. "Jedes Königreich hat seine Leibgarde geschickt, die uns sicher bis Sinus Iridium bringen wird." Sie wusste selbst, dass die Zeit knapp werden würde, aber ihre Astrologen hatten ihr versichert, dass sie mehr als rechtzeitig ankommen würden. Gegen Nachmittag machte sich die herrschaftliche Prozession bereit, den Weg nach Sinus Iridium, der heiligen Tempelstadt, anzutreten. Die Leibgarden, die jede Königin von ihrem Planeten mitgebracht hatte, dienten mehr der Tradition als dem Schutz, da kein gewöhnlicher Krimineller einer Planetenkönigin etwas anhaben konnte, ohne es später bitter zu bereuen. Eve hatte für diesen Anlass 2 besondere Kutschen fertigen lassen. Beide waren aus reinem Silber gefertigt und wurden von je 8 Pegasi gezogen. Die Königinnen der inneren und äußeren Reiche, teilten sich jeweils eine Kutsche. Auch wenn die Reise, dank der Geschwindigkeit der königlichen Pegasi, schnell vonstatten gehen würde, hatten sie dennoch ein ziemliches Stück Weg zurückzulegen. Ihr Ziel lag auf der anderen Seite des Mondes. Neben Mare Serenitatis, der Hauptstadt, und Lacus Somniorum, war Sinus Iridium eine der 3 größten Städte des Mondes. Eve freute sich auf diese Reise. Nachdem sie ihre Freundinnen schon so lange nicht gesehen hatte, war sie glücklich über jede weitere Minute, die sie gemeinsam verbringen konnten. Die weißen Pegasi scharrten mit den Hufen und warteten ungeduldig auf das Zeichen, dass ihnen den Abflug signalisieren sollte. Die geflügelten Pferde waren das Hochzeitsgeschenk von Königin Aurora, der Königin der Sonne. Die Pegasi lebten nur auf der Sonne und waren das Wappentier der Königsfamilie. Ihr Wagenlenker nahm die Zügel in die Hand, und bedeutete den Tieren damit den Abflug. Elegant erhoben sich die beiden silbernen Kutschen in die Lüfte und hinter ihnen die Leibgarde der Prozession. Eve sah sich kurz um und erblickte ihre Mutter, die ihr zum Abschied zuwinkte. Lachend erhob sie sich aus der Kutsche und winkte zurück. Seit Stunden zog die Landschaft des Mondes unter ihnen hinweg. Die kleinen Städte und Dörfer wirkten wie Spielzeug. Lachend unterhielt sich Eve mit den anderen über die bevorstehende Zeremonie und stellte Mutmaßungen darüber an, wer wohl zur nächsten Hohepriesterin gewählt werden würde. Ihr Gemahl, König Arkon, verhielt sich sehr still. Die Gegenwart so vieler geschwätziger Frauen war ihm wohl etwas unangenehm. "Ich bin sicher, Lilien wird ernannt", behauptete Kailean. "Das Königreich der Sonne hat nun schon seit vier Generationen keine Hohepriesterin mehr hervorgebracht." Auch Anara war dieser Meinung. Sie alle mochten die junge Schwester der Sonnenkönigin. "Was ist mit Aretia?" fragte Eilan. "Sie ist doch sehr zielstrebig und wissbegierig." Araya stimmte ihr da ganz und gar nicht zu. "Denkst Du, das reicht, um eine Hohepriesterin des Lichts zu werden? Lilien ist zwar nicht so zielstrebig und selbstbewusst wie Aretia, aber dafür ist sie warmherzig und feinfühlig." Bevor die Spekulationen darüber in einen Streit ausarteten, schritt Anara ein. "Ich bin sicher, dass Licht wird seine Entscheidung fällen, wer die nächste Hohepriesterin sein wird" sagte sie beschwichtigend. Damit war die Diskussion für alle beendet und sie beobachteten den Sonnenuntergang und das Licht, dass sich in den zahlreichen Kristallstrukturen brach, die die Oberfläche des Mondes zierten. "Es wird bald Zeit, einen Rastplatz für die Nacht aufzusuchen, Majestäten", wandte sich der Kutscher an sie. "Königin Eve, wo werden wir landen?" Eve überlegte kurz. Ihre Mutter hatte ihr eine Karte mit den Orten, in welchen