Ein Mensch, der zum Biest wird von RhapsodosGenesis (Die Umkehr eines Märchens) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Das ist die Geschichte von einem Menschen, der zu einem Monster wurde. Sie waren glücklich zusammen, denn wo auch immer sie hingingen, waren sie zusammen. Sie waren einem Leben entkommen, das eintönig und langweilig war und entdeckten die Welt jeden Tag von Neuem. Sie hatten ihren Reichtum hinter sich gelassen, um ihre Zukunft vor sich zu sehen. Und doch kehrten sie eines Tages zu dem Ort zurück, den sie verlassen hatten. War es Nostalgie oder Neugierde, die die beiden dazu getrieben hatte, ihr gemeinsames Leben in Freiheit für kurze Zeit aufzugeben, um in alten Erinnerungen im Beisein alter Mitmenschen zu schwelgen? Der Tag begann schön und unbeschwert, sie sprachen und lachten mit den Menschen, die sie so lange nicht gesehen hatten, die ihnen in dieser Zeit aber auch nicht wirklich gefehlt hatten. Die Zeit verging, es wurde Abend, es wurde Morgen und die Freude umtanzte alle, dass ihre ehemaligen Herrschaften zurückgekehrt waren. So gab es reichlich Essen und frohe Stimmung, denn das Personal liebte die Herrschaften, welche sie schon immer gekannt und betreut hatten. Und am Abend des zweiten Tages stiegen die beiden Liebenden nach oben in den Westturm und betrachteten die Landschaft, die ihnen so zusagte. Da schenkte der eine dem andern eine Rose, die er im Garten gepflückt hatte. "Ich schenke dir diese Blume als Zeichen meiner ewigen Liebe zu dir." Als der andere sie entgegen nahm, verlor sie ein Blütenblatt. Da fühlte derjenige einen Stich, der sich anfühlte, als würde ein Messer die Brust durchstechen. Zuerst fiel der Körper zu Boden, nur um daraufhin in die Luft gehoben und von goldenem Glanz umgeben zu werden. Er ließ die Blume fallen, welche am Boden alle Blütenblätter verlor und unbemerkt liegen blieb. Der andere hielt die gestreckte Hand dem Licht entgegen, das vom geliebten Menschen kam, doch vermochte die Hand diesen nicht zu erreichen. Und langsam im Schein des Lichtes wurde aus dem Menschen ein Monster, eine Bestie mit haarigem Körper und Hörnern am Kopf. Die Hände und Füße wurden zu mit Krallen besetzten Tatzen und sogar ein Wolfsschwanz wuchs dem Ungeheuer mit den scharfen Fängen, die aus seinem Maul ragten. Als die Verwandlung abgeschlossen war, schwebte der Körper sanft zu Boden und reglos blieb er liegen. Sofort stürzte sich die andere Person auf ihn und weinte bitterlich, mit der Situation völlig überfordert, von der Frage gequält, was gerade passiert war, warum es geschah. Langsam fing sich der Körper des Monsters wieder zu regen an und Freude überkam den verbliebenen Menschen. Durch eine Umarmung zeigte er seine Zuneigung, es war keine Angst im Herzen, nur die Liebe, die er schon längst für die geliebte Person fühlte. Egal welche Gestalt auch immer sein Lieblingsmensch annehmen würde, nichts würde diese Liebe lindern, denn die Liebe galt ihm allein und nur dieser Person vor ihr allein. Es war ihr möglich durch das erschreckende Äußere zu sehen und keiner würde ihr das nehmen. Das Biest jedoch zeigte sich verwirrt. Es war noch in der Lage, in menschlicher Sprache zu sprechen und es verstand die Worte des geliebten Menschen und die Gesten, es fühlte sich wohlig und aufgehoben. Doch die Laute klangen rau und grob und nicht mehr menschlich. Und so entschieden sie, dass sie mit all den Angestellten im Schloss bleiben würden, denn mit einem