Spiel ohne Limit von Lady_of_D ================================================================================ Kapitel 57: ------------ Ein schwarzer Wagen mit getönten Scheiben - Mokuba hatte nicht zu viel versprochen, als er meinte, er würde Rin möglichst unauffällig aus dem Krankenhaus bringen lassen. Naja, über unauffällig lässt sich streiten. Einer der Security Männer der Kaiba Corporation hatte an ihre Zimmertür geklopft und schließlich nach draußen begleitet, nachdem die Entlassungspapiere unterzeichnet worden waren. Mit einem unterdrückten Gähner stieg sie in den Wagen. Der Mann stieg hinzu und startete den Motor. Auf dem Beifahrersitz wollte Rin nur noch eines: die Augen schließen. Nachdem man sie an der spannendsten Stelle des Traumes aufgeweckt hatte, wurde sie sogleich zu sämtlichen Untersuchungen gebracht. Der Chefarzt persönlich hatte die junge Frau begleitet und einige Test mit ihr durchgeführt, die sie allesamt bestanden hatte. Zumindest hatte er genickt und gemeint, dass sie gleich am frühen Morgen entlassen werden könnte. Rin war wieder einmal verblüfft, wie Seto Kaibas Stellung den Prozess beschleunigt haben musste. Welcher Chefarzt tanzte schon mitten in der Nacht bei einer Patientin an, die sich obendrein bester Gesundheit erfreute? Aber Rin wollte sich nicht beklagen. Sie war froh, dass man sie schnellstmöglich entlassen wollte. Die junge Frau hatte noch einiges zu erledigen, bevor das nächste Duell starten sollte - was bereits morgen der Fall war. Durch die verdunkelten Scheiben sah Rin nur schwach die Sonnenstrahlen, dass sie sich auf die umliegenden Häuser konzentrierte. Auch wenn sie wollte, sie durfte jetzt nicht die Augen schließen. Sie würde sofort einnicken und konnte es nicht leiden, so kurz nach dem Einschlafen geweckt zu werden. Um sich abzulenken ging sie im Geiste ihren Plan durch. Sie wollte zu Kaiba, - noch heute - etwas Wichtiges mit ihm besprechen, noch vor Beginn des Duells. Wenn sie vor zehn bei der Kaiba Corporation auftauchte, würde sie es vor den ersten Meetings und Besprechungen schaffen. Zwar kannte sie seinen Terminplan nicht, aber anhand der wochenlangen Erfahrung wusste sie in etwa, wann, welcher Mitarbeiter zu ihrem Chef zitiert wurde und zwischen welchen Zeiten er nicht gestört werden wollte. Einmal kurz durch die Haare gefasst (es hatte keine Zeit gegeben, sie zu kämmen), zückte sie ihr Smartphone aus der Tasche und ging ihre E-Mails durch. Mehrere ungelesene Nachrichten von ihren Vorgesetzten blinkten auf. Rin entschied sich, sie vorerst zu ignorieren. Sobald sie die Firma betreten hätte, würde man schon auf sie zukommen. Sie wischte weiter über die Textnachrichten ihrer Freunde. Noch mitten in der Nacht hatte sie Lumina darüber informiert, dass sie schon bald nach Hause käme. Nach einer Minute hatte der schwarzhaarige Wuschel zurückgeschrieben. Vermutlich war sie wieder einmal neben ihrem Handy eingeschlafen und hatte vergessen, es auf lautlos zu stellen. Arme Lumina Ihre Prüfung fand am kommenden Montag statt, dass sie keine Zeit hätte, bei dem Duell dabei zu sein, das - zu Rins Erstaunen - im Hafen Domino Citys ausgetragen werden sollte. Als Schauplatz hatte man den Ort ausgewählt, an dem die Container der Frachtschiffe gelagert wurden. Zunächst hatte sie keine Vorstellung, wie in so einer Kulisse ein Duell gespielt werden sollte - noch dazu, wenn tausende Zuschauer anwesend waren. Dann hatte sie an Kaibas System gedacht und auf einmal kam ihr der Gedanke gar nicht mehr