Der Wächter von Drachenlords ================================================================================ Kapitel 60: Vereinbarungen -------------------------- Kamden ging einen Schritt auf Embry zu und leckte ihm über die Schnauze. Der Kleinere tat es ihm gleich. Dann schmusten sie erneut ihre Köpfe aneinander. Beide gurrten zufrieden. „Ist das auch wirklich ok für dich, Kleiner?“, fragte Kamden. „Im Moment schon“, gestand sein Freund. Irritiert löste sich der Größere und bohrte nach: „Wie meinst du das?“ Verlegen scharrte Embry mit den Pfoten. „Nun ja, dir mag das vielleicht noch nicht aufgefallen sein, aber solange wir Wölfe sind, ist unser Instinkt stärker ausgeprägt und übernimmt zum Teil die Kontrolle über unser Handeln. Als Mensch werde ich wohl nicht so glücklich über die Situation sein.“ In seiner Stimme schwang Trauer mit. Kamden knurrte wütend und kämpfte mit seinen Instinkten. Sein Gefährte war traurig, er musste ihn trösten, aber das war nicht richtig. Er war doch der Grund, warum er sich schlecht fühlte, also sprang er einen Schritt zurück. Unterwürfig folgte der Kleinere ihm und er wich noch weiter zurück. „Bitte, Embry. Ich will nicht, dass du unglücklich bist.“ „Ich will aber bei dir sein“, meinte sein Partner trotzig und blieb hartnäckig an ihm dran. „Wenn wir wieder Menschen sind, wirst du sauer auf dich selbst sein und Angst vor mir haben. Bitte, so versteh mich doch.“ Embry winselte, senkte den Blick und zog den Schwanz ein. Schluchzend gab der Hellgraue zu: „Du hast jemand besseren verdient, jemanden der keine Angst vor dir hat und dich nicht auf Abstand hält.“ „Ich will aber keinen anderen“, sagte der Größere bemüht ruhig und schaffte es endlich etwas Abstand zwischen ihnen zu schaffen. „Das sagst du nur, weil wir aufeinander geprägt sind. Sonst würdest du mich bestimmt nicht mögen.“ „Warum sollte ich dich nicht mögen? Du siehst gut aus und nach allem was ich bisher von dir weiß, bist du voll mein Typ“, sagte er schneller als er denken konnte und biss sich sofort auf die Zunge. Er sollte besser aufpassen, was er sagte. Sein Freund war so etwas nicht gewohnt und konnte das in den falschen Hals bekommen. „Das bezweifle ich aber stark. Ich bin nicht schwul. Das alles ist so abartig.“ Kamden setzte sich damit er nicht zu seinem Kleinen hechtete und ihn tröstete. Diese verdammten Wolfsinstinkte störten ihn gerade und machten es ihm schwer sich zu konzentrieren. Er seufzte und verwandelte sich zurück. Im Schneidersitz verschränkte er die Arme so im Schoß, damit er seinen Freund mit seinem nackten Körper nicht überforderte. Als Mensch spürte er sofort, dass sich etwas geändert hatte. Die unbändige Wut in seinem Inneren und der Drang sich auf den anderen zu stürzen hatten deutlich nachgelassen. Nun fühlte er sich schon wieder fast wie er selbst. Aber die seltsame Anziehung, die sie beide wie Magnete zusammenzog, war immer noch vorhanden. Dieser musste er nun widerstehen. Sie mussten reden damit er seinem Freund keine Angst einjagte, denn das wollte er auf keinen Fall. Jetzt da er klarer sah, hätte er sich selbst ohrfeigen können, den anderen so bedrängt zu haben. Wäre er jetzt alleine zuhause und gäbe es gerade nicht etwas viel