Biest, dem waren sie sich sicher, konnten sie nicht durch die Welt reisen. Denn es gab zu viele, die nicht darauf warten würden, bis es sich ihnen öffnen würde, sondern diese würden sofort losschießen aus Angst und Ekel vor dem grauenhaften Äußeren des Biestes. Als sie vom Westflügel herunterkamen, stellten sie mit Schrecken fest, dass nicht nur der eine von ihnen verzaubert wurde, sondern alle Menschen im Schloss waren plötzlich zu lebenden Gegenständen geworden. "Aber wieso du nicht? Liegt es daran, dass du nicht hier geboren wurdest? Was unterscheidet dich?", fragte das Biest, einerseits froh, dass der geliebte Mensch verschont blieb, andererseits aber auch betrübt, weil es das Geschehen nicht verstand. "Ich weiß es nicht, doch ich werde euch retten", versprach der Menschgebliebene, "Es muss doch etwas geben, was ich tun kann, um euch zu helfen." "Vielleicht finden wir etwas in der Bibliothek", überlegte das Biest und preschte zum angesprochenen Raum, der Mensch rannte hinterher. Beide waren überwältigt von der Anzahl der Bücher, die sie sich nun vornehmen mussten. Und trotz der riesigen Aufgabe fanden sie noch Zeit zu spaßen. Sie fanden Zitate ihrer Lieblingswerke, denn beide liebten Bücher. Sie lasen von der Welt und träumten von ihren gemeinsamen Reisen, die für sie wirkten, als lägen sie ewig lange zurück. Doch sie schafften es zu lachen, da sie sich vertrauten und Hoffnung hatten. Die sprechenden Gegenstände umsorgten sie und kochten, denn ihre Hoffnung, je wieder zu Menschen zu werden, lag bei den Liebenden. Die Gegenstände konnten immerhin nichts tun, was außerhalb ihrer Natur lag: Die Uhr weckte sie, der Topf kochte, der Besen fegte und die Kerze leuchtete ihnen im Dunkeln den Weg. Häufig führte der Weg in die Bibliothek, doch trotz der unendlich vielen Bücher erkannten sie des Rätsels Lösung nicht. Und mit der Zeit verlor das Biest die Hoffnung, je wieder ein Mensch sein zu können. Doch der Mensch hielt daran fest. Und vor allem fehlte ihm die gewohnte Nähe zu seinem Liebsten. Er vermochte den Menschen in den Arm zu nehmen, doch fürchtete er, das zierliche Wesen zu zerdrücken. Der Mensch kuschelte sich an sein Fell, schlief in seinen monströsen, doch weichen Armen ein und streichelte es, was ihm sehr gefiel. Doch die Angst, den Menschen zu verletzen, hielt es davor zurück, dieselben Berührungen zurückzugeben. An etwas wie einen Kuss war nicht zu denken, denn aus seinem Maul ragten spitze Stoßzähne, mit denen das Biest den Kopf des Menschen hätte herunterbeißen können, doch keine Liebkosung war damit möglich. Auch war es keine große Hilfe beim Durchstòbern der Bücher, denn seine bekrallten Tatzen richteten die Bücher mehr zugrunde, als dass es sie lesen hätte können. Der Mensch half ihm jedoch: Er holte ihm Bücher und blätterte sie für es um, doch das hielt den Menschen teils selbst vom Lesen ab. Deshalb lag der Mensch des Nachts oft lange wach und las weitere Bücher, während das Biest neben ihm schlief und ihn wärmte. Auch das Essen gestaltete sich für das Biest als schwierig und an menschliches Geschirr und Besteck war nicht zu denken: Da füllten die Gegenstände Schüsseln für Mensch und Biest und servierten bloß Suppe, sodass das Biest sich nicht schlecht fühlen müsse, weil es alte Gesten nicht mehr erfüllen konnte. Dem Biest aber tat es leid: Es grämte ihn, dass sein geliebter Mensch all das für es auf sich nahm, dass er zu wenig schlief, dass er nicht richtig aß, dass