Spiel ohne Limit von Lady_of_D ================================================================================ Kapitel 15: ------------ Irgendetwas stimmte nicht. Es war zu einfach. Ihr aufgeboosterter Alexandrit-Drache mit zweitausendfünfhundert Punkten konnte sich zwar sehen lassen, war jedoch nicht bei Weitem eines ihrer stärksten Monster. Trotzdem griff sie ihren Gegner direkt an, der nicht einmal mit der Wimper zuckte als sein Punktestand auf Null abstieg. Rin verschränkte die Arme vor der Brust und musterte den Verlierer. "Ich sagte doch, du würdest deine große Klappe noch bereuen." Daraufhin begann ihr Gegenüber breit zu grinsen. "Ach wirklich?", sein Lächeln wurde schief, geradezu diabolisch blickten seine hellgrünen Augen zu der jungen Frau, die seine Reaktion noch immer nicht nachvollziehen konnte. Sie schwang ihren Pferdeschwanz nach hinten. "Dir scheint noch nicht ganz klar zu sein, dass du dieses Duell verloren hast." Sein Anblick machte sie etwas nervös, obwohl sie sich nichts dergleichen anmerken ließ und ganz in ihre Rolle als Profiduellantin aufging. "Dachtest du wirklich, dass es so einfach ist?", er zeigte seine spitzen Schneidezähne, "Oder wirst du nur der Firma, für die du arbeitest, gerecht? Dieses selbstgefällige Gehabe, dass ihr euch nur noch in eurem eigenen Licht badet, obwohl ihr von nichts als Dunkelheit umgeben seid." Seine Augen wanderten zur Seite, dass Rin in dieselbe Richtung blickte. Aus den Gassen traten zehn Gestalten in langen schwarzen Ledermänteln hervor. Rin spürte wie ihr Herz einen Satz tiefer sprang. Die Männer waren groß, kräftig und schienen sich mit Ärger sehr gut auszukennen. Einige trugen Narben auf Stirn, Hals oder Schläfe, dass sie ihre Blicke nicht davon abwenden konnte. Einer besaß ein langes gezacktes Brandmal, dass sie sich nicht ausmalen wollte, woher die Wunde stammte. "Was willst du", zischte sie und beherrschte sich, ihre Stimme nicht zum zittern zu bringen. Ihr Gegenüber legte den Kopf schief und entgegnete: "Du solltest dich eher fragen, was meine Kumpanen von dir wollen." Er breitete seine Arme aus und deutete auf den starken Trupp, der sich hinter ihm versammelt hatte. Rin umklammerte ihre DuelDisc. Ihre Finger wanderten über das Material: "Und was wollen sie?", erwiderte Rin mit zusammengepressten Zähnen, während sie nach dem kleinen unscheinbaren Knopf suchte, den sie nur in Ausnahmesituationen nutzen durfte. "Nun", hallte die Stimme des Mannes durch die einsame Gegend, an welche der Bus seine Endstation erreicht hatte und sie ihr Duell bestritten hatten. Trotz des Regens, der sich nur langsam beruhigte, war seine Stimme dominant und einnehmend. "Sie wollen genau dasselbe wie du. Nur ein faires Duell." "Ich kenne euch nicht", sprach sie und spürte endlich den Knopf an ihrem Zeigefinger, "aber wenn ihr euch unbedingt duellieren wollt-" "Dir bleibt auch nichts anderes übrig", fuhr er sich mit der Zunge über die Zähne, "wenn sich die Jungs erst einmal ein Ziel ausgesucht haben, kann ich sie nur schwer zurückhalten." Daraufhin trat er beiseite, dass sich die Männer in Position brachten. Rin starrte derweil auf die Meute, von denen jeder einen grünen Stein um den Hals trug. Für Rin war es nicht fassbar, dass sie alle Profiduellanten sein sollten. Sie hatte noch nie von einer Firma gehört, die mehr als fünf Spieler unter Vertrag hatte. Es war bekannt, dass Industrial Illusions einen regen Spielerwechsel durchführte und gerne einmal ein bis zwei Duellanten in der Hinterhand behielt, nur um die Führung in der Profiliga zu behalten. Jedoch bildete Pegasus J. Crawford eine Ausnahme, weswegen Rin auch damals viele Bewerbungen