so abwegig vor. Daraufhin hatte sie Mokuba eine Nachricht geschickt und ihn nach Details gefragt, zu denen er befugt wäre, zu antworten, (und, die nicht offensichtlich machten, dass sie in Kaibas neues Projekt eingeweiht worden war). Wie Rin es sich gedacht hatte, würde Kaiba das Potential seiner neuen Technologie nutzen, dass sie ein Geistesblitz erfasst hatte, den sie noch nachher mit dem jungen Firmenchef besprechen wollte. Da er Rin als sein Versuchsobjekt Nummer eins erwählt hatte, würde er sicher Gefallen an ihrer Idee finden - davon war sie überzeugt. Allmählich näherten sie sich dem Viertel, das Rin wie ihre Westentasche kannte. Sie begann zu grinsen. Zum Glück waren die Kopfschmerzen verschwunden, dass ihr Lumina keine Predigt abhalten würde. Das Handy zurück in die Tasche gesteckt sah sie noch ein wenig verträumt aus dem Fenster, als schließlich ihr Wohnhaus auf der linken Straßenseite auftauchte. Der Fahrer parkte den Wagen und informierte sie, dass er auf sie warten würde. "Anordnung von ganz oben", entgegnete der schwarze gekleidete Riese mit emotionsloser Miene. Rin sah ihn nur verdutzt an. "Okay", sagte sie lediglich und öffnete die Beifahrertür. Die Luft war frischer als erwartet. Obwohl nur vier Tage vergangen waren, spürte sie, wie der Herbst allmählich näher rückte. Schnell schlüpfte sie in ihr Wohnhaus. Auch wenn keiner auf der Straße nach einem Journalisten oder einem Fernsehreporter aussah, ging die junge Frau lieber auf Nummer sicher. Ich werde mir erst einmal eine heiße Dusche gönnen Rin grinste in sich hinein und drehte den Schlüssel herum. Es klickte, die Tür öffnete sich. Ein lauter Knall ertönte, der Rin das Herz in die Hose rutschen lieẞ. "Willkommen Zuhause!", rief Lumina, die eine Konfettikanone in den Händen hielt, die halb so groß war wie die Schwarzhaarige selbst. Tausende kleine Schnipsel flatterten über Rins Kopf. "Was, zum Henker, war das?!" Rin hatte noch immer die Augen aufgerissen. Sie sah zu ihrer Freundin, die sie breit angrinste. "Na, was wohl? Das sollte eine ehrenvolle Begrüßung werden! Ich wollte dich halt überraschen." "Das ist dir gelungen", entgegnete Rin, die sich die Schuhe abstreifte und die Wohnung betrat. Nie hätte sie gedacht, dass es sich so gut anfühlen würde, endlich ihr eigenes Bett wieder zu haben. "Mich wundert's, dass du so früh munter bist." Rin umarmte ihre Freundin, bevor sie ihre Sachen ablegte und sich für ein paar Minuten auf der Couch niederließ. "Nachdem du mich mit deiner Nachricht geweckt hattest, konnte ich nicht mehr einschlafen." Lumina setzte sich im Schneidersitz vor die junge Frau. "Außerdem hab ich noch allerhand zu lernen." Sie seufzte. "Als ich zu Sakura bin, hatte ich doch glatt eines meiner Lehrbücher hier vergessen. Ausgerechnet das Exemplar, das in der Unibibo ständig vergriffen ist. Naja, was soll's. Und du? Was steht bei dir an? Ich hoffe, du verschwindest nicht gleich wieder in den Tiefen der Hölle." "Du meinst die Firma?", Rin hob eine Augenbraue, "leider, ja. Du wirst es nicht glauben, aber so einer von diesen bulligen Typen wartet im Wagen auf mich. Mokuba meinte, dass ich vorerst lieber nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren soll." Sie streckte sich. "Zwar hat er die Presse aus unserem Wohnblock vertreiben können, aber angeblich sollen nicht nur die Medien hinter mir her sein." Die junge Frau schüttelte den Kopf. "Kannst du dir das vorstellen? Da soll es einen richtigen Ansturm von Fans geben. Wegen mir! Von der