wichtigeres, würde er sich den Kopf darüber zerbrechen und sich bis zur völligen Erschöpfung trainieren gehen. Früher ging er gerne ins Fitnessstudio. Seit seiner Verwandlung gab es da aber einige Probleme. Zum einen bereiteten ihm alle Geräte, selbst auf der höchsten Schwierigkeit, keinerlei Mühe mehr, zum anderen hatte er auch schon eines davon aus versehen zerlegt, aus einem Wutimpuls heraus, weil die Übung ihn nicht forderte. Deshalb wanderte er viel umher und suchte immer nach einem stillen abgelegenen Ort, an dem er seine Übungen machen konnte, ohne dabei alles zu demolieren. Schnell schüttelte er den Kopf, das war gerade nicht wichtig. Es sah auf und sagte: „Isaak hat mir erklärt, dass man dir das eingetrichtert hat. Du bist nicht abartig.“ Erschreckt sah der Hellgrau auf und sah den anderen in Menschengestalt. Irritiert und misstrauisch wurde der Sitzende beäugt. „Embry, können wir als Menschen reden? Bitte?“, bat er sanft. „Warum?“, stellte der andere die Gegenfrage. „Damit du mich wieder anglotzen kannst?“ „Nein, damit wir ohne diese Wolfsinstinkte reden können“, sagte Kamden mit fester Stimme und änderte rasch seine Position, damit er mit dem Rücken zu seinem Partner saß. „Ich schwöre, ich schaue nicht und ich mache auch nichts, was du nicht willst. Bitte, lass uns als Menschen reden.“ Langsam und vorsichtig trabte Embry zu seinem Klamottenhaufen. Nachdem er als Mensch angezogen war, dachte er nach. Kamden hatte sich bisher sehr distanziert verhalten. Aus den Bruchstücken seiner Gedanken, die er aufgeschnappt hatte, versuchte dieser ihm keine Angst zu machen. Aber würde das auch so bleiben? Nun, da er seine Instinkte unter Kontrolle hatte, schämte er sich dafür mit einem Kerl geschmust zu haben. Wütend knurrte er und stellte fest, dass er nun nicht mehr ganz so unterwürfig war. Er fühlte sich fast schon wieder wohl in seiner Haut. Das musste offenbar an diesem seltsamen Kampf und Kamdens Weigerung ihn zu unterwerfen liegen. Bei dem Knurren zuckte der Brünette kurz zusammen und versuchte über ihre Verbindung zu erahnen, was in seinem Freund vorging. Außer Embrys Gedankenstimme hörte er niemand anderen und so fiel es ihm leichter auch dessen Gefühle zu spüren. Er konzentrierte sich ausschließlich auf seinen Partner und zuckte abermals zusammen, als er von etwas Weichem getroffen wurde. Sofort riss er die Augen auf und sah neben sich seine Klamotten. Embry hatte ihm diese zugeworfen. „Zieh dich an“, schnaubte der Schwarzhaarige. Kamden hob den Blick und sah den anderen mit dem Rücken zu ihm stehen, mit verschränken Armen und ungeduldig mit dem Fuß tippend. „Danke“, murmelte der Größere und zog sich rasch an. Nachdem er sich wieder auf die Wiese gesetzt hatte, sagte er freundlich: „Bin bedeckt, du kannst dich umdrehen.“ Misstrauisch warf Embry einen Blick über die Schulter und seufzte erleichtert. Dann drehte er sich um und ließ sich ebenfalls ins Gras nieder. „Du wolltest reden, also rede“, fuhr er seinen Freund grob an. Kamden blinzelte bei dessen unfreundlichen Art und wusste, dass das nur gespielt war. Sein Gegenüber hatte immer noch Angst davor einfach genommen zu werden. „Also erstmal: du brauchst echt keine Angst zu haben. Ich verspreche erneut: Ich werde nichts tun, was du nicht willst. Bitte glaube mir.