an seine Firma geschickt hatte. Im Vergleich zu Industrial Ilusions war Paradius Inc. ein Buch mit sieben Siegeln - unnahbar und immer mit einer undefinierbaren Aura umgeben, so wie ihr Inhaber Dartz. Auch wenn Rin in ihren Bewerbungen niemanden ausgelassen hatte und jede Chance ergriffen hätte, war sie doch froh, nicht in dieser Firma gelandet zu sein. Um seinen Besitzer kursierten viele Gerüchte - eine unfassbarer als die andere. Zudem zeigte er sich nie der Offentlichkeit und blieb nur durch seine diversen Geschäfte im Gespräch. So kaufte er vor etwa vier Jahren sämtliche Orichalcos-Karten auf und ließ nur seine Spieler damit duellieren. Aus vergangenen Worldcups kannte Rin diese seltene Karte, welche nur mit den nötigen Kenntnissen und Fertigkeiten richtig gespielt werden konnte. Als ihr Gegner sie herausgefordert hatte, war sich Rin sicher gewesen, dass diese Zauberkarte ausgespielt werden würde. Dass nichts dergleichen geschah, war nicht nur seltsam - es passte nicht zu Dartz´Duellanten, die es bevorzugten, bereits in den ersten Runden Orichaclos aufs Feld zu bringen. Ihr war bewusst gewesen, dass dies Taktik war und nur dazu diente, Rin in eine Falle zu locken. Sie hatte nur nicht damit gerechnet, auf diese Weise hereingelegt zu werden. "Lasst uns nicht lange rumfackeln", murrte Rin und fuhr erneut ihre DuelDisc aus, dass die Dunkelheit von einem weiß-blauen Licht erhellt wurde. Das Leuchten gab ihr ein Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens. Wenn sie es richtig angestellt hatte, würde bald jemand eintreffen. Bis dahin musste sie irgendwie durchhalten und diese angriffslustige Truppe ablenken. Der erste trat einen Schritt nach vorne. Seine eigens von Dartz kreierte DuelDisc entfaltete sich spitz nach vorne: "Der Spaß kann beginnen", knurrte er und steckte sein Deck in die Halterung. ~ Ihre Beine begannen zu zittern. Der Angriff des Max-Kriegers, dessen Schwert eher einer verformten Axt glich, wurde direkt auf Rin gerichtet. Sie stand schutzlos dem Monster gegenüber, welches durch Orichalcos Hilfe und seinem eigenen Effekt 2700 Angriffspunkte aufwies. Rins letztes verdecktes Monster wurde vom Schwertjäger, ebenfalls ein Krieger, mit einer Grund-ATK von 2450 gnadenlos zertrümmert. Nun stand die junge Frau regungslos auf der Stelle und blickte auf die Klinge, die sich direkt in ihren Brustkorb bohrte, dass die Hologramme ein dem Schmerz nachempfundenes Gefühl hervorriefen und Rin auf die Knie zwangen, dass sie sich gerade noch rechtzeitig mit ihrer freien Hand abstützen konnte. Ihrer Punkteanzeige erging es da schlechter. Von ihren tausend Lebenspunkten war kein einziger übrig geblieben. Die Tatsache verloren zu haben schockierte sie weniger als die unzufriedenen Blicke ihrer vorherigen Gegner, die sie mit letzter Macht hatte besiegen können. Doch die Tatsache, dass ihr Puls unnatürlich stark an ihr drückte und sowohl Körper als auch Geist allmählich an Kraft verloren, hatte sie von einem Gegner zum nächsten geschleppt, bis sie kaum mehr stehen konnte und ihr Kopf allmählich zu streiken begann. Keiner von ihnen hatte es ihr wirklich leicht gemacht. Sie duellierten sich genauso wie sie aussahen - aggressiv und hart. Der Letzte schien besonders viel Spaß daran zu haben, jede ihrer Fallen- und Zauberkarten auszumerzen bis sie nur noch ein paar mikrige Monster beschwören konnte. Mit dem Ende des Duells stellte sich eine weitere Erkenntnis ein - sie waren noch nicht fertig mit ihr. Zusammengerottet kamen sie langsam auf die junge Frau zu, die sich bereits einen Fluchtplan ausdachte und sich fragen musste, wie sie mit diesen Schmerzen in den Beinen überhaupt