Innenstadt soll ich mich jetzt ganz fern halten." "Ist vielleicht besser so", nickte Lumina und verschränkte die Arme vor der Brust. "An der Uni quatschen mich die Leute auch schon an. Ein paar meiner Kommilitonen müssen den anderen gesteckt haben, dass wir miteinander befreundet sind." "Nicht nur bei dir", Rin schnappte sich Luminas Kaffeetasse, die auf dem Couchtisch stand. Sie nahm einen Schluck. Wenigstens einen kleinen. Der Arzt hatte ihr den Kaffeekonsum für die nächste Woche untersagt. Eine Qual für die junge Frau, die nicht wusste, wie sie ohne das schwarze Gold heute über den Tag kommen sollte. Sie stellte die Tasse zurück auf den Tisch. "Yu hat mir geschrieben." "Was?!", Lumina starrte sie perplex an, "Yuichiro - dein Ex?" "Genau der. Scheinbar ist die Presse auch auf ihn zugekommen. Irgendjemand muss denen wohl verraten haben, dass wir mal zusammen waren." Jetzt verstand sie auch, warum Kaibas Social-Media-Experte sie damals über alles ausgequetscht hatte. "Woher hat der Kerl deine Nummer?" "Von meiner Cousine", entgegnete Rin, "er hat Kazuha auf irgendeiner Plattform gefunden und angeschrieben. Eigentlich war es ganz nett gewesen, wieder mal von ihm zu hören. Er fragte, wie es mir ginge und erzählte mir, dass die Leute von der Presse nach mir gefragt hätten." "Und?" "Wie Yu halt so ist. Er hat knapp auf die Fragen geantwortet und nichts Persönliches erzählt." Etwas anderes hatte sie von ihrer ersten großen Liebe auch nicht erwartet. Yuichiro war schon immer ein ruhiger, bodenständiger Typ, der einzig auf seine Kendo-Karriere fokussiert gewesen war. Als diesjähriger Landesmeister musste es der Presse nicht schwer gefallen sein, an Rins ersten festen Freund heran zu treten. Als Rin die Nachricht heute früh gelesen hatte, musste sie ein wenig schmunzeln. So viel Zeit lag zwischen ihnen, dass es ihr gar nicht seltsam vorgekommen war, als er sich plötzlich bei ihr gemeldet hatte. Irgendwie konnte sie sich den Grund schon denken. Nach einigen kurzen Nachrichten verblieben die beiden bis auf Weiteres im lockeren Kontakt zu bleiben. Sie hatte Yu alles Gute für die weiteren Turniere gewünscht, von dem das nächste Große Ende des Monats stattfände und Yu hatte dasselbe getan. "Ob er dich neulich im Fernsehen gesehen und gedacht hat: warum haben wir nochmal Schluss gemacht?" Lumina lächelte verräterisch. "So ein Quatsch", winkte Rin ab und erhob sich. "Vergiss' nicht, dass wir beide damals entschieden hatten, dass es besser wäre, eigene Wege zu gehen. Und Yu ziemlich schnell darüber hinweggekomen ist. Außerdem", sie hielt sich die Hand vor dem Mund und kniff die Augen zusammen (es war so verdammt schwer, nicht müde zu sein), "wäre Yu heute gar nicht mehr mein Typ." "Du meinst, dass er kein so großes Arschloch ist." "Wie lange willst du mich noch damit aufziehen?!" "Ach, Schätzchen, die Nummer werde ich dir ein Leben lang vorhalten." Die Schwarzhaarige hauchte einen Kuss in ihre Richtung, doch Rin stampfte einfach nur ins Badezimmer. Sie wollte wenigstens schnell unter die Dusche hüpfen, bevor die Security dort unten Wurzeln schlüge. Einmal warmes Wasser über den Körper geprasselt, dazu die Haare mit einer Spange locker an den Seiten festgemacht, fühlte sie sich ein wenig erholter. Aus ihrem Zimmer kramte sie die schwarze Lederhose, dazu eine locker sitzende Bluse, die sie sich in die Hose stopfte und darüber den Trenchcoat, falls sie bis abends unterwegs sein sollte. Als Letztes schnappte sie sich ihre Sonnenbrille vom