“ „Wir kennen uns nicht. Ich werde abwarten, ob deinen Worten auch Taten folgen“, knurrte Embry und kaute auf der Unterlippe rum. Kamden schluckte seinen Stolz hinunter und offenbarte: „Ich habe mich dir unterworfen, das wolltest du nicht. Ich habe versucht auf Abstand zu gehen, das wolltest du auch nicht. Bitte, sag mir wie ich dir beweisen kann, dass ich es erst meine.“ „Ich wünschte, du würdest verschwinden und mich einfach in Ruhe lassen“, fuhr ihn der Kleinere an. Der Braunhaarige ließ traurig den Kopf hängen und stand auf. „Was hast du vor?“, fragte Embry aufgeschreckt. „Ich gehe, das wolltest du doch?“, gestand der andere und machte einen Schritt auf den Ausgang zu. „Warte mal“, stammelte sein Freund irritiert. „Wo willst du hin?“ „Ich gehe zu Isaak und lasse mich zurück nach Forks bringen“, erklärte sein Gegenüber mit einem Schulterzucken. „Dann werde ich den nächsten Bus nach Hause nehmen.“ „Bist du irre? Willst du uns beide umbringen?“, fuhr Embry ihn an. Stirnrunzelnd sah Kamden zu dem Sitzenden hinab. „Was meinst du? Ich mache doch nur, was du willst.“ Der Kleinere schüttelte den Kopf und erklärte möglichst neutral: „Unsere Prägungen sind noch ganz frisch. Je weiter wir uns voneinander entfernen, umso schmerzhafter wird es für uns. Forks ist doch bestimmt 20.000 km entfernt. Wenn du dorthin teleportierst, wird uns das bestimmt umbringen. Noch nie hat ein Wolf es geschafft sich mehr als 200 km von seiner geprägten Person zu entfernen. Sam hatte es mal versucht. Er kam keine 30 km weit, bevor er sich auf dem Boden wand vor Schmerz. Das war ganz am Anfang seiner Prägung auf Emily. Mittlerweile schafft er schon 110 km. Spätestens dann muss er aber umdrehen.“ Geschockt riss Kamden die Augen auf und stammelte: „Das wusste ich nicht.“ „Du weißt vieles nicht“, schnauzte Embry. Er seufzte und sagte versöhnlich: „Komm, setz dich wieder. Wir kommen sowieso nicht voneinander los. Mein Wunsch ist reines Traumdenken.“ Der Größere tat wie ihm geheißen und nestelte an seinen Fingerspitzen herum: „Dann sag mir was ich sonst tun kann.“ „Du meinst das ernst, oder? Du wärst tatsächlich gegangen, weil ich es gesagt habe?“, fragte der andere ungläubig nach. Kamden nickte und sagte: „Bitte, ich mach alles.“ Wie aus der Pistole geschossen sagte Embry: „Ich will meinen Arsch nicht hinhalten.“ Erneut nickte sein Gegenüber und fragte: „Was noch?“ „Echt jetzt? Einfach so?“ „Ja, ich sagte dir doch schon, dass mir der Sex nicht so wichtig ist“, erklärte der Braunhaarige ernst. Ungläubig starrte ihn sein Freund an. „Aber du wolltest das doch?“ Kamden ließ die Schultern hängen und sagte: „Ich gestehe, dass ich wollte. Aber das war nicht ich, jedenfalls nicht wirklich. Das war die Prägung. So bin ich nicht.“ Embry dachte kurz nach und forderte: „Ich will morgen um meinen Rang im Rudel kämpfen und du wirst brav zusehen.“ Kamden verengte die Augen und knurrte böse. Dann riss er sich zusammen und sagte: „Gut, dann darf ich aber bei dir schlafen.“ „Bitte? Wir verhandeln hier doch nicht?