er sich so an das Biest anpasste. Und als es draußen bereits Winter wurde, der Schnee die Landschaft bedeckte und damit bewies, dass viel Zeit vergangen war, gingen sie in den Schlossgarten. Beide waren müde, beinahe gereizt, und sie sehnten sich nach der Zeit, in der sie glücklich waren. Sie spazierten nebeneinander her, zitierten ihre Lieblingsgedichte und daraufhin begann der Mensch, Schneebälle in Spaß auf das Biest zu werfen. Das Biest wurde aus seinem Trübsal gerissen und lachte froh. Es schmiss doppelt so große Schneebälle zurück und die Freude kehrte zu ihm zurück. Sie verbrachten den ganzen Tag mit solch kleinen Freuden und für den Abend bereiteten sie sich eine weitere: Einen Ball ohne Gäste. In ihrem alten Leben hatten sie viel getanzt, doch das Biest war sich unsicher, ob es in seiner Form die Schritte behalten konnte. So übte es den ganzen restlichen Tag lang. Die Nähmaschinen nähten ihm prächtige Kleidung, die an menschliche Kleidung erinnerte. Auch für den Menschen gab es neue Kleidung, welche seine menschlichen Schönheit betonte. Als sie am späten Abend alleine im riesigen Ballsaal ankamen, standen sie sich gegenüber. Das Biest sah die Schönheit seines geliebten Menschen und ihn erfüllte nur noch ein Gedanke: Dass es so jemanden nicht verdiente. Der Mensch steckte all seinen Geist, all seine Zeit in das Lösen des Rätsels, half dem Biest bei jeder menschlichen Geste und blieb alleine hier unter Monstern und Gegenständen. Wenn es den Menschen wirklich liebte, musste es ihn gehen lassen. Denn nur dann konnte er sich entfalten und wieder zu dem Leben zurückfinden, aus dem sie gerissen wurden. Das Biest musste einfach selbst das Rätsel lösen, ohne die Hilfe des Menschen. Aber was konnte der Mensch für dieses Los? Der Mensch jedoch sah im Biest noch immer den Geliebten und sein Herz war von Liebe erfüllt und er war nur mit dem einen Wunsch erfüllt, ihn zu retten und zu erlösen von dem Fluch. Und als sie Hand in Tatze die Treppen herunterstiegen und sich zum Tanz begaben, fühlten sie ihre Liebe zueinander. Sie hatten sich trotz der schweren Zeit nicht verloren und sie würden irgendwie eine Lösung finden. Koste es, was es wolle. Nach einem erfrischenden Abend des Tanzes, der bis in die Nacht hinein dauerte, und der Freude, die sie so schon lange nicht mehr hatten, setzten sie sich auf den Balkon und redeten voll Nostalgie und Liebe über ihre Zeit der Freiheit. Da sagte das Biest: "Ich hoffe, du weißt, dass du nicht hier bleiben musst. Ich wünsche dir all die Freiheit, die ich so nicht mehr haben kann." "Was bedeutet mir Freiheit ohne dich?", entgegnete der Mensch und lächelte sein liebevollstes Lächeln, "Wir werden das gemeinsam durchstehen. Wir werden eine Lösung finden." Dem Biest war zu weinen zumute, da bemerkte es, dass es nicht mehr in der Lage dazu war, Tränen zu produzieren. Ein Biest hatte keine Tränen zu vergießen. "Du musst so vielem entsagen: Du hast keine Menschen mehr um dich, du verbringst den Tag hier in der Bibliothek und du machst sonst nichts mehr … Kann ich dir das wirklich zumuten?", wollte sich das Biest vergewissern. "Ich mute es mir zu", bestätigte der Mensch, "Weil ich dich liebe. Du bist der Mensch, die Person, das Wesen, mit dem ich mein Leben verbringen möchte. Solange du bei mir bist, egal in welcher Gestalt, solange habe ich alles, was ich will und brauche." Das Biest war gerührt und schmiegte sich an den Menschen. "Ich wünsche mir doch nur die