Fensterbrett. "Wohin des Weges, Miss Yamamori? Etwa zu einem neuen gefährlichen Fall?", witzelte Lumina und hob beim Anblick der Lederhose die Augenbrauen hoch. Warum sie ihre Freundin immer mit einer Agentin vergleichen musste, sobald sie das Gestell übergezogen hatte? Als Antwort gab ihr Rin einen Luftkuss, dann nahm sie einen Keks aus der Dose über dem Küchenregal und verabschiedete sich. "Wart' nicht auf mich, Honey. Es wird spät werden", versuchte Rin so ernst wie möglich herüber zu bringen, und seit sie diese herablassende Seite an sich geübt hatte, gelang es ihr sonderlich gut. Lumina kicherte und wünschte ihr viel Vergnügen. Wobei sie das Vergnügen besonders betonte. Der Fahrer wartete bereits ungeduldig auf die junge Frau. Am Wagen gelehnt rauchte er seine Zigarette aus und zerdrückte sie auf dem Gehsteig, auf dem sich bereits ein kleiner Haufen benutzter Kippen gesammelt hatte. Sie stiegen zurück in den Wagen und der Mann sauste los. Noch nie war Rin so schnell auf Arbeit gewesen. Da waren Luminas Stunts mit dem Moped lausige Kindergartentricks. Der Wagen rauschte durch die Innenstadt, vorbei an Polizisten, die einfach darüber hinwegsahen. Innerlich musste die junge Frau mit dem Kopf schütteln. Vor der Kaiba Corporation blieb der Wagen stehen, Rin bedankte sich fürs Mitnehmen, obwohl sie glaubte, dass er keinen Dank von ihr hören wollte und machte sich daran, so schnell es ging hier raus zu kommen. Die Wagentür zugeschlagen sah sie hinauf zu dem Wolkenkratzer. Das Gebäude hatte sich seit ihrem ersten Tag stark verändert. Es gab ihr nicht mehr das Gefühl, klein und unbedeutend zu sein. Rin war ein Teil davon geworden, auch wenn sie sich mit dem restlichen Klientel nicht identifizierte. Das brauchte sie auch nicht. Sie konnte so sein, wie sie war, und zum ersten Mal wurde ihr bewusst, dass sie (abgesehen von Luminas und ihrem Zuhause) bisher nirgendwo so sein konnte, wie sie war. Der Gedanke ließ sie lächeln. Die Sonnenbrille auf den Kopf gestülpt betrat sie die Drehtür. Hunderte Augenpaare starrten zu der jungen Frau hinüber, die einfach den Empfangstresen ansteuerte. Mit großen Augen wurde sie begrüßt. "Frau Yamamori", krächzte die Empfangsdame, "wie schön Sie zu sehen." Ja, du mich auch "Was kann ich für Sie tun?" Ein Lächeln hätte nicht gespielter sein können, aber Rin hatte bereits so viele falsche Gesichter gesehen, dass sie sich nicht mehr daran störte. "Machen Sie mir einen Termin bei Seto Kaiba. Noch heute." Ihre direkte Anweisung überforderte die blonde Frau. "Ähm, Herr Kaiba?", sie tippte mit ihren langen Nägeln auf die Tastatur. Ihre Augen wanderten unruhig über den Bildschirm. Jemand wie Rin, der sich mit Büroarbeiten auskannte, wusste, dass die Empfangsdame nur bluffte. Auf dem Bildschirm war höchstens der Bildschirmhintergrund zu sehen - darauf ging Rin jede Wette ein. Aber sie spielte dieses Spielchen mit und trommelte mit den Fingern ungeduldig auf dem Tresen. "Nun, was ist?" Die junge Frau spürte die Blicke in ihrem Rücken. "Also, Herr Kaiba ist derzeit in einer Besprechung. Ich kann Ihnen leider nicht genau sagen, bis wann. Danach", sie bewegte ein bisschen die Maus hin und her, "ist er bis zum Ende des Tages mit Meetings beschäftigt." "Aha", Rin verschränkte die Arme vor der Brust. Will die mich für dumm verkaufen? "Sagen Sie Hernn Kaiba, dass, wenn er Zeit hat, ich ihn umgehend sprechen möchte." "Ich werde es an seine Sekretärin weiterleiten." Sie nickte, ohne mit lächeln aufzuhören, dass Rin sich einfach