königliche Herbergen zu finden waren, mitgegeben. Zusammen mit Arkon studierte sie diese kurz. "Wir werden in Mare Nubium die Nacht verbringen", entschied sie schließlich. Diese Stadt kannte sie gut. Es war eine der großen Handelsstädte, von der aus das Mondkönigreich Waren mit anderen Planeten austauschte. Ihr Vater hatte sie während ihrer Kindheit oft dorthin mitgenommen und sie in den zahlreichen Arkaden stöbern lassen. "Bis dorthin dauert es noch eine gute Stunde", informierte sie der Kutscher. Plötzlich sah Eve wieder den Schatten am Rande ihres Blickfeldes. Er wirkte diesmal viel bedrohlicher als noch am Abend zuvor. Doch sie schien diesmal nicht die Einzige gewesen zu sein, die ihn wahrnahm. Zwei der vorderen Pegasi wurden unruhig und fingen an, sich gegen die Zügel, die sie lenkten, zu wehren. "Was zum Teufel...", fluchte der Kutscher und versuchte sie wieder unter Kontrolle zu bringen. Die Pegasi bockten und versuchten aus dem Tross auszubrechen. Unfreiwillig folgten ihnen die anderen sechs geflügelten Rösser, und so war die Kutsche völlig ihrer Willkür ausgeliefert. Schützend legte Arkon die Arme um seine Gemahlin, um sie vor Verletzungen zu bewahren. Eve hatte das Gefühl, alles wie durch einen dunklen Tunnel wahrzunehmen. Die seltsame Dunkelheit hatte sich fast auf ihr ganzes Blickfeld ausgebreitet. Nun war sie sich sicher, dass es kein Schattenspiel mehr war, sondern anscheinend der Schatten des Bösen. Sie starrte wie gebannt auf die durchgegangenen Pegasi und mußte sich zwingen, ihren Blick abzuwenden und die Brosche mit dem Silberkristall aus ihrem Gewand zu holen. Die lähmende Dunkelheit schien alle Kraft aus ihr herauszuziehen und mit letzter Kraft beschwor sie die Macht ihres Kristalls. "SILVER MOON CRYSTAL POWER!" Ihr Kristall hüllte die Kutsche samt der Pegasi in ein sanftes silbernes Licht. Augenblicklich verschwand der bedrohliche Schatten und ihre Zugtiere beruhigten sich wieder. Als die Dunkelheit verschwand, glaubte Eve ein zorniges Knurren zu hören. Erschöpft richtete sie sich wieder auf und blickte ihre verwirrten Freundinnen an. Arkon stützte sie besorgt. "Was war das?" fragte Anara ängstlich. "Ich meinte, flüchtig einen dunklen Schatten gesehen zu haben. Habe ich mir das nur eingebildet?" Auch die anderen bestätigten, das sie alle für einen kurzen Moment eine seltsame Dunkelheit wahrgenommen hatten. "Ich glaube nicht, dass es eine Einbildung war", sagte Eve leise. "Als ihr gestern abend zu Bett gegangen seid, habe ich auch flüchtig einen Schatten gesehen. Ich hielt es aber eher für ein Schattenspiel des Feuers." Ihre Freundinnen schwiegen bedrückt. Keine von ihnen hatte in ihrer Zeit als Sailor Senshi große Erfahrungen im Kampf gegen das Böse gesammelt, da es sich nur sehr selten gezeigt hatte. Eve verschwieg ihnen bewußt die Visionen, die sie vor wenigen Monaten hatte. Sie wollte ihren Freundinnen nicht noch mehr Kummer machen. Wenn die Bilder ihrer Visionen wirklich die Zukunft darstellten, hatten sie immer noch Zeit sich darüber Gedanken zu machen, wenn es erst soweit war. Die Kutsche der anderen Königinnen kam neben ihnen zum stehen. Besorgt beugte sich Elisha daraus hervor und erkundigte sich nach ihrem Wohlbefinden. Auch die anderen Königinnen sahen etwas blass aus. Anscheinend hatte nicht nur ihnen die plötzliche Unruhe ihrer Pegasi einen Schrecken versetzt. Eve versicherte ihnen, dass bei ihnen alles in bester Ordnung war, und teilte ihnen ihre Entscheidung mit, in Mare Nubium die Nacht zu verbringen. Die anderen waren einverstanden und so setzten sie ihren Weg