rennen sollte. "Genau dort gehörst du hin", ihr Gegner aus dem ersten Duell sprach mit lachender Stimme, "ganz unten auf den verdreckten Straßen. Denn mehr sind du und die Leute, für die du arbeitest , nicht wert." Rin schwirrte der Kopf. Sie verstand nicht, was man von ihr wollte. Doch fragen war sinnlos. Sie waren nicht hier um Antworten zu liefern. Als sie nur noch ein paar Meter von ihr entfernt waren, ging sie einen Schritt zurück. Sie musste sich beherrschen, nicht aufzuschluchzen. Selbst in den Straßen der Nordcity hatte sie nicht solche Angst gehabt. "Ich habe verloren. Das war es doch, was ihr wolltet. Ihr könnt also wieder abschwirren." Sie war erstaunt über ihre eigenen Worten, dass sie sich zum ersten Mal für diese Seite hasste. Ihr Herz hämmerte schmerzhaft an ihrer Brust, als ihr niemand Antwort gab und stattdessen die grinsenden Gesichter nur noch breiter wurden. Instinktiv griff sie mit der Hand in ihre Jackentasche, in der Hoffnung etwas zu finden, dass ihr hilfreich sein könnte. Natürlich befanden sich nur leere Kaugummipackungen und ein Kugelschreiber darin, dass Rin die Lippen zusammenpresste und zwei weitere Schritte nach hinten trat, dass sie die Laterne an ihrem Rücken spürte. "Ich sagte doch", entgegnete der schlacksige Kerl und hielt die anderen Männer an stehen zu bleiben, "dass ich die Jungs nicht zurückhalten kann." Das sehe ich anders Er kam auf sie zu, dass er nur noch eine Nasenlänge von ihr entfernt war. Ihr Brustkorb hob und senkte sich, mit Genugtuung sah er in ihr verängstigtes Gesicht, dass noch nie in ihrem Leben so hilflos ausgesehen hatte. "Indem du Hanabi und Kim in den Dreck gezogen hast, hast du gleichzeitig auch uns beleidigt. Du scheinst nicht zu wissen, dass sie und ich denselben Boss haben und er es gar nicht gerne sieht, wenn er auf diese Weise beleidigt wird. Schon gar nicht von einem Schoßhündchen der Kaiba Corporation." "Ich bin kein Schoßhündchen", raunte Rin, obwohl sie sich in ihren Ohren nicht gerade überzeugend anhörte. "Ha", hauchte er ihr seinen heißen Atem ins Gesicht, dass Rin nichts als Übelkeit packte, "ihr seid alle gleich. Nichts als Abschaum, der sich um nichts anderes als um sich selbst schert. Das muss aufhören." Rin riss die Augen auf, sie begannen zu brennen. Grelles Scheinwerferlicht blendete sie und ihren Gegenüber, dass sie von der Seite ausweichen konnte und einen sicheren Abstand zu ihm schuf. Langsam drehte Rin den Kopf in Richtung der Scheinwefer, die aus einem dunkelblauen Mercedes kamen, welcher nur wenige Meter vor Rin zum Stehen gekommen war. Aus dem Wagen stieg ein großgewachsener Mann mit Anzug und Sonnnenbrille, aus dem Beifahrersitz trat ein junger Kerl, dessen lilafarbenes Hemd im grellen Licht fast weiß wirkte. Mokuba Überrascht blickte die junge Frau auf den Schwarzhaarigen, dessen Miene ernst und konzentriert war. Neben ihm hatte sich sein Fahrer gestellt und schien nur auf eine Anweisung seines Herren zu warten. "Alles in Ordnung?", sprach Mokuba und hielt sein Smartphone griffbereit. Der schlacksige Kerl zuckte mit den Schultern, seine Kumpanen regten sich nicht, stattdessen waren ihre Blicke auf den Schwarzhaarigen und seine Begleitung gerichtet. Doch der junge Kaiba ließ sich davon nicht beirren: "Es wurden auffällige Aktivitäten um den Ostbezirk gemeldet. Jedem sollte bewusst sein, dass Duelle nach dreiundzwanzig Uhr nicht mehr registriert werden. Fortlaufende Duelle werden als ungültig erklärt und müssen überprüft werden." "Schon verstanden", säuselte der junge Mann und hatte sich bereits zu den anderen dazugestellt, "wir haben nur unsere Position klargestellt - nichts weiter. Kommt