nur abwandte und sich entfernte. Toll, und was jetzt? So schnell würde die junge Frau nicht aufgeben. Sie steuerte den Fahrstuhl an. Wenn sie mit Senjin sprechen könnte. Er würde sicher wissen, wann Kaiba Zeit für sie hätte. Mit ihm war sowieso noch eine Besprechung angesetzt. Also warum das Treffen nicht einfach nach vorne verlegen? "Rin!" Jemand näherte sich ihr von der Seite. Vor den Fahrstühlen blieb die junge Frau stehen und drehte sich um. Die Hände in die Knie gedrückt rang Maki Kamizake nach Luft. Der Imagedesigner lächelte matt, atmete ein paar Mal tief ein und richtete sich schließlich auf. "Gut, dass ich dich gefunden habe", hechelte er, "man sagte mir, dass du erst gegen Mittag in der Firma sein würdest." "Was gibt es denn?" "Es geht um dein Outfit für das morgige Duell." Er fuhr sich durchs Haar und lächelte siegessicher. "Ich hab doch schon meinen Mantel", erwiderte Rin, die sich schon wieder in blonden Haare sah. "Ich weiß", sein Lächeln wurde breiter, "aber ich habe eine Idee, die dich umhauen wird." Umhauen bestimmt… Er kramte aus seiner Hosentasche einen zerknüllten Zettel. "Ich habe mich mit Nagawa zusammengesetzt. Wir sind deinen Lebenslauf ein wenig durchgegangen." Oh Gott, wo führt das jetzt hin?! "Das bin ich auf ein interessantes Detail gestoßen." "Okay", entgegnete Rin stoisch. "Du warst doch damals im Kendo-Club, richtig?" "Ja." "Hast du noch die Kleidung von damals?" "In meiner Wohnung, ja", Rin war völlig verwirrt, versuchte aber sich nichts anmerken zu lassen. Maki wedelte mit dem zerknüllten Papier vor ihr Gesicht. "Ich hatte vorgestern Nacht einen Geistesblitz: die ehemalige KungFu Meisterin Vivian Wong gegen die amtierende Prinzessin des Kendo Rin Yamamori." Er machte theatralische Bewegungen mit seinen Händen. Rin versuchte ihm zu folgen. "Von der Muse geküsst hatte ich ein Bild von einem Mantel vor Augen. Aber nicht irgendeinem Mantel." Er öffnete das Papier und präsentierte Rin seinen Entwurf. "Wie wäre es, wenn wir dein roten Mantel mit dem Hakama und Gi kombinieren? Ich müsste hier und da ein paar Details abnehmen, etwas herum schnippeln und kürzen. Aber es lohnt sich, versprochen. Ich kann natürlich auch eine beliebige Kendo-Uniform benutzen, aber die original benutzte Kleidung kommt besser - und verleiht dem Outfit den nötigen Spirit. Verstehst du?" In groben Zügen erläuterte er ihr seinen Plan. Rin betrachtete seine Zeichnungen. Ihren geliebten Mantel zerschneiden? Ein Unding - wenn Makis Plan nicht so grandios wäre. Die Zeichnungen sahen fantastisch aus, dass Rin einfach zustimmen musste. "Kann ich mir die Sachen bei dir abholen lassen? Wenn ich mich sofort an die Arbeit mache, hast du das Schätzchen vor dem Duell wieder." Rin nickte und Maki griff ihre Hände. "Ausgezeichnet. Ich seh' dich dann morgen-" "Warte", rief sie, bevor der Imagedesigner davon stürmen konnte. "Weißt du, wie lange Kaiba heute in der Besprechung steckt?" Ihr Gegenüber zuckte mit den Schultern. "Meines Wissens ist der Boss die Tage nicht zu sprechen. Keine Ahnung, ob er überhaupt da ist." Ähnliches sollte sie noch mehrmals zu hören bekommen. Egal, wen sie fragte, jeder erzählte eine andere Geschichte. Manchmal sollte Seto Kaiba im Büro in einer Telefonkonferenz feststecken. Ein anderes Mal hatte er ein Geschäftsessen in der Stadt und würde erst morgen wieder das Büro aufsuchen. Am Ende war Rin so genervt von all den Ausreden, dass sie wütend das Firmengebäude verließ. Geradewegs ihr Lieblingscafé ansteuernd kamen