“, regte sich der Kleinere auf. „Doch, genau das tun wir. Offenbar müssen wir wohl in der Nähe des anderen bleiben. Wir führen eine wie auch immer geartete Beziehung. Wenn du etwas forderst, dann musst du auch bereit sein etwas zu geben. So läuft das in einer Beziehung“, erklärte sein Freund. „Am Arsch“, knurrte Embry wütend. „Du schläfst nicht mit mir, da hast du eben zugestimmt.“ „Ich will auch nicht mit dir schlafen… Ok, streichen wir das. Ich werde nicht mit dir schlafen, solange du das nicht willst. Aber wir können doch einfach friedlich nebeneinander im selben Bett schlafen, oder?“ „Nein. Ich bin nicht schwul. Du schläfst nicht mit mir in einem Bett.“ „Dann schlafe ich eben auf dem Boden“, verhandelte Kamden ungerührt weiter. „Echt jetzt? Ist dir das so wichtig?“ „Wie wichtig ist es dir, dass ich dich kämpfen lasse? Alles in mir sträubt sich dagegen. Ich habe den Drang dich zu beschützen. Wenn ich nur daran denke, dass du mit einem dieser Idioten kämpfst, stellen sich mir die Nackenhaare auf“, offenbarte Kamden bemüht ruhig. „Dieses Idioten sind unser Rudel“, schimpfte der Kleinere erbost. „So machst du dir keine Freunde.“ „Ich will auch nicht „deren“ Freund sein, sondern deiner“, knurrte Kamden zurück. „Das ist mein Rudel und ich bin meinen Kameraden treu. Stell dich gegen die anderen und du stellst dich gegen mich.“ Der Braunhaarige knirschte mit den Zähnen und sagte: „Ok, ich benehme mich, solange sie mich nicht angehen. Aber das gilt nicht für diese Arschlöcher Sam und Paul. Wenn die mir dumm kommen, polier ich ihnen die Fresse.“ Embry dachte kurz nach und nickte. „Die beiden gehören nicht zu unserem Rudel. Damit kann ich leben.“ „Gut nächster Punkt. Darf ich nun bei dir schlafen?“, hakte sein Freund nach. „Du behältst deine Finger auch bei dir?“ „Ich schwöre, ich mache nichts, was du nicht willst“, sagte Kamden feierlich und hob eine Hand. „Einverstanden“, knurrte Embry und zuckte mit den Schultern. „Solange du mir nicht auf die Pelle rückst, darfst du auf dem Boden schlafen.“ Dann regte er den Kopf und sagte stolz: „Morgen beim Kampftraining werde ich dir zeigen, was ich kann.“ „Nein, du wirst nicht mitmachen“, sagte Kamden auf einmal und grinste frech. „Was?“ „Ich werde es nicht zulassen, dass jemand dich verletzt.“ „Du hast gerade zugestimmt. Was soll der Scheiß jetzt?“, fauchte Embry und lief leicht rot an, so wütend war er. „Nein, vom Kampftraining war nie die Rede. Du hast gefordert, dass ich dich um deinen Rang kämpfen lasse, nicht mehr“, erklärte Kamden und grinste verschmitzt. „Dann setzte ich das eben dazu.“ „Gut, dann schlaf ich mit dir im Bett.“ „Nein.“ „Gut, dann auch von mir ein: Nein.“ Wütende funkelte Embry seinen Freund an und musste sich eingestehen, ausgetrickst worden zu sein. Er verschränkte die Arme vor der Brust und blies eingeschnappt die Backen auf. „Du siehst gerade echt süß aus“, grinste Kamden. „Ich bin nicht süß“, schrie sein Gegenüber und hob drohend eine Faust. „Sag das nochmal und ich schlag dich.“ „Du bist süß, wenn du dich aufregst“, haute der Braunhaarige raus. „Na warte“, knurrte Embry und stand auf. Er ließ die Knöchel knacken und ging auf seinen Gefährten zu. Dieser stand grinsend auf. Als der Kleinere sich vor seinem Freund aufbaute, feixte dieser immer noch. „Das traust du dich nicht, Kleiner. Ich bin immer noch der Dominate“, stichelte Kamden überheblich. Dafür bekam er einen saftigen Schlag gegen den Oberarm. Der Braunhaarige verzog das Gesicht und rieb sich die Stelle. „Aua. Hätte nicht erwartet, dass du so stark bist.