fort. Die Pegasi wurden langsam müde. Da sie Geschöpfe der Sonne waren, flogen sie äußerst ungern bei Nacht. Ihre Ankunft war ein echtes Ereignis für den Gastwirt der königlichen Herberge in Mare Nubium. Zu seinem Bedauern mußte er ihnen gestehen, dass er nur noch fünf Zimmer mit je drei Betten zur Verfügung hatte. Die königlichen Gemächer waren schon am Vorabend von wohlhabenden Kaufleuten gebucht worden. Eve lehnte freundlich ab, als der Wirt ihr anbot, die reichen Leute sofort vor die Tür zu setzen. "Wir werden gern eure Zimmer in Anspruch nehmen", versicherte sie ihm. Ihr Mann nahm freiwillig ein Einzelzimmer, da er wußte, dass seine Liebste noch etwas Zeit mit ihren Freundinnen verbringen wollte. Nachdem sie alle noch etwas zu Abend gegessen hatten, begaben sie sich in ihre Zimmer. Eve fand es aufregend, einmal nicht in königlichen Gemächern zu schlafen. Sie war sowieso der Meinung, dass das Palastleben sie etwas verweichlicht hatte. Anara hingegen jammerte etwas. Sie war schon immer etwas verwöhnt, dachte Eve lächelnd. Sie teilte sich ihr Zimmer mit Anara und Araya und war froh, dass Araya die etwas weinerliche Anara zurechtwies und ihr sagte sie solle froh sein, dass sie nicht auf dem Boden schlafen müsse. Diese Vorstellung ließ Anara sofort verstummen und Eve konnte wieder auf eine ungestörte Nachtruhe hoffen. Trotzdem lag sie noch lange wach und dachte darüber nach, was dieser merkwürdige Schatten, der sie noch vor wenigen Stunden bedroht hatte, bedeuten sollte. Schon vor der Morgendämmerung stand Eve auf. Seit dem Beginn ihrer Schwangerschaft war sie zum Frühaufsteher geworden. Anara und Araya schliefen noch selig in ihren Betten. Sie schlug die schweren Vorhänge zur Seite und beobachtete die Stadt unter sich. Die ersten Händler und Kaufleute beeilten sich, rechtzeitig zum Marktplatz zu kommen. Die Kristallaternen verbreiteten jedoch nur einen fahlen Schimmer. Die ganze Stadt lag in dichtem Nebel, was für diese Jahreszeit eigentlich ungewöhnlich war, selbst für Mare Nubium, das Meer der Wolken. Eve runzelte leicht die Stirn und fragte sich, ob dieses seltsame Wetterphänomen auch mit dem Schatten des letzten Tages zu tun hatte. Sie entschloss sich die trüben Gedanken aus ihrem Kopf zu verbannen und ihre Freundinnen zu wecken. Nach dem Frühstück drängten die beiden Kutscher die Königinnen zu einem schnellen Aufbruch. Durch den dichten Nebel, der auch im Schein der Morgensonne noch wie eine große Glocke über dem Land hing, würden sie erst nur sehr langsam vorankommen. Ihr Mann bezahlte den Wirt der Herberge mit einer großzügigen Summe lunarer Silbersterne, der Währung des Mondes. Eve fröstelte. Sie legte die Hand beruhigend auf ihren gewölbten Bauch, als wollte sie sich vergewissern, dass es auch ihrer Tochter nach dem gestrigen Ereignis gut ging. Arkon half ihr liebevoll in die Kutsche, die kurz darauf abhob. "Die Zeit wird langsam knapp", flüsterte ihr Mann ihr zu. "Wir müssen heute abend Sinus Iridium erreichen, sonst schaffen wir es nicht mehr rechtzeitig." Eve stimme ihm bedrückt zu. Durch den gestrigen Vorfall und das seltsame Wetter an diesem Tag, würde es wirklich viel Glück erfordern, noch rechtzeitig zu der Zeremonie zu kommen. Unter ihnen zog weiterhin die Landschaft des Mondes vorbei, die jedoch immer noch in Nebel gehüllt war. Gegen Mittag lichtete sich der Nebel langsam und sie konnten wieder etwas schneller fliegen. "Wir werden Sinus Iridium heute abend erreichen", versicherte der Kutscher Eve. Erleichtert lehnte sie sich zurück. Die Anspannung, die sich den ganzen Vormittag in ihr