ihr ein dutzend Geschäftsmänner entgegen. Kurz begegneten Rins feurige Seelenspiegel die neugierigen Blicke der Männer. Nicht zum ersten Mal wanderten die Augen einmal ihre langen Beine hinab. Die Hose saß aber auch verdammt eng, dass sie einen knackigem Hintern darin hatte. Die Tür zum Café aufgerissen wandte sie sich von der Meute an Gaffern ab und betrat das Lokal. "Na sieh' mal einer an, wer wieder da ist." Makoto lächelte. Das erste ehrliche Lächeln an diesem Tag, dass Rin zurück lächelte. Die Kassiererin wirkte erschöpft. Sie hatte ein Geschirrhandtuch über die Schultern geworfen und ihr Pony hing wirr zur Seite. "Alles gut bei dir?", erkundigte sich Rin bei ihr. Daraufhin wischte sich Makoto einen Schweißtropfen von der Stirn. "War ein stressiger Tag. Ab heute beginnen die Schülerpraktika, um die Mittagszeit war hier richtiger Betrieb und ausgrechnet am ersten Tag fiel Kaito wegen eines abgebrochenen Zahnes aus." "Und du warst die ganze Zeit allein?" "So schnell konnte ich keine Aushilfe auftreiben. Außerdem ist es nicht das erste Mal, dass ich eine Horde Teenager stemmen musste. An sich macht es mir nichts aus, aber es gruselt mich, wenn ich an den Abwaschberg da hinten denke." "Kann ich helfen?" Makoto sah sie verdutzt an. Sie schüttelte mit dem Kopf. "Entschuldige, so habe ich das nicht gemeint. Ich werde heute Abend ein-" "Kommt nicht in Frage", fiel ihr Rin ins Wort, "ich weiß, du hast heute Abend schon genug um die Ohren. Lass' mich den Abwasch schnell erledigen", sie nickte in Richtung Küche, "so oft wie ich bei dir den Kuchen umsonst bekommen habe, ist so was locker drin." "Aber", erwiderte Makoto, doch Rin ignorierte sie und lief hinter den Tresen Richtung Küchenbereich. "Nichts aber. Du lässt mich jetzt machen." Rin krämpelte die Ärmel hoch. Den Berg an Abwasch vor Augen machte sie sich an die Arbeit. "Meine Güte, bist du schnell", staunte Makoto als sie in die Küche kam, um nach dem Rechten zu sehen. Rin war bereits mit dem Abwasch fertig und polierte nur noch die Gläser. "Meine Stunden als Aushilfskellnerin machen sich nun doch bezahlt", lächelte Rin ihr zu. "Welchen Job hast du eigentlich noch nicht gemacht?" Da musste Rin ersteimal überlegen. Als das Geschirr zurück in den Schrank geräumt worden war, faltete Makoto die Hände vor die Brust und bedankte sich mehrmals bei Rin, die lediglich abwinkte. "Es war nicht ganz uneigennützig", gestand die junge Frau, "ich hatte eh vor, den restlichen Tag hier zu sitzen und zu warten. Da war der Abwasch genau der richtige Zeitvertreib." Sie lief um den Tresen und stellte sich dicht neben die Kaffeemaschine, das sie deren Duft in sich aufnehmen konnte. "Worauf wartest du denn?", fragte Makoto, die einen Teller mit Vanilleparfait vorbereitete. "Kaiba", antwortete Rin und setzte sich an den Tresen. "Wieso wartest du auf den Boss?" "Weil es die einzige Möglichkeit ist, an ihn heranzukommen", seufzte Rin und sah auf die Uhr, "ich muss zu ihm, aber niemand lässt mich mit ihm sprechen." Sie hatte alles ausprobiert - bis auf den direkten Weg ins Chefbüro. Doch das kam selbst ihr zu aufdringlich vor. Vor allem, wenn die Mitarbeiter von Seto Kaiba persönlich dazu angehalten worden waren, Rin von ihm fern zu halten. Dieser Gedanke machte die junge Frau nur noch rasender. Sie konnte es nicht abstellen. "Manchmal macht er doch sechzehn Uhr eine Pause und kommt in das Café", sie sah auf die Uhr; es war viertel vor vier. "Wenn ich Glück habe, erwische ich ihn - und wenn ich hier bis