Jungs, lasst und abhauen. Unser Auftrag wurde erfolgreich ausgeführt." Auf ein Zeichen wandten sie sich ab und verschwanden in die Dunkelheit aus der sie gekommen waren. Rin blickte ihnen noch eine Weile hinterher, um ganz sicher zu sein, dass sie auch wirklich verschwunden waren. "Alles gut bei dir?", Mokuba hatte sich neben sie gestellt. Seine großen warmen Augen sahen sie besorgt an, dass sich Rin zu einem Lächeln aufrappelte. "Ja", sie streifte sich die DuelDisc vom Arm, "tut mir leid, dass ich dich hierher gescheucht habe. Ich wusste nicht, dass du auftauchen würdest, wenn ich den Alarmknopf drücke." "Entschuldige dich nicht", seine Lippen formten ein Lächeln, "ich war eh noch in der Firma und als ich gesehen habe, dass du den Alarm ausgelöst hast, war ich auch nicht böse drum. Ich konnte mir schon denken, dass du ihn nur in Notfällen benutzt. Und bei diesen Typen bin ich mir sicher, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast." "Kennst du sie?" Mokuba schüttelte den Kopf. "Aber ihren Boss. Dartz und seine Männer machen schon seit letztem Jahr nichts als Ärger. Nicht nur uns. Andere Firmen haben schon versucht, die Teilnahme von Paradius beim diesjährigen Worldcup zu verhindern, aber man kommt einfach nicht an ihn heran. Zudem sind seine Spieler allesamt Spitzenduellanten, von denen mindestens einer immer in die Endrunde kommt. Deshalb traut sich auch keiner von der Kommission etwas dagegen zu unternehmen." "Was wollen sie?" Rin beängstigte die Vorstellung, dass ein einzelner Mann so viel Macht und Kontrolle ausüben konnte, die selbst Männer wie Seto Kaiba scheinbar nicht überstieg. "So richtig weiß ich das nicht", gab der Schwarzhaarige zu und kratzte sich an den Kopf, "wenn man den Gerüchten glauben schenkt, muss Dartz einer gefährlichen Sekte beiwohnen, die die Leute mit einer Gehirnwäsche glauben lassen, dass Firmen wie unsere die Welt an sich reißen wollen und dass unsere Sünden und unsere Habgier die ganze Welt verpesten. So was ähnliches hab ich zumindest gehört." "Das erklärt zumindest ihr seltsames Gerede", Rin stemmte die Hände in die Hüften und versuchte etwas Gleichgewicht in ihre Haltung zu bekommen. "Ich werde mich darum kümmern, dass so was nicht noch mal vorkommt", Mokubas Stimme war voller Entschlossenheit, dass Rin ihm glauben schenkte. "Danke", murmelte sie. "Kein Thema", grinste Mokuba, "wir dürfen nicht zulassen, dass diese Kerle die Battle-City-Turniere sabotieren." Sein Blick wanderte über seine Digitaluhr am rechten Handgelenk, "es ist schon spät, ich werde dich nach Hause bringen lassen. Hast du vorher Lust einen Happen zu essen?", sein Grinsen wurde breiter, "quasi als Gefälligkeit anlässlich deines Geburtstages." Rin blinzelte ihn perplex an. Noch bevor sie etwas darauf erwidern konnte, fasste er um ihr Handgelenk und zog sie zu seinem Wagen. "Ich fasse das mal als ja auf", geradezu schelmisch wurde sein Blick. Er öffnete die hintere Beifahrertür und ließ Rin einsteigen. Tatsächlich waren ein trockener Sitz und die Möglichkeit ihre Beine nicht mehr bewegen zu müssen, ein mehr als verlockendes Angebot, dass sie sich kommentarlos niederließ und die Beine übereinanderschlug. Mokuba setzte sich neben sie und schlug die Tür zu, gleich darauf setzte sich der Wagen in Bewegung und brachte sie raus aus den dunklen Winkeln, von denen Rin bisher keine Ahnung gehabt hatte, dass sie in diesem Viertel existierten. Eine viertel Stunde später, im westlichen Teil der Stadt, hielt der dunkelblaue Wagen. Rin sah aus dem Fenster. Ihre Laune hellte sich auf. Der Schwarzhaarige hatte sie zu einem kleinen Nudelstand gebracht, dem einzigen in diesem