“ Nun musste Embry unwillkürlich grinsen. „Ich bin ein Wolf, so wie du.“ „Ok. Den Schlag habe ich verdient. Können wir weitermachen?“, fragte Kamden begeistert. Ohne auf eine Antwort zu warten, ließ er sich ins Gras sinken. Zudem zog er seinen Freund ebenfalls runter, ließ aber sofort los als dieser saß. „So, ich habe einen Vorschlag“, lenkte der Größere ein. „Gut, ich höre“, knurrte Embry, dem nicht gefiel, so nahe bei dem anderen zu sitzen. „Du bist wie ich ein echter Mann. Das gefällt mir. Dennoch bin ich der Dominante und du der Devote. So nun mein Vorschlag: Ich werde mich zurückhalten und dir nicht im Wege stehen. Dasselbe gilt dann aber auch umgekehrt. Ich mache dir keine Szene und du mir keine, in der Öffentlichkeit jedenfalls. Damit meine ich, du stellst mich nicht bloß und ich dich nicht. Das ist mir sehr wichtig. Sowas klären wir unter vier Augen, sobald wir allein sind. Einverstanden?“ „Was meinst du mit „eine Szene machen“?“, fragte der Kleinere misstrauisch nach. „Zum Beispiel beim Kämpfen. Ich stelle mich da nicht vor dich und spiele den überfürsorglichen Beschützer, dafür schimpfst du nicht vor den Augen der anderen mit mir, wenn ich etwas mache, was dir nicht gefällt. Das hat, so empfinde ich jedenfalls, nichts in der Öffentlichkeit zu suchen. Das ist eine Sache zwischen uns und geht nur uns etwas an.“ Langsam nickte der Schwarzhaarige und sagte: „Einverstanden. Deal.“ „Deal“, echote Kamden und hielt seinem Freund die Hand hin. Dieser schlug ein. „Aber ein Wort zur Warnung. Das gilt nicht, wenn dir jemand wirklich weh tut; dann mache ich Gehacktes aus der Person.“ „Dann darf ich dich aber aufhalten, wenn du zu weit gehst.“ „Oh, du lernst das Spiel so langsam“, scherzte Kamden und erklärte sich zu diesen Ausnahmen einverstanden. „Noch was?“ „Im Moment nicht“, sagte Embry und unterdrückte ein Gähnen. „Na dann komm, ab ins Bett mit dir“, sagte Kamden, stand auf und hielt seinem Freund die Hand hin. Dieser sah kurz auf die angebotene Hand. Er seufzte und ließ sich hochziehen. Sie standen sich so nahe, dass sie die Wärme ihres Gegenüber spüren konnten. Langsam und vorsichtig sagte der Größere: „Ich werde nichts tun was du nicht willst, aber ich werde nicht zurückweichen.“ „Hm…“, brummte Embry und dachte mit trägen Gedanken nach. Die Nähe zu seinem Freund gefiel ihm. Zudem hatte er gesehen wie Isaak und Jake miteinander umgingen. War es denn so falsch schwul zu sein? „Was würdest du gerne machen?“ „Dich umarmen und dir einen Kuss geben“, gestand Kamden sofort. „Und warum machst du es nicht?“ „Weil ich es dir versprochen habe. Außerdem bin ich der Ältere und habe schon mehr Erfahrungen als du in Sachen Beziehung. Deshalb werde ich warten, bis du soweit bist“, erklärte sein Freund mit sanfter Stimme. „Was, wenn ich gegen eine Umarmung nichts einzuwenden hätte?