Ladenschluss sitzen muss." So einfach würde sie sich nicht abwimmeln lassen. "Du hast recht", entgegente Makoto und legte die Hand ans Kinn. "Das macht er tatsächlich jetzt öfter. Ich hatte mich erst gewundert als er von einem Tag auf dem anderen sich dazu entschieden hatte, sich ins Café zu setzen. Ich sag's dir, ich hatte mich richtig erschreckt als er einen Platz angesteuert hat." "Du meinst, er hat das früher nicht gemacht?" "Natürlich nicht! Er kam auch nie regelmäßig oder um eine bestimmte Uhrzeit. Das hat er sich erst seit ein paar Wochen angewöhnt." "Ich wüsste echt gerne, was ihn dazu bewogen hat", Rin versuchte darüber nachzudenken. Scheiterte jedoch, wie fast immer, wenn sie den jungen Firmenchef zu ergründen versuchte. "Vielleicht-" Weiter kam die Kassiererin nicht. Sie verstummte augenblicklich, richtete sich auf und stellte die Kaffeemaschine um. Zum ersten Mal beobachtete Rin, wie Makoto den Mahlgrad veränderte. Ein seltsames Gefühl breitete sich in ihr aus als die Tür zum Café aufgeschoben wurde. Sie musste nicht hinsehen, um sich seiner Präsenz sicher zu sehen. Nicht nur, dass Makotos Haltung Bände sprach. Rin krallte die Hände in den Tresen als er wortlos an ihr vorbei schritt, dabei den Kaffee und das Baguette entgegennahm und sich an seinen Stammplatz setzte. So einfach entkommst du mir nicht…Seto Kaiba. Rin erhob sich. "Hast du wirklich vor-?", flüsterte Makoto. "Natürlich", ihre Augen begannen zu funkeln, "denkst du, ich habe jetzt noch Angst vor ihm?" Gaaaaanz sicher! Darum schlägt ja auch dein Herz wie wild Aber sie würde keinen Rückzieher machen. Das war sie der Rin schuldig, die wochenlang an ihr Selbstbewusstsein gearbeitet hatte. Und so lief sie auf den jungen Firmenchef zu. Eigentlich hatte sie sich eine Reihe Entschuldigungen zurechtgelegt, die sie anbringen wollte, sobald sie vor dem mächtigen CEO stünde. Diese warf sie allesamt über Bord als sie tatsächlich vor ihm stand und zu ihm hinunter blickte. Noch nie hatte ihr Blick sicherer gewirkt als in diesem Moment. Der junge Firmenchef sah von seiner Tasse auf, dass seine eiskalten Seelenspiegel auf ihre jadegrünen Augen trafen. Rin redete einfach drauf los: "Ich weiß, dass du gerade in deiner Pause bist und ich störe dich wirklich nur ungern, aber, da mich deine Mitarbeiter um jeden Preis von dir fernhalten sollten, blieb mir keine andere Wahl." Kaiba verschränkte die Arme vor der Brust, ohne ihren Blicken auszuweichen. "Warum denkst du, dass sie dich von mir fernhalten sollen?" "Weil sie genau das getan haben." Er verzog keine Miene, aber etwas blitzte in seinen Augen auf, das Rin sofort auffiel. "Ich weiß nicht, was sie dachten, worüber ich mit dir reden will", fuhr sie ungehindert fort, "aber es geht mir nur um das Duell morgen." "Das Duell", wiederholte er, als würde er den Zusammenhang zwischen ihm und dem morgigen Spiel nicht begreifen. "Besser gesagt um die Location und den…Features. Ich würde dir gerne zeigen, wie ich mein Potential einbringen kann." Schweigen. Sie sahen einander an, und Rin dachte nicht im Traum daran, klein beizugeben. Apropos Traum… Wärme stieg in ihr auf. Sie konnte von Glück reden, dass sie nicht ihre Wangen erreichte. Schließlich lehnte sich Kaiba zurück und deutete mit einem Wink seiner Finger an, dass sie sich setzen sollte. Also setzte sich Rin - Kaiba gegenüber. Sie war froh, sitzen zu dürfen. Noch etwas länger und ihre Beine wären von dem vielen Stehen zu Pudding geworden. "Nun", Kaiba nahm einen Schluck seines