Bezirk, der rund um die Uhr geöffnet hatte. Als die Wagentür sich öffnete strömte der Geruch von gebratenem Schwein und heißer Suppenbrühe in ihre Nase. "Ich hoffe, du magst Nudelsuppen. Hier gibt es nämlich die besten der Stadt." Rin brauchte darauf nicht zu antworten. Als sie vor den Hockern standen und der Besitzer, ein großgewachsener blonder Mann mittleren Alters, sich zu seinen neuen Gästen umdrehte, begannen seine Augen sich zu kleinen freundlichen Schlitzen zusammenzuziehen. "Guten Abend, Mokuba. Wieder dasselbe?", mit seiner Kelle deutete er auf die junge Frau neben ihn, "an dein Gesicht erinnere ich mich auch. Wo ist deine kleine Freundin?" "Vermutlich Zuhause und schläft. Aber lassen Sie sie das nicht hören. Sie kann es nämlich nicht leiden, wenn man sie klein nennt", entgegnete Rin und lachte auf. Sie hätte nicht gedacht, nach der langen Zeit noch erkannt zu werden. "Für dich dann auch das Übliche?" "Wie immer", nickte Rin. Sie tat es Mokuba gleich und ließ sich auf dem Hocker nieder. Das Polster war hart, aber momentan interessierte sie nur die Suppe, die heiß köchelnd im Topf darauf wartete, von ihr probiert zu werden. "Und ich dachte", begann Mokuba und stützte sich mit dem Ellenbogen auf dem Tresen ab, "dich mit meinem absoluten Geheimtipp beeindrucken zu können." "Jeder, der einen Sinn für gute klassische Küche hat, sollte Hiruka-Nudeln kennen", sie nahm die zusammengeklebten Stäbchen zur Hand und brach sie auseinander, "außerdem ist nicht weit von hier meine ehemalige Schule. Nachmittags waren meine beste Freundin und ich so gut wie jeden Tag hier." "Verstehe. Dein Geschmack gefällt mir", Mokuba schob seine dampfende Schüssel zu sich heran und blickte mit Vorfreude auf seine Miso-Rámen, während Rin auf ihre Shio-Ramen wartete, für die sie gerne ein paar Minute ihrer Geduld schenkte. Die salzige Brühe aus frischem Fisch ihrer Heimatstadt war schon immer ihr Favorit gewesen. Ihr Sitznachbar begutachtete neugierig die frischzubereitete Shio-Rámen, wobei er stumm vor sich hin grinste, während er seine eigene in schnellen Zügen aufaß: "Nun erzähl´schon. Wie ist es gelaufen?" Rin nahm einen ersten Bissen, bevor sie antwortete: "Ich dachte, alle Informationen werden abgespeichert?" "Nach elf ist das so ne Sache", entgegnete der Schwarzhaarige, "sicher, ich könnte auf die Daten zugreifen, aber das ist viel zu viel Aufwand. Ich war eher damit beschäftigt, dich überhaupt zu finden." Die schwarze Mähne raschelte als er seinen Kopf schüttelte. "Aktivitäten, die nach elf registriert werden, lassen sich schwieriger orten. Vor allem, wenn mehrere DuelDisc's zur selben Zeit im selben Umkreis aktiv sind. Da gibt es immer mal Störungen auf der Frequenz. Ich bin mir sicher, dass sie das mit eingeplant hatten." "Schon seltsam diese Typen." "Das ist noch gar nichts", lachte Mokuba auf und nahm einen kräftigen Schluck seiner Brühe, "du wirst schon sehen. Je weiter du in die Oberliga kommst, umso kurioser und verrückter werden die Spieler. Sicher gibt es ein paar Ausnahmen, aber mach`dich lieber auf ein paar verkappte Spinner gefasst." "Ich glaube, darüber muss ich mir noch keine Gedanken machen", murrte Rin und ließ die letzte Schmach Revue passieren. Trotz ihres pochenden Herzens, drang die Wut zu ihr durch. "Das letzte Duell habe ich verloren", sie griff nach der Schüssel und krallte ihre Finger in das Keramik. "Keine Sorge", sagte Mokuba, "die letzten Duelle werden nicht gezählt. Offiziell liegt deine Gewinnerquote noch bei hundert Prozent." Rins Blick verfinsterte sich. "Okay, okay", beschwichtigte Mokuba, "diesen Blick kenne ich. Hab`schon kapiert. Aber lass´dich nicht an