angesammelt hatte, fiel von ihr ab und sie fiel in einen leichten, traumlosen Schlaf. Lächelnd beobachteten Anara und Eilan den friedlichen Schlummer ihrer Freundin und Königin. Der Kutscher hielt Wort. Als die Sonne unterging und die blaue Kugel der Erde sich im Osten erhob, erreichten die beiden silbernen Kutschen die heilige Tempelstadt Sinus Iridium. Sanft weckte Arkon seine Gemahlin. "Wach auf, meine Königin. Wir sind da." Verschlafen blinzelte Eve ihn an. Sie reckte sich und erhob sich etwas wacklig. Zärtlich stützte ihr Mann sie und hob sie aus der Kutsche. Ihre Freundinnen hatten die Kutschen schon verlassen und erwarteten sie. "Na, gut geschlafen?" neckte Araya ihre Freundin. "Du schnarchst ja ganz schön", fiel Kailean ein und zwinkerte ihr verschwörerisch zu. Eve spürte, wie sie leicht errötete und bemühte sich eine königliche Haltung anzunehmen. Mit hoch erhobenem Haupt ging sie zu den beiden Priestern, die sie erwarteten. Beide verneigten sich ehrerbietig vor ihr. "Verzeiht Majestät, dass wir euch keinen prunkvolleren Empfang bereiten konnten", flüsterte der erste von ihnen. "Eine Katastrophe hat sich ereignet, deren Folgen wir noch nicht zu deuten vermögen." Eve sah die beiden verwirrt an. "Was ist passiert?" fragte sie sich beunruhigt. "Kommt mit uns, Majestäten", bat der zweite Priester. "Unser Hohepriester wird euch alles erklären." Mit gemischten Gefühlen folgte die Prozession der Königinnen den beiden Priestern bis zur Spitze der Tempelstadt, wo der heilige Ort lag, der die Reiche miteinander verband. Auf dem Weg durch die Säulengänge und Plätze sahen sie immer wieder Priester und Priesterinnen, die aufgeregt und verwirrt miteinander tuschelten. Vieles konnten sie nicht verstehen, doch ein Wort tauchte immer wieder und unmißverständlich auf: Atlantis! Der Hohepriester von Sinus Iridium erwartete sie bereits. Er war ein alter Mann mit strahlend blauen Augen und langen, weißen Haaren. "Majestäten", sagte er und verbeugte sich tief. "Wir hatten euch schon viel früher erwartet. Die Zeit, bis die Zeremonie beginnt, verstreicht unaufhaltsam." Eve nickte verstehend. "Wir hatten auf unserer Reise einige Probleme", versuchte sie zu erklären. Die Schwierigkeiten, die sie wirklich hatten, wollte sie so allgemein wie möglich halten, um den Priester nicht zu verängstigen. Doch der alte Mann blickte sie entsetzt an, als könne er hinter diesen leeren Phrasen die Wahrheit erkennen. "Also stimmen die Visionen der Priesterin tatsächlich", flüsterte er. "Vielleicht erklärt ihr uns erstmal, was hier überhaupt los ist", bat Arkon in einem etwas barschen Ton. Der Priester sah ihn mit einem merkwürdigen Blick an. "Folgt mir", sagte er nur. Die Königinnen folgten dem alten Hohepriester in die Halle, in der die drei Tore standen, welche zu den heiligen Reichen der Erde führten. Auch hier standen viele weißgewandete Priester herum und flüsterten aufgeregt. Der Hohepriester ging jedoch unbeirrt weiter, bis er vor den drei Toren stand. "Um es gleich auf den Punkt zu bringen", begann er. "Das Tor zum Reich von Atlantis wurde gestern von den dortigen Priestern versiegelt und die gesamte Insel in schützende Nebel gehüllt." Geschockt sahen sich die Königinnen an. In all den vergangenen Zeitaltern hatten die Tore zwischen den Reichen immer offen gestanden. "Wie kann so etwas geschehen" fragte Eilan verwirrt. "Das soll euch eine Priesterin der Insel erklären", fuhr der Hohepriester fort. Zu ihm gesellte sich eine kleine Frau, die in die drei Farben von Atlantis gekleidet war. Wie fast alle Priesterinnen von Atlantis hatte sie