Kaffees, das Rin Mühe hatte, nicht auf seine Finger zu starren, "ich höre." Daraufhin zog Rin ihren Trenchcoat aus und holte aus der Seitentasche einen Zettel hervor, den sie sorgfältig auseinander faltete. Sie hatte alles bis aufs kleinste Detail durchdacht, hatte in der Nacht noch eine Skizze angefertigt, dass sie nicht wie ein dummer Anfänger dastünde. Wie einen Businessplan legte sie ihm ihre Ideen offen, sprach dabei ruhig und sachlich, in kurzen, bündigen Sätzen. Das hatte sie sich einmal als Assistenzkraft in einem Finanzbüro abgeschaut. Langsam machten sich all die Jobs, die sie nur notdürftig hatte verrichten müssen, ein wenig bezahlt. Die junge Frau war stolz auf sich. Vor allem da sie spürte, dass er ihr zuhörte. Er wirkte kein einziges Mal genervt oder missmutig, dass Rins Selbstbewusstsein stieg und sie sogar noch einen Schritt weitergehen ließ. Am Ende schob sich Seto Kaiba die Skizze zu sich heran. Er betrachtete die Zeichnungen, die Rin nur notdürftig dorthin gekritzelt hatte. Zeichnungen waren noch nie ihre Stärke. Sein Blick blieb so undurchschaubar wie eh. Dass er sich auch noch Zeit ließ etwas zu erwidern, machte die junge Frau wahnsinnig. Auf einmal wurde sie sich der Nähe dieses Mannes sehr stark bewusst. Zusammen mit ihrem Lieblingsgetränk, das vor seiner Nase lag, war es ein ungewohnt intimer Moment für Rin. Sie begriff, was es bedeutete, dass sie ihn in seiner Pause gestört hatte. Hoffentlich würde sie es nicht bereuen. Seine Hand ließ von dem Papier. Der Blick ging herüber zu Rin, die nicht mehr die Kraft hatte, dagegen zu halten. "Bist du dir sicher, dass du dafür schon wieder bereit bist?" Sie sah ihn an als wüsste sie nicht, wovon er sprach. "Es ist alles in bester Ordnung", versicherte sie, "ich vertrage das System so gut wie immer." Erst vor wenigen Stunden hatte sie es bei einer virtuellen Runde DuelMonsters ausprobiert. Sie war erleichtert, nachdem keines der gegnerischen Angriffe ihr etwas anhaben konnte und ihr Kopf jede Attacke unbeschadet zugelassen hatte. Sicher hätte es auch ganz anders laufen können. "Wenn das so ist." Kaiba verschränkte die Arme vor der Brust. "Also ist es möglich?", Rin konnte sich ein Lächeln nicht unterdrücken. Auch Kaiba lächelte, wenn es auch nicht mit seinen Augen zusammen passte. "Alles ist möglich. Das sollte dir bereits klar sein." "Erst, wenn ich es mit eigenen Augen gesehen habe", konterte Rin, die es sich einfach nicht verkneifen konnte. Sein Blick sprach Bände. Vermutlich bekam er nicht oft solche Widerworte zu hören, dass er sich nicht entscheiden konnte, wie er darauf reagieren sollte. Schließlich gab er ein leises Schnauben von sich. Das Lächeln behielt er weiterhin. "Wir machen es so, wie du es mir vorgeschlagen hast - aber unter meinen Bedingungen, und nur, wenn du in der Lage bist, es selbst umzusetzen." Rin machte große Augen. Er meinte es also ernst. "In Ordnung", sie nickte. Dass es so einfach würde, damit hatte sie nicht gerechnet. Zumindest hätte sie Zweifel seinerseits erwartet. Schon allein auf Grund der Tatsache, dass sie ihm in seinen eigenen Plänen reinredete. Bevor sie die Chance hatte, nach der weiteren Vorgehensweise zu fragen, erhob sich der junge Firmenchef. "Achtzehn Uhr - in meinem Büro." Mehr sagte er nicht. Ohne ihre Antwort abzuwarten wandte er sich ab und verließ das Café. Zurück blieb Rin, die nicht wusste, ob sie glücklich oder verwirrt sein sollte. Hosted by Animexx e.V. 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