deinen Geburtstag so herunter ziehen. Das waren ein dutzend Männer von Dartz. Dass du gegen einen verlierst, ist quasi die Fehlerquote." "Ich wünschte, ich könnte es so sehen", Rin ließ die Stäbchen in die Brühe sinken, "ich hasse es, auf so eine Weise zu verlieren. Ich habe wie ein verängstigtes Weichei ausgesehen." "Findest du?", Mokuba stellte seine leere Schüssel auf den Tisch, "dein Blick sah von Weitem ganz anders aus. Ich dachte erst, du hättest dich freiwillig auf diese Typen eingelassen. So wie neulich mit Hanabi und Kim." "Irgendwie scheint es da auch einen Zusammenhang zu geben." "Das liegt daran, dass Hanabi und Kim im Hintergrund für Dartz arbeiten." Der Kerl hatte etwas ähnliches erwähnt. Hanabi und Kim hatten auf sie gewirkt, als würden sie niemandem unterliegen - dass sie es zunächst nicht wirklich glauben konnte. Wie man sich täuschen kann "Noch ein Grund mehr", seufzte sie, "warum ich froh bin, von dieser Firma keine Antwort auf meine Bewerbung bekommen zu haben." "Soweit ich weiß, sucht Dartz seine Leute selbst aus. Soll so ein bisschen ablaufen wie beim Geheimdienst." "Das ist mir zu viel Gangster-Getue für diese Uhrzeit", lächelt Rin träge. Mokuba beugte sich zu ihr vor und entgegnete: "Daran musst du dich leider gewöhnen. Manchmal wünschte ich selbst, es gäbe ein bisschen mehr...Normalität in meinem Leben. Aber andererseits, dann wäre es ja nicht mein Leben - oder?" "Ich habe mein aufgezwungenes Leben immer verabscheut", ihr Blick ging über die klare Brühe, "diese Eintönigkeit, derselbe Alltagstrott und nichts, dass sich daran ändern ließe." "Aber das hat es", entgegnete der Schwarzhaarige. "Normalerweise sollte ich nach diesem Abend anders denken und für jede friedliche Minute dankbar sein, die ich in den letzten Jahrzehnten hatte. Leider ist mein Geist in dieser Hinsicht viel zu irrational." "Es würde nicht zu dir passen, dich von solchen Erfahrungen abschrecken zu lassen." "Du bist einer der ersten, der so etwas zu mir sagt." "Kann ich mir gar nicht vorstellen", kratzte sich der Schwarzhaarige an den Kopf, "ich hab neulich ein Duell von dir gesehen. Du bist nicht der Typ, der gleich den Schwanz einzieht." "Nicht, wenn ich mich duelliere", ihre Stimme bekam die Festigkeit, die ihr in der letzten Stunde abhanden gekommen war, "ich schwöre dir, beim nächsten Mal, werde ich mich nicht so abziehen lassen." Mokuba nickte und legte das Geld fürs Essen auf den Tisch. Daraufhin bedankte sich der Besitzer und lächelte freundlich: "Soll ich dir noch was von den Shio-Ràmen für deinen Bruder einpacken." Mokuba winkte ab. "Heute nicht mehr, danke. Wenn sich Seto endlich von der Firma losgerissen hat, hoffe ich, dass er die paar Stunden noch nutzt und sich ausruht, bevor er wieder in seinem Büro abtaucht." Rin fand es seltsam, wenn so direkt über ihren Boss gesprochen wurde. Mokuba schien der einzige zu sein, der Seto Kaiba beim Vornamen nannte. Hätte mich nicht gewundert, wenn selbst Mokuba ihn mit Nachnamen anspricht "Apropo Schlaf", Rins Augen wurden träge als sie von Weitem die Uhr des Glockensturms läuten hörte, "ich glaube, wir sollten uns auch losmachen." Mokuba stimmte zu und orderte seinen Fahrer an, Rin nach Hause zu bringen. Obwohl es nur fünf Minuten Fahrt war, wären ihr beinahe die Augen zugefallen. Müdigkeit packte die junge Frau, dass ihr Kopf pulsartig hämmerte. Die heitere Stimme des verwuschelten Schwarzhaarigen lenkte sie so gut es ging ab. Es war erstaunlich wie offen Mokuba über sein Privatleben sprach. Sie hätte nicht geglaubt, dass er neben Schule und Firma so viel Freizeit aufbringen konnte, die verschiedensten Aktivitäten auszuführen. Trotzdem