alte Zeit zurück, als wir noch fröhlich waren." Der Mensch erkannte da, mit welcher Verbitterung das Biest sprach. Während er noch die liebste Person sah, sah diese sich nur noch als Biest und war aufgrund dessen wohl so traurig.So zurückhaltend … "Vielleicht sollte ich wirklich das Schloss verlassen und draußen nach einer Lösung suchen, wenn wir hier doch nichts finden …", überlegte der Mensch. Dem Biest war der Gedanke, dem Menschen fern zu sein, unerträglich - doch vielleicht fand er ein Heilmittel. Oder Freiheit. Das Biest würde sich über beides freuen, wenn es nicht auch traurig wäre, Lebewohl zu sagen … für immer? Also brach der Mensch noch in derselben Nacht auf, um Heilung zu finden. Das Biest brüllte vor Gram so laut, dass sich alle Gegenstände versteckten. Und der Mensch war fort. Da schlich es alleine auf sein Zimmer - und da lag plötzlich ein magischer Spiegel neben einer Rose, die Blüte trug. Mit dem Spiegel konnte es nach draußen blicken und sofort beobachtete es den Menschen. Dieser irrte durch den dunklen Wald, schien sich verirrt zu haben. Da bemerkte das Biest, dass der Mensch verfolgt wurde. Es würde ihn beschützen. Und so sprang es ohne Nachdenken nach draußen, seine feine Nase nahm Witterung auf und sofort erkannte es den Geruch der geliebten Person. Es fand sie sogleich im Wald, umgeben von Banditen, die natürlich voll Schrecken vor einem Ungeheuer waren. Es schlug sie mit den Tatzen und biss sie, nur zwei der Banditen konnten entkommen und die anderen hatte es getötet. Der Mensch war unverletzt geblieben, doch er war schockiert über die Taten des Biestes. Zum ersten Mal erlebte er Zweifel, ob die Verwandlung nicht doch auch das Innerste des Geliebten verändert hatte. Dennoch oder auch deswegen kam der Mensch sofort zurück mit dem Biest, welches auch gleich vom magischen Spiegel erzählte, der plötzlich aufgetaucht war. Da hatte der Mensch eine Idee: Sie konnten die Welt doch durch den Spiegel betrachten. Dem Biest gefiel die Idee: So konnten sie ohne Gefahr die Welt erkunden und nach einer Heilung suchen, ohne sich zu trennen. Und so kehrten sie gemeinsam in das Schloss des Biestes zurück und ruhten sich aus. Die körperlichen Verletzungen heilten, doch beide wurden von geistigen Leiden heimgesucht: Das Biest hatte getötet. War es nun noch ein Mensch? Immerhin hatten diese Banditen die geliebte Person in Gefahr gebracht, wenn auch nicht schwer verletzt. Und der Mensch war auch froh um die Rettung des Biestes. Nur hingen auch Zweifel daran: Wenn der Mensch nie losgezogen wäre, wäre dies nie passiert … Als sie zu zweit gereist waren, hatten sie sich nie in solche Gefahren begeben … Der Mensch kuschelte sich an das Biest. Was, wenn diese Handlung aus dem Biest ein Monster gemacht hatte? Würde das Biest öfter, gar jeden, töten, wenn das Leben des Menschen anscheinend bedroht wurde? Würde das Biest je wieder zurückverwandelt werden können, wenn es seine Menschlichkeit verlor? Denn als Mensch hätte das Biest niemals getötet … oder? Und so vergingen die Tage, indem das Biest im Spiegel nach einer Heilung suchte, während der Mensch weiter die Bücher danach durchsuchte. Eines Abends beobachtete das Biest das Schloss durch den Spiegel, da es seinen Menschen sehen wollte. Stattdessen nahm es Bewegungen im Garten wahr. Menschen. Andere Menschen. Mit Fackeln. Was taten sie hier? Was wollten sie? Hatten sie vom Biest gehört? Jagten sie es? Sehnten sie sich nach Rache für die