“, fragte Embry vorsichtig. Anstelle einer Antwort machte Kamden genau das, was ihm Isaak geraten hatte. Er breitete die Arme aus und grinste den Kleineren lieb an. Embry lief rot an und wollte sich abwenden, konnte aber nicht. Ohne es wirklich zu wollen überbrückte er die kurze Distanz zwischen ihnen und schlang die Arme um die breite Brust seines Freundes. Dieser legte ihm sehr sanft ebenfalls die Arme um und brummte zufrieden. Alle Anspannung fiel von dem Schwarzhaarigen ab und er seufzte. Dann nahm er bewusst den Geruch seines Gegenüber wahr und verstärkte die Umarmung. Unsicher murmelte er dabei: „Das ist schön.“ Kamden brummte, sagte aber nichts. Er ließ eine Hand zu den Haaren seines Freundes gleiten und kraulte ihn behutsam. Nun brummte Embry wohlig auf. „Das gefällt mir“, gestand er leise. Sanft hauchte Kamden: „Ich weiß, mir auch.“ Den Atem des anderen an seinem Ohr zu spüren ließ ihn erschaudern. Er drückte sich etwas von seinem Freund weg und sah diesem tief in die dunkelbraunen Augen. Darin lag so viel Wärme, dass er einen Augenblick einfach hin und weg war. Unwillkürlich musste er schlucken. Dann beugte er sich vor und drückte seine Lippen hauchzart auf ihre Gegenstücke. Kamden brummte erneut zufrieden auf, schloss die Augen und bewegte ganz sanft seine Lippen gegen die seines Freundes. Diesem fielen ebenfalls die Lider zu und er konzentrierte sich ausschließlich auf diesen zarten unschuldigen Kuss. Es war ein seltsames Gefühl. Embrys Lippen kribbelten, so als ob sie Stromschläge bekommen würden. Sein Magen machte Purzelbäume und schien zwischendurch mit Schmetterlingen gefüllt zu sein. Zudem breitete sich eine Wärme, ausgehend von dem Kuss, in seinem ganzen Körper aus. Sein Herz pochte ihm bis zum Hals und er spürte, dass sein Gesicht brannte, als ob er es in einen heißen Backofen gesteckt hätte. Dennoch konnte er den Kontakt unter keinen Umständen unterbrechen. Und dann der Kuss selbst. Einmal hatte er ein Mädchen geküsst und prompt eine Ohrfeige kassiert. Das war noch bevor sein Wolfsblut erwacht war. Der Kuss damals war nicht mal annähernd vergleichbar mit diesem. So hatte er sich einen richtigen Kuss immer vorgestellt. Er wusste nicht ob es einen Unterschied ausmachte, ob man einen Mann oder eine Frau küsste, auch weil er nie im Leben daran gedacht hätte einen Mann zu küssen, aber diesen Kuss mochte er. Sein Gegenüber überforderte ihn nicht und war auch nicht so wild und stürmisch, wie er es bei Jake gesehen hatte. Dieser hatte sich einen Kuss geraubt, anders konnte man es nicht ausdrücken. Er war rabiat und hart gewesen. Zugegebenermaßen auch voller Zuneigung, aber mit dem Verlangen, fast schon der Gier, nach mehr. Embrys Kuss mit Kamden war gänzlich anders. Dieser steckte so voller Gefühl und war ohne Hintergedanken. Zudem waren die fremden Lippen so weich und zart, wie er sie sich immer bei einer Frau vorgestellt hatte. Mit geschlossen Augen hätte er auch fast meinen können, eine Frau zu küssen, wäre da nicht der starke männliche Geruch seines Gegenüber gewesen. Zu seinem Erstaunen allerdings störte ihn dieses Aroma nicht. Nein, ganz im Gegenteil, er fand es anziehend, fast schon berauschend. Und da war dann auch noch die Hand, die sein Haar kraulte. Das war fast schon zu viel des Guten. Nach einer schieren Ewigkeit, so fühlte es sich für Embry jedenfalls an, löste sein Freund den Kuss und zog sich etwas zurück. Dann legte Kamden ihm den Kopf auf die Schulter und verstärkte die Umarmung ein wenig. Gerührt sagte der Brünette: „Danke, mein Kleiner. Das war besser als ich es mir hätte vorstellen können. Mit so viel Gefühl wurde ich noch nie geküsst. Weder von einem Mann noch von einer Frau.