weiße Haare, trug einen blauen Umhang und ein schwarzes Gewand. Eve wußte, dass diese Farben für die Einheit des Schicksals standen, dass auf der Insel Atlantis gehütet wurde. Weiß für die Vergangenheit und die Unveränderlichkeit, Blau für Gegenwart und die Notwendigkeit, Schwarz für die Zukunft und die Veränderlichkeit. Die zierliche Priesterin verbeugte sich vor den versammelten Königinnen und begann ihnen zu erklären, warum die Tore zu Atlantis von nun an verschlossen sein würden. "Alles begann vor einer Woche, als das Orakel der Insel eine Vision von der Dunkelheit hatte, die in naher Zukunft über uns hereinbrechen würde." Sie trat von den Stufen herunter, die zu den Portalen führten und blickte Eve mit ihren grauen, zeitlosen Augen eindringlich an. "Ich glaube, ihr wißt, was ich meine Majestät?" flüsterte sie ihr zu. Mit lauter Stimme fuhr sie fort: "Das Orakel sah voraus, dass die Insel des Schicksals für lange Zeit bedroht sein und schließlich untergehen würde, wenn wir uns nicht vor der Außenwelt verschließen. Ich bin als Einzige hierher geschickt worden, um den Priestern von Sinus Iridium die Entscheidung des Orakels von Atlantis mitzuteilen." Mit diesen Worten beendete sie ihren Bericht und sah die versammelten Königinnen mit ihren klaren, grauen Augen an. Eve war die Erste, die sich traute etwas dazu zu sagen. "Die Entscheidung des Orakels ist endgültig?" fragte sie, obwohl sie die Antwort bereits ahnte. Das Orakel von Atlantis zog niemals eine Entscheidung zurück. Die Priesterin nickte nur und sah plötzlich sehr erschöpft aus. Doch mit einem Mal war es so, als würde sie mit ihrem inneren Auge etwas sehen, was ihnen allen verschlossen war. Mit langsamen Schritten ging sie auf Eve zu und legte segnend ihre Hände auf ihren Bauch. "Das Böse wird unterliegen", sagte sie mit prophetischer Stimme. "Eine Eurer Nachfahren wird das Tor zu Atlantis wieder aufstoßen und den Platz des Orakels einnehmen." Sie faltete die Hände vor dem Gesicht und sah Eve ehrfürchtig an. Als hätte diese Vision ihrer Seele endgültigen Frieden geschenkt, erlosch das Licht in ihren Augen und sie sank mit einem tiefen Seufzer in Eves Arme. Mit einem überraschten Aufschrei stützte Eve die alte Priesterin und legte sie sanft auf den Boden. Eilan kniete sich neben ihr nieder und fühlte den Puls. Nach wenigen Augenblicken faltete sie die Hände der Priesterin auf ihrer Brust und schloss ihre Augen. Ohne zu wissen wieso, liefen Eve die Tränen über das Gesicht. Der plötzliche Tod der alten Priesterin erfüllte sie mit einer tiefen Traurigkeit. Mit zitternden Fingern legte sie Hand auf das Zeichen von Atlantis, das die Stirn der alten Frau zierte. "Möge deine Seele den Frieden finden, den sie verdient", schluchzte sie hervor. Der Silberkristall in ihrem Gewand begann zu glühen und füllte Eves Hände mit einem silbernen Leuchten. Der Körper der Alten begann sanft in den drei Farben von Atlantis zu strahlen und sich langsam aufzulösen. "Ihre Seele wird nun wiedergeboren werden", tröstete Arkon seine schluchzende Frau. Eve und Eilan erhoben sich und die Königinnen schritten die Stufen hinauf, um den Hohepriester darum zu bitten, ihnen das Tor nach Avalon zu öffnen. Der weißhaarige Mann sah Eve bewundernd an. "Ihr werdet einmal eine große Königin werden, mein Kind", sagte er und lächelte sie gütig an. Die Königinnen waren zum Aufbruch bereit. Der Hohepriester zeichnete die Symbole, die am Portal nach Avalon angebracht waren, nach und murmelte die Beschwörungsformel, die das Tor öffnen würde. Eve war etwas aufgeregt. Sie hatte diese Reise