Morde, die es begangen hatte? Es würde sich ihnen entgegen stellen. Sie durften den geliebten Menschen nicht erreichen. Der Mensch würde nur eine Schwachstelle sein, sollten diese Banditen ihn in ihre Gewalt bringen können. So hechtete das Biest hinunter. Einige Gegenstände wie Kästen und Tische, von der Eile alarmiert, bereiteten eine Barrikade vor. Das Biest ging in den Eingangsbereich, wo die Menschen bereits eingedrungen waren. Sie hatten mit ihren Fackeln den Kamin entzündet und lungerten am Sofa herum. Sie lachten. Eindringlinge! "Wir glauben, sie sind friedlich", flüsterte eine Uhr ihm zu, "Sie rasten bloß." "So sei es, da will ich sie begrüßen", entgegnete es grimmig. Was würden sie von einem Biest als Gastgeber halten? Ein Besen wisperte: "Solltet Ihr nicht den Menschen holen?" "Ich bin ein Mensch wie ihr alle", raunte das Biest trotzig. Das Lachen der Fremden erstummte und sie schienen angsterfüllt zu lauschen. Also ging es zu ihnen und bäumte sich vor ihnen auf, wobei es in angsterfüllte Gesichter starrte. "Wer seid ihr und was tut ihr hier?", fragte das Biest. "Bitte, bitte, friss mich nicht!", schrie einer, während er sich hinten an die Lehne drückte. Der andere schrie: "Wir wussten nicht, dass Euch dieses Schloss gehört!" Der dritte, der sich zusammen kauerte, übertönte die beiden anderen jedoch mit seinen "Monster! Ungeheuer!"-Rufen. "Was tut ihr hier?", wiederholte es ungeduldig. Es fühlte sich unangenehm, die Menschen erschraken ob seiner Gestalt. Es versuchte, ruhig zu bleiben, doch es gestaltete sich als schwierig. Er wollte genauso zittern und schreien wie sie. Warum sahen sie es nicht als Mensch? "Rasten", brachte einer atemlos hervor, "Es ist Winter und kalt. Wir verliefen uns …" Der Mensch zitterte am ganzen Körper. "Bleibt meinetwegen." Es richtete die Tatzen auf und deutete zur Tür. "Aber bei Morgengrauen-..." "Nein!", rief sein geliebter Mensch von hinten und rannte auf es zu. Er stellte sich schützend vor die Menschen. "Tu ihnen nichts!" Langsam und ungläubig ließ es die Tatze sinken. "Ein Mensch!", rief einer der Fremden. "Ein Mensch!" "Bitte beschützt uns vor dem Ungeheuer!", rief der Zusammengekauerte. "Was tut ein Mensch hier?", wollte der andere Mensch wissen. Das Biest war jedoch sprachlos. Sein geliebter Mensch hatte sich gegen es gestellt. Er glaubte nicht mehr an seine menschliche Seite … Andere Menschen sahen keine Menschlichkeit in ihm … Was nützte die Suche nach einem Heilmittel, das es nicht gab? Das Biest wandte sich wortlos um und ging zurück zum Westturm. Es hörte noch, wie sich sein Geliebter mit den Menschen unterhielt. Ohne Furcht. Ohne Misstrauen. Ohne die Frage, wie viel Menschlichkeit noch in ihnen steckte. Und so verbrachte das Biest die Nacht alleine. Durch den Spiegel, den es manchmal herausholte, konnte es sehen, dass sein Geliebter Mensch die ganze Nacht über die schlafenden Menschen wachte. Aus Angst, dass das Biest wieder morden würde. Am darauffolgenden Tag kam der Mensch in den Westturm und sagte: "Sie sind weg. Sie werden niemanden von dir erzählen." Das Biest reagierte nicht darauf, also näherte sich der Mensch zaghaft. "Sie waren nicht böse, nur verängstigt und müde. Als ich ihnen erzählt habe, was geschehen ist, reagierten sie mit Mitgefühl." Das Biest schwieg weiter. "Sie sagten mir, du wolltest sie gar nicht wegschicken oder …" Der Mensch stockte. "Oder was?", raunte das Biest. "verletzen …", wisperte der Mensch. "Aber du