“ Embry zog es vor zu Schweigen. Was hätte er auch sagen sollen? Ja, der Kuss war schöner als mein Erster? Oder, zumindest habe ich diesmal keine Ohrfeige bekommen? Laut über seine Gefühle zu reden, kam ebenso nicht in Frage. Er war ein Mann, ein Krieger, ein Wolf. Solche Leute trugen ihr Herz nicht auf der Zunge. „Du musst gar nichts sagen. Ich verstehe dich auch so“, gestand Kamden und erlaubte sich ein sanftes Grinsen. „Aber nur zu Info, meiner Erfahrung nach küssen Männer anders als Frauen. Männer sind rabiater und verlangender. Frauen eher zurückhaltend und zart.“ Embry knurrte und fragte: „Und was soll das jetzt heißen? Dass ich wie eine Frau küsse?“ „Wenn dem so ist, dann ich doch wohl auch?“, scherzte der Größere. „Nein, dieser Kuss ist nicht mal annähernd vergleichbar mit meinen bisherigen Erfahrungen. Ich würde sagen, ein höheres Level. Keine Ahnung. Eben etwas Unvergleichbares. Meine Lippen sind immer noch leicht taub.“ Sein Freund grollte ein wenig und gab dann zu: „Meine auch.“ Kamden lächelte wie blöde und löste ihre Umarmung. „So, nun aber ab ins Bett mit dir. Du bist müde. Ich kann es spüren.“ Nachdem sie sich getrennt hatten, warf Kamden einen sehnsüchtigen Blick auf die Hand seines Gefährten. Wie schön es wäre, nach dieser zu greifen und ihre Finger zu verschränken. Er seufzte und schloss die Augen. Denk an was anderes, ermahnte er sich selbst. Du machst deinem Partner Angst. Er zuckte zusammen als er etwas an seiner Hand spürte. Schnell sah er an sich hinab und bekam fast einen Herzanfall. Embry hatte nach seiner Hand gegriffen und ihre Finger verschränkt. Mit leicht geöffnetem Mund und ungläubiger Miene sah der Größere auf. Sein Freund sah beschämt zu Seite und war knallrot im Gesicht. „Warum?“, brachte Kamden atemlos heraus. „Du wolltest es doch, oder?“, fragte Embry scheu und wollte sich schon lösen, als der andere zupackte und ihn festhielt. „Danke, mein Kleiner“, lächelte der Braunhaarige breit. „Du verwöhnst mich ja. Daran könnte ich mich gewöhnen.“ Er konnte es einfach nicht lassen und streichelte sanft den Handrücken seines Freundes mit dem Daumen. Dieser stammelte: „Das habe ich aber nicht erlaubt.“ Trotz seiner Worte tat er es dem Brünetten gleich. „Künstlerische Freiheit“, feixte Kamden und zog seinen Freund zum Ausgang. Schnell spähte er in den Korridor. Für Embry wäre es wohl noch zu viel gewesen, wenn sie einer so sehen würde. Keiner zu sehen. Erleichtert ließ er die Luft entweichen. Er wollte nicht loslassen, dennoch hätte er es getan, seinem Gefährten zuliebe. Nun war er aber froh es nicht tun zu müssen. Dann setzten sie ihren Weg schweigend fort. Embry wusste nicht, ob er auf die Gedanken des anderen reagieren sollte und entschied still zu sein. Diesen neuen Kamden mochte er und vor dieser Version hatte er auch keine Angst mehr. Vor der Tür zum Zimmer des Schwarzhaarigen blieben sie stehen. Widerwillig