zwar schon mehrmals unternommen, doch die Anspannung war jedesmal die gleiche, wenn sie in das Tor aus Licht eintrat und einem hellen Tunnel folgte, an dessen Ende sie das Portal nach Avalon erwartete. Die Symbole an der Tür strahlten in einem regenbogenfarbenen Licht und das mächtige Portal öffnete sich. Goldenes Licht strahlte ihnen entgegen. Eve suchte die Hand ihres Gemahls und trat als erste mit ihm in das strahlende Licht ein. Sie spürte, dass ihre Freundinnen, die Königinnen der Planeten, ihr ohne Zögern folgten. Das Licht umfing sie, und nach einem Augenblick gewöhnten sich ihre Augen an die ungewohnte Helligkeit. Ein Tunnel aus wirbelndem Licht wies ihnen den Weg nach Avalon. Langsam schritt die Prozession den Weg entlang. Eve spürte, wie sich das Tor in Sinus Iridium schloss und der Hohepriester ihnen eine kurze Warnung hinterher rief, die sie jedoch nicht verstand. Schon sahen sie das glänzende Portal, das ihnen das Ende des Tunnels anzeigte. Plötzlich breitete sich ein dunkler Schatten über dem hellen Tunnel aus. Eve und ihre Freundinnen blieben abrupt stehen. Im Innern der Dunkelheit konnten sie undeutlich die Umrisse einer Person erkennen, die ihnen den Weg versperrte. "Wer bist Du?" verlangte Arkon zu wissen. Ein gehässiges Lachen antwortete ihm. "Ihr alle kennt mich, ehrwürdiger Prinz des Lilith", flüsterte der Schatten. "Ich habe keinen Namen, aber die gewöhnlichen Bewohner eurer Planeten nennen mich...Chaos!" Eve erstarrte vor Schreck. Sie hatte diesen Namen schon oft gehört. Chaos, der Feind des Lichts seit Urzeiten. "Was...was willst Du von uns?" fragte sie mit einem leichten Zittern in der Stimme. Die dunkle Gestalt trat aus dem Schatten heraus. Es war eine wunderschöne Frau mit bleicher, fast weißer Haut. Ihre Augen waren ebenso schwarz wie ihr schweres Gewand. Sie hatte ein schwere Kapuze über den Kopf gezogen, in der ihr bleiches Gesicht fast wie eine Totenmaske wirkte. Sie blieb vor Eve stehen und sah sie mit durchdringenden Augen an. Eve hatte das Gefühl, dass ihr Wille mit diesem Blick aufgesogen wurde. Die Frau, die sich als Chaos vorstellte, lächelte mild. Sie legte ihre Hand auf Eves Bauch. Diese erstarrte unter dieser Berührung. Sie hatte das Gefühl, als ob diese Hand Kälteschauer durch ihren Körper jagte, unter denen sie zerbrechen würde. Doch bevor sie in Ohnmacht fiel, zog Chaos die Hand zurück. "Eure Tochter wird eine wunderschöne Frau werden, meine Königin", lachte sie spöttisch. "Durch den Zeitpunkt ihrer Geburt wird sie eine der größten Königinnen werden, die das Mondreich je gesehen hat." Eve sah die fremde Frau überrascht an. "Du dürftest nicht hier sein", stieß sie hervor. "Die Prophezeiung erlaubt es nicht." Das Lächeln des Chaos gefror und die bleiche Frau wirkte auf einmal größer und bedrohlicher, als noch vor einem Moment. "Ich werde diesen Zeitpunkt verhindern", dröhnte ihre Stimme in Eves Kopf. "Denn ich bin Chaos und halte mich nicht an die wirren Prophezeiungen alter Zeiten!" Die Gestalt der Frau, die das Chaos verkörperte, breitete sich aus und sie wuchs über ihre Köpfe. Aus ihrem schwarzen Gewand formten sich Fledermausflügel, die einen bedrohlichen Schatten auf sie alle warfen. "Hör mich an, erbärmliche Königin des Mondes. Ich gebe Dir eine Prophezeiung, die garantiert eintreffen wird!" Die Macht ihrer Stimme warf die versammelten Königinnen fast zu Boden. "Ich sage Dir, dass eine Frau aus Deinem Blut den Untergang des Mondreiches und damit der Allianz, die Ihr alle so liebt, einleiten wird." Die Königinnen der Planeten rückten entschlossen zusammen, um