hast es angenommen", schloss das Biest daraus. Jetzt schwieg der Mensch. "Du vertraust mir nicht. Du siehst in mir ... ein Biest", brachte es knurrend hervor. "Ich hatte Angst", gab der Mensch leise zu, "Ich war unsicher, wie viel von dir ich noch habe … Aber jetzt …!" Er klang hoffnungsvoll. "Jetzt hast du alles verloren", knurrte das Biest leise. Es wandte sich um und zeigte auf eine Rose am Tisch, die in voller Blüte stand. "Seit ich zum Biest wurde, wuchs ihr jeden Tag ein neues Blatt. Zuerst dachte ich, ich bilde es mir ein. Dann dachte ich, es sei normal. Doch als ich ein Blatt entfernen wollte, ging es nicht. Und da wurde mir klar, dass diese Rose mich zum Biest machen würde." "Warum hast du mir nichts gesagt?", fragte der Mensch verzweifelt. "Es hätte nichts geändert. Denn heute Nacht wurde ich für dich zum Biest, unabhängig von der Rose." Das Biest knurrte kurz. "Es steht dir frei zu gehen. Zu den Menschen, die dir wohler sind als ich." "Nein … Ich verlasse dich nicht!", rief der Mensch, "Ich liebe dich!" Doch das Biest reagierte darauf nicht. Und egal, wo er suchte, der Mensch fand kein Heilmittel. In vielen Büchern, die er las, wurde die wahre Liebe als Heilmittel für Flüche beschrieben, doch der Mensch wusste, dass dies nur Märchen waren, denn dieser Fluch war durch seine Liebe ausgelöst worden. Das Biest sprach nicht mehr zum Menschen, las nicht mehr mit ihm und aß nicht mehr mit ihm. Zuerst glaubte der Mensch, das Biest sei verletzt und traurig, weil er sich vor den Menschen unfair ihm gegenüber verhalten hatte … Doch mit der Zeit musste auch er erkennen, dass das Biest zum Biest geworden war. Eines Tages erkannte die Person, dass die Liebe zu einem Biest zwecklos war und verließ das Biest, die verzauberten Gegenstände und das Schloss. Denn wer könnte denn ein Biest je lieben? Als der Mensch das Schloss verließ, beobachtete das Biest dies durch den Spiegel. Denn nie hatte es sein wachsames Auge von seinem geliebten Menschen gelassen. Der Mensch hatte noch immer eine Lösung gesucht, an die das Biest schon nicht mehr glaubte. Und so war das Biest zwar traurig, dass der Mensch es nun endgültig verlassen hatte, doch war es die einzige Möglichkeit für den Menschen, ein neues Glück zu finden. Denn ihre Geschichte war hier zu Ende, wo sie vor all den Jahren begonnen hatte. Das magische Wesen, welches die Geschichte beobachtet hatte, war enttäuscht. Es hatte zwei Menschen gesucht, die der wahren Liebe fähig waren, doch offenbar hielt es kein Mensch aus, ein Biest zu lieben, welches so anders erschien als der Mensch selbst. Noch hielten es Menschen aus, sich einer so radikalen Verwandlung zu unterziehen. So würde es den Zauber aufheben, um zu sehen, ob zumindest die Liebe zum menschlichen Körper weiterhin Bestand hatte. Und sobald all die Gegenstände wieder Menschen waren und auch das Biest sich zurückverwandelt hatte, lief es mit dem magischen Spiegel aus dem Schloss und dem anderen Menschen hinterher, der das Ganze gar nicht fassen konnte, als er endlich eingeholt wurde. "Vielleicht ist es manchmal am besten, einfach loszulassen, um sich wiederzufinden", meinte das ehemalige Biest, halb im Scherze. "Aber jetzt werde ich dich nie wieder im Stich lassen", schwor der Mensch und sie kamen nie wieder in das Schloss zurück. Doch der Spiegel blieb ihr Begleiter, um in Momenten der Nostalgie oder Unsicherheit zurückschauen zu können. 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