beneidete sie den jungen Kaiba nicht für seine unzähligen Privilegien, die der Name so mit sich brachte. Zwischen den Zeilen konnte sie hören, dass sich Mokuba ab und an etwas Ruhe wünschte. "Danke fürs nach Hause bringen", ihr müder Blick war nicht einmal mehr zu einem Lächeln fähig. Mokuba winkte ab und wünschte ihr eine gute Nacht, bevor Rin aus dem Wagen stieg und der Mercedes davon rauschte. Mit Mokubas Verschwinden drang ein lauter Gähner aus ihrer Kehle. Die nächsten fünf Stunden waren für ihr Bett reserviert, so viel stand fest. Mit letzter Kraft hievte sie sich die Treppenstufen hoch, vorsichtig drehte sie den Schlüssel ins Schloss. Knacksend öffnete sie die Tür und sie trat in die Wohnung. Bis auf eine kleine Nachttischlampe auf dem Couchtisch war das Zimmer in völlige Dunkelheit getaucht. "Rin?", murmelte es aus der zerknäulten Decke, "verdammt Rin, wo bist du gewesen?" Ein schwarzer Schopf lugte aus dem Samt. Lumina blickte sie mit einer Mischung aus Müdigkeit und Besorgnis an, dass Rin die Hände zusammenklatschte und eine leichte Verbeugung tat. "Es tut mir leid, ich wollte früher nach Hause kommen, ehrlich." Sie setzte sich neben ihre Freundin, die sie immer noch mit ernster Miene ansah. "Ich weiß, dass du gerne über die Strenge schlägst, aber das sprengt deinen bisherigen Rekord. Was ist überhaupt passiert?" "Naja", Rins Augen wanderten auf den kleinen runden Tisch, auf dem ein ziemlich dunkler Rührkuchen Platz fand, "Rollschuhduelle, Schwimmen in der Kaiba Corporation und ein paar Typen, die meine Weltherrschaft verhindern wollen.. Ach, und Mokuba Kaiba hat mich zum Essen eingeladen." "Also ein ganz normaler Tag", daraufhin begann Lumina laut zu prusten, "aber Weltherrschaft ist mal was Neues. Ich dachte, das ist nur Großkotzen wie Kaiba vorbestimmt." "Das erzähl ich dir morgen in Ruhe, jetzt brauch ich dringend Schlaf." "Und wenn du mit dem jungen Kaiba anbandeln willst, bitte. Ist mir tausendmal lieber als sein Bruder." "Was?!" Rin hatte noch keinen einzigen Gedanken an diese Möglichkeit verschwendet. Der Schwarzhaarige wirkte selbst auf sie wie ein jüngerer Bruder. Aber Rin wusste, dass es nur wieder eine weitere Gelegenheit war, ihre Verachtung gegenüber dem älteren Kaiba zum Ausdruck zu bringen. "Ich sag' darauf jetzt nichts und gehe einfach ins Bett", sagte Rin und wollte sich von der Couch erheben. "Moment", Lumina erhob sich und lief in Richtung ihres Kleiderschrankes, der mehr einem Sideboard ähnelte, und holte ein viereckiges Geschenk heraus. An dem schwarz rosanen Geschenkpapier erkannte die junge Frau, dass Lumina selbst Hand angelegt haben musste. Rin schmunzelte: "Ich dachte, wir schenken uns nichts mehr", sagte sie mit einer Stimme, die eine alte Ehefrau nachmimen sollte. "Ach, Schatz", entgegnete die Schwarzhaarige, "ich konnte einfach nicht anders." Sie überreichte ihr das Geschenk. "Du wirst gleich verstehen warum." Weniger vorsichtig riss Rin das Papier auf. Ein Buch im braunen Ledereinband kam zum Vorschein. "Da sind die besten dummen Sprüche aufgelistet, die wir in den letzten zehn Jahren so losgelassen haben. Inklusive DuelMonsters-Flüche und Pseudoweisheiten." Rin schlug die erste Seite auf und begann bereits schief zu grinsen. "Ich hatte gar nicht in Erinnerung, dass wir in der Schulzeit so versaut waren." "Hier steht alles drin, völlig unzensiert. Vielleicht kannst du es gebrauchen, als Lektüre für Zwischendurch, wenn dir der Kopf vom Duellieren und der Weltherrschaft zu brennen beginnt." "Es ist perfekt", nahm sie den kleinen Wuschelkopf in ihre Arme. "Alles Gute zum Geburtstag." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)