Eve zu beschützen. "Verschwinde, du Schatten des Bösen", rief Kailean der Frau trotzig entgegen. Die Gestalt des Chaos hatte inzwischen nur noch wenig mit der bleichen Frau gemeinsam, die sie noch vor wenigen Momenten gewesen war. Sie war eine abstoßende Wesenheit aus Energie, an deren Seite sich zwei mächtige Schwingen erhoben. "Und was wollt ihr gegen mich ausrichten?" fragte sie mit verzerrter Stimme. Eve hatte sich inzwischen aus ihrer Erstarrung befreit und stellte sich dem Chaos ebenso entschlossen entgegen, wie ihre Freundinnen. Der Wunsch ihr ungeborenes Kind zu beschützen, weckte ungeahnte Kräfte in ihr. "Ich bin die Königin des Mondes und Herrscherin der heiligen Allianz dieses Sonnensystems" rief sie dem Schatten des Chaos entgegen. "Ich werde nicht zulassen, dass du dich gegen das Schicksal stellst, das uns allen bestimmt ist." Der Schatten antwortete ihr mit einem gräßlichen Lachen. "Euer Schicksal ist es zu sterben!" Mit diesen Worten fuhr schwarze Energie auf sie herab. Eves Freundinnen wurden von diesem Energieausbruch zu Boden geworfen, doch sie stand immer noch aufrecht, wie ein Fels in der Brandung. "SILVER MOON CRYSTAL POWER!" Das silberne Licht bildete einen Schild gegen die schwarze Macht und trieb sie langsam zurück. "Ihr werdet hier euer Grab finden, jämmerliche Planetenkrieger", rief das Chaos ihnen entgegen und schleuderte seine ganze Macht gegen den Schild. Der Schild aus Licht erbebte unter der gewaltigen, negativen Energie. Eve versuchte den Schild zu halten, um ihre Freundinnen zu schützen. "So wie Du schon gegen unsere Ahnen verloren hast, so wirst Du auch jetzt verlieren." Doch sie selbst wußte, dass mit jeder Sekunde die Chance auf einen Sieg geringer wurde. Sie durfte nicht noch mehr Energie aufwenden, sonst würde sie ihre Tochter gefährden. Plötzlich strahlte ihnen durch die undurchdringlichen Schatten ein Licht entgegen. Das Tor nach Avalon wurde geöffnet und sie spürte die Energie des Lichts, das ihr zur Hilfe kam. Aurora, die Königin der Sonne und Kybele, die Königin der Erde, hatten ihre Kristalle erhoben, um ihrer Freundin beizustehen. "SUN CRYSTAL POWER!" "EARTH CRYSTAL POWER!" Die vereinte Energie von Erde, Sonne und Mond bildete einen undurchdringlichen Schild, an dem die Energie des Chaos wirkungslos abprallte. "Erinnere Dich an meine Worte, Königin des Mondes", hörte sie die Stimme in ihrem Kopf. "Eine Erbin Deines Blutes, wird das Mondreich zu Fall bringen!" Das Chaos verschwand und hinterließ ihnen nur eine Ahnung der Dunkelheit. Aurora und Kybele liefen zu Eve und stützten sie. Erschöpft blickte sie ihre beiden Freundinnen an. "Danke für Eure Hilfe", flüsterte sie leise. "Gern geschehen", sagte Aurora und lächelte ihrer Freundin ermutigend zu. "Deine Tante vermutete, dass Euch das Böse nur hier zwischen den Welten angreifen würde, da es hier am stärksten ist", erklärte Kybele. "Nur hier kann es sich in seiner wahren Gestalt zeigen und Euch schaden." Die anderen Königinnen hatten sich um die beiden versammelt und stützten Eve, die langsam wieder auf die Beine kam. "Laßt nur", sagte Eve. "Es geht schon." Mit diesen Worten ergriff sie die Hand ihres Gemahls und trat durch das Tor aus Licht, dass sich vor ihnen öffnete. Einen Augenblick später befand sie sich in Avalon. Die Sonne versank hinter dem Horizont und tauchte die Berge der Heiligen Insel in ein feuriges Glühen. Eve sog tief die kühle Abendluft ein und blickte gen Osten. Die ersten Sterne erschienen am Firmament. Die Nacht der Zeremonie war gekommen. 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