löste Kamden ihre Hände, beugte ich vor und hauchte dem Kleineren einen Schmetterlingskuss auf die Lippen. „Geh doch schon mal rein, ich komme gleich nach“, murmelte der Brünette und verschwand, bevor sich Embry von dem Überfall erholen konnte. Schnell zog dieser sich in seinen Raum zurück und zermarterte sich das Hirn, was sein Freund wohl ausheckte. Er hatte sich gerade auf das Bett geworfen, als die Tür aufging und ein Stoffberg hereinkam. „Was zum…“, begann Embry und sah zu wie Kamden seitlich an dem Haufen vorbeilugte. „Mein Schlafplatz“, erklärte der Brünette. Mit offenem Mund schaute der Kleinere zu, wie sein Freund zwei Decken auf dem Boden zurechtrückte. „So, willst du zuerst ins Bad oder soll ich?“, fragte Kamden als er fertig war und sah auf. Er begutachtete das Gesicht des anderen und stichelte: „Was? Soll ich etwa auf dem nackten Boden schlafen? Du bist echt herzlos, mein Kleiner.“ Anschließend ging er fröhlich pfeifend ins Bad. Embry sah von der offenen Badezimmertür zu der Schlafstätte und wieder zurück. Das hatte er nicht erwartet. Er war fest davon ausgegangen, dass Kamden sich einfach mit auf das Bett legen würde, es dann zu einem Streit käme und er ihn rauswerfen würde. Aber nun wusste er nicht, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Wenig später kam der Größere zurück und warf sich auf die beiden Decken am Boden. „Ok, nach meinem Verhalten bisher, habe ich es wohl verdient, dass du so schlecht von mir denkst. Ich hoffe, ich kann dich vom Gegenteil überzeugen.“ Als Embry sich immer noch nicht rührte und ihn, nur mit einer dunkelblauen Boxershorts bekleidet, anstarrte, wobei sein linkes Auge ein wenig zuckte, sagte er sanft: „Wie wäre es, wenn du deine Grübeleien auf Morgen verschiebst, deinen hübschen Hintern ins Bad bewegst, dich bettfertig machst und wir einfach schlafen? Bin wolfsmüde.“ Bei dem letzten Wort gähnte er ausgiebig. Daraufhin setze sich Embry mechanisch in Bewegung. Nach etwa einer Minute betrat er wieder das Schlafzimmer. Kamden hatte sich zu einer Kugel zusammengerollt und schien bereits zu schlafen. Leise tapste der Kleinere zum Bett und legte sich hin. Das Licht ging von selbst aus und Embry entspannte sich. Er spürte, wie sich ihm etwas näherte und fuhr herum. Kamden lugte über den Bettrand. Mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht fragte er: „Willst du einen Gutenachtkuss?“ Embry wusste nicht mehr wo oben und unten war. Da lag ein Kerl neben seinem Bett, mit dem er offenbar zusammen war und fragte seelenruhig, ob er einen Kuss wollte. Er dachte an ihren ersten Kuss und beugte sich stumm vor. Reden konnte er eh nicht mehr. Dafür ging ihm gerade zu viel im Kopf rum. Als sich ihre Lippen berührten, fegte das all seine Gedanken hinfort. Nur dieser Augenblick und dieser zweite, so unschuldig zarte, aber gefühlvolle Kuss zählte noch. Er war regelrecht enttäuscht als Kamden den Kuss beendete und sich wieder auf seine Schlafquartier sinken ließ. „Gute Nacht, mein Kleiner“, flötete dieser außerhalb seines Blickfeldes. Embry druckst kurz rum und sagte ebenfalls: „Gute Nacht.